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I. Mit dem Kreuz auf der Brust

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1314 Schottland, nach der Schlacht von Bannockburn. „De Bruce ist uns weit vorausgeeilt. Es kann sein, dass wir ihn heute nicht mehr einholen.“ Johan de Giffrey rammte sein Schwert am Ufer des Bannocks in den Boden und füllte seinen Helm mit Wasser. „Immerhin haben wir die Engländer über den Fluss getrieben und einen großen Sieg davongetragen“, erwiderte Alphonse de Martin. „Es wäre an der Zeit, nach Frankreich zurückzukehren.“ „Damit es uns so ergeht wie Jaques de Molay? Ich werde nach Edinburgh gehen und eine Familie gründen. Einzig Schottland kann uns in diesen für Templer unsicheren Zeiten den nötigen Schutz bieten. Ich werde Dich nicht aufhalten, aber sei gewiss Bruder, dass uns, solange wir dieses Kreuz auf der Brust tragen, König Philipp und Edward von England jagen werden. In den Augen dieser Könige sind wir Freiwild. Ich werde Rüstung und Gewand ablegen.“ Giffrey nahm einen großen Schluck aus seinem Helm und setzte sich auf einen Uferstein. „Du hast Recht, Frankreich ist keine Option, aber vielleicht kommt ein neuer Kreuzzug, und wir werden erneut gebraucht.“ „Du bist ein Narr Johan. Niemand braucht uns heute noch. Außerdem sind wir für den Krieg inzwischen zu alt. Tue es mir gleich und begleite mich nach Edinburgh.“ Während die Schotten auf dem Schlachtfeld die Verletzten versorgten und die Toten zählten, bestiegen Johan und Alphonse ihre Pferde und ritten gen Osten. Als die beiden Tempelritter vor den geschleiften Mauern von Edinburgh Castle standen, kam De Giffrey eine Idee. „Wir könnten Randolph helfen, das Schloss wieder aufzubauen. Es ist harte Arbeit, aber wenn wir von den Maurermeistern lernen, könnte das sehr lukrativ für uns werden. Was hältst Du davon?“ „Immerhin besser, als auf dem Schlachtfeld zu sterben“, antwortete De Martin. „Jetzt brauchen wir zunächst eine Unterkunft für heute Nacht. Wir befassen uns mit Deinem Vorschlag morgen in der Frühe.“ Am nächsten Morgen wachten die beiden Ritter neben dem Pferdestall auf. Die Luft war feucht und auf den Straßen roch es nach Fäkalien. Als eine Bedienstete aus dem ersten Stockwerk einen Eimer mit Abfällen auf die Gasse kippte, verfehlte sie De Martin nur knapp. Als dieser fluchend sein Schwert in die Höhe reckte, ließ die Frau eine zweite Ladung folgen. „Komm, wir sollten uns jetzt nicht mit dem gemeinen Volk anlegen, sondern schnellstens den Earl of Moray aufsuchen“, riet ihm sein Freund. Nur etwa zehn Minuten später standen die Templer vor dem Thronsaal des Edinburgh Castles und baten um Einlass. „Wie ist Euer Name und welches Anliegen habt Ihr vorzubringen?“, fragte einer der beiden Wachsoldaten. „Wir haben ein Begehren, das wir alleine dem Earl unterbreiten können, und so bitten wir Euch uns vorzulassen.“ Einer der Wachen bat Giffrey und Martin kurz zu warten und verschwand daraufhin im Thronsaal. Kurze Zeit später kehrte er zurück und erlaubte den Rittern einzutreten.

