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3. Die frühe Laufbahn des nordafrikanischen Senators
ОглавлениеSeptimius Severus hatte im Verhältnis zu den nordafrikanischen Voraussetzungen eine exzellente Ausbildung erhalten, die ihn in den Augen des Marcus Aurelius zum zukünftigen Senatoren qualifizierte. Seine jugendlichen Ambitionen, die er im Kreis seiner Familie ausgebildet hatte, erfuhren mit dieser sozialen Aufwertung einen positiven Widerhall, die ihm die Gelegenheit bot, seine persönlichen Qualitäten sozusagen im Blickfeld des Kaisers unter Beweis zu stellen. Die Konkurrenz schlief jedoch nicht, so dass es auch eines ausgedehnten Beziehungsgeflechtes bedurfte, das ihn in seinem Karriereverlauf positiv beim Kaiser in Erinnerung hielt. Selbst die Bekleidung der niedrigeren Magistraturen konnte nämlich bei der alljährlich anstehenden Bewerbermenge zu einem ersten Hindernis werden, so dass sich eventuell eine gewisse Verzögerung im anfänglichen Karrierestadium einstellte. Außerdem wollte sich ein ehrgeiziger Jungsenator wie Septimius Severus ursprünglich weiteren Studien hingeben, so dass er die Rechtspraxis in Rom sozusagen als Praktikum für die erste niedere Karrierestufe persönlich in Augenschein genommen hat. Während der römischen Republik betätigten sich bereits Senatoren- und Rittersöhne als junge Advokaten am Gericht, um sich auf diese Weise die ersten Sporen zu verdienen und den eigenen Namen mit einem dünnen Ruhmreif zu versehen. Am Abend galt es dann auch für Septimius Severus, mittels seiner verwandtschaftlichen Kontakte bei möglichst vielen Gesellschaften einflussreicher Stadtrömer aus dem Senatoren- und Ritterstand präsent zu sein und für seine eigene Person durch kluge und gewandte Rhetorik, geistreichen Witz und literarischen Esprit ein positives Renommee zu kreieren.
Gesellschaftlicher Mittelpunkt waren selbstverständlich die Diners des Kaisers. Eine Einladung zu einer Hofsoiree vermittelte per se den Eindruck, zum weiteren und engeren Zirkel der römischen Führungselite zu gehören, und gerade bei einem hoffnungsvollen Karriereaspiranten wie dem jungen Septimius Severus entstand wohl dieses Gefühl, Mitglied einer auserlesenen Gruppe zu sein. Aelius Spartianus, der Biograph der Historia Augusta, kleidet seine Anwesenheit mit Vorzeichen über das zukünftige Kaisertum des Septimius Severus aus: So soll er in unangemessener Kleidung am Hof erschienen sein, so dass man ihm eine kaiserliche Galatoga als Ersatz zur Verfügung gestellt hat. Ein anderes Mal soll er sich auf den kaiserlichen Stuhl platziert haben, den ein Sklave verstellt hatte.27 Garniert wird diese Passage durch den Traum des Septimius Severus, er habe an den Zitzen der Wölfin wie einst Romulus und Remus gesaugt, oder durch die Geschichte, dass sich eine Schlange bereits um dem Hals des Schlafenden wand, ihn aber verschonte.28 Ist das alles nichts als ein Gespinst an Vorhersagen, die Septimius Severus durch seinen ausgeprägten Glauben an Omen und Träumen selbst in seine Autobiographie lanciert hatte? Die beabsichtigte Wirkung auf die Leserschaft konnte jedoch nur erzielt werden, wenn sie die Lokalität dieser Erscheinungen für realitätsnah hielt. Aus dem Grund entspricht es durchaus der frühen Zeit des Septimius Severus in Rom, dass er mit seiner senatorischen Würde auch zum Gast von Hofgesellschaften auserkoren wurde.
Ein gerade gekürter Senator wird es jedoch besonders vermeiden, einen Fauxpas zu begehen, wie beispielsweise die Benutzung des kaiserlichen Stuhls, das als positives Zeichen umgedeutet wurde. Eher war Septimius Severus bestrebt, als Neuling einen guten Eindruck beim Kaiser zu hinterlassen und sich als integriertes Mitglied des Senatorenstandes zu präsentieren, der mit den höfischen Etiketten bestens vertraut war. So tummelte er sich tagsüber in den Gerichtsorten Roms und besuchte abends die Gesellschaften seiner näheren und entfernteren Verwandten, der neuen Freunde und Bekannten. Für einen Mann seines Alters klingt eine derartige Lebensführung allerdings zu karriereorientiert, schließlich lernte er ja auch Damen der besten römischen Gesellschaft kennen. Man könnte viel hineininterpretieren in die Aussage, dass seine Jugend von „Irrungen und Wirrungen“ nicht frei war, zumal sie gleich auch mit Gerichtsverfahren in Verbindung gebracht wird, die an einem Prozess wegen Ehebruchs für den jungen Septimius Severus exemplarisch belegt werden.29 Amouröse Hintergründe zeichnen sich ab, die während seines Aufenthaltes in Rom mit Sicherheit existierten, unter welchen Umständen und mit welchen Damen auch immer. Unsere Quellen spielen auf eine homosexuelle Beziehung in der Jugendzeit an, kein sicheres Indiz, denn es besteht eine literarische Tradition, die frühere historische Figuren und jetzt eben auch Septimius Severus mit dieser in der römischen Gesellschaft verpönten sexuellen Orientierung in Verbindung bringt. Insgesamt darf man bei seiner Person von einer dominierenden heterosexuellen Präferenz ausgehen, wenn man seine beiden Ehen bedenkt.
