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Auf richtig großer Fahrt nach Asien mit Turbinenschiff „DÜSSELDORF“
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Am 1.12.1962 musterte ich auf dem Turbinenschiff „DÜSSELDORF“ an.
Das Ziel der Fahrt war Indonesien, und das klang sehr interessant.
Ich hatte schon von anderen Seeleuten gehört, dass dieses Fahrtgebiet sehr beliebt war.
Es gab Matrosen, die nur nach Indonesien fuhren und dort sogar verheiratet waren. Also, meine Neugier war sehr groß.
Der Turbinenfrachter „DÜSSELDORF“ war schon ein ganz anderes Kaliber, als die Schiffe, die ich zuvor hatte.
Der Stückgutfrachter hatte 7.000 BRT, war 162 Meter lang und ca. 20 Meter breit. Das Schiff hatte 14 Ladebäume, die 3 - 5 Tonnen tragen konnten und einen Schwergutbaum, der bis 50 t heben konnte. Das Schiff wurde mit 45 Mann Besatzung gefahren und konnte auch 12 Passagiere mitnehmen.
Die Fahrtgeschwindigkeit betrug 17 Knoten, d. h. ca. 30 km/h.
Inzwischen traf auch mein Schulfreund Andy aus Berlin ein. Auch er hatte von zu Hause die Nase voll und tat das Gleiche wie ich, er fuhr zur See. Seine Lehre als Rohrschlosser hatte er geschmissen, ging auch zur Seemannsschule und war dann schon auf einem anderen Hapag-Schiff als Decksjunge gefahren. Nun wollte er mit mir die Welt erobern.
Das war natürlich eine tolle Sache für uns beide. Wir hatten schon in der Schulzeit eine Menge Spaß erlebt und Mist zusammen gemacht. Unsere Eltern wollten uns immer auseinander bringen, aber wir hielten wie Pech und Schwefel zusammen.
Als wir dann mit dem Taxi zum Kaiser-Wilhelm-Hafen fuhren, war ich schon überrascht über die Größe des „Pottes“ und ein bisschen stolz, auf so einem schönen Schiff fahren zu dürfen.
An Bord erfuhr ich dann, dass es durchs Mittelmeer, durch den Suezkanal nach Ceylon, dann über Singapur weiter zu den indonesischen Inseln gehen sollte. So eine Reise dauerte mindestens vier Monate.
Mit Andy hatte ich eine Zweimannskammer. Anders als auf den Schiffen bisher, war auch die Mannschaft mittschiffs untergebracht, also nicht im „Hotel zur Schraube“. Das war natürlich schon Luxus pur für uns. In den Kammern war es auf See wesentlich ruhiger, man hörte die Schraube nicht und mittschiffs schaukelte es bei schwerer See nicht so wie achtern. Die Kammern waren auch größer, mit großen Fenstern, statt kleinen runden Bulleyes.
Auch die Besatzung war okay. Alles super Typen, wie sich später herausstellte.
Viele waren alte Indonesienfahrer, schwärmten von dieser exotischen Inselwelt, so wie ich von der Karibik schwärmte. Nun gut, ich würde mich überraschen lassen.
Auch einen kleinen Bordhund gab es, mit dem ich mich schnell anfreundete.
Auf jeden Fall war Indonesien weit weg, und es ging wieder in die Wärme. In Deutschland herrschten ja wieder Regen, Sturm, Kälte und Dunkelheit. Das machte die Menschen auch verschlossen, während in den Tropen die Menschen zwar wesentlich ärmer waren, dafür aber sehr offen, fröhlich und auch sehr gastfreundlich.
Nach der Beladung in den üblichen europäischen Häfen, ging es zunächst nach Port Said in Ägypten und dann durch den Suezkanal.
Für die Kanalfahrt wurden noch ein paar „Festmacher“ von Land mitgenommen, da das Schiff im Kanal ab und zu in einer sogenannten Ausweichbucht wegen eines Entgegenkommers festmachen musste. Der Kanal war teilweise zu eng, um zwei Schiffe nebeneinander passieren zu lassen. Zu sehen gab es eigentlich nichts, nur Wüste.
Die schon erfahrenen Asienfahrer an Bord warnten uns auch immer, die Bullaugen und Kammertüren im Kanal zu schließen, da in diesem ganzen Bereich fürchterlich geklaut werden würde.
