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6. Die Sonderkommission

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Kriminalkommissar Christian Jäger saß an seinem Schreibtisch in der Kriminalinspektion 1 in Düsseldorf und blätterte am Bildschirm in einer Akte. Sein Aufgabenfeld umfasste Einbruchsdelikte und es kam ihm vor, wie der berühmte Kampf gegen Windmühlenflügel. Nur ein geringer Teil der Einbrecher konnte gefasst werden und der Job wurde zunehmend frustrierender. Sie befanden sich jetzt mitten in der Urlaubszeit und er spürte förmlich, wie sich die organisierten Banden angesichts leerstehender Häuser und Wohnungen die Hände rieben.

Es war Jahr für Jahr das gleiche Spiel und sie immer aufs Neue die Verlierer. So lange die Menschen nicht bereit waren, ein gewisses Minimum an Geld für die Sicherheit ihrer Wohnung oder Häuser zu opfern, so lange hatten die Diebe auch ein leichtes Spiel. Gut, die Einbruchszahlen waren leicht rückläufig, doch dafür stieg die Zahl der Betrugsdelikte unverhältnismäßig stark an. Und nur ein ganz geringer Teil der Einbrecher konnte gefasst werden. Meistens handelte es sich um kleine Gelegenheitsdiebe, Drogensüchtige oder Kleinkriminelle, die sie dingfest machen konnten. An die Profis mit ihren osteuropäischen Bandenstrukturen oder Familienclans kamen sie nicht heran.

Christian Jäger hatte oft schon um seine Versetzung zur Sitte oder Mordkommission gebeten, doch sein Chef ließ ihn einfach nicht gehen. Mit den Worten: „Wir brauchen sie hier“, schmetterte er jeden Versuch Jägers um eine Versetzung ab und ließ auch nicht mit sich diskutieren. Und stets folgte dann der gleiche Spruch, den sein Vorgesetzter mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen von sich gab: „Leben sie sich erst einmal hier ein, Jäger, und dann werden sie ihrem Namen schon noch alle Ehre machen.“

In Wirklichkeit ging es darum, dass nach dem Fortgehen des Kommissars niemand auf die Stelle folgen würde, da die Kopfzahl der Abteilung übererfüllt war. Und das lag natürlich nicht im Interesse des Chefs, denn es bedeutete, dass noch weniger Einbruchsdelikte aufgeklärt wurden und die Abteilung noch schlechter dastehen dürfte.

Die Akte am Bildschirm las sich wie alle anderen auch: Einbruch in ein Einfamilienhaus. Der oder die Täter war oder waren über die ungesicherte Terrasse in das Haus gelangt, wobei sie lediglich die Terrassentür hatten aufhebeln müssen. Keine Alarmanlage, keine zusätzlichen Sicherungen und keine Bewohner, da die zurzeit auf Mallorca weilten. Ein Nachbar hatte den Einbruch bemerkt, weil das Gartentor weit offenstand. Neugierig, wie der Mann war, drang er dann in das Haus ein und zerstörte dabei sämtliche Spuren der Einbrecher. Wenn überhaupt Spuren vorhanden waren.

Jäger seufzte. Für ihn war der Fall klar: Es war wieder einmal eine Bande von Profis gewesen. Man hatte sich auf Wertsachen konzentriert und den anderen Plunder links liegen lassen. Wenigstens war kaum etwas zerstört worden. Selbst den versteckten Safe im Keller fanden die Gangster und knackten ihn ohne viel Federlesens. Eine Liste der gestohlenen Sachen, würde die Polizei - und die Versicherung - erst erhalten, wenn die Hauseigentümer in zwei Wochen wieder aus ihrem Urlaub zurückkehrten. Jäger hatte mit dem Mann telefoniert, der nicht einsah, seinen Urlaub wegen ‚so einem kleinen Einbruch‘ abzubrechen. Nun, er konnte die Leute nicht zur Rückreise zwingen.

