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3. Fortschritte

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Daniel und Flo trafen sich am nächsten Tag wieder in der Mensa der Universität. Sie hatten sich vor der Klausur kurz gesprochen, doch nicht viel Zeit füreinander gefunden. Und nachdem Florian seine Unterlagen abgegeben hatte, war er direkt verschwunden. Daniel nahm an, dass er zu dem Termin mit seinem Professor geeilte war.

„Nun, was ist mit der Stelle als Hilfskraft?“, fragte Daniel auch direkt, als sein Freund ihm gegenüber Platz nahm. Der ließ seinen Blick durch die Mensa schweifen und Daniel wusste, dass er nach dem Mädchen Sylvia Ausschau hielt. „Du warst doch bei diesem Prof nach der Klausur, oder?“

Flo nickte. Er konnte die Dunkelhaarige nicht entdecken und konzentrierte sich jetzt auf sein Essen. Diesmal war seine Entscheidung zu Gunsten einer Currywurst mit Pommes Frites ausgefallen, was er nicht bereute. Er kaute zunächst, dann blickte Florian seinen Freund an. „Nach den Semesterferien kann ich bei ihm anfangen.“ Der Student grinste. „Zunächst nur kleinere Sachen, wie Botengänge, Unterlagen vorbereiten und so etwas. Später soll ich dann auch bei Vorlesungen helfen und in der Pathologie tätig werden. Aber das Beste ist: Die Bezahlung ist ziemlich gut.“

Daniel lächelte. Er hatte es nicht nötig, für Geld zu arbeiten, doch mit der Stelle einer studentischen Hilfskraft ging auch ein gewisser Prestigegewinn einher. Vielleicht sollte er sich ja auch um so einen Job bemühen. Andererseits waren da die Forschungen und Experimente mit den Katzen, die einen Großteil seiner Zeit verschlangen. Heute Nachmittag wollte er die letzte Vorlesung ausfallen lassen und sich seinem Versuchstier widmen. Der Katze ging es heute Morgen ziemlich gut, sie hatte ihre Portion Katzenfutter förmlich verschlungen und war auch etwas zutraulicher geworden. Daniel führte ihr Verhalten allerdings noch nicht auf sein Medikament zurück, doch er würde die Dosis jetzt etwas erhöhen, so dass sie der entsprach, die das entlaufene Tier zuletzt bekommen hatte.

„Woran denkst du?“, riss ihn sein Freund aus den Gedanken.

Daniel fühlte sich ertappt und nahm Zuflucht in einer Notlüge: „An die Klausur heute Vormittag. Es lief ziemlich gut, ich denke, das wird wieder eine Eins.“

Florian nickte: „Die war ja auch nicht sonderlich schwer. Wenn das so weitergeht, dann schaffe ich mein Studium in der Regelstudienzeit. Der Prof hat versprochen, mich zu fördern und es ist sicher, dass ich meinen Doktortitel ohne Schwierigkeiten bekommen werde.“ Er seufzte theatralisch und hob die Hände. „Wenn man doch nur ein paar Semester überspringen könnte ... Den Stoff vom dritten Semester beherrsche ich jetzt schon fast komplett und die Praxis bereitet mir auch keine Sorgen.“

Daniel dachte an seinen Vater, der als Leiter der Klinik für Gefäßchirurgie zwar quasi das Geld mit der Schubkarre nach Hause fahren konnte, für seine Familie aber kaum Zeit fand. Er wusste, dass seine Mutter sich damit inzwischen abgefunden hatte, die Leere in ihrem Leben aber mit einem jungen Hausfreund ausfüllte. „Du wirst noch früh genug ans Arbeiten kommen“, meinte er mit einem schiefen Lächeln. „Genieße die Zeit deines Studiums, so lange du es noch kannst!“

Flo nickte ernst: „Das habe ich auch vor.“ Dann lächelte er unvermittelt. „Am Zehnten gibt ein Kommilitone von uns eine Abschlussparty. Um eine Einladung zu bekommen, musste ich ihn zwar bestechen, doch das hat sich gelohnt. Hoffentlich“, fügte er dann hinzu.

