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Vorwort

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Vergangenen Herbst, als der Wind im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel die Straßenbäume schüttelte, überkam es mich wieder. Die Kastanie, die beim Sonntagsspaziergang unmittelbar vor mir aufprallte, kickte ich mit dem rechten Spann zielgenau zwischen die eisernen Streben einer U-Bahn-Überführung. Ich riss die Arme hoch und schrie: Tooor! Mein Gott, so sagten die Blicke der anderen Passanten, der ist längst ergraut und immer noch ein Kindskopf!

Meinem fußballerischen Reflex folgte die Reflexion. Sie gipfelte in der Erkenntnis, dass meine Besessenheit, gegen alles zu treten, was sich vor meinen Füßen bewegt, und an jedem Sportplatz innezuhalten, auf dem zwei Mannschaften einem Ball hinterherlaufen, in einer Zeit wurzelt, in der ich tatsächlich noch ein Kind war. Als Adenauer-Ära ging sie in die Geschichtsbücher ein – und dass der Fußball damals mein Ein und mein Alles war, hat auch mit der Gefühlskälte zu tun, die ich in meinem kleinbürgerlichen Elternhaus erlebte und die charakteristisch ist für diese von Kriegslast und Aufbruch gleichermaßen geprägte Epoche.

Als ich mich noch an diesem denkwürdigen Herbsttag zu einem Buch über meine Fußballsucht und ihre familiären wie gesellschaftlichen Hintergründe entschloss, ahnte ich noch nicht, in welche Wechselbäder der Emotionen ich mich beim Schreiben stürzen würde. Ich staunte über die kriminelle Energie, mit der ich mich dem von meinem autoritären Vater verhängten Fußballverbot entzog. Und ich erschrak, als mir bewusst wurde, dass sich mein Suchtverhalten keineswegs auf den Fußball beschränkte und ich nur mit großem Glück dem Absturz in die Verwahrlosung entging.

Ich wunderte mich, wie langfristig vor Jahrzehnten erlittene Beschädigungen nachwirken, aber ich schwamm auch in Glückseligkeit, als ich noch einmal die Höhepunkte meiner Laufbahn als Fan und als Spieler Revue passieren ließ: die Tramptouren zu den internationalen Arenen, die Begegnungen mit meinen Idolen, die Schlammschlachten auf den Plätzen der niedersächsischen Provinz, meine eigenen Heldentaten als Torwart.

Was mich am meisten verblüffte, war die Detailgenauigkeit, mit der ich mich, unterstützt durch intensive Recherchen in Zeitungsarchiven und Reisen zu wichtigen Schauplätzen, an meine ersten Fußballerlebnisse in den Harzer Bergbauzentren Bad Grund und Goslar und an andere Schlüsselszenen meiner Kindheit und Jugend erinnern konnte. Das erleichterte mir die Entscheidung, diese Erlebnisse aus der Sicht des staunenden, hin und her gerissenen Knaben nachzuerzählen. So romanhaft und dramatisch einige Szenen auch wirken mögen: Alles, was ich beschreibe, hat sich so oder zumindest so ähnlich zugetragen. Verändert habe ich lediglich einige Namen.

So entstand ein Text, der von Flanken und Fallrückziehern, Stars und Stadien, Ecken und Elfmetern handelt und sich als Hymne auf den Fußball versteht, aber eben auch eine in einer bleiernen Zeit angesiedelte Familiengeschichte erzählt. Natürlich habe ich mich vor allem bei den sehr persönlichen Passagen gefragt: Wie weit kann ich gehen? Ich entschied mich, da Halbherzigkeit und Schönfärberei miserable inhaltliche und dramaturgische Fundamente sind, für die Offensive. Und dies hatte, um einen anderen Begriff aus der Fußballsprache zu verwenden, am Ende die Wirkung eines Befreiungsschlages.

Die Bürger der alten Kaiserstadt Goslar möchte ich bitten zu bedenken, dass ich die Atmosphäre in den fünfziger Jahren beschreibe. Ich bin mir sicher, dass am Fuße des Harzgebirges heute – wie in der gesamten Bundesrepublik – ein offeneres und toleranteres Klima herrscht.

Torschrei - Bekenntnisse eines Fußballsüchtigen

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