Um die Diebe zu fangen, wäre auch hier vermutlich eher ‚Kommissar Zufall‘ gefragt.

Eine Hand legte sich auf Jägers Schulter und er spürte durch den dünnen Stoff des Hemdes, die Feuchtigkeit der schwitzenden Haut. Unwillig schüttelte er die Hand des Kollegen ab. Ohne seinen Blick vom Bildschirm zu nehmen, fragte er: „Neelen, was gibt es?“ Jäger brauchte sich nicht umzusehen, der Kollege hinter ihm roch penetrant nach Schweiß und verriet schon auf Meter hin seine Anwesenheit. Jäger fragte sich, ob der Mann überhaupt duschte oder sich anderweitig körperlich pflegte. Wohlweislich hatte er den älteren Kollegen bisher nicht auf dessen Problem angesprochen.

„Würnitz will dich sprechen, Jäger“, grunzte Neelen jetzt und bewegte sich weiter. Eine Duftwolke folgte ihm. „Jetzt sofort“, warf er noch hinterher, dann schlurfte er mit einem Kaffeebecher in der Hand an seinen Platz im Großraumbüro. ‚Gut, dass der ein ganzes Stück von mir weg sitzt‘, dachte der Kommissar und schloss seufzend die Akte. Dann loggte er sich sorgfältig aus dem System aus. Werner Würnitz war der Chef der Abteilung und leider kein Mensch, mit dem man allzu gut auskommen konnte. Der dicke Mann mit dem schütteren Haar liebte es, mit seinen Untergebenen diverse Spielchen zu treiben und diese durch Fangfragen und Wortverdrehungen zu verwirren und bloßzustellen. Seine Vorliebe bildeten Monologe, die er zuvor anscheinend auswendig gelernt hatte.

Ob ihm der Chef wieder einmal einen Vortrag über Effizienz am Arbeitsplatz halten wollte? Das war eine seiner Spezialitäten und regelmäßig mussten die Mitarbeiter so ein Gespräch über sich ergehen lassen. Im Grunde genommen handelte es sich nur um verlorene Zeit, doch Jäger schwieg inzwischen und nickte lediglich. Einmal hatte er es gewagt, Würnitz zu fragen, was solche Vorträge bringen sollten, und war dadurch wieder ein wenig mehr in Ungnade gefallen. „Jäger“, hatte der Vorgesetzte ihn angedonnert, „ihre Frage zeigt einmal mehr, dass sie ihren Kopf nicht zum Denken benutzen. Schauen sie sich doch ihre Aufklärungsquote an, die liegt eindeutig unter dem Durchschnitt der Abteilung. Ihre Arbeit ist ineffizient, nehmen sie sich lieber ein Beispiel an ihren Kollegen.“ Jäger schwieg fortan und nickte nur noch.

Der Kommissar erhob sich seufzend. Wenn Würnitz sagte ‚sofort‘, dann war auch sofort gemeint. Alles andere würde weitere Minuspunkte und eine umfangreiche Standpauke zur Folge haben.

Er klopfte an die Bürotür des Bereiches, der den Chef von seinen Untergebenen im Großraumbüro trennte. Ein scharfes ‚Herein‘ verhieß nichts Gutes.

„Sie wollten mich sprechen?“

„Kommen sie rein und schließen sie die Tür, Jäger.“ Würnitz klang nicht unfreundlich. Immerhin blickte er nicht demonstrativ auf seine Uhr, was bedeutete, dass Neelen ihn umgehend verständigt und nicht erst noch Zeit vertrödelt hatte. „Setzen sie sich.“ Der Chef wies auf den unbequemen Holzstuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. Jäger nahm ohne ein weiteres Wort Platz. Er wusste, dass sein Vorgesetzter es nicht liebte, wenn man unaufgefordert sprach.

„Wie geht es mit den aktuellen Fällen voran?“, leitete der die Unterhaltung ein.

