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Sebas, wie ihn seine Freunde nennen

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Link ist es gewohnt, sich zu fokussieren und Dinge, die ablenken, auszublenden. Aber das hier war anders, es war kein Akt des Willens, die komplette Abgeschlossenheit war einfach da, es war, als sorgte irgendeine höhere Macht dafür, dass er bereit war.

Sebastian Molitor, so sah es Link, war das Gegenteil, ein verfluchtes Blatt im Wind, das den Wind, den es brauchte, selber machte. Schon im Auto redete er dummes Zeug, junge Leute sind entweder verstockt oder redselig vernarrt in ihr Bescheidwissen, weshalb sie auch nicht auf die Idee kommen, sich selbst hin und wieder Einhalt zu gebieten. Sebastians Hauptthema war sein Vater, was ein ziemlich schlechtes Licht auf ihn warf. Sebas, wie seine Freunde ihn nennen, sprach von Phasen, die er hinter sich habe, in denen er gerade sei oder die unmittelbar davor seien, zu beginnen auf seinem Weg wohin auch immer. Bis vor drei Monaten habe er seinen Vater und dessen Geschäfte, also die PR-Agentur Frontpoint Communications und diese kranken Events, bei denen abgefuckte alte Männer auf dumme Hühner treffen, verachtet, inzwischen aber amüsiere ihn das alles, „ich betrachte meinen Alten wie ein Insektenforscher Insekten betrachtet“, „man muss den Feind studieren, bevor man ihn bekämpft“, es war ein unglaublich dummer und selbstgefälliger Quatsch, den Sebastian von sich gab. Link gab sich wohlwollend und interessiert, war in Wahrheit aber voller Verachtung.

Als Sebastian sich einen Joint anzündete, fragte er nicht, ob das in meiner Wohnung okay sei, sondern ob ich auch einen wolle. Er fragte es beiläufig, weil es sein Ego streichelte, keine große Sache daraus zu machen.

Ich sah alles so, wie man es sehen muss, unverstellt. Ganz anders Sebastian, er schlenderte durch mein Wohnzimmer, rauchte scheinbar selbstvergessen (in Wirklichkeit das Gegenteil von selbstvergessen) und war sich sicher, von mir betrachtet zu werden, wenn er dekorativ ins Nichts schaute. Ich empfand dieses Verhalten als Angriff, als unfreundlichen Akt, als Aufforderung, Gegenmaßnahmen einzuleiten.

„Nimm noch einen Drink, diesmal einen richtigen.“

Die Tropfen wirkten schnell und fabelhaft, als Sebastian Molitor zusammenklappte war das wie ein Naturschauspiel, berückender als ein Sonnenuntergang. Er sah mich an mit verdrehten Augen, ich lächelte freundlich zurück, vielleicht war es auch eher ein Grinsen. Die Minuten, in denen Menschen die Kontrolle über sich verlieren, sind besonders, man muss bei ihnen sein in diesen Momenten und ihnen klar machen, dass sie gerade dabei sind, die Welt, die wir eben noch miteinander geteilt haben, zu verlassen. Sie wissen nicht, wie ihnen geschieht, und wenn man nett ist, sagt man ihnen vor dem Knockout noch langsam und deutlich, dass sie nichts zu befürchten haben, „du bist gerade dabei, das Bewusstsein zu verlieren, Sebastian, aber das ist nichts, was dich zu sehr beunruhigen sollte, es ist nur eine Erfahrung, die ich dir schenke, eine Sache, durch die du ohne Schaden hindurchgehen wirst, es wird alles wieder so, wie es war, bevor du so dumm warst, diesen Drink zu nehmen. Kannst du mich noch verstehen, verstehst du, was ich dir sage? Du wirst jeden Moment das Bewusstsein verlieren, du kannst nichts dagegen tun, dafür ist es zu spät. Wenn du wieder zu dir kommst, wirst du genügend Zeit haben, gründlich nachzudenken. Wenn!“ Und so weiter, und so weiter, Sebastian glotzte mich an, packte mich an der Schulter, er versuchte mich mitzunehmen auf seinem Weg in die Ohnmacht, und wusste doch, dass ich zurückbleiben und so die völlige Kontrolle über ihn und seinen Körper bekommen würde. Das Letzte, was ein Opfer in einer solchen Situation tut, ist, einen Blick aufzusetzen, der es dem Täter unmöglich machen soll, ihn anschließend zu töten.

Als Sebastian weggetreten war, zog ich ihm Schuhe und Socken aus, was eine irritierende Erfahrung war.

Die Facebook-Entführung

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