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Faßbrause und Kühlungsbräu

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Daß peu à peu immer mehr Bierführer erscheinen, ist das schlechteste nicht. Die Erweiterung des Gesichtskreises und der Abbau von Ignoranz können gerade den zu unsinniger Treue zum Supermarktbier neigenden Biertrinkern nicht schaden. Gose, Schwarzes, Kombinate – Die Biere des Ostens (Hamburg 2004) erschließt dem Neugierigen jenes Terrain, das nach 1990 von diversen westdeutschen Bierriesen zwangsflurbereinigt worden war und auf dem seit einigen Jahren eine stetig wachsende Zahl wiederbelebter oder neugegründeter Kleinbrauereien den geschmacklichen Verheerungen der Premiumbierseuche zu wehren versucht.

Exakt hundert Brauereien stellt das – und hier deutet sich das Unheil aber leider schon wieder an – vom Deutschen Brauer-Bund gesponserte Buch vor. Zwei ungenießbare Lobbyistenvorworte überschütten einen sogleich mit Phrasen aus dem Reich der Schönfärberei. Die Anfahrtsbeschreibungen jedoch sind übersichtlich, das Register ist brauchbar, die Karte auf den Innenklappen bietet einen guten Überblick, auch wenn man das brandenburgische Warnitz, wo im Gasthof Deutsche Eiche eigenständig gebraut wird, vergeblich sucht. Die Schilderungen umliegender Sehenswürdigkeiten laden zu bierunabhängigen Exkursionen ein, obschon die »Straße der Romantik« eher die »Straße der Romanik« ist, wie der auf den Osten spezialisierte Bierkundler Stefan Rehse zu Recht anmerkt. Zudem darf man sich fragen, weshalb die Ausflugstips in einem eklatanten Mißverhältnis zu den Biercharakterisierungen stehen.

Für viele der im Osten beheimateten Biere, darunter die weizenbierähnliche Gose und die traditionellen Schwarzbiere, fehlen schlicht die Worte. Man erfährt nichts über sie. Im Gegenzug wird der Leser seitenlang mit einer Brauerlyrik eingeseift, in der sich die »urige Gaststube« auf den »rustikalen Biergarten« reimt, garniert mit einem Werbeslang, der eine »Eventlocation« anzupreisen weiß, obwohl es sich um die Stralsunder Brauerei handelt.

Mögen auch die Ausführungen zur Geschichte der Brauhäuser durch ihre Genauigkeit überzeugen, sobald es doch mal um den Geschmack der Produkte geht, ergreifen Hopfen und Malz die Flucht. Da ist dann zuverlässig nichtssagend von »herb-spritzig«, »süffig-herzhaft«, »kräftig-würzig« oder »vollmundig-aromatisch« die Rede, und reicht es gelegentlich zu mehr als zum lästigen PR-Deutsch des Brauer-Bundes, dreht es einem spätestens bei der »Faßbrause« oder beim »leckeren Kühlungsbräu«, was immer das sein soll, die Zunge um – respektive bei einem solchen Satz: »Der cremige Schaum ist genau das Richtige für liebliche Zungen.«

Daß sich die zweifelhaften Biermixer der Klosterbrauerei Neuzelle eines vom Geschäftsführer verfaßten Gastbeitrages über sein ureigenes »Anti-Aging-Bier« erfreuen dürfen, erklärt der Werbeeinsatz des Hauses auf der Rückseite des Buches. Stefan Rehse gesteht anläßlich dieses unschätzbaren Elaborats: »Ich hätte mich entleiben können.« Zum Glück hat er’s nicht getan und kann deshalb darauf hinweisen, daß in Die Biere des Ostens diverse Brauereien schmerzlich vermißt werden: das Altstadtbrauhaus zu Bautzen zum Beispiel, der Stadtkrug in Schwerin, die Hausbrauerei Am Anger und Schwanenbräu in Erfurt oder die Demmert Brauerei aus Neuendorf bei Klötze, der pferdefreundlichsten Stadt Deutschlands.

Allein, der Kardinalfehler ist die klägliche Erwähnung der Museumsbrauerei Schmitt in Singen. Wer deren sagenhaftes Export nicht feiert, darf nicht mitreden. Im übrigen schreibt er gewissermaßen selbstentlarvend ins Vorwort hinein, es gebe »auch Brauereien, die nicht in dieser Form an die Öffentlichkeit treten wollten«. Verstehen kann man das. Gewünscht hätte man es sich vor allem im Fall der Berliner Bruchbuden und der Hasseröder Brauerei. Zu denen sollte niemand hinwollen, es sei denn, er ist suizidentschlossen.

Das perfekte Wirtshaus

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