Thomas Randolph saß auf seinem Thron und verspeiste eine Gänsekeule, als die Templer sich vor ihm aufstellten. Zwei Hellebardenträger flankierten seinen eichenen Thronsessel. Als sie vor dem Neffen des Königs standen, ließen sie sich auf die Knie fallen und legten die Schwerter ab. „Ah, meine Lieblingsritter, die mir in der Schlacht so vorbildlich gedient haben. Bitte verratet mir Euer Anliegen. Ich werde alles daran setzen Eure Wünsche zu erfüllen.“ Giffrey trat vor und begann zu reden. „Sire, wir sind froh bei Bannockburn unsere Pflicht erfüllt zu haben, wollen nun aber den Militärdienst quittieren. Immer noch werden unsere Ordensbrüder überall auf dem Kontinent, besonders in Frankreich, verfolgt und mit dem Tode bestraft. Wir haben beide vor dem Eintritt in den Templerorden ein Handwerk erlernt und mein Freund sogar den Meistergrad als Steinmetz erworben. Lasst uns vorerst beim Wiederaufbau Eurer Burg helfen. Wir erwarten als Lohn nur eine Unterkunft und regelmäßige Mahlzeiten.“ Der Earl of Moray erhob sich, sodass er noch größer wirkte und antwortete ohne Umschweife: „Da ich tief in Eurer Schuld stehe, besonders bei Euch Johan de Giffrey – ohne Euch wäre ich nicht mehr am Leben - entspreche ich Eurem Wunsch. Wenn ihr mit der Kelle und dem Spitzmeißel genauso gut umgehen könnt wie mit dem Schwert und der Lanze, werdet Ihr für den Wiederaufbau der Burg sicherlich eine große Hilfe sein.“ Nachdem die Tempelritter den Thronsaal verlassen hatten, rief Thomas Randolph seinen obersten Zunftmeister herbei, um ihn zu bitten Johan und Alphonse unter seine Fittiche zu nehmen. Währenddessen besuchten die Ritter einen Pub und beschlossen, das Ale bis in die Morgenstunden in vollen Zügen fließen zu lassen. Johan fiel eine Bedienung mit knabenhafter Figur, blassem Teint und kleinen festen Brüsten auf, die alle Männer mied und dennoch ständig von ihnen begrabscht wurde. Als einer der betrunkenen Schotten sie zu sich auf den Schoss zog und ihr an die Brüste fasste, schritt Johan ein und zog sein Schwert. „Lasst die Lady in Ruhe, sonst lernt ihr meinen Stahl kennen. Er hat schon hunderte von Eurer Sorte niedergemäht.“ Der Schotte schüttete daraufhin Johan ein Glas Bier ins Gesicht, griff nach seinem Messer und erwiderte: „Vor Euch Franzosen haben wir keine Angst. Wenn Ihr Streit wollt, so könnt Ihr diesen haben.“ Alphonse bat seinen Freund Ruhe zu bewahren, doch dieser holte mit seiner Faust aus und brach dem Prahlhans die Nase. Daraufhin erhoben sich fast alle Schotten von ihren Plätzen und zogen ihre Waffen. Johan und Alphonse griffen sich zwei Stühle und wehrten damit die erste Attacke ab, doch angelockt von dem Lärm traten immer mehr Besucher in den Pub ein und beteiligten sich an der Schlägerei. Am Ende kämpfte jeder gegen jeden und die beiden Templer befanden sich inmitten des Getümmels. Die hübsche Bedienung sah, dass die beiden sich in einer mehr als brenzligen Situation befanden und wies ihnen den Ausgang durch die Küche. Sie nahm Johan an der Hand und führte ihn zusammen mit seinem Freund auf die Gasse. „Ihr habt Euch ja gleich Freunde gemacht“, sagte die junge Frau, danach führte sie beide Ritter in ein Fachwerkaus mit schiefem Giebel. „Ich kann Euch hier unterbringen, eine Kammer ist nicht belegt, ich selbst wohne gleich hier unten im Erdgeschoss.“ Im Schein der Fackel fiel Johan erst jetzt auf, von welch anmutender Schönhaut seine Retterin war. Doch da er galant war, zeigte er ihr in keiner Weise seine Begierde.

