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Diffuses Wartegebaren

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Das Plätschern, nein, das Gurgeln und Schnorcheln, das Sprotzeln oder eher Schwörlen des Wolgawassers bei nächtlicher Fahrt über den Spiegel des Wassers der Wolga ist schon – sehr schön. Auch schön ist der Brauch, in Samara am Mittellauf der Wolga Taxis dergestalt zu rufen und zu nutzen, daß man einen beliebigen Daumen raushält, daß umgehend ein Privat-Pkw stoppt, daß man das Fahrziel mit mehr als einem Daumen zu umschreiben versucht, daß man dem Fahrziel im Idealfall im Umkreis von fünf Kilometern nahekommt, daß man einen frei erfundenen Beförderungstarif entrichtet (Rückgeld gibt es nicht) und daß man dann läuft. Immer grob Richtung Wolga. Bis man, nur wenige Gehminuten vom Flußhafen entfernt, auf die Gastwirtschaft Auf dem Grund stößt.

Nichts schöner, als hier auf Grund zu gehen. Als hier abzutauchen, in aller russischen Ruhe vollzulaufen und schließlich abzusaufen. Dazu bediene man sich eines Getränks, das zu seligen Sowjetzeiten als der Inbegriff dessen galt, was man »Bier« nannte. Das hier verfertigte Schigulevskoje war eine Metonymie, eine mutmaßlich methylalkoholgeschwängerte.

Bereits unter Breschnew war das Bier als Volksernährungsmittel angepriesen worden, um dem Wodkawahnsinn ein moderates Narkotisierungsprogramm entgegenzusetzen, allerdings mit nicht unerheblichen geschmacklichen Fehlschlägen und Querschlägern. Gleichwohl, der Bedarf nach Bier = Schigulevskoje wuchs rasch, und die Schlangen vor den Kiosken nahmen die bei Vladimir Sorokin beschriebenen Ausmaße an. Da stand man, faltete aus Zeitungen trinkgefäßähnliche Auffangvorrichtungen, schüttete nach Aushändigung des Schigulevskojes das Schigulevskoje in sich hinein und stellte sich als armer Tropf mit tropfendem, aufgeweichtem Bierpapierbecher wieder hinten an. Wozu Zeitungen gut sein können!

Pivnaja hießen diese Ausschänke, und noch heute gibt es so eine Tränke neben dem roten Backsteingebäude der Schigulevskoje-Brauerei aus dem 19. Jahrhundert. Man lasse mithin die Brauereibar, die über den Haupteingang am Wolschki-Prospekt erreichbar und dem neureichen Geschwörl vorbehalten ist, scharf links liegen, schreite links um die Ecke und wohne dem Hausschanktreiben vor Auf dem Grund bei – dem Lungerleben mit Wolga- und komplementärem Wodkablick, dem Gewusel am Stockfischstand, dem diffusen Wartegebaren der Plastiksackträger, deren Einwegflaschen und Einmachgläser der Befüllung harren, und den sonstwie herumparkierenden Mannschaften, von denen vornehmlich jene überzeugen, die ihre Weibsbilder zum Putzen der Fensterscheiben verdonnern, während sie im Wageninneren ihre Schigulevskoje-Wodka-Tinkturen umnageln.

Im Auf dem Grund, in jener Lokalität, die in Gorkis Nachtasyl, das auf russisch nicht umsonst Auf dem Lebensgrund betitelt war, in ihrer früheren Topographie abgeschildert wird, kaut man zum betörend blonden Schigulevskoje von Wokano den prophylaktisch extrafetten Stockfisch, getrockneten, geräucherten und geflochtenen Käse sowie durstfördernd gesalzene, geröstete Brotwürfel Marke Kirijlschki oder Souchariki. Minderste Westradiomusik konkurriert mit der vorletzten Putin-TV-Rede, der Linoleumboden erwartet den ersten Erbruch, acht Bistrotische tragen allerhand Lasten, und eine Decke mit goldbeschlagaffiner Verzierung hält den Laden zusammen.

Zufrieden dreinschauende Mafiabosse der mittleren Ebene killen monströse Bierpokale, ein blau getäfelter Durchgang führt zum einzigen Gemeinschaftsklo oder in die Erdhölle. Und derweil einem beim Zermalmen der Brotwürfel die Backenknochen um die Ohren fliegen, ordert der Dicke nächst zur Toilettentür vier Weizen auf einen Schwung. Keine Minute später ist der Bestand halbiert – wie die Servietten, die Insignien der neuen Ökonomie.

Die »Strömung der Wolga«, sann Gorki, mache, »daß mein Denken lebhafter, schärfer wird«. Ein Bier im Abgrund Auf dem Grund tut’s aber auch.

Das perfekte Wirtshaus

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