Daniel machte sich aus solchen Feiern nicht sonderlich viel und wer ihn einlud, bekam meistens eine Absage. Seine ‚Forschungen‘ waren ihm einfach wichtiger und bisher hatte er nur einmal während des Studiums eine Party besucht, die er dann aber lange vor dem eigentlichen Ende verließ. Die Musik dort war ihm zu laut gewesen und dass schon nach kürzester Zeit einige seiner Mitstudenten betrunken in den Ecken lagen, führte auch nicht unbedingt dazu, dass er sich sonderlich wohl fühlte. Außerdem beachtete ihn kaum jemand und die Mädchen machten einen Bogen um ihn. Es war einfach zu langweilig gewesen. Florian war damals nicht eingeladen gewesen.

„Super. Ich freue mich für dich“, gab er dann auch lustlos von sich. „Aber an dem Wochenende finden zahlreiche Abschlusspartys statt. Kenn ich den Knaben?“

„Welchen Knaben?“

„Den Kommilitonen, der die Party veranstaltet.“

Flo schüttelte den Kopf. „Vermutlich nicht. Er heißt Reiner Rolwerts. Soweit ich weiß, ist er keine sonderlich große Leuchte. Niemand also, mit dem du Kontakt hast. Er soll einige Jahre auf den Studienplatz gewartet haben und nur durch die Beziehungen und das Geld seines Vaters an die Uni gekommen sein. Der Vater ist Bauunternehmer oder so etwas.“

Daniel überlegte. Der Name kam ihm nicht bekannt vor, aber er hatte ohnehin nur mit wenigen Mitstudenten Kontakt. „Nein, einen Rolwerts kenne ich nicht“, gab er dann auch zu.

Flo sah sich erneut suchend in der Mensa um, schien aber kein Glück zu haben. Vermutlich war diese Sylvia Rakelt mit ihren Freundinnen woanders essen gegangen. „Die Party findet in einer Scheune bei Erkrath statt und ich wollte dich fragen ...“ Er hielt inne, offensichtlich fiel es ihm schwer, die richtigen Worte zu finden. „Ich meine, du hast mir doch versprochen, deinen Wagen nehmen zu können. Geht das vielleicht an dem Samstag?“ Flo beschrieb seinem Freund, wo sich die Scheune befand und dass er ohne Fahrzeug kaum eine Chance hatte, dorthin zu gelangen.

Daniel nickte. Versprochen war versprochen und schließlich handelte es sich bei Florian um seinen besten Freund. Er würde an dem Tag den Wagen ohnehin nicht brauchen. „Kein Problem, mein Freund. Du hast mir ja einen riesigen Gefallen getan, mit der Katze. Jetzt bin ich froh, mich revanchieren zu können. Hast du die süße Kleine denn schon eingeladen?“

„Du meinst Sylvia?“ Flo wirkte verlegen. „Bis jetzt noch nicht. Ich wusste ja nicht, ob es mit dem Wagen klappen würde. Danke, dass du zu deinem Wort stehst.“

Daniel gab sich großzügig. „Das ist doch selbstverständlich, Flo. Auf wen kann man sich denn noch verlassen, wenn nicht auf seinen besten Freund? Ich werde ihn auch volltanken und du brauchst dich um das Benzin nicht zu kümmern.“

Am Nachmittag schwänzte Daniel die letzte auf seinem Plan stehende Vorlesung. Ihm brannte auf den Nägeln, der Katze endlich die höhere Dosis verabreichen und ihre Reaktion darauf beobachten zu können. Das Tier war ziemlich mager und er überlegte, ob er nicht ein paar Tage mit der höheren Dosis warten sollte bis sie etwas zugelegt hatte, doch dann verwarf er den Gedanken. Sein Zeitplan sah vor, die Semesterferien für eine umfassende wissenschaftliche Ausarbeitung seiner ‚Forschungen‘ zu nutzen. Vorausgesetzt, das Ergebnis der Versuche würde entsprechend positiv ausfallen. Zum neuen Semester könnte er damit dann an die Öffentlichkeit gehen. Daniel wusste, dass seine Pläne ziemlich ehrgeizig waren, doch er besaß das Potenzial. Sollte die Katze frühzeitig sterben, würde ihm Florian bestimmt eine neue besorgen. Der MX-5 war einfach ein zu gutes Argument, damit sein Freund irgendwelche Bedenken zur Seite schob.