Aus diesen wenigen Handreichungen der antiken Überlieferung zeichnen sich die Konturen eines Lebensstils ab, dessen Art und Weise auch in Bezug auf Septimius Severus an das Verhalten einer Jeunesse dorée im Rom des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts erinnert: Er war in jungen Jahren zum breiten Purpurstreifen eines Senators gekommen, so dass er zur kommenden Avantgarde zählte, ohne bisher in die kaiserliche Karriere eingestiegen zu sein. Langweilige Diners wechselten sich offenbar mit szeneartigen Vergnügungen der stadtrömischen Führungsschicht ab, die auch Septimius Severus ab und zu in Kontakt mit dem Gerichtswesen brachten. Dennoch verlor er während dieser Zeit des Austobens nicht die Möglichkeit zur politischen Laufbahn aus den Augen, sei es nun eher aus eigenem Antrieb oder durch verwandtschaftliches Drängen. Möglicherweise hat ihm schon der gewesene Konsul des Jahres 160, Gaius Septimius Severus, der mittlerweile als Legat der Provinz Germania inferior fungierte, bald nach der Ankunft in Rom ein Militärtribunat in Aussicht gestellt. Es konnte jedoch auch sein, dass in den folgenden Jahren weder dieses Militärtribunat noch andere für Septimius Severus frei wurden, da die vorherigen Amtsinhaber länger tätig blieben und auch manche Legionen in den Krieg im Osten eingriffen. Aelius Spartianus vermerkt jedenfalls lapidar, dass Septimius Severus das Militärtribunat ausließ.30
Es stellt sich dennoch die Frage, ob er seit seiner Erhebung in den Senatorenstand, die 162 erfolgt sein dürfte, ebenso wie sein Bruder Geta einen Posten im Zwanzigmännerkollegium eingenommen hat. Einen exakten Beleg gibt es nicht, dennoch wird das Jahr 164 für diese Funktion des Septimius Severus veranschlagt.31 Das eigentliche Amt ist ebenso wenig bekannt, auszuschließen ist die Tätigkeit eines Münzmeisters (triumvir monetalis) innerhalb des Kollegiums, die eher den Nachkommen patrizischer Familien vorbehalten war. Mit dieser genommenen Hürde sicherte sich Septimius Severus in der Hinsicht ab, dass er für die Quästur per Wahl auserkoren werden konnte, das ausgelassene Militärtribunat war für dieses Amt keine conditio sine qua non. So verbrachte er das Jahr 164 auf der untersten magistratischen Ebene eines Senators, aber mit der Gewissheit, das Fundament seiner Karriere gelegt zu haben.
Seine weitere politische Laufbahn wurde ab 165 von bekannten und unabsehbaren Faktoren gelenkt: Für die Bekleidung der nächsten Amtsstufe, der Quästur, bestand mittlerweile das geforderte Mindestalter von 25 Jahren. Da eine Bewerbung erst im 25. Lebensjahr erfolgen konnte, nahm Septimius Severus frühestens im Jahr 169 eine Kandidatur in Angriff. Nach seiner Mitgliedschaft im Zwanzigmännerkollegium standen ihm also keine großen Herausforderungen bevor, zumal er auf den Ausflug in die militärische Sphäre verzichtet hatte. Rechtspraxis sammeln, soziale Kontakte jeglicher Art pflegen und sich der Literatur und anderen Studien hingeben: ein mithin unbeschwertes Leben voller Muße und gelehrigem Zeitvertreib müssen ihm diese Tage des Jahres 165 beschert haben. Auch der in Rom verbliebene Kaiser Marcus Aurelius hörte von der östlichen Reichsgrenze Siegesmeldungen über die Parther, denn im Jahr 165 gelang den römischen Legionen die Eroberung der Stadt Seleukeia am Tigris und der Hauptstadt Ktesiphon.
Der Ausbruch der Beulenpest, die die römischen Legionäre in Seleukeia zuerst erlebten, lähmte jedoch jegliche römische Offensivkraft noch im Herbst desselben Jahres. Die medizinische Hilflosigkeit gegenüber dieser Katastrophe veranlasste die römischen Kommandeure, die überlebenden Heereseinheiten aus dem Kriegsgebiet abzuziehen, und zwar über Land. So breitete sich die Epidemie umso schneller in Kleinasien, Griechenland und auf der italischen Halbinsel im Gefolge der durchmarschierenden Legionen aus. Die Hiobsbotschaften aus den betroffenen Städten und Regionen des Reiches müssen wie ein Lauffeuer bis in die Hauptstadt vorgedrungen sein, der Tod bedrohte die Menschen, ob arm oder reich, in seinem schrecklichsten Ausmaß. Städte wurden zu regelrechten Ansteckungsherden, so dass diejenigen Römer, die ein Landgut besaßen, auf ihre Besitztümer fuhren. Die Furcht vor der Ansteckung begleitete die Stadtflüchtigen, aber die beiden Kaiser konnten sich in dieser schweren Stunde nicht einfach aus ihrer Zentrale entfernen. Demonstrativ haben Marcus Aurelius und Lucius Verus im Oktober 166 gemeinsam einen Triumph gefeiert, der in dieser Situation eher zur Stärkung der öffentlichen Moral gedient hat (Abb. 7).
