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VORWORT: EINE PFLANZE ZWISCHEN APOTHEKE, KÜCHE UND ESTABLISHMENT
ОглавлениеEs ist noch gar nicht so lange her, dass Heilpflanzen innerhalb der Medizin eher ein Schattendasein fristeten. Sie gehörten allenfalls in das Schränkchen mit den Hausmitteln, die gelegentlich bei einem kleinen Schnupfen oder einer Blähung »randurften«. Doch in ernsteren Angelegenheiten setzten Patienten und Ärzte lieber auf ausgeklügelten Methoden der modernen Medizin.
Doch das Blatt scheint sich zu wenden. Immer mehr Menschen vertrauen nun wieder den Kräften aus dem Pflanzenreich, auch bei schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs, Herzinfarkt oder Depressionen. Und das gilt nicht nur für die Patienten. So ergab eine Umfrage unter Ärzten, dass bei 98 Prozent von ihnen Heilpflanzen oder deren Präparate zum täglichen Verordnungsrepertoire gehören.
Einige Heilkräuter profitierten in besonderem Maße von diesem Trend, etwa Johanniskraut gegen Ängste und Depressionen, Ginkgo gegen Hirnleistungsstörungen, Knoblauch gegen Arteriosklerose und Sonnenhut zur Stärkung des Immunsystems. Sie bilden sozusagen das »Establishment« der Phytotherapie, der Pflanzenheilkunde. Das hat nicht unbedingt etwas damit zu tun, dass sie besser sind als andere Heilpflanzen, sondern damit, dass sie von der Pharmaindustrie protegiert wurden. Daran ist zunächst einmal nichts Schlimmes, denn wenn sich Phytotherapie gegen die geballte Finanzkraft der konventionellen Medizin behaupten will, kann das nicht ohne die Unterstützung der Industrie funktionieren. Ganz zu schweigen davon, dass die pharmazeutische Forschung dazu beiträgt, die Wirkung der Heilpflanzen optimal zur Entfaltung zu bringen.
Schade ist jedoch, dass dabei andere Heilpflanzen leicht vergessen werden. Das gilt vor allem für jene, die nicht nur eine Tradition als Heilmittel haben, sondern auch in der Küche verwendet werden. Denn wenn sich der Patient seine Heilkräuteranwendung selbst herstellen kann, indem er sich einfach einen Tee zubereitet oder ein Gewürz übers Essen oder ins Dampfbad streut, kann die Industrie nichts daran verdienen. Und wenn die Industrie nichts verdienen kann, macht sie auch keine Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Mit der Folge, dass die betreffende Pflanze eher ein Schattendasein fristet.
Jetzt kann man nicht unbedingt behaupten, dass der Ingwer zu den vergessenen Heilpflanzen gehört. Es gibt ihn schon seit geraumer Zeit auch in Form von einigen Präparaten, und die Traditionelle Chinesische Medizin wäre ohne ihn unvorstellbar. Nichtsdestoweniger hätte er weitaus mehr Aufmerksamkeit verdient. Denn in Deutschland denken die meisten Menschen bei seinem Namen zunächst einmal ans Gewürz, und auch hier in erster Linie daran, dass man es sparsam verwenden sollte, weil es so scharf ist. Dabei kann kaum ein anderes Heilkraut bei so vielen unterschiedlichen Erkrankungen helfen wie der Ingwer. Man kann ihn getrost als einen der »Universalkünstler« der Phytotherapie bezeichnen – denn welche Pflanze kann schon bei Ängsten und Kopfschmerzen genauso hilfreich sein wie bei Arthritis, Rückenschmerzen und Husten?
Darüber kann der Patient beim Ingwer einerseits auf bewährte Präparate zurückgreifen, andererseits aber auch zum eigenen Arzneimittelhersteller werden. Denn mit der entsprechenden Kenntnis und einigen Tricks, die in diesem Buch reichlich vermittelt werden, ist es kein Problem, sich die eigene Ingwer-Apotheke zusammenzustellen. Und preiswert ist es auch.
Gründe genug also, dem Ingwer ein Buch zu widmen und ihm dadurch Nachdruck in der alternativen Heilkunde zu verschaffen. Ob er dann schließlich zum Establishment der Heilpflanzen aufsteigen wird, sei dahingestellt. Aber eigentlich ist das ja auch gar nicht nötig, oder?