Doch Daniel war sich sicher, dass Tinka - er überlegte kurz, ja sie hieß Tinka - durchhalten würde. Das hatte die entflohene Katze auch getan und die Fortschritte waren einfach überwältigend gewesen.

Als er seine Wohnungstür aufschloss und sie vorsichtig einen Spalt öffnete, versuchte die Katze zu entwischen. Jedoch war der Spalt nicht groß genug und Daniel drückte die Tür sofort wieder etwas zu, so dass der Kopf des Tieres zwischen Türblatt und Rahmen festsaß. Er packte die Katze mit festem Griff und gab ihr einen Schubs, der sie in die Diele zurückwarf. Tinka ließ ein unwilliges Knurren hören, sah ihn böse an und zog sich dann ins Wohnzimmer zurück.

„Du bist ja ganz schön frech geworden“, rief Daniel ihr hinterher. Das war nicht mehr die kleine, ängstliche Katze, die ihm Flo gestern gebracht hatte. Er wollte nicht vorschnell urteilen und Ergebnisse ohne eine genaue Testreihe vorwegnehmen, doch sein Gefühl sagte ihm, dass ihr selbstbewusstes Verhalten durchaus das Ergebnis seiner Substanz sein könnte. Daniel war begierig darauf, die Dosis zu erhöhen und das Verhalten des kleinen Tieres zu studieren. Professoren und Studenten der Universität bereiteten sich allmählich auf die Semesterferien vor und in Kürze wären auch die letzten Klausuren abgeschlossen. Daniel würde viel Zeit mit seinem Versuchstier verbringen können.

Doch zunächst einmal bekam er einen Schock, als er das Wohnzimmer betrat. Die Gardinen am Fenster waren heruntergerissen und sämtliche Bücher, die fein säuberlich auf drei Regalen gestanden hatten, lagen in einem wirren Durcheinander am Boden. Daniel sah sich nach dem Verursacher dieses Durcheinanders um, konnte die Katze aber nirgendwo entdecken. Das Tier, das ihm entlaufen war, hatte so etwas nie angerichtet. Er würde Tinka klarmachen müssen, dass solch ein Verhalten nicht geduldet werden konnte.

Nachdem Daniel wieder Ordnung geschaffen hatte, wog er die heutige Dosis ‚Medizin‘, die er der Katze ins Futter mischen wollte, sorgfältig aus. Tinka schien ziemlich zäh zu sein und er war sich sicher, dass sie die größere Menge der Substanz gut vertragen würde. Dann stellte er den Napf mit dem Futter mitten ins Wohnzimmer, nahm auf einem Sessel Platz und wartete. Der Geruch des Futters würde die Katze schon anlocken, da war er sich sicher.

Es dauerte nicht lange, dann bemerkte Daniel von seinem Platz aus, wie die Türklinke der Badezimmertüre nach unten gedrückt wurde und sofort wieder in die Ausgangsstellung zurücksprang. Daniel bekam einen Schreck und sprang auf. Befand sich noch jemand in der Wohnung? Außer ihm und der Katze natürlich? Wenn hier fremde Personen nach Belieben ein und aus gingen, dann ließe sich auch erklären, warum die andere Katze entkommen konnte. Der Einbrecher musste sich im Bad versteckt haben, als Daniel früher als üblich nach Hause kam. Der Student sah sich nach einem Gegenstand um, den er benutzen konnte, falls er sich verteidigen musste. Er fand nichts und nahm schließlich seinen Laptop in die Hand. Im Notfall konnte er damit zuschlagen.

Wieder wurde die Türklinke heruntergedrückt und diesmal schwang die Tür ein wenig auf. Sofort sprang der Knauf wieder nach oben. Daniel brachte sich neben dem Türrahmen zur Diele so in Position, dass man ihn nicht sehen konnte. Wer immer da jetzt herausspazierte, würde seinen Laptop zu spüren bekommen.

