Читать книгу Das perfekte Wirtshaus - Jürgen Roth - Страница 17
Blond und blau
ОглавлениеWenn die Schönheit nach der aristotelischen Einheitslehre eine Handlung, einen Ort und eine Zeit braucht, um als solche wirklich zu werden und wahrlich eine wahre Schönheit zu sein, die unser Gemüt läutert und gegebenenfalls, was noch besser wäre, aufreizt und anheizt – dann muß sie, die Schönheit, sich eigentlich nur in den Odenwald begeben oder, das stimmt vielleicht eher, ebenda gewissermaßen ereignen.
Ein ordentlicher, plausibler sommerlicher Landregen näßt Wiesen, Buschgruppen und Laubwälder, und dort, wo der Odenwald am einleuchtendsten ist, mittendrin und rund um den in seiner bayerischen Variante abscheulichen, hier aber durchaus begrüßenswerten Ort Fürth, dehnt sich danach auch der Himmel besonders weich und wolkenverspielt und läßt sein gelbes Licht gutmütig über die Gräser streichen.
Eine Zeit hätten wir also, den Frühsommer mit seinen angenehm frotzeligen Wetterverhältnissen. Wie halten wir es mit dem Ort im engeren »Sinn« (G. Schröder)? Da greifen wir nicht ganz zufällig das Gasthaus Eselsmühle am Ortseingang von Fürth-Ellenbach heraus. Die Wiese hinter der 1998 eröffneten Gaststätte weitet sich schon unglaubhaft herrlich in den Odenwälder Naturraum hinein, der Schlierbach mit quasi direktem Meeranschluß via Rhein und sonstige Gewässer gluckert durch die Gegend, und auf der Terrasse imponiert eine synästhetisch hochkorrekte Ansammlung wasserblauer Stühle und Sonnenschirme (inklusive Regenabweiserfunktion).
Wer handelt nun da – und wie? Es sind dies Gine und Hajo Becke, die die ehemalige Ölmühle, die vor geraumer Zeit durch einen seitens des Müllers inständig und ganztägig praktizierten Verzehr alkoholischer Waren »die Bachgass’ runtergegangen« war, zum makroregionalen In- und Outdoor-Place und Meeting-Point Nummer eins um- und ausgebaut haben. Der Zappa-Plattenhorter und -hörer bäckt selber Sauerteigbrot, und zusammen mit seiner Frau verantwortet er einen mörderischen Kochkäse (den man übers Schnitzel gieße!) sowie eine schwerlich überschaubare Palette zum Teil balinesisch veredelter HiFi-Gerichte, etwa eine Hühnerbrust in »Kokosnußcurryzitronengrascurcumatamarindensauce«. Im übrigen, Hajo Becke besteht darauf, das kurz zu erwähnen, führe man auch »eine Tasse Kaffee« – nebst, ergänzen wir gern, über hundert Single Malts, einem pfälzischen Vizeweltmeisterwein halbtrocken, Grappas von Nonine und Ludwigshafener Mayer-Bier, das der alte Esel Dr. Kohl weder in seiner behämmerten Geburts- und Wohnstadt noch, Gott sei gepriesen, im indonesisch-modern eingerichteten Gastraum der Eselsmühle verdrückt.
Draußen quaken und hantieren rund um eine gravitätische Linde diverse Senioren- und Familientrupps, gemischte Zusammenkünftler und anderweitige Einzelgestalten herum; und eine blonde Bedienung, die unzweifelhaft schönste Frau im Odenwälder Verzahnungsgebiet Bayern/Baden-Württemberg/Hessen.
»Hier ist es immer so ekelhaft entspannt«, meint ein Stammgast. »Blau, blau, blau ist der Sonnenschirm«, rumpelt derweil das unter Zugabe eines Haselnußgeistes oder eines Zitronenbirnenbrandes gentil wegrutschende Hirn, ja, »blau, blau, blau blüht die Bierblume, holdiglich hell, olé!«