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Vom Russ’
ОглавлениеTaktische Ikonographie
Es wird erzählt, daß der Russ’ manchmal sehr ergrimmen konnt’. Als er mit seinem Fußvolke und seinen Rössern zum Beispiel einmal ein Wegkreuz, welches den Gottessohn in sterbender Verzehrung zeigte, zu passieren sich anschickte, hielt er bei diesem Anblick an und inne. Augenblicklich überkamen ihn ein Zorn und ein inneres Grollen, nämlich darüber, daß der Franke es wagte, ein Leid so schamlos an der Straße auszustellen – ein Leid, das doch er, der Russ’, dem Franken wollt’ angedeihen lassen.
Unschlüssig und verwirrt verweilte der Russ’ in seiner ganzen herrlichen mannschaftlichen Geschlossenheit vor dem hölzernen Gebilde, während keine acht Morgen weiter der Franke einen Becher hob und in den Wirtssaal rief: »Leut’, habt acht, des hamma für den Russ’ gemacht!«
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Virtuelle Vendetta
Weil aber der Russ’, der von alters her ein Meister in Ikonographie, Schweineschlachtung und Menschenbehandlung war, jene Niederlage von Drügendorf nicht ungesühnt lassen wollte, marschierte er gleich auf Drosendorf zu. Dort war indes niemand.
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Die Macht der Gedanken
Ein ehrlicher Franke trieb seine Kühe vom Anger auf die Weide hinaus, sprach seinen Viechern warme Worte zu und legte sich ins Maigras. Die melonengelbe Sonne bleckte und tänzelte über die Wangen des wackeren Franken, der bloß angetan war mit einem Shirt und einer Stoffhos’, und die Gefleckten mampften das dicke Gras, während sich der Franke einem Gedanken hingab, von dem er noch nicht wußte, welcher Art er sei.
So verging eine Zeit. In einem Moment jedoch schreckte der Bauersmann hoch, weil er hinten am Waldesrand, im Gebüschsaum, ein Geräusch glaubte gehört zu haben. »Ein Franke täuscht sich nicht«, dachte er da, und er fügte für sich noch einen Gedanken hinzu: »Das ist der Russ’, auf der Lauer liegt er dort, das ist mir gewiß.«
Also berappelte sich der Franke, erhob sich, zog die Stoffhos’ »auf Äquator«, schritt hinüber zu seinen grasenden Tieren und flüsterte jeder einzelnen Kuh ein Wort ins flauschige, hochgestellte Ohr.
Daraufhin taten die Tiere, wie ihnen geheißen, sammelten sich auf einer Linie und begannen, auf den Waldesrand zuzumarschieren.
Aus dem Buchen- und Tannengeflecht waren sogleich deutlich gewisse undeutliche und erschreckend blecherne Laute wie »Kuczynski, Katastrophia!« und »Kommando kehrtysky!« zu vernehmen, derweil dem wacker’n Franken schon wieder hold liegend daran lag, jenen Gedanken zu denken, an den er schon so lange gedacht hatte, ohne ihn bereits vollends zur Reife gebracht, geschweige denn begonnen zu haben.
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Fitneßfinte
Dem Russ’ fiel einmal ein, es anders zu probieren. Er machte einen Plan, den er selbst beinahe verstand, und nach diesem Plan verheerte der Russ’ sodann folgende Gemarkungen: Sachsendorf-Süd, Keilstätten, Fürth (komplett), die ebermannsstädtische Schweiz und einen erheblichen Teil von Aufseß. In Aufseß hatte der Russ’ nämlich außerdem ein Wirtshaus ausgemacht, in dem pechschwarzgebrannt wurde, und das packte ihn sehr an der eig’nen Ehr’.
Nun, der Erfolg der Mission war augenscheinlich. Aber nach zwei Tagen stellte sich heraus, daß der Russ’ nur Sachsen, Holsteiner und Albaner hingemeuchelt hatte. Dieselben waren vom Franken zu einem »Extreme Wellness Weekend« eingeladen und überall dort einquartiert worden, wo die Kunde von des Russ’ Vorhaben vorher hingedrungen war.
Der Franke seinerseits aber war längst über den Wellness-Wanderweg nach Kathi-Bräu entflohen, wo er jetzt der Katze ein Prosit entbot und jene zarten Maiden orgelte, von denen der Russ’ abermals bloß schmachtend träumte.
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Von der Wendigkeit der Gefühle
Einmal verlief sich der Russ’ bei Nürnberg-Langwasser so arg, daß er nach Stunden entbehrungsreichen Marschierens schon aufgeben und die Fehde, verärgert über sich selbst, für beendet erklären wollte. Vorerst.
Gerade hatte er sich also in einem großen Kiefernwald mit seinen erschöpften Mannen auf ein Lager gebettet, um zu rasten und den Friedensvertrag aufzusetzen, da fiel ihm auf, daß er die nämliche Schrift ja gar niemandem würde überbringen können, wo man doch so furchtbar herumgeirrt war und nun in der erbärmlichsten Einöde verdammt schien, immerdar unter sich zu bleiben und nie mehr eines Franken ansichtig zu werden.
Bei dieser trüben Aussicht änderte der Russ’ seine Meinung deshalb sofort und schwor sich, in den nächsten Tagen wenigstens auf Reuth droben und jenseits des Wernsbaches alles kompromißlos kurz und klein zu hauen.
Obschon dort ja schon lange kein Stein mehr auf dem anderen lag, hatte jene Gegend früher nämlich als Übungsgebiet für die »Operation Schnatzkolkaja« herhalten müssen. Aber das war dem Russ’ in seinem Frust nun gleich ganz scheißegal. So war er eben …
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Ankündigung schlimmer Ereignisse
Von Mund zu Mund ging oft die Geschichte, daß der Russ’ etwas fürwahr Furchterregendes im Schilde führte, das schlimmste Not über die Gauen des Frankenlandes bringen würde und manches Ungemach, etwa trocken Brot, Gift in der Suppe und grüne Fahrradreifen. Was genau, wußte man nicht.