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ZURÜCK ZU DEN ANIMALISCHEN WURZELN

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Nach Europa kam Ingwer durch Alexander den Großen und die alten Griechen. Sie waren so begeistert von dem Gewürz, dass sie die Knollen in Scheiben schnitten und in ihr Brot einarbeiteten. Als traditionelle Seefahrer schätzten sie den Ingwer natürlich auch als Mittel gegen Reiseübelkeit.

Von Athen aus ging es für die gelbe Knolle weiter ins alte Rom. Der Leibarzt Kaiser Neros schwärmte wegen seiner wärmenden Eigenschaften für Ingwer. Die römischen Legionäre hatten ihn im Reisegebäck, um sich auf ihren Feldzügen vor Darmerkrankungen zu schützen.

Als jedoch das Römische Reich zerfiel, wurde es erst einmal still um den Ingwer. Die mitteleuropäische Kultur hatte zunächst keine Verwendung für ihn. Hildegard von Bingen (1098–1179) riet sogar vom Gebrauch der Pflanze ab, da sie angeblich das Triebhafte im Menschen stärke und ihn so »zu dem macht, was man sich unter einem trotteligen Alten vorstellt, der nichts anderes mehr im Kopf hat als das Animalische«. Eine Einschätzung, die vermutlich von der arabischen Medizin inspiriert war, die den Ingwer als Aphrodisiakum schätzte. Und so etwas musste Hildegard als Äbtissin des Benediktinerordens natürlich ablehnen. Immerhin gestattete sie eine Ausnahme von ihrem Ingwer-Verdikt. Denn sei der Mensch stark geschwächt und dem Tode schon nahe, könne »das Animalische noch einen Stoß gebrauchen«. Und dann, so die berühmte Kräuter-Expertin weiter, »soll man eine Ingwersuppe essen«.

Hildegard von Bingen konnte freilich nicht verhindern, dass die mittelalterlichen Kreuzritter neben Pfeffer und Zimt auch reichlich Ingwer aus dem Orient mit nach Hause nahmen. Seine Beliebtheit in Europas Küchen wuchs. Allerdings war er noch recht teuer, sodass er in erster Linie dem Adel und reichen Kaufleuten vorbehalten war. Im 16. Jahrhundert brachten jedoch die Spanier den Ingwer nach Mittelamerika, wo er als Tropengewächs natürlich optimale Anbaubedingungen vorfinden sollte. Er entwickelte sich so prächtig, dass die spanischen Siedler in Jamaika bereits Anfang des 17. Jahrhunderts das Gewürz in großen Mengen nach Europa verschiffen konnten. Die Folge: Das Ingwerangebot stieg, und damit sanken seine Preise, sodass er nun auch für Normalsterbliche erschwinglich wurde. Plötzlich wollte fast jeder den Ingwer in seinem Essen haben. Eigentlich eine begrüßenswerte Entwicklung. Die explodierende Nachfrage führte allerdings dazu, dass unseriöse Händler ihr Ingwerpulver mit Sand, Mehl oder Brotkrümeln streckten. Einige Ärzte sahen sich daher genötigt, vor pulverisiertem Ingwer zu warnen. Dieser Ansicht kann man sich übrigens auch heute nur anschließen. Zwar wird jetzt genug Ingwer produziert, sodass er nicht mehr gestreckt werden muss, doch das Pulver ist im Hinblick auf seine Würzkraft nur ein mäßiger Ersatz für frisch abgeschnittene Wurzelstücke. Ganz zu schweigen davon, dass pulverisierte Gewürze heute manchmal mit Röntgen-, Gamma- oder Elektronenstrahlen behandelt werden, um ihre Haltbarkeit zu steigern. Dies müsste zwar ausdrücklich auf der Verpackung zu lesen sein, doch leider »vergessen« das einige Hersteller immer wieder.

Die Pflanze der Schamanen

In Ecuador wird der »ajej« genannte Ingwer von den dortigen Ureinwohnern, den Shuar, nach wie vor als Pflanze für Rituale eingesetzt. Die Schamanen etwa zerbeißen Ingwerwurzeln, um magische Kraft zu gewinnen.

Auf der indonesischen Insel Siberut müssen angehende Schamanen eine regelrechte Ingwer-Prüfung absolvieren. Sie gehen dann mit ihrem Lehrmeister an eine verschwiegene Stelle, wo ihnen ein Fläschchen beißender Ingwersaft in die Augen geträufelt wird. Der Schamanen-Novize soll dadurch ein »Sehender« werden. Wieso unter den Hunderten von Nutzpflanzen des Urwalds (unter denen auch einige ganz schön scharf sein und zu Tränen reizen können) ausgerechnet der Ingwer zu diesem Zweck auserkoren wurde, weiß niemand genau. Möglich, dass sich die Schamanen durch die fingerförmigen Strukturen des Ingwer-Wurzelwerks an eine göttliche Hand erinnert fühlten, ähnlich wie Ginseng-Wurzeln die Gestalt eines Menschen nachzuahmen scheinen. In jedem Falle ist es ein interessantes Ritual – doch vor Nachahmung sei gewarnt!

In Papua-Neuguinea wird Ingwer zusammen mit Homalomena (das bei uns eher als Zimmerpflanze bekannt ist) als Droge zur Bewusstseinserweiterung verwendet. Dabei kann es zu heftigen Visionen mit anschließenden intensiven Träumen kommen. Allerdings nimmt man dazu nicht unseren »gemeinen« Ingwer, sondern den wild wachsenden Zingiber zerumbet. Er heißt auch »Shampoo Ingwer«. Der Grund: Aus seinen Blütenständen, die aussehen wie Tannenzapfen, lässt sich eine milchige Substanz zur Herstellung von Shampoo gewinnen.

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