Читать книгу "Icke" fährt weiter auf See - Jungmann, Leichtmatrose, Matrose in den 1960er Jahren - Jürgen Emmrich - Страница 12
Zurück in Hamburg
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Mitte August 1963 musterte ich dann in Hamburg ab und lebte erst mal wieder in einem Seemannsheim. Ich hatte genug Geld, um ca. drei Wochen an Land zu bleiben.
Inzwischen hatte ich auch eine sogenannte Stammkneipe auf dem Kiez. Das war die „Venusbar“ in der Friedrichstraße. Das war die sogenannte Hapag-Kneipe. Dort verkehrten die Hapag-Fahrer, und man traf dann auch ab und zu einen Kumpel. Seeleute, die auf anderen Reedereischiffen fuhren, hatten andere Stammkneipen.
So kam es dazu, dass ich mich mit einer weiblichen Bedienung in der „Venusbar“ ein bisschen angefreundet hatte. An ihren Namen kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich bekam manchmal einen Drink umsonst, weil ich ihr half, Bierkisten und Fässer aus dem Hinterraum anzuschleppen. Hein Seemann war doch Gentleman, oder? Und ich lud sie auch zum Chinesen in die Lincolnstraße ein. Wir mochten uns schon, das spürten wir, aber sie ließ durchblicken, dass sie einen Freund hätte, der auch zur See fährt. So hielt ich mich vornehm zurück, genoss die Anwesenheit eines weiblichen Wesens und hatte so etwas Unterhaltung und Abwechslung.
Nach Berlin wollte ich nicht, denn dort kam ich mir irgendwie immer fremder vor.
So schlief ich oft lange, um dann abends wieder ins Kino oder in die Venusbar, zur neuen Freundin zu gehen. Aber auch der Starclub oder das „Kaffee Keese“ war oft mein Aufenthaltsort.
Es gab da auch mal Verabredungen und kleine Abenteuer mit den Bekanntschaften. Ich lernte da Witwen, allein gelassene Frauen oder die einsamen Damen kennen, deren Männer auf Montage waren. Viele seltsame Frauen lernte ich da kennen. Mehr soll darüber aber nicht berichtet werden.
Es gab auch noch die berüchtigten Tanzschuppen, wie „Dreyers Ahoi“ und das „Boccacio“ am Hauptbahnhof, oder das Tanzlokal „Lübscher Baum“ in der Lübecker Straße.
Jede Tanzbar hatte seine bestimmte Kundschaft. So warteten im „Boccacio“ die etwas reiferen Frauen, also für mich damals so ab 40, auf flotte Tänzer. „Dreyers Ahoi“ hatte mehr so gemischtes und etwas einfacher gestricktes Publikum. Da wurde oft zu viel getrunken, was dann oft in Ärger ausartete. Im „Lübschen Baum“ verkehrte die reifere Jugend, aber auch ältere Damen waren dort anzutreffen.
Ich streifte immer wie ein einsamer Wolf durch die Lokalitäten, auf der Suche nach etwas Liebe. Mein Kumpel Andy war auch oft dabei, denn er musterte mit mir von der „DÜSSELDORF“ ab und wir wollten erst mal zusammen bleiben. Zu zweit konnte man besser durch die Gegend streifen.
Wenn dann mal ein Mädel anbiss und erfuhr, dass ich Seemann war, gab es einen „Korb“. Wer wollte schon mit einem Seemann ein Verhältnis haben?
Später erzählte ich immer andere Geschichten über mich, damit der erste Kontakt bestehen bleibt, mindestens für einen Abend oder die gesamte Liegezeit in Hamburg.
Seeleute hatten auch einen schlechten Ruf, der wahrscheinlich noch aus der Segelschiffszeit kam. Das waren früher Gesetzlose, Trinker, sehr einfache Menschen. Zu meiner Zeit und natürlich heutzutage ganz besonders, wurde von einem Seemann mehr verlangt, als nur hart arbeiten zu können. Insbesondere, wenn er mal die Offizierslaufbahn einschlagen wollte. Man konnte das natürlich auch mit Volksschulbildung schaffen, aber es war schon schwer, ein nautisches Patent zu bekommen. Aber wie alle jungen Menschen musste man die Sturm- und Drangzeit ausleben. Deswegen ist man ja nicht gleich ein Penner. Nur es bestand die Gefahr, ein Penner zu werden. Wer die Nautiker- oder die Ingenieurslaufbahn nicht einschlagen wollte, blieb eben Matrose, Bootsmann, Reiniger oder Schmierer.
Ich war inzwischen auch schon 18 Jahre alt, und es war doch normal, dass man sich danach sehnte, eine Beziehung zu haben. Das „Aufreißen“ war einfach, aber das „Behalten“ war schwer.
Ich blieb bis Mitte September 1963 an Land. Dann war das Geld aufgebraucht. Andy und ich meldeten uns bei der HAPAG einsatzbereit.
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