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Der Traum vom Land der Harmonie
ОглавлениеEs ist nicht die von Staatswegen verordnete Vision von Frieden und Sozialismus, die Jura nachhaltig beeindruckt, sondern der Traum von einem nicht definierten Land der Gerechtigkeit und Harmonie. Zweifel an der Existenz eines solches Phantasielandes unterdrückt er. Er liest gern utopische Romane, in denen ferne, unerreichbare Phantasiewelten beschrieben sind.
Oft steigt Jura auf das Dach des Hauses, sitzt am Schornstein und träumt. Er starrt auf den Horizont und will hinaus in die Welt. Vielleicht vermutet er in der Ferne das Land der Harmonie, das Land seiner Träume. Ist es ein Zufall, dass sich beim Blick vom Dach der Horizont im Osten am weitesten öffnet? Das fällt Jura erst viel später auf.
Bisher ist er mit seinem Fahrrad nur die knapp 25 Kilometer bis Leipzig gekommen. Traurig ist Jura, wenn die Nachbarn ihre Autos auf der Gasse in Marschordnung aufreihen und Ausflüge unternehmen. Jura muss immer zurück bleiben.
Stattdessen plant er an Wanderkarten Fahrradtouren durch das schöne Sachsenland. Burgen und Heimatmuseen sind zunächst bevorzugte Ziele. Die befahrenen Routen werden auf der Karte markiert. Allmählich füllt sich das Straßennetz mit den Markierungen. Es gilt nun über Sachsen hinaus zu planen. Thüringen bietet sehr lohnenswerte Ziele.
Doch bald darf er mit Mutter an einer längeren Bahnreise teilnehmen. Es geht ins Ausland - in die Heimat, erklärt sie, ins Egertal nach Karlsbad, Komotau und Kaaden. Die Formalitäten und Grenzkontrollen waren aufwändig und belastend.
Im Egerland leben die Mama von Juras Mutter und ihr großer Sohn, die wie durch ein Wunder von der Vertreibung der Sudetendeutschen verschont blieben.
Juras kleines Weltbild wird erweitert und er begeistert sich für die wunderschöne Landschaft im Egerland. Er wandert gern durch die Berge. Interessant findet er die Spuren der deutschen Kultur an Gebäuden der Altstadt, in Kirchen, Kapellen und auf Friedhöfen. Für die Tschechen sind diese nicht von Bedeutung. Sie lassen sie verfallen, was Jura nicht versteht.
Er darf an den Touren seines großen Bruders mit dem Betriebsauto des Volksgutes, in dem er arbeitet, teilnehmen. Es geht durch weite Teile Böhmens und Mährens. An den Wochenenden geht es in die Berge des Erzgebirges zum Schwarzbeeren sammeln. Unvergessen bleibt der Schwarzbeerkuchen der Großmutter. Wir verschlingen ihn blechweise.
Jura hört gern die alten Geschichten der Oma. Sie sei Zeit ihres Lebens nur bis zur Kreisstadt gekommen, sonst nirgends hin. Sie weigert sich, Tschechisch zu lernen. Beim Einkaufen muss sie mit Zeichensprache zurecht kommen. Und sie traut keinem Slowaken. Die seien falsch.