Читать книгу Das perfekte Wirtshaus - Jürgen Roth - Страница 21

Frikadellengrünfrüchteensemble

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Weil einem in der bahnhofsnahen Frankfurter Totallokalität Gleis 25, die jedem Reisenden eingeschränkt empfohlen sei, auf die Frage nach etwas Eßbarem Bescheid gestoßen wird: »Das hier ist eine Absturzkneipe, klar?! Nix zu mampfen!«, fahre ich gerne mal ein paar Ecken weiter, nämlich ziemlich präzise zweihundertvierunddreißig Kilometer über den namenlos schönen Hunsrück und scharf an den Rand der Schneifel, nach Prüm.

Sollte ich mir eine Gaststätte zur sogenannten Kultkneipe erwählen, es wäre die ebendort am Hahnplatz gelegene Stiftsklause. Ach, welch wundersam klirrender, betörend tönender Name! Ende August etwa, wenn flaumige Winde durch die Wipfel des samtgrünen Eifeltanns streichen, fallen wir, eine Bagage von Autosportnarren auf Pilgertour gen Spa-Francorchamps, hier ein, in einem der anmutig-gemütlichsten Etablissements der stark westlichen Republik.

Freilich und annäherungsweise gewißlich, manchem Leser mag die Stiftsklause bekannt sein als Stammbölkbude des Prümer Motorradclubs »Wäffuh«, auch als Refektorium, in dem der Kreisbauernverband Bitburg-Prüm seine Sprechstunden runterleiert. Aber wer jemals auf der gut achtzig Durstigen Rast und Speisung gewährenden Terrasse einen Nachmittag unter saftig gelben oder weiß-unschuldigen Bitbiersonnenschirmen verdöselt hat, der versteht, was ich meine, da ich anbetend jauchze: Stiftsklause, du Oase des Labsals und Prümer Hanswurstes (i. e. Kartoffelpuffer plus Grillhacksteak)! Beziehungsweise des Spätsommersalats als gemischtes Grünfruchtensemble mit Frikadellenstücken und Früchten zu 6,90 €.

Nebenan, im selben weiß-rosa getünchten Schmuckbau, im seit 1803 betriebenen Hotel zum Goldenen Stern, residierten der Trierer Bischof Wehr, Erich Ollenhauer, Kanzler Kohl a. D., Georg »Prost!« Leber und mein alter Talkshowkonkurrent Roberto Blanco. Ob diese schwerwürdigen Vollkräfte die edle Eifeler Kartoffelsuppe und anderweitig stärkende, »bierbezogene Gerichte« der Stiftsklause inklusive der die belgische Lebensaura löblich zitierenden Sauce Bernaise verdrückten, weiß ich nicht. Ist ja wurscht. Denn das rasant kellnernde Stiftsklausen-Damenteam legt ohnehin preis- und preisenswert das »Hauptaugenmerk auf den Bierausschank«, und da summe ich jedesmal wieder feierlich gestimmt mit: wenn einer der fabelhaften Profanhumpen daherrumpelt, blitzend, funkelnd, gralsgülden, und gehoben sein möcht’ im Antlitz der rostbraunen Basilika und der glückselig glucksenden Spa-Wanderer, die bei Parkscheinpflicht eine gebührenfreie Stunde lang womöglich wegen frühherbstlicher Wolkenwallungen auch schon mal am aus Messingplatten, Gußeisenwirbeln und unsortierten Sperrholzphantasien gezwirbelten Rundtresen vor Postkartenwänden und angesichts einer hochgradigen Digitaluhr irgendwelche Plastikpokale anstieren, aus Lautsprechern vernehmen, das RTL-Radio sei »Urlaub für die Ohren« und die Uhren, und dabei die Krankengeschichte einer vierundsiebzigjährigen Kettenraucherin belauschen – oder die tiefzufriedenen, mützenbeschirmten Feierabendleergespräche der Aufzwei-Biergäste.

Erwähnt sei notabene und nebenbei, daß der Himmel gerade aufreißt, daß es in der Stiftsklause kein Weizenbier gibt, daß »Wahrheit und Wirklichkeit in Prüm« laut Ror Wolf eventuell derart »stark und so allgemein« seien, »daß man sofort mit dem Schlimmsten zu rechnen« habe oder nicht, und daß um die Ecke die Buchhandlung Hildesheim zu finden ist. Was kaum was zur Sache tut. Weshalb trotz aller »Keilkräfte des Kruges« (Achim Wrba) »das muntere Gurgeln der Bierbrause im Ranzen« weiterhin »die Fulminanz des Lebens« »fulminierend« auf Vordermann bringt. Hier und nunc und rundherum.

Das perfekte Wirtshaus

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