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Goldener Grüner Baum

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Wenn man es satt hat – und man hat es oft genug satt –: dieses ubiquitäre neumoderne Interieur samt aprikosenfarbenem Feinputz, diese betonte Kühle und genormte pseudomondäne Sachlichkeit und Eleganz, dieses so offenkundig angestrengt Durchdachte und doch nur Abgekupferte all dieser sogenannten Bars und Restaurants und Chill-out-Lokalitäten – dann muß man weg, weg, raus aus der törichten Stadt, raus aufs Land, aufs Kaff, unter Leute, die sich nicht scheuen, anders zu reden, als es ihnen das Fernsehen und das Feuilleton vorplappern. Und dann findet man in der Regel doch nur wieder verhobelte Läden, stilistisch nochmals unbedarftere Adaptionen dieses gähnend öden Kollektivstils, und in denen hocken Leute, die genauso reden, wie es ihnen das Fernsehen und der Sportteil vorschreiben.

Es gibt keine Wirtshäuser mehr, zumindest an den Peripherien der größeren Städte nicht. Wer etwa rund um Stuttgart oder Frankfurt ein normales, einfaches, einladendes Wirtshaus sucht, ist verloren und verratzt. Es ist verflucht, es ist eine Blamage, und insbesondere rund um Frankfurt ist es eine einzige Katastrophe. Im Taunus und im Vordertaunus ein halbwegs anständiges Wirtshaus zu finden ist unmöglich. Der Taunus ist verloren, ein für allemal.

Fast. Oder noch nicht ganz. Denn in Bad Soden-Altenhain steht unweit der Kirche ein Fachwerkhaus, das Gasthaus Zum Grünen Baum. Der Grüne Baum verdient, im Rahmen der immer dringlicher gebotenen hessischen Initiative zur Rettung des Wirtshauses als leuchtendes Beispiel auserkoren zu werden – als zeitloses Vorbild des einladenden, einfachen, normalen Wirtshauses ohne deutsch-romantische Verkleisterung, Verklärung und Verkitschung.

Ein langgezogener Raum; lobenswert lieblose Wanddekorationen, Kinderzeichnungen und Eisenlampen; Resopaltische mit Deckchen; keine Lichteffekte, keine Musik, keine Special Drinks oder Happy Hours. Am Schanktresen lagern die Stammgäste in unsortierten Hosen und kosten mit dem Wirt den neusten Brand. Die Bierbedienung ist zauberhaft zügig, die Beratung bei der Speisenwahl unaufdringlich. Der Grüne Baum ist nichts weiter als: ein Gast-, ein Wirtshaus, und das macht ihn nahezu einzigartig.

Selten zuvor wurden aber auch Steaks gesichtet so groß, daß man mit ihnen Gäule erschlagen könnte – zu Preisen, bei denen der städtische Hip-, Hü- und Hottwirt hysterische Anfälle erlitte. »Das Steak ist Weltklasse«, strahlt der Frankfurter Koch Hans-Dieter K., »das ist eine Sünde wert. Und die Bratkartoffeln sind schon jetzt legendär.«

Der Äppler rinnt aus der eigenen Kälterei, und Rippchen, Markklößchensuppe, Metzelsuppe, Dosenwurst und eine Schinkensülze aus eigener Schlachtung, die, versichert die fränkische Co-Verkosterin, durch ihre säuerlich-fleischkräftige Balance freudentränentreibend wirkt, werden um täglich wechselnde Spezialitäten wie frischgekochte Leiterchen oder Haspeln ergänzt.

Weil jetzt schon alles paßt, spendiert der Wirt einen Calvados oben drauf. Ich spendiere dem Grünen Baum die Goldmedaille der Inkognitovereinigung zur Förderung des Wirtshauswesens und der Gastronomie ohne Gewese.

Das perfekte Wirtshaus

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