Auch der junge Senator Septimius Severus wird wohl dem Spektakel beigewohnt haben. Er logierte zu diesem Zeitpunkt entweder in seiner Wohnung in Rom oder auf seinem Familienlandgut in der Nähe von Veji. Da es unter Marcus Aurelius vorgeschrieben war, dass ein Senator ein Viertel seines Vermögens in Landbesitz auf der italischen Halbinsel investieren musste, könnte Septimius Severus noch anderweitig eine Immobilie mit Land besessen haben. In welcher Region er sich auch aufhielt, die Epidemie war allgegenwärtig und streckte ihm mehr oder minder bekannte Senatoren nieder. Eine längere Abwesenheit konnte ihn auch nicht die Quästur kosten, so dass er den Entschluss fasste, in die nordafrikanische Heimat zurückzukehren.
Leptis Magna, der Besuch im Elternhaus und das Wiedersehen mit Freunden aus seiner Kindheit bildeten eine unbeschwerte Abwechslung für den römischen Senator. Er galt als stattlicher und politisch vielversprechender Mann in seiner Heimat, so dass sich auch seine soziale Position bei den Banketten verändert hatte. Sein Aufenthalt in Rom machte ihn zu einem Senator mit Zugang zum kaiserlichen Hof, so dass er nun als Repräsentant der Macht in den heimatlichen Zirkeln begrüßt und empfangen wurde. Diese Form der Ehrerbietung stärkte sein Ego, das damit aus jugendlichen Sozialisationsbahnen herauswuchs. Für die nordafrikanische Damenwelt gewann seine Erscheinung damit an Bedeutung, er wurde sicherlich als ein begehrter Junggeselle betrachtet. Septimius Severus ließ sich auf keine feste Beziehung ein, sondern unterhielt vielmehr ein Liebesverhältnis zu einer verheirateten Frau, das ihm eine öffentliche Anklage vor dem Prokonsul Salvius Iulianus im Jahr 168 oder 169 einbrachte.32 Dieser Prozess schadete seinem guten Leumund, aber er konnte seine Unschuld vor Gericht beweisen.
Abb. 7: Kaiser Lucius Verus.
Der Vorfall entschwand auch nicht so ohne weiteres aus dem Gedächtnis der Zeitgenossen, so dass es für Septimius Severus vielleicht ganz günstig war, dass er sich um die politische Karriere in Rom kümmern musste. Jedenfalls konnte er mit weißer Weste dorthin zurückkehren und sich offiziell um die Quästur des Amtsjahres 170 oder 171 bewerben. Es lag in den Händen des Senats, seine neuen Mitglieder auszuwählen, die automatisch mit der Bekleidung dieses Amtes in das Gremium aufgenommen wurden. Die historischen Umstände förderten sein Begehren: Die Pest hatte potentielle Konkurrenten aus den Vorjahren zum Teil dezimiert. Seitdem an der Donaufront hereinbrechende Völker bis nach Venetien vorgedrungen waren, starben durch die Beanspruchung aller umliegenden Legionen seit 166 auch mehr mitkämpfende Militärtribunen. Unter diesen Voraussetzungen erlangte Septimius Severus offenkundig im Jahr 170 oder 171 die Designation zur Quästur, die er offiziell bereits am 5. 12. des Amtsjahres antrat. Es muss ein erhabenes Gefühl für Septimius Severus gewesen sein, als er daraufhin zum ersten Mal als einer der 600 Senatoren die Kurie zur Sitzung betreten hat.
Die militärische Entwicklung an der Donaufront sollte auch die Quästur des vollwertigen Senators Septimius Severus begleiten. Seitdem im Jahr 168 die beiden Kaiser in der Nähe der Donau die militärischen Operationen gegen die Markomannen leiteten, musste ihnen auch ein Quästor in Rom den Rücken freihalten. Seine Aufgaben wurden ihm formal vom Senat übertragen, der Kaiser legte jedoch vorab die Details fest. Eine direkte Tätigkeit für den Kaiser ist nicht überliefert, ebenso wenig für die Konsuln, deren Quästoren im cursus honorum durch besondere Titulatur gekennzeichnet wurden. In so bedrohlichen Zeiten könnte Septimius Severus durchaus mit der Durchführung von Spielen zu einem bestimmten Termin betraut worden sein, um die hauptstädtische Plebs durch normale Verhältnisse abzulenken.