Die Tür schwang ein wenig weiter auf und plötzlich marschierte Tinka durch den schmalen Spalt. Daniel ließ den Computer sinken. „Du Aas“, murmelte er und überlegte. Die Badezimmertür war definitiv geschlossen gewesen, als er nach Hause kam, da war er sich ganz sicher. Tinka war ins Wohnzimmer geflitzt, nachdem er sie in die Diele gestoßen hatte und danach hatte er das Tier nicht mehr zu Gesicht bekommen. Sie musste also die Tür geöffnet haben, als er ihr Futter in der Küche herrichtete. Und dann war Tinka in das Badezimmer geschlüpft und hatte anschließend die Tür wieder geschlossen. Daniel schüttelte den Kopf. Er wusste, dass Katzen durchaus in der Lage sein konnten, Türen zu öffnen, doch all das sollte dieses magere Ding vollbracht haben? Er nahm sich vor, seine Beobachtungen als Randnotiz seiner Versuchsergebnisse zu notieren, doch diese eine kleine Dosis gestern, konnte für das Verhalten der Katze nicht ursächlich sein. Bestimmt hatte das Tier schon vorher gelernt, Türen zu öffnen.

Daniel sah sich trotzdem im Badzimmer um, so dass er sichergehen konnte, dass sich niemand dort befand. Dann kehrte er ins Wohnzimmer zurück. Der Napf war komplett leergefressen und aus der kleinen Küche drangen Geräusche zu ihm, Dann rauschte plötzlich der Wasserhahn. Daniel legte seinen Laptop auf dem Wohnzimmertisch ab und schaute in die Küche. Tinka saß vor dem laufenden Wasser, das aus dem Hahn kam und tauchte in rascher Folge ihre Zunge in den Strahl. Er beobachtete das Tier eine Weile, bis die Katze mit einer Pfote den Hebel am Hahn schloss. Der Strahl versiegte.

‚Was würdest du tun, wenn das jetzt ein Drehknopf wäre und kein Hebel?‘, dachte er. Sollte sich die Gelegenheit ergeben, dann würde er die Armatur gegen einen Hahn mit Drehknopf austauschen und das Verhalten der Katze beobachten. Daniel kehrte ins Wohnzimmer zurück, aktivierte seinen Laptop und notierte seine Beobachtungen. Handelte es sich hier einfach nur um Zufälle, hatte Tinka solch ein Verhalten schon gelernt, bevor sie zu ihm kam, oder war seine Substanz der Auslöser für dieses ‚intelligente‘ Verhalten?

Es war noch zu früh, sich festzulegen, doch Daniel spürte, dass der ganz große Durchbruch kurz bevorstand. Er musste nur dafür sorgen, dass diese Katze nicht auch noch fliehen konnte.

Bevor Daniel am nächsten Tag zur Universität ging, schloss er die Katze in seinem Schlafzimmer ein. Er vergewisserte sich, dass der Fensterriegel fest verschlossen war und sich nicht ohne Schlüssel öffnen ließ, dann verriegelte er die Schlafzimmertür. Den Schlüssel steckte er in die Hosentasche. Tinka würde unmöglich flüchten können. Gutgelaunt fuhr Daniel in die Universität und traf dort seinen Freund bei einer Vorlesung.

„Kommst du heute Mittag in die Mensa?“, fragte er Flo leise, der neben ihm im Vorlesungssaal saß. Es war eine seiner Lieblingsvorlesungen über das Thema Biochemie. Daniel kannte zwar nahezu alle Inhalte der Themen, die der Dozent in diesen Vorlesungen vortrug, doch bei den Diskussionen - an denen er sich rege beteiligte - und Zwischenfragen wurden immer wieder Aspekte besprochen, die Neuigkeiten boten. Florian ließ die Vorlesung eher stoisch über sich ergehen. Er bevorzugte eindeutig die Praxislehre.