Schon in Port Said gingen mir die „Achmeds“ mit ihren Kaftans auf den Nerv. Ständig liefen sie einem an Bord mit ihren Souvenirs hinterher. Sie boten Ledertaschen an, die fürchterlich nach Ziege stanken. Oder sie boten die sogenannten runden Ledersitzkissen an, die ebenfalls nach Ziege stanken. Auch Kupferarbeiten und anderer Kram sollten von uns gekauft werden. Einige „Arabs“ verfolgten uns auch ständig und wollten ihre sogenannten „Fickbilder“ an uns verschachern. Das waren alte, abgegriffene schwarz-weiß-Fotos mit nackten Frauen. „Officer, looki, looki. God Pictures, god price,“ riefen sie uns ständig zu und grabschten uns an. Sie beteuerten auch immer: „Mister, me no Arschfick, me Katholik“. Widerlich fand ich diese Menschen dort. Es war sehr schwer, diese Typen abzuwimmeln. Man musste dann schon sehr aggressiv werden.
Auch die im Suezkanal mitfahrenden „Arabs“, die Festmacher, waren bei uns nicht sehr beliebt. Einmal war einer ständig hinter unserem Moses, einem 16jährigen Jungen, her. Ich hatte den Eindruck und man möge mir verzeihen, wenn es nicht stimmt, dass viele der Araber schwul waren. So war auch zu beobachten, dass viele zusammen händchenhaltend spazieren gingen. Sogar die Fußstreifen der Polizei.
Jedenfalls haben wir dem schwulen Araber zu verstehen gegeben, dass, wenn er weiter unseren Moses belästigt, er nachts kurzerhand über die Kante gehen würde.
Also meine Sympathie für diesen Menschenschlag war auf dem Nullpunkt.
Selbst im Radio hörte man nur die für meine Ohren grausame „Achmedmusik“…
Die Fahrt durch den Suezkanal war schon ein Erlebnis. Dieser fast 200 km lange Kanal, der meist nur „einspurig“ verläuft, trennte Israel und Ägypten. Beide Länder hatten zu diesem Zeitpunkt ständig Konflikte miteinander, und jeden Moment war mit Kriegshandlungen zu rechnen.
In den neunzehnhundertfünfziger Jahren hatte man den Kanal schon mal blockiert, in dem Schiffe versenkt wurden. Auch später, Ende der Sechziger Jahre, wurden Schiffe versenkt und mehrere Frachter, u. a. auch ein Hapag Schiff, das MS „MÜNSTERLAND“, lagen monatelang im Bittersee (ein See, der mit dem Kanal verbunden war) fest.
Für die Mannschaften war das eine sehr dramatische Zeit, da sie kaum Lebensmittel und Süßwasser hatten und auch nichts von Land bekamen. Außerdem brannte die Sonne am Tage erbarmungslos, und in den Nächten war es sehr kalt.
Doch wir hatten Glück und kamen gut durch den Kanal.
Dann, nachdem die ägyptische Festmachergang im Hafen von Suez das Schiff verlassen hatte, ging die Fahrt weiter durch das „Rote Meer“, in Richtung des jemenitischen Hafens Aden.
In diesem Hafen lagen viele amerikanische Kriegsschiffe, und man konnte ahnen, dass der Konflikt im arabischen Raum immer kurz vor einer Konfrontation stand.
Aber ich war begeistert von dem Anblick der amerikanischen Kriegsschiffe.
Zerstörer, Flugzeugträger und andere Kampfschiffe boten ein imposantes Bild.
In Aden konnte man sehr günstig Elektroartikel, wie Weltempfänger, Radios mit Kassettenrecorder, Fotoapparate, Ferngläser, Uhren und dergleichen kaufen.
Die Sachen waren zollfrei, und solche tollen Artikel waren in Deutschland nicht zu bekommen.
Ich kaufte mir ein Radio mit Batteriebetrieb. Mein erstes eigenes Kofferradio. Ja, das war damals schon etwas Besonderes, ein mit Batterien betriebenes Radio zu besitzen. So konnte ich nicht nur in meiner Kammer, sondern auch an Deck Musik hören.
Viele Seeleute hatten damals ein Radio mit Strombetrieb. Da es aber an Bord nur Gleichstrom gab, benötigte man immer einen sogenannten Umformer oder auch Zerhacker genannt. Dieser Kasten war sehr schwer und auch teuer. Alternativ hatten manche Seeleute auch die berühmte Philletta, ein Radio von Phillips, das auch mit Gleichstrom spielte.
Und weiter ging es von Aden nach Ceylon, das heutige Sri Lanka. Der Zielhafen hieß Colombo.
Die Fahrt durch das „Rote Meer“ und den Indischen Ozean war herrlich, denn wir hatten sehr ruhige See und ein äußerst warmes Klima. So machte das Arbeiten an Deck Spaß und ich hatte bei ruhigen „Pinseljobs“ auch manchmal mein Radio dabei.