Jäger überlegte, ob es sich um eine Fangfrage handeln könnte. Würde er sagen ‚gut‘ wäre das gelogen. Und die Wahrheit dürfte Würnitz nicht sonderlich erfreuen. Jäger entschied sich für den goldenen Mittelweg. „Wir haben momentan Urlaubszeit, da geht alles ein wenig schleppender vora...“

„Ich will nicht wissen, was für eine Zeit wir haben“, donnerte ihn der Mann hinter dem Schreibtisch an. Dann winkte er mit einer Hand ab. „Egal. Ich erwarte ja keine Wunder in dieser Abteilung. Ich habe sie wegen einer anderen Sache zu mir gebeten.“

‚Gebeten ist gut‘, dachte der Kommissar. ‚Befohlen würde eher den Kern treffen‘. Er verhielt sich aber weiter ruhig.

Der Chef spielte jetzt mit einer dünnen Akte herum und Jäger fragte sich, ob es vielleicht seine Personalakte sei. Doch dafür war das Pamphlet zu dünn. „Es geht um das hier“, erklärte sein Vorgesetzter jetzt und hielt die Akte in die Höhe, während er den Kommissar prüfend ansah.

Jäger fragte sich, ob nun seine Fähigkeiten als Hellseher gefragt seien, doch damit würde er kaum dienen können. So gab er lediglich ein ‚Aha‘ von sich.

Der Vorgesetzte, der bekannt für solche Spielchen war, nickte. „Ja, aha. Wissen sie, was das ist?“

„Eine Akte?“

„Genau, mein Lieber. Aber nicht irgendeine Akte. Dies ist die Möglichkeit für sie, sich zu beweisen.“ Er betonte ‚die Möglichkeit‘ extra, um den besonderen Moment des Augenblicks hervorzuheben.

Jäger ließ erneut ein ‚Aha‘ hören.

„Ich hätte auch jeden anderen aus dieser Abteilung für den Job aussuchen können“, ließ Würnitz sich jetzt wieder vernehmen. „Aber ich habe sie gewählt.“

Jäger war sich nun sicher, dass es sich nur um etwas Unangenehmes handeln konnte. Die durchweg älteren Kollegen, die alle schon seit Längerem ihr Dasein in der Abteilung fristeten, würden dem Chef die Akte vor die Füße werfen und den Auftrag ablehnen. Deswegen war der auch auf ihn verfallen. Jägers ganze Karriere lag noch vor ihm und er konnte es sich nicht leisten, einen Auftrag seines Vorgesetzten abzulehnen. Aber vielleicht hatte der Chef ja schon andere gefragt, Neelen zum Beispiel.

Der Kommissar nahm sich vor, das in Erfahrung zu bringen. Ein Lächeln unterdrückend, meinte er scheinheilig: „Das ehrt mich. Ich wusste, dass ich für sie die erste Wahl bin.“

Werner Würnitz schüttelte den Kopf: „Nicht ganz, Jäger. Ich muss mich ja schließlich an die Rangfolge halten, aber Oberkommissar Neelen konnte den Auftrag nicht übernehmen, da er zu beschäftigt ist.“

Jäger sah sich in seinen Gedanken bestätigt. Er wusste, dass bei Neelen aktuell auch nur Fälle auf dem Schreibtisch lagen, in denen der keinen Millimeter vorankam. Aber der Kollege riss sich bekanntlich auch kaum ein Bein bei seinen Ermittlungsarbeiten aus. Dafür war ihm allerdings stets wichtig, pünktlich Feierabend zu machen.

„Und jetzt sind sie an der Reihe“, fuhr sein Vorgesetzter fort. Jäger überlegte kurz, ob er fragen sollte, was mit all den anderen Kollegen sei, die doch eigentlich auch noch vor ihm in der Reihe standen, doch er schwieg. „Ich frage sie also: Nehmen sie den Auftrag an?“

‚Was macht er, wenn ich ‚nein‘ sage?‘, überlegte der Kommissar. Er wusste ja nicht einmal, worum es sich bei diesem ‚Auftrag‘ handelte.