Seit den Zeiten der Republik hatte Nordafrika als Reservoir für wilde Tiere herhalten müssen, die in den Arenen Roms um ihr Leben kämpften. Septimius Severus musste die Rekrutierung einer gewissen Anzahl von Gladiatoren für den Markomannenkrieg ausgleichen, und zwar mit Hilfe seiner lokalen Beziehungen. Noch im Jahr 169 war Lucius Verus nach seiner Rückkehr in Rom an einem Gehirnschlag gestorben, Begräbnis und Leichenfeier vollzog der alleinige Kaiser Marcus Aurelius. Die spektakuläre Versteigerung kaiserlichen Inventars, die er anschließend auf dem Forum Trajans durchführen ließ, diente den Rüstungen für den Kampf an der Donaufront. All diese Ereignisse erlebte der Senator Septimius Severus wohl als Augenzeuge, bevor er seine Quästur antrat.
Die Offensive des Marcus Aurelius schlug im Frühjahr 170 fehl, vor allem durch die Niederlage der römischen Truppen im diesseits der Donau gelegenen Dakien. Die Verteidigung der Donaufront wies so große Lücken auf, dass Sarmaten tief nach Griechenland einfallen konnten. Im Jahr 171 erreichten die Markomannen Oberitalien und bedrohten Verona. Die Verluste trafen auch die Offiziersränge, so dass in dieser kritischen Phase des Reiches Anwärter für die Quästur fehlten. Für eine reibungslose Provinzialverwaltung konnte jedoch nicht auf Quästoren verzichtet werden, so dass wohl auf kaiserliche Order hin gewisse Amtsinhaber befragt wurden, ob sie in dieser Notlage ein zweites Amtsjahr absolvierten. Zum einen konnte sich niemand dem Anliegen des Kaisers verschließen, zum anderen versprach die pflichtbewusste Erfüllung eines zweiten Amtsjahres gute Aussichten auf einen weiteren Aufstieg in der politischen Karriere. Septimius Severus wurde durch das Los mit der Quästur in der hispanischen Provinz Baetica betraut, die regional weitgehend mit der Landschaft Andalusien identisch war. Er hatte sein Amt bereits angetreten, als ihn die Nachricht über den Tod seines Vaters ereilte. Der vorgesetzte Prokonsul entließ ihn für die Regelung der häuslichen Umstände aus seinem Dienst, so dass er nach Leptis Magna reisen konnte. Dort traf er sicherlich seinen Bruder Geta und seine übrige Familie, um die traurige Aufgabe des Begräbnisses und die Vollstreckung des Testaments durchzuführen.
Das Verhältnis zwischen beiden Brüdern blieb auch nach der Aufteilung des väterlichen Erbes ungetrübt, wie man den späteren Ereignissen entnehmen kann. Diese familiären Angelegenheiten haben einige Zeit in Anspruch genommen, so dass währenddessen maurische Scharen in der Straße von Gibraltar übersetzten und die Baetica mit einem Raubzug verheerten, ohne dass die einzige Legion auf der iberischen Halbinsel von ihrem Standquartier bei León helfend eingreifen konnte. Die unsichere Situation im Süden der iberischen Halbinsel hielt noch längere Zeit an, so dass Septimius Severus auch aus Sicht der kaiserlichen Zentrale seine Amtspflichten nicht ungefährdet angehen konnte. Die Provinz Baetica lag im Zuständigkeitsbereich des Senats, der aber keine militärischen Kräfte in der Hand hatte. Marcus Aurelius tauschte wie in früheren Fällen eine kaiserliche Provinz, jetzt Sardinien, gegen die Baetica ein, um die Ordnung herstellen zu können. Für Septimius Severus wurde angeordnet, dass er auf der Insel Sardinien seine zweite Quästur im Jahr 171 oder 172 absolvieren sollte.
Die getreidereiche Insel galt besonders im Sommer als ungesunder Ort,33 aber Septimius Severus trug keinen akuten Schaden davon; Informationen über seine dortige Amtsperiode liegen nicht vor. Die Lage der Insel ermöglichte ihm allerdings leichter als bei anderen Posten im römischen Provinzialgebiet, mit Verwandten und Freunden in Rom leidlich engen Kontakt aufrechtzuerhalten. So wurde er auch über die Entwicklung an der Donaufront und die kaiserlichen Anordnungen für Rom und das übrige Reich durch die Konsulare aus dem Geschlecht der Septimier mehr oder minder detailreich unterrichtet. Der ungebrochene familiäre Zusammenhalt sollte ihm nach der Vollendung seiner zweiten Quästur im Jahre 172/73 helfen, vor der nächsten Karrierestufe, die entweder das Amt eines Volkstribunen oder Ädilen bereit hielt, weitere Erfahrung in der Provinzialverwaltung zu sammeln.
Wie nachhaltig die lokal immer wieder aufflackernde Pest oder der verlustreiche Krieg an der Donaufront auch die Reihen der Konsulare gelichtet hatte, deutet die Berufung des Konsuls des Jahres 160, Gaius Septimius Severus, auf das Prokonsulat für die Provinz Africa an. Seine nordafrikanische Herkunft erleichterte ihm die Eingewöhnung in den zukünftigen Amtsbereich, so dass seine Ernennung auch von dieser Seite ihren Sinn erhält. Der angesehene Konsular zögerte offenbar keinen Augenblick, an seinen Großneffen Septimius Severus das Angebot zu richten, ihm als legatus pro praetore zur Seite zu stehen. Dieser Posten, der doppelt besetzt wurde, beinhaltete die Übernahme administrativer Aufgaben des Statthalters, wenn er anderweitig tätig war. Man darf von einer inoffiziellen Funktion als Stellvertreter des Statthalters sprechen, die auch seine jurisdiktionellen Kompetenzen umfassen konnte. Septimius Severus nahm die Legatur an, die ihn in den Jahren 173/74 zum zweit- beziehungsweise drittwichtigsten zivilen Offiziellen in der Heimatprovinz Africa aufsteigen ließ.