„Nein“, flüsterte der zurück und machte sich gleichzeitig Notizen auf seinem Schreibblock. Daniel benutzte zum Schreiben seinen Tabletcomputer mit einem Spezialstift. Seine Notizen wurden direkt in die Textverarbeitung übernommen und landeten automatisch in der Cloud. Ohne viel Mühe konnte er von all seinen Computern, oder den, von denen er sich entsprechend einloggte, Zugriff auf die Daten erhalten. Wie er wusste, tippte Flo dagegen in seinem Zimmer im Studentenwohnheim alles noch einmal in seinen Laptop, was ihn insgesamt eine Menge Zeit kostete. Aber Flo hatte auch kein Geld für solch ein High-Tech Tablet. Außerdem beharrte er darauf, dass er auf diese Art und Weise den Stoff wesentlich besser lernte, als wenn er ihn nur durchlas oder sich hier Notizen machte.

„Keine Zeit, der Prof will wegen meines Jobs noch einmal mit mir sprechen. Ich werde wohl in den Semesterferien des Öfteren zu ihm müssen.“

„Wolltest du nicht zu deinen Eltern nach Köln fahren?“, fragte Daniel leise, der eigentlich auch nach Hause fahren sollte. Jedenfalls, wenn es nach seinen Eltern ging, doch er hatte keinerlei Lust dazu. Falls notwendig, wollte er die ‚Alten‘ an einem Wochenende oder besser noch, nur an einem Sonntag zum Mittagessen, besuchen. Es würde sowieso stinklangweilig werden. Sein Vater sprach dann meistens von der Arbeit in der Klinik, fragte nach dem Verlauf des Studiums seines Sohnes und kannte kaum andere Themen. Obwohl sein alter Herr niemals nach Details oder Noten fragte, wusste Daniel, dass er über diverse Kanäle immer auf dem Laufenden darüber war, was sein Sohn so an der Uni trieb. Daniel war das durchaus recht, solange seine Miete bezahlt wurde und das Taschengeld immer pünktlich auf dem Konto einging.

„Eigentlich ja“, seufzte Flo. „Dann werde ich eben nicht so lange bei ihnen bleiben können. An richtigen Urlaub ist dieses Jahr ohnehin nicht zu denken.“

Sie schwiegen und konzentrierten sich auf die Grafiken, die jetzt mittels eines Projektors auf die weiße Wand geworfen wurden. ‚Nach meiner Professur werde ich zu einem Pharmaunternehmen in die Forschung wechseln‘, dachte Daniel über eine glänzende Zukunft mit viel Geld, Ehre und Ruhm nach. ‚Oder ich gründe ein eigenes Unternehmen‘. Dafür, dass er das notwendige Startkapital erhielt, würde sein Vater schon sorgen.

Die folgenden Tage standen im Ausklang des Semesters. Alle Klausuren waren geschrieben und sie warteten auf die Ergebnisse, um die sich aber weder Daniel noch Florian Sorgen machten. Die notwendigen ‚Scheine‘ würden sie beide problemlos zusammenbekommen.

Tinka dagegen entwickelte sich prächtig. Die Katze legte an Gewicht zu und wurde schon fast zu einer richtigen kleinen Raubkatze. Nachdem Daniel sie in dem Schlafzimmer eingesperrt hatte, zerlegte sie es aus Rache für die erzwungene Gefangenschaft komplett in ihre Einzelteile. Mit Entsetzen stand er an dem Abend vor einem Berg aus Federn, Scherben und Stofffetzen, als er von der Universität nach Hause kam. Tinka sah ihn nur herausfordernd an und spazierte dann durch die Schlafzimmertür ins Wohnzimmer, um es sich auf der Couch bequem zu machen.

Daniel setzte sich zu ihr. „Wenn du das noch einmal machst“, warnte er sie und seine Stimme klang ehrlich böse, „dann bringe ich dich zur Katzenhilfe zurück!“ Er wusste, dass es sich um leere Worte handelte, denn er konnte Tinka erst wieder abgeben, wenn seine Forschungsreihe mit ihr abgeschlossen war. Doch die Katze würde nicht zurück in ein Tierheim kommen, dem war er sich bewusst. Nach Abschluss der Forschungen wollte Daniel herausfinden, was geschah, wenn er die Dosis der Substanz immer weiter erhöhte, bis das Tier daran starb.