„Natürlich nehme ich den Auftrag an“, hörte er sich sagen. Eine andere Wahl gab es schließlich nicht.

Würnitz grinste. „Das ist mein Mann“, nuschelte er und legte die Akte auf den Schreibtisch. „Es geht um Folgendes.“ Er öffnete den Pappdeckel und Jäger erkannte, dass die gesamte Akte lediglich aus einem Blatt Papier bestand. „Jäger, ich mache sie zum Großwild-Jäger“, grinste der Dicke hinter dem Schreibtisch und lachte meckernd. Als er Jägers säuerlichen Gesichtsausdruck bemerkte, stoppte er abrupt sein Lachen. „Ein Scherz, Jäger, ein Wortspiel. Sie haben aber auch keinen Sinn für Humor ...“

Jäger verkniff sich, seinem Chef zu erklären, dass er durchaus einen Sinn für Humor habe, sofern dieser nicht auf seine Kosten stattfand. Es reichte doch schon, dass er mit diesem Namen Ganoven jagte und in der Abteilung jede Menge Witze und Wortspiele über den Zusammenhang kursierten. Was sollte dann der Mist mit dem ‚Großwild-Jäger‘ jetzt wieder? „Was wollen sie mir damit sagen, Herr Würnitz?“

Der Dicke ließ sich in seinem überdimensionierten Chefsessel zurücksinken und legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander. „Haben sie von den Wölfen oder Wildtieren, die in der Stadt ihr Unwesen treiben, gehört?“, fragte er lauernd.

Jäger nickte. „Die Rede ist von einer oder mehreren Wildkatzen. Ich habe die Meldungen in der Presse verfolgt. Bisher hat aber noch niemand so ein Tier zu Gesicht bekommen.“

„Richtig Jäger“, nickte der Chef. „Es ist sogar eine Frau durch den Angriff eines Tieres zu Tode gekommen. Und zahlreiche andere Tiere, wie Schafe, Kühe und was-weiß-ich.“

Jäger unterdrückte ein Grinsen und fragte sich, was für Tiere diese ‚was-weiß-ich‘ seien. Er nickte bestätigend.

„Mittlerweile zieht die Angelegenheit ziemlich weite Kreise“, fuhr Würnitz fort und kratzte sich ausgiebig am Kopf. „Zuerst deutete alles auf ein Rudel Wölfe hin, doch mittlerweile weiß man, dass es sich um einen Tiger, Leoparden oder ...“

‚Oder was-weiß-ich‘, führte Jäger den Satz in Gedanken fort und musste nun doch ein wenig Lächeln.

„Was gibt’s denn da zu grinsen?“, fuhr ihn sein Chef auch direkt an. „Die Sache ist ernst, selbst das Ministerium hat sich inzwischen eingemischt. Die Bevölkerung lebt mittlerweile in Angst und Schrecken und da ist man an mich herangetreten.“ Würnitz legte erneut die Fingerspitzen vor seinem Bauch zusammen und machte eine Pause, um die Wichtigkeit seiner Person hervorzuheben.

„Es wundert mich nicht, dass die Herrschaften ausgerechnet auf meine Wenigkeit gestoßen sind. Wenn allerdings auch relativ spät.“

Jäger verdrehte die Augen. Jetzt folgte wieder die falsche Bescheidenheit Würnitz‘, die er noch mehr hasste, als dessen Monologe.

„Wir sind eine kleine Abteilung“, fuhr der Chef fort, „doch vermutlich hat sich die Effizienz unserer Mitarbeiter herumgesprochen. Es ist nur logisch, dass man meinen bescheidenen Rat suchte ...“

‚Ja sicher‘, dachte Jäger. ‚Vermutlich ist die Polizei gezwungen, sich mit der Sache zu befassen, da irgendein Minister blinden Aktionismus zeigen musste. Und wir sind überbesetzt, was liegt da also näher, als den Schwarzen Peter an uns weiterzugeben?‘ Doch der Kommissar schwieg und nickte lediglich erneut.