Die Provinzkapitale Karthago beherbergte alle administrativen Einrichtungen, so dass die Septimier nach der Landung ihr Quartier in dem vor Ort zur Verfügung gestellten Privatareal einnahmen. Es ist nicht auszuschließen, dass Septimius Severus durch frühere familiäre Reisen die Stadt bekannt war, die nach ihrem Wiederaufbau ein Ensemble an typischen römischen Bauten erhalten hatte. Unter Marcus Aurelius wurde diese Stadt besonders mit Repräsentativprojekten verschönert,34 eine Beaufsichtigung der kaiserlichen Bauvorhaben gehörte möglicherweise auch in den Aufgabensektor des Statthalters und seiner Stellvertreter.
Das großstädtische Gepräge, das Karthago in seiner Bedeutung als nordafrikanisches Zentrum an die Seite von Alexandria stellte, musste auch dem Legaten Septimius Severus das Gefühl vermitteln, dass er auf seinem zentralen Provinzialposten eine gehörige Portion an ziviler Macht repräsentierte, und zwar im Vergleich zu seinem untergeordneten Dasein als Quästor auf der eher zweitrangigen Insel Sardinien. An Gerichtstagen nahm er neben dem Großonkel seinen Platz ein, so dass er auch von ihm bei manchen Fällen zur Urteilsfindung konsultiert wurde. Es ist unwahrscheinlich, dass Septimius Severus an der Expedition einer gemischten militärischen Einheit beteiligt war, die den Stämmen außerhalb der Provinz die bestehende Abhängigkeit von der römischen Suprematie ins Gedächtnis einprägen sollte.35
Sein Aufgabenbereich umfasste auch öffentlich-repräsentative Auftritte entweder als Stellvertreter oder im Gefolge seines Großonkels in den einzelnen Regionen der Provinz. Beide hegten eine enge Verbundenheit mit der Heimatstadt Leptis Magna, die wiederum innerhalb ihrer Honoratiorenschicht stolz auf ihre einflussreichen „Stadtkinder“ war. Eine gewisse bevorzugte Behandlung konnte auch für Leptis Magna nur Vorteile bringen, so dass man sich innerhalb der Honoratioren entschloss, einen Ehrenbogen zu finanzieren (Abb. 8).36
Abb. 8: Ehrenbogen für Kaiser Marcus Aurelius in Leptis Magna während der Legatur des Septimius Severus.
Beide Namen der Geehrten werden explizit genannt, sozusagen als Beweis für die urbane Nachwelt, welche Bedeutung und Ehre ihnen damals zukam. Der knapp dreißigjährige Septimius Severus meinte nicht zuletzt auch wegen dieser lokalen Würdigung, aufgrund seines Postens eine besondere Achtung verdient zu haben. In diesem Kontext ist folgender Vorfall zu bewerten: Als er offiziell – also mit den Liktoren als Zeichen seiner Magistratur – daherkam und ihn ein Spielkamerad der Kinderzeit, der ihn erblickt hatte, spontan umarmte, ließ er den Mann ergreifen und mit Stockhieben züchtigen; außerdem sollte ein Herold verkünden, dass kein Plebejer einen Legaten des römischen Volkes umarmen dürfe. In Zukunft fuhr er in einem Wagen, bisher hatte er sich per pedes in der Öffentlichkeit fortbewegt.37 Die harsche Reaktion des Septimius Severus soll seine Neigung zu Arroganz und Jähzorn belegen.38
Es ist sicherlich überzogen gehandelt, dass man einen Jugendfreund für seine überschwängliche Freude des Wiedersehens gleich auspeitschen lässt. Der Vorfall verweist aber auch auf eine Persönlichkeitsentwicklung des Septimius Severus: Der Aufstieg in den Senatorenstand und die Bekleidung bestimmter Magistraturen haben sein Selbstverständnis als Repräsentant römischer Machtstrukturen ausgebildet. Deren Würde und Geltung stellte er über emotionale Regungen bezüglich der gemeinsamen Kindheit, die er gegenüber dem Jugendgefährten entweder unterdrückte oder hintanstellte. Septimius Severus handelte im Stil eines Magistrats, der trotz oder vielleicht gerade wegen seiner nordafrikanischen Herkunft auf die Wirkung und Unantastbarkeit der römischen Beamten in seiner Heimat sehr viel Wert legte. Sein Verhalten zeugt von einer völligen Identifikation mit den römischen Institutionen, die gänzlich ein unumstößliches Fundament seiner selbst geworden sind.