In Europa war ja gerade Winterzeit, und sicherlich war es nass und kalt. Ich nahm mir vor, immer in der Winterzeit in die Tropen zu fahren. Dann benötige ich auch nicht so viele Winterklamotten, die ich ja immer mitschleppen musste. Ich hatte ja in Hamburg keine Wohnung oder sonstige Bleibe, wo ich meine persönlichen Sachen hätte lagern können. Ich war in Berlin gemeldet, hatte aber eigentlich keinen festen Wohnsitz. Hein Seemann musste eben alles mitschleppen, Tropenklamotten, Winterklamotten, also Arbeitszeug und Landgangszeug. Da reichte ein Seesack nicht. Wir hatten immer noch einen großen Koffer zu schleppen, wenn wir ab- oder anmusterten.
Manchmal schliefen wir auch wegen der Hitze achtern an Deck. Das war sehr angenehm, und man konnte den schönen südlichen Sternenhimmel beobachten. Die Hitze konnte ich eigentlich gut vertragen und wurde auch sehr schnell braun. Nie hatte ich einen Sonnenbrand, wie manch blonder Seemann, der in der Mittagspause an Deck einschlief und dann krebsrot aufwachte.
Durch den Fahrtwind merkte man die Hitze nicht, und das war gefährlich für die blassen Typen. Trotzdem trugen wir alle etwas auf dem Kopf. Ich trug immer meinen Cowboyhut, aus Texas.
Eigentlich sah ich mit dem Decksmesser an meinem Gürtel und dem Cowboyhut eher wie ein Cowboy und nicht wie ein Seemann aus.
Aber es war eben praktisch, und ich fand mich auch toll mit dem Outfit.
Die Arbeit an Deck, in dieser irren Hitze, war allerdings manchmal auch die reinste Schinderei. Wir mussten auch dafür sorgen, dass ständig Flüssigkeit aufgenommen wurde. Dafür stand in der Messe immer ein großer Pott „Kujambelwasser“ bereit. Das war Wasser mit Lemonenextrakt und viel Eis.
Zur Schinderei gehörte auch das verhasste Fahren der „Rostmaschine“ und das Ganze sah so aus:
Die Rostmaschine bestand aus einem Motor, ähnlich wie ein Staubsauger, an dem eine flexible Welle angebracht war, an deren Ende mehrere Metallscheiben, die wie Sterne aussahen, angebracht waren. Diese Scheiben rotierten mit hoher Geschwindigkeit. Man saß also auf einer Kiste oder einem Fender (aus Tauwerk geflochtener, meist runder Körper, der außenbords gehängt wird, um Beschädigungen am Schiff beim Anlegen zu verhindern), drückte mit dem Fuß das Ende der Welle mit diesen Metallscheiben auf das Deck oder ein Schott und die Rost- und Farbteilchen wurden so vom Metall entfernt. Das machte einen höllischen Lärm, und es flogen uns die Rost- und Metallspäne um die Ohren. Aus diesem Grunde waren wir dick vermummt, mit Tüchern um Kopf und Körper, sowie Sicherheitsbrillen vor den Augen. In die Ohren hatten wir uns Papier oder Ähnliches gestopft. In der Bullenhitze so den ganzen Tag an Deck zu sitzen und die Rostmaschine zu fahren, war kein Zuckerschlecken. Die Hitze machte uns zu schaffen, der Lärm war trotz Ohrstöpsel unerträglich und der Rücken schmerzte durch die unbequeme, zusammengekauerte Haltung. Über Kopf „Rost zu fahren“ war das Härteste, das ging in Schultern und Arme.
Manchmal hieß es „wir arbeiten Pensum“, d. h., wenn die vorgegebene Fläche vom Rost und der alten Farbe befreit war, konnten wir Feierabend machen, egal, ob in drei Stunden oder acht Stunden. Das war natürlich in einem Hafen sehr interessant für uns, denn so kamen wir früher an Land.
Also knüppelten wir wie die Verrückten, um schnell Feierabend zu haben. Es wurde dann ein regelrechtes Wettfahren veranstaltet. Die Temperaturen waren in der Gegend dort oben im Roten Meer und später in Indonesien immer im Bereich von weit über 40 Grad im Schatten. Man musste aufpassen, dass man keinen „an der Waffel“ bekam.
Trotz der totalen Vermummung, war der Körper total verdreckt und die Nase voll mit Roststaub. Heute wird so etwas nicht mehr gemacht. Da wird das in der Werft erledigt. Ich wundere mich heute noch, dass mein junger Körper das aushielt, ohne größere Schäden zu hinterlassen.