Alphonse dagegen schien mit anderen Gedanken beschäftigt zu sein. Er freute sich auf ein warmes Zimmer und eine kleine Mahlzeit. Als sie ihre Unterkunft erreicht hatten, verabschiedete sich die Frau. „Wenn Ihr noch etwas essen wollt, dann gebt mir jetzt Bescheid. Ich heiße übrigens Agnes, meine Schwester ist Köchin und kann Euch noch eine Kleinigkeit zubereiten.“ Am nächsten Morgen klopfte Agnes an ihre Tür und bot ihnen Speck und Brot an. „Der Zunftmeister wartet vor dem Haus und möchte Euch sprechen.“ Johan erhob sich von seiner Bettstatt, schob die Strohschütte beiseite und stand halbnackt vor der hübschen Frau. Er maß über einen Meter Achtzig und war fast eineinhalb Köpfe größer als sein gegenüber. „Die Rüstung und die Waffen legt Ihr wohl besser ab, angesichts dessen, was gestern passiert ist. Sonst droht Euch vermutlich weiteres Ungemach.“ Höflich verabschiedete sich Agnes, woraufhin Alphonse und Johan vor das Haus traten. Dort erwartete sie schon der Meister zusammen mit zwei Maurergesellen. Die Luft roch frisch und am wolkenlosen Himmel kreiste ein Schwarm Krähen „Einen schönen Morgen wünsche ich Euch. Der Earl of Moray hat mich gebeten Euch unter meine Fittiche zu nehmen. Dazu müsste ich aber zuerst wissen, welche Fähigkeiten Ihr mitbringt. Die Arbeit ist hart und gefährlich, wird allerdings auch gut bezahlt. Da Ihr von gutem Körperbau seid und kräftige Hände habt, scheint Ihr mir für die nötigen Arbeiten gut geeignet.“ Alphonse trat vor und protestierte vorsichtig. „Ich bin ebenfalls ein Meister, habe schon als junger Mensch Gesellen ausgebildet und bei der Planung von Kirchen und Kathedralen mitgewirkt. Weshalb sollte ich nun solche profane Frondienste ableisten.“ Der Zunftmeister schien wenig beeindruckt und erwiderte: „Meister haben wir zur Genüge, aber Leute die richtig anpacken können fehlen uns, da viele der Arbeiter im Krieg gegen England getötet wurden. Also, wollt Ihr mir dienen, so schlagt ein. Ist das nicht der Fall, solltet Ihr aus Edinburgh schleunigst verschwinden. Nach der gestrigen Wirtshausschlägerei sind eine Menge Bürger über Euch aufgebracht. Zudem ist, da Ihr Templer seid, eine Belohnung auf Eure Köpfe ausgesetzt. Ich rate Euch also mein Angebot anzunehmen.“ Alphonse nahm Johan zur Seite und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich bin dafür, das Angebot anzunehmen. In London wären wir unerwünscht und nach Frankreich können wir auch nicht zurückkehren. Wenn wir dem Meister beweisen wie tüchtig wir sind, werden wir vielleicht bald schon zu höheren Aufgaben berufen.“ Johan schaute noch etwas skeptisch, gab dann aber nach und reichte Meister Ralph die Hand. „Wann sollen wir beginnen?“ „Am besten heute noch. König Edward von England wird die Schmach von der Niederlage bei Bannockburn nicht so schnell verdaut haben und auf Rache sinnen. So ist die Gefahr groß, dass die Engländer vorhaben, die Burg ein weiteres Mal zu schleifen. Bei meinem Stellvertreter erhaltet Ihr Eure Werkzeuge. “

Sechs Jahre später, wir schreiben das Jahr 1320 verweilten Alphons und Johan immer noch in Edinburgh. Johan hatte inzwischen Agnes geheiratet und Alphonse das Burgfräulein Rebecca. Agnes hatte Johan inzwischen zwei Töchter und zwei Söhne geschenkt. Die Söhne nannten sich Thomas und William. Thomas war drei Jahre alt und hatte feuerrotes Haar, während der zweijährige William das strohblonde Haar seiner Mutter geerbt hatte. Die Töchter hießen Marie und Louise und waren ein, beziehungsweise zwei Jahre alt. Alfons Meistergrad war inzwischen anerkannt, und er hatte sich um den Wiederaufbau des Edinburgh Castle genauso wie um die Restaurierung der Abtei Melrose Abbey verdient gemacht. Johan dagegen verdingte sich weiter als Tagelöhner und 1317 trat er ein letztes Mal in den Militärdienst ein und half Thomas Randolph bei der Rückeroberung der Isle of Man. Allerdings wurde er dabei schwer verwundet und konnte seiner Arbeit als Maurer anschließend nicht mehr nachkommen. Agnes war ab jetzt alleine für den Lebensunterhalt und die Erziehung ihrer Kinder verantwortlich. Als Alphonse, der sich inzwischen Alfons nannte, vom Schicksal seines ehemaligen Kampfgefährten hörte, bat er Agnes ihre Kinder seiner und Magaretes Obhut zu überlassen. Das hatte unter anderem den Grund, dass Alfons unfruchtbar war, und Rebecca deswegen keine Kinder zeugen konnte. Agnes zögerte nur kurz, um dann in die Adoption ihrer Kinder einzuwilligen. Von nun an lebten Louise, Marie, Thomas und William in einem feudalen Haus in der Nähe der Burg, während Agnes sich um ihren inzwischen schwerkranken Mann kümmern konnte. 1324 starb Johan völlig verarmt nach langer Krankheit. Bei seiner Beerdigung waren neben Alfons und Rebecca auch ihre adoptierten Kinder zugegen, nur Agnes fehlte. Wie sich später noch herausstellen sollte, war sie inzwischen mit einem stadtbekannten Säufer nach London durchgebrannt.

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