Diese Episode vermittelt den Eindruck, dass er sich als Teil des römischen Herrschaftsapparates verstand, der ohne Reue seine nordafrikanisch-punische Identität in den Hintergrund drängte. Die soziale Abgrenzung gegenüber den Plebejern und die verschärfte Durchsetzung von Disziplin, die die Provinzialen in Zukunft auch gegenüber den Legaten einhalten sollten, stützen die Einschätzung seiner Persönlichkeitsmerkmale, die einen gefestigten Charakter mit klaren Präferenzen anzeigen.
Der spätantike Biograph Aelius Spartianus streut in seinen Abriss über die frühe Karriere die Heirat zwischen Septimius Severus und seiner ersten Frau nach ihrer Rückkehr in Rom ein.39 Der Name seiner Frau lautete Paccia Marciana und weist einen punischen oder libyschen Ursprung auf, da der Name von den beiden Prokonsuln Marcius Barea und Paccius Africanus abgeleitet wurde, so dass man annehmen darf, dass ihre Vorfahren diese römischen Namen im ersten Jahrhundert bei der Erlangung des Bürgerrechts angenommen hatten. Der familiäre Hintergrund ist für den nordafrikanischen Raum nicht gerade von einer hohen provinzialen Bedeutung. Überhaupt soll Septimius Severus in seiner Autobiographie die Heirat mit Paccia Marciana bewusst ausgelassen haben. Der ungefähre Zeitraum der Eheschließung könnte zwischen Sommer 174 und dem Beginn seines nächsten Amtes gelegen haben, wie der spätantike Biograph vermuten lässt.40 Tatsächlich bezeugt er auch in der Hinsicht die Wahrheit, dass Septimius Severus kraft seiner kaiserlichen Würde dafür sorgte, dass der verstorbenen Paccia Marciana zu Ehren Statuen aufgestellt wurden, die man in den Städten Leptis Magna und Cirta entdeckt hat.41 Bei ihrer niederen Abkunft spricht manches dafür, dass Septimius Severus sie eher aus Liebe denn aus politischen oder ökonomischen Gründen geheiratet hat.
Rücksicht oder politische Opportunität haben ihn eventuell veranlasst, Paccia Marciana gegenüber der lichten Gestalt seiner späteren zweiten Frau Iulia Domna aus der Autobiographie zu verbannen. Es war ihm recht, dass man Paccia Marciana in ihrer nordafrikanischen Heimat gedachte, aber sie passte offenbar nicht ins Konzept seiner Autobiographie, die die Leserschaft aus der Reichselite von der Rechtmäßigkeit seines Kaisertums überzeugen sollte, wie auch die vielen eingestreuten Vorzeichen, Traumdeutungen und vor allem die Prophezeiung, Iulia Domna würde einen Herrscher ehelichen, belegen.42 Eine derartige Handlungsweise wirkt auf den ersten Blick herzlos, hängt aber mit dem Legitimationsdruck zusammen, den sein Kaisertum prägen sollte.
Die emotionale Nähe der Ehegemeinschaft führte auch zur Geburt zweier Töchter unbekannten Namens, die keineswegs erfunden sein müssen, wie man bisher angenommen hat.43 Als frühester Zeitraum ihrer Geburt kommen die Jahre 175/76 in Betracht, die er als Magistrat zum Teil in Rom verbrachte. Er war nämlich von Marcus Aurelius als einer seiner Kandidaten für das Amt des Volkstribunen ausersehen worden, das er 175 übernahm. Das kaiserliche Auge fiel auf seine Person, obwohl sie Hunderte von Meilen trennte. Es war also eher eine Fügung, die von bestimmten kaiserlichen Ratgebern in Rom eingeleitet worden war. Dennoch bewährte sich auch die pflichtgemäße Durchführung seiner Ämter inklusive der zweiten Quästur auf Sardinien, so dass er den cursus honorum im Rang des Volkstribunen erklomm. Der kaiserliche Gunstbeweis war nur ein kleiner Erfolg, der den Auserwählten weiter zur loyalen Pflichterfüllung anhalten sollte. Das Volkstribunat war in der Kaiserzeit auf das Recht zur Interzession und Hilfestellung für römische Bürger unter kaiserlicher Billigung eingeschränkt, dennoch kam es auf den jeweiligen Amtsinhaber an, mit welcher Einstellung er seine Pflichten versah.
Septimius Severus wird bescheinigt, seine Aufgaben sehr gewissenhaft und streng wahrgenommen zu haben.44 Die Erledigung der rechtlichen Kompetenzen vollzog er demnach in einer Haltung, die er schon als Legat in Africa bei der Amtsführung eingenommen hatte, wie der Vorfall mit seinem Jugendfreund indirekt belegt: Strenge, Disziplin sowie die Einhaltung rechtlicher wie sozialer Vorgaben und Normen – die erneute Betonung dieser Charaktereigenschaften ergeben ein erstes Bild von der Person des Septimius Severus und ihres Bewusstseins. Natürlich könnte man auch dagegenhalten, dass er seine Person frühzeitig zu einem Muster altrömischer Tugenden stilisiert hatte, das uns von Aelius Spartianus überliefert wird. Die ähnlichen Charakterisierungen des Zeitgenossen Cassius Dio, die der wenig später schreibende Herodian zum Teil übernimmt, dienen jedoch als hinreichende Zeugnisse, um den Stellenwert von Disziplin, Strenge und Pflichterfüllung für Septimius Severus als durchaus reale Werte festlegen zu können.45
Die Karriere des Septimius Severus hatte sich mit diesen Attitüden stetig und vorteilhaft entwickelt. Er wie alle übrigen Angehörigen der unteren Ränge des cursus honorum garantierten den reibungslosen Ablauf der Amtsgeschäfte in und außerhalb Roms während der langjährigen Abwesenheit des Kaisers Marcus Aurelius an der Donaufront. Die Orientierung an den aufgezeigten Wertmaßstäben lag ebenfalls im Interesse des Kaisers, so dass Septimius Severus mit seiner Art und Weise der Durchführung der Amtsgeschäfte durchaus auch auf der offiziell ausgegebenen Linie agierte. Nur ein von Disziplin, Strenge und Gewissenhaftigkeit durchdrungener Magistratsapparat blieb in der außenpolitisch angespannten Situation intakt.