Würnitz betrachtete seine Wurstfinger und fuhr fort: „Wir haben in diesem Fall völlig freie Hand, doch an höherer Stelle drängt man auf Ergebnisse. Deswegen gründete ich die Sonderkommission ‚Tiger‘, die sie leiten werden. Ich selbst berichte höchstpersönlich dem Minister.“ Er lächelte den Kommissar selbstzufrieden an und schien auf einen Kommentar zu warten.

Jäger tat ihm den Gefallen und bemühte sich, einigermaßen enthusiastisch zu klingen. „Sonderkommission? Das hört sich wichtig an. Aus wie vielen Beamten besteht denn diese ‚Sonderkommission Tiger‘? Und wie konkret lautet die Aufgabenstellung?“

Würnitz blickte auf die Akte, dann sah er Jäger an. „Aus einem, nämlich ihnen. Und - wie ich schon sagte - wir haben völlig freie Hand, sie müssen lediglich Ergebnisse liefern.“

Jäger stöhnte leise. Das hörte sich nach einem Himmelfahrtskommando an. Kein Wunder, dass niemand von den Kollegen den Auftrag übernehmen wollte. Er würde einem Phantom hinterherjagen, einem wilden Tier, das bisher niemand zu Gesicht bekommen hatte. Und zu allem Überfluss warf ein Ministerium ein Auge auf seine Ermittlungen, die vermutlich im Sande verlaufen würden. Bei dieser ‚Großwildjagd‘ konnte er sich einfach nicht mit Ruhm bekleckern und damit würde vermutlich auch seine Karriere ein jähes Ende finden oder zumindest ins Stocken geraten. Bestenfalls dürfte er schließlich bis zur Pensionierung als kleiner Kommissar hinter Einbrechern herjagen ...

„Wie stellen sie sich das vor?“, fragte er leise. „Soll ich mit einem Jagdgewehr durch die Stadt ziehen und hoffen, auf dieses Tier oder ein Rudel durch Zufall zu stoßen? Bisher hat doch niemand diese Wildkatze - oder was auch immer - zu Gesicht bekommen.“

Würnitz betrachtete wieder seine Fingerspitzen. „Sie haben völlig freie Hand. Allerdings rate ich davon ab, mit einem Gewehr durch Düsseldorf zu laufen. Gehen sie diskret vor, Jäger. Benutzen sie ihren Kopf! Und handeln sie effizient!“ Er beugte sich im Sessel vor und schob dem Kommissar die Akte hin. „Hier finden sie alle wichtigen Informationen. Daraus geht hervor, dass eine Tierärztin vom Veterinäramt in den Fall involviert ist. Sprechen sie mal mit der Frau, vielleicht weiß die mehr über diese Tiere.“ Er machte eine Pause, legte die Fingerspitzen wieder aneinander und lächelte. „Jedenfalls besteht bis zur Klärung der Sache eine Urlaubssperre ...“

Jäger sah seinen Vorgesetzten erschrocken an. „Ähm“, gab er dann vorsichtig von sich, „mein Urlaub wurde doch schon genehmigt. Immerhin habe ich eine Reise gebucht ...“

Würnitz schüttelte den Kopf. „Urlaubssperre, Jäger. Stornieren sie ihre Reise. Hier geht es um nationale Interessen, da müssen sie doch einsehen, dass der Urlaub des Herrn Kommissars Jäger wirklich nebensächlich ist. Aber vielleicht lösen sie den Fall ja bis dahin, dann können sie nach Lust und Laune verreisen.“

Jäger wusste, dass es keinen Sinn machte, mit seinem Chef zu diskutieren. „Und wer übernimmt die Stornierungskosten?“, fragte er, obwohl ihm die Antwort schon bekannt war.