Auch das diente schließlich der Forschung.

Als hätte Tinka verstanden, was Daniel sagte, ließ sie zukünftig die Einrichtung seiner Wohnung in Ruhe und verursachte keinen Schaden mehr. Dafür stellte er nach einiger Zeit fest, dass Nahrungsmittel aus seinem Kühlschrank verschwanden, was auch nicht damit endete, als er ein Nachtkonsölchen vor die Tür stellte. Das Möbelstück stand Tag für Tag unverändert da und doch fehlten oft Wurst, Käse und andere Leckereien.

Eines Tages grinste Florian seinen Freund an: „Ich hab’s geschafft“, gab er freudestrahlend von sich, als sie sich auf dem Campus trafen.

„Was hast du geschafft? Die Prüfungen? Soweit ich weiß, sind die Ergebnisse doch noch gar nicht draußen. Oder versorgt dich dein Prof mit Insiderinformationen?“

„Nein, nein“, Flo grinste immer noch und freute sich wie ein kleines Kind, „Sylvia hat zugesagt. Die Partys, die Reiner Rolwerts gibt, sind wohl ziemlich angesagt und da Sylvia keine Einladung bekommen konnte und niemanden zur Hand hat, der sie dorthin mitnimmt, bin ich der Glückliche, den sie begleiten wird.“

„Du Glückspilz“, meinte Daniel zerstreut. Seine Gedanken befanden sich jetzt die meiste Zeit bei der Katze, die in den letzten sieben Tagen ganz enorme Fortschritte gemacht hatte. Tinka vertrug die Substanz bestens, es gab keinerlei Anzeichen für eine Abhängigkeit und das Tier schien eine Intelligenz zu entwickeln, die ihn staunen ließ. Ihr Körpergewicht betrug jetzt ein gutes Normalmaß und alle Tests, die Daniel mit ihr durchführte, absolvierte sie mit Bravour. Manchmal hatte er sogar den Eindruck, als würde sie verstehen, was er sagte, doch wie bei Hunden konnte es auch der Tonfall oder die Sprachmelodie sein, auf die sie reagierte.

Sie bekam jetzt seit neun Tagen mit dem Futter zusammen die Substanz und seit acht Tagen die volle Dosis. Daniel war sich nahezu sicher, dass er genau das Mittel gefunden hatte, von dem er schon so lange träumte. Er nahm sich vor, Tinka noch weitere fünf Tage die Dosis unverändert zu verabreichen und sie intensiv zu beobachten. Sollten sich bis dahin keine negativen Veränderungen ergeben, dann konnte er sicher sein, dass sein Medikament weder schädliche Nebenwirkungen, noch einen negativen Einfluss auf die Physiologie eines Lebewesens hatte. Eine weitere Woche später - um auch ganz sicher gehen zu können - würde er dann schrittweise die Dosis erhöhen, um zu erforschen, wie sich die Katze bei steigender Menge der Substanz verhielt und wann schließlich der Tod eintrat. Er war überaus zufrieden mit sich und seinen Forschungen.

„Was für eine Party?“

Flo stöhnte. „Ich habe dir doch von dieser Scheunenparty erzählt, die Reiner nächste Woche veranstaltet. Zum Abschluss des Semesters. Du hast mir versprochen, dass ich den MX-5 ausleihen kann.“

Daniel legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. „Sicher, das hatte ich bei all den Klausuren vergessen. Entschuldige. Natürlich bekommst du den Wagen. Und ich freue mich, dass du Sylvia einladen konntest. Sie wäre genau die richtige Freundin für dich.“

Dass er nicht eine Sekunde daran glaubte, sie würde jemals Flos Freundin werden, erwähnte er nicht.

Flo grinste ihn selig an: „Du bist wirklich ein echter Freund. Wenn das mit Sylvia etwas wird, können wir vielleicht den Urlaub zusammen verbringen. Ich meine natürlich Sylvia und mich“, fügte er hinzu, um auch ja kein Missverständnis aufkommen zu lassen.

Crystal Fire

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