Wie sehr auch diese Administration ein willfähriges Instrument des Marcus Aurelius in innenpolitischer Hinsicht war, erwies sich in der von Avidius Cassius eingeleiteten Usurpation des Jahres 175. Der Abfall Syriens, Ägyptens und gewisser Regionen Kleinasiens machte es für Marcus Aurelius überlebensnotwendig, sich voll und ganz auf das übrige loyale Reich verlassen zu können. Septimius Severus leistete in dieser gefährlichen Phase als kleines Rad einer geölten Maschinerie wie gewohnt seinen Dienst als Volkstribun in Rom. Die übergroße Loyalität wirkte auf die Umgebung des Avidius Cassius so entmutigend, dass dieser schließlich von einem Untergebenen getötet wurde. Der römische Senat hatte zu dieser Entwicklung durch die Ausrufung des Avidius Cassius zum Staatsfeind und die verfügte Konfiskation des Vermögens beigetragen.46 Septimius Severus gliederte sich nahtlos in diese Kampagne ein und erlebte die Anspannung und das Brodeln der Gerüchteküche innerhalb der stadtrömischen Administration sowie in den Abendgesellschaften, die von einer Verstrickung der Kaiserin Faustina in die Usurpation des Avidius Cassius munkelten (Abb. 9).47
Marcus Aurelius soll in seiner großen Güte eine strenge Bestrafung der überlebenden Familie und der Anhänger des Usurpatoren gegen den Willen der Senatsmehrheit verhindert haben.48 Hatte Septimius Severus dieses Verhalten des Kaisers befremdet? Man weiß es nicht, aber es verbietet sich auch, seinen Umgang mit den späteren Konkurrenten zum Vergleich heranzuziehen. In der aktuellen historischen Situation hatte er die Entscheidung des Kaisers zu akzeptieren, persönlich könnte er anders gedacht haben, wenn man in Betracht zieht, dass er Strenge und Disziplin zu Maximen seiner Amtsführung erhoben hatte.
Nach seiner Inspizierung der östlichen Reichshälfte kehrte Marcus Aurelius im Jahr 176 nach Rom zurück. Mittlerweile waren die Wahlen für das kommende Jahr erfolgt, die die Prätur für Septimius Severus ergeben hatten. Sein Karriereweg nahm weiter einen ungefährdeten Verlauf, auch wenn er dieses Mal nicht vom Kaiser als Kandidat nominiert worden war. Der Einfluss seiner konsularischen Verwandten, aber ebenso sein Ruf als ein pflichtbewusster und untadeliger Magistrat sicherten ihm die nötige Unterstützung im als Wahlgremium fungierenden Senat. Der Kaiser nahm seine Prätur gleichermaßen mit Wohlwollen auf, zumal er den langjährigen Konsular Gaius Septimius Severus in sein consilium berufen hatte, wie für das Jahr 177 bezeugt ist.49 Nach der negativen Erfahrung der vorherigen Usurpation kam es für den Kaiser darauf an, das Reich innerlich zu konsolidieren und bewährtes Personal um sich zu scharen. Von dieser Einstellung profitierte die gens der Septimier in der Person des Septimius Severus wie auch sein Bruder Geta, der die Prätur bereits absolviert hatte und als Legionslegat in Mösien unter dem Kommandeur Publius Helvius Pertinax diente, einem der bedeutendsten und treuen Militärführer des Kaisers. Ihre Verbindungen und freundschaftlichen Verflechtungen mit den einflussreichsten senatorischen Kreisen lassen sich in ihrer parallelen Existenz nur konstatieren, dennoch demonstrieren die errungenen Magistraturen die ständische soziale Geltung. Ambitionierte Konkurrenten anderer Familien hielten mit allen Kräften dagegen und lancierten sich auch in die höheren Posten unter kaiserlicher Billigung.