Würnitz hob beide Hände über den Kopf, sagte aber nichts.

„Und was ist mit meinen aktuellen Fällen?“

„Die übernimmt Neelen, sie sind völlig freigestellt. Und nun ran an die Arbeit, es gilt keine Zeit zu verlieren! Ach ja, bevor ich es vergesse: Kein Wort an die Presse, Jäger. Das geht alles direkt vom Ministerium aus. Informieren sie mich nur regelmäßig über ihre Fortschritte.“

Jäger nahm die Akte und schlurfte zu seinem Arbeitsplatz zurück. Da hatte sein Chef ihm ja eine schöne Scheiße eingebrockt! Aber irgendjemanden musste es ja treffen, doch warum ausgerechnet ihn? „Du bist abkömmlich“, sagte der Kommissar zu sich selbst und betrachtete das einsame Blatt zwischen den beiden Pappdeckeln. Die Informationen darauf waren mehr als dürftig, jede Pressemeldung enthielt mehr Daten. Das einzig Interessante war der Name der Tierärztin, die sich wohl schon mit den toten Tieren beschäftigt hatte. Jäger grinste. ‚Michiko Otsuka‘ hörte sich chinesisch oder japanisch an. Hoffentlich war die Frau überhaupt der deutschen Sprache mächtig. Aber in Düsseldorf gab es ja inzwischen auch ein japanisches Viertel, das ‚Little Tokyo‘ mit immerhin mehr als achttausend Japanern. Und die Stadt feierte regelmäßig einen sogenannten ‚Japan Tag‘. Michiko Otsuka würde also vermutlich Japanerin sein. Warum aber auch nicht, Hauptsache er konnte sich mit ihr unterhalten.

Der Kommissar warf einen Blick auf die Uhr. Noch war es früh genug und die Chancen standen gut, mit dieser Otsuka zu sprechen und einen Termin zu vereinbaren. Er wählte die Rufnummer des Veterinäramtes und lauschte dem Klingelzeichen. Eine Dame meldete sich und wünschte ihm gewohnt professionell einen guten Tag.

„Guten Tag. Kommissar Christian Jäger“, meldete er sich. „Ich hätte gerne Frau Michiko Otsuka gesprochen.“

„Bedaure“, gab die Dame zurück und in ihrer Stimme klang ehrliches Bedauern mit. „Frau Otsuka ist erst am Montag wieder im Haus. Wollen sie eine Nachricht hinterlassen, soll sie sie zurückrufen?“

„Danke, das ist nicht notwendig. Ab wann kann ich sie am Montag erreichen?“ Jäger verfluchte im Stillen die Verzögerung.

„Frau Otsuka ist ab acht Uhr in ihrem Büro. Ich wünsche ihnen ein schönes Wochenende.“

‚Danke‘, dachte Jäger bevor er den Hörer auflegte. ‚Du mich auch.‘ Dann überlegte er, wie er nun weiter vorgehen sollte. „Ich muss sehen, was ich an Informationen zusammenbekomme“, sprach er mit sich selbst. Den Nachmittag über würde er so viele Pressemeldungen wie möglich sichten. Wenn auch kein guter, so war es doch zumindest ein Anfang.

Als neben seinem Arbeitsplatz ein lautstarkes Klatschen anhob, blickte der Kommissar irritiert auf. Mehrere Kollegen standen dort, bildeten einen Halbkreis und grinsten ihn an.

Dann trat der Oberkommissar Neelen vor und hielt ihm einen Tropenhelm, wie ihn Großwildjäger trugen, hin. „Herzlichen Glückwunsch zur Sonderkommission“, lachte er. „Herr Großwildjäger Jäger!“

Kommissar Jäger fragte sich, wo seine Kollegen so schnell den Helm herbekommen hatten.

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