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Beckettistisches Bier

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Woran liegt es, daß mir bis in alle Ewigkeit das Klischee anhängt, ich sei Neuköllner, säße am Hermannplatz und tränke dort endlos Bier im Blauen Affen? »Weil Journalismus ist, wenn ein abgebrochener Germanist vom anderen aus dem Internet abschreibt.« Aha! Oder drängt das Bedürfnis, feste Bilder gleich Namen zu prägen? Andererseits ist es ein behagliches Tableau, und ich figuriere den Schwachsinn eben weiterhin botmäßig für alle Bildbedürftigen.

Thomas Kapielski: Weltgunst

Es soll ja, vermelden schon seit den achtziger Jahren die zirka zeitgleich mit dem Bistrowesen und der Erlebniskulinarik entstandenen sogenannten Stadtmagazine aus den sogenannten Metropolen, auch eine »Kneipenkultur« existieren – da Kultur nunmehr alles ist, was man nicht am Fließband verfertigt (selbst von Baumarktkultur geht oder müßte bald die Rede gehen, die immerhin einleuchtende Wurstkultur dann wieder zu verdrängen).

»Es war erregend, es hatte etwas Divinisches, etwas fast noch über Kaisers Joachim hinaus Cölestisches«, beschließt Eckhard Henscheid seine Marginalie Humorkneipe I (Titanic 11/1979) und beantwortet die Frage: »Eine komische, eine Humor-Kneipe?« affirmativ: »ausgerechnet im banalen München, ausgerechnet im verrottetsten aller Touristen-Lokale, dem Donisl am Marienplatz«, sah er »150 Personen, von denen, inklusive dreier Kellner, 145 evident und freudvoll außerhalb der Norm agierten«.

Sich dem »Lebensscheißgefühl« (Henscheid: Humorkneipe II, in: Titanic 5/1980) der Kunstwerkler, Alternativarbeiter, Kiezler, Broker und Computerspezis zu verweigern und jenseits der kapitalen Blindbetriebsamkeit ein gelb und schlicht blitzendes und sauber beschäumtes Bier zu trinken, dafür kommen nach wie vor auch manche Schwemmen, die Eckkneipen, die mittelgroßen Lokalitäten zupaß, die alt möblierten, die meist an den unattraktivsten Plätzen liegen – zum Beispiel der Blaue Affe am Berlin-Neuköllner Hermannplatz.

Thomas Kapielski pries bereits 1995 das gegenüber vom gleichermaßen verlockenden Konkurrenzladen Zum Hammer und hinter einer feingrauen Rauhputzfassade situierte Etablissement: »Hier kommt wöchentlich ein Lasttankwagen vorgefahren und schüttet luftdicht seine tausend Liter in eine Kellerlagerblase, von wo dann adrett und emsig ein frisches, gut gehopftes, hinreichend schaumstabiles Pilsener durch die Kräfte Peter, Walter, Ute u. a. vor einem aufgestellt und gern hereingesogen wird.«

Gern hereingezogen wird man in einen Plausch mit dem jeans- und schlüsselkettenbewehrten Wirt, der vom ebenfalls vorrätigen Alt kundenorientiert eher abrät und ausgiebigere Quanten empfiehlt. »Großes Pils läuft immer besser«, lacht er, kommt zum Stehtisch oder reicht den zügig bezapften Kelch über die Resopaltheke. Die Servicekraft wirft derweil Knakker, Wiener, Koteletts plus/minus Kartoffelsalat heillos fröhlich durcheinander, und die Jukebox initiiert Walzer- oder Schnulzenminuten.

Bestellt man etwa beim taz-Italiener Sale e Tabacci in der Kochstraße Pils, bringen sie durchaus gern mal irgendein übriggebliebenes Saisonbier herbei, weil die Ration nicht aufgebraucht ist. Protestiert man sachte, liefern sie statt zwei großen Gezapften ein Beck’s in der Kinderflasche (0,33 l). Deshalb ziehen wir den rotbraunen Holzvertäfelungen und weißen Kittelschürzen den Noppenboden zur Toilette vor, die Billardhinterzimmer, Bayernrautendecken und Spachtelmörtelwände, in summa: den keineswegs stets krawallerfüllten Kneipenraum, der um 8.00 Uhr öffnet und nebenan gewissermaßen konsequenzlogisch den Urologen Dr. Kalz duldet.

Kapielskis »Gottesbeweise IX–XIII«, Davor kommt noch (Berlin 1998), leitet nach einem Zweizeiler aus Wilhelm Buschs letzter Bildgeschichte Maler Klecksel das Motto »Dialog im Affe« ein: »Stimmt das?« – »Nichts stimmt mehr!« – »Stimmt!« Wenn das stimmt, und ich glaube sofort, der Schlagabtausch fand genau so statt, wäre der Blaue Affe füglich eine Denkerkneipe zu nennen, in der man weniger als düster-darwinistischer Fipps der Affe philosophiert, sondern unter einer Dunstglocke aus Schopenhauer, Beckett und Bier das wohlige Nichts entdeckt – und die heutzutage einzig erträgliche (semi-)öffentliche Kommunikationsstrategie kultiviert, die Entzauberung der Sinnpflegerei.

So versöhnlich stimmen Nischen – zuweilen.

Das perfekte Wirtshaus

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