Die nordafrikanische gens der Septimier konnte gegen die Herkunft der römisch-italischen Senatsaristokraten vor allem ihre pflichtgemäße, einwandfreie Amtsausübung als Trumpfkarte einsetzen. Die Regierungsphase des Marcus Aurelius erlaubt die Schlussfolgerung, dass bei der Ernennung der Magistrate für höhere Verwaltungs- und Militärposten eine stärkere Förderung von sozialen Aufsteigern zur Verbesserung der Effektivität erfolgte.50 Die nachfolgende Generation der nordafrikanischen Septimier profitierte von der kaiserlichen Berufungspolitik und leistete im Gegenzug uneingeschränkte Loyalität. Auf sie und die Mehrheit der Führungselite des Reiches konnte Marcus Aurelius auch bei seiner Nachfolgeregelung setzen, die er nach der Usurpation und auf Grund seiner gesundheitlichen Probleme in Rom einleitete. Gemeinsam hatte er mit seinem leiblichen Sohn Commodus schon den Triumph über Germanen und Sarmaten gefeiert, dieser öffentlichen Promotion folgte am 1. Januar 177 dessen Erhebung zum Augustus.
Über die Vernachlässigung des Adoptionsprinzips zugunsten dynastischer Bande wurde sicherlich auch in den Kreisen des Septimius Severus diskutiert, aber die Autorität des alten Kaisers war zu dieser Zeit unangefochten. Der Prätor Septimius Severus saß spätestens seit Beginn dieses Jahres einem Gerichtshof vor, der 230 Sitzungstage für einen ganz speziellen Rechtssektor zuständig war. Ohne dass eine genaue Eingrenzung seines Aufgabenbereiches erfolgen kann, lässt sich aus der anschließenden Verwendung zumindest ableiten, dass der Kaiser seine Amtsführung und Rechtskenntnisse für qualifiziert hielt.
Abb. 9: Faustina, die Ehefrau Kaiser Marcus Aurelius’.
Zum ersten Mal wurde ihm außerhalb des senatorischen cursus honorum ein Posten in der kaiserlichen Administration übertragen, und zwar als iuridicus Asturiae et Callaeciae. Die unteren Verwaltungseinheiten der kaiserlichen Provinz Hispania Tarraconensis erlebten noch um die Jahreswende 177/78, dass Septimius Severus im Auftrag des Statthalters oder mit eigenem juristischen Kompetenzbereich tätig wurde. Da der Statthalter in dieser historischen Phase immer noch mit der Vertreibung der Mauren in der Provinz Baetica beschäftigt war, spricht vieles dafür, dass Septimius Severus einen gewichtigen Beitrag zum reibungslosen Ablauf des jurisdiktionellen Tagesgeschäftes in den zugeteilten Regionen geleistet hat. Der nahtlose Übergang in diese Magistratur hatte ihm nicht die Gelegenheit gegeben, Spiele in Rom durchzuführen, wie es einem Prätor während seines Amtsjahres anstand.
Fernab auf der iberischen Halbinsel organisierte er mit Hilfe stadtrömischer Verwandter und Freunde Gladiatorenkämpfe, deren Finanzierung der Senat per Beschluss generell auf ein niedrigeres Maß gesetzt hatte.51 Immerhin hatte schon die Quästur einen finanziellen Einsatz von ihm und seinen damaligen Kollegen verlangt. Diese Belastungen hatte nun mal die Privatschatulle eines römischen Prätors zu verkraften, und der Aufstieg zum iuridicus einer kaiserlichen Provinz war natürlich auch mit einem beachtlichen Salär für einen Angehörigen des Senatorenstandes verbunden. Aus anderen Fällen ist bekannt, dass die Amtsperiode eines iuridicus üblicherweise nicht länger als drei Jahre andauerte.
Zu Beginn des Jahres 181 klang die jurisdiktionelle Tätigkeit auf der iberischen Halbinsel aus, so dass Septimius Severus schon vorher darüber nachzudenken begann und gewisse Kontakte in Rom anging, auf welchem Posten die Karriere ihren Fortgang nehmen könnte. Innerhalb der kaiserlichen Zentrale – Marcus Aurelius befand sich seit 179 wieder an der Donaufront – fiel schließlich die Entscheidung, Septimius Severus zum ersten Mal mit einer militärischen Funktion zu betrauen: dem Posten eines Legaten der legio IV Scythica. Man wollte ihm das Kommando über eine Legion übergeben, die an der syrischen Grenze am Euphrat den Mittelabschnitt gegen drohende parthische Einfälle abschirmen sollte.52 Bevor er jedoch seinen neuen Posten antreten konnte, fiel der Kaiser am 17. März 180 einer Krankheit zum Opfer.
Mit Hilfe stoischer Lebensweisheit hatte Marcus Aurelius quasi wie eine Inkarnation von Pflichtgefühl und Aufopferung alle Mühsal der Pest, Kriege und inneren Reichsbeschwernisse auf sich genommen. Über ein Jahrzehnt prägte er als Vorbild auch für Septimius Severus einen nachahmenswerten kaiserlichen Führungsstil. Seiner Gunst verdankte er den stetigen Aufstieg in die gehobenen Ränge einer senatorischen Laufbahn, die mit dem militärischen Kommando als Legionslegat eine neue Bewährungsebene erreicht hatte. Über die erhoffte Verleihung der höchsten Magistraturen sollte ab jetzt der Kaiser Commodus das Entscheidungsrecht besitzen, aber bekanntlich bringt jeder personelle Wechsel an der Spitze einer Gesellschaft neue Konstellationen für die Delegierung von Posten und Befugnissen mit sich.