Читать книгу Austausch - Programm - Jürgen Ruhr - Страница 10
VII.
ОглавлениеDie Beamten sprachen während der Fahrt kein Wort mit uns und ich gab es bald auf, Erklärungen abzugeben. Maangj lächelte die ganze Zeit über und in der Dunkelheit schien es, als würde sein Gebiss in der Luft schweben.
Der Wagen hielt auf dem Parkplatz neben der Wache in Rheydt, was mir an sich sehr gut behagte. Hier befand sich das Revier von meinem ‚Freund‘ Albert Pöting, der mittlerweile auch schon Hauptkommissar sein musste. Vielleicht würde man ihn sogar noch heute Nacht informieren, so dass Wolpensky umgehend festgenommen werden konnte.
Bevor wir aus dem Polizeiwagen steigen durften, fesselten uns die Polizisten die Füße mit Fußfesseln, deren Ketten etwas länger waren, so dass wir im Gänsemarsch in das Gebäude gehen konnten. Maangj schaute dem Ganzen weiter lächelnd zu und beobachtete jeden Handgriff.
„Ich möchte Kommissar Albert Pöting sprechen“, verlangte ich. „Sofort!“ Doch niemand nahm von meinem Wunsch Notiz. Schließlich sperrten die Beamten uns in eine Zelle. „Morgen wird sich jemand um euch Galgenvögel kümmern, jetzt ist erst einmal Nachtruhe“, beschied uns einer der Männer, bevor die Tür ins Schloss fiel und knirschend ein Schlüssel umgedreht wurde.
„Schöne Scheiße“, fluchte ich und setzte mich auf eine der beiden Pritschen. Es gab keine Decken, aber zum Glück war es ja nicht kalt. In so einer Zelle hatte ich vor Jahren schon einmal eine Nacht verbracht. An dem Tag damals kam ich aus Frankfurt zurück nach Mönchengladbach und hatte versucht, bei meinen Eltern unterzukommen. Die waren allerdings nicht zu Hause gewesen und beim Versuch in das Haus zu gelangen, erwischte mich die Polizei.
Maangj lächelte immer noch. „Sie finden das wohl auch noch witzig, Kyle?“, fragte ich ihn missgelaunt. Es war uns gelungen, den Täter zu überführen und jetzt wurden wir hier selbst wie Schwerverbrecher behandelt. Nicht einmal die Fesseln hatte man uns abgenommen und als ich mich jetzt auf der Pritsche ausstreckte, war das mit den Händen auf dem Rücken eine sehr unbequeme Stellung.
„Die Polizei in Deutschland ist sehr human“, gab der Schwarze von sich. „Gute Polizeiarbeit! Da müssten sie einmal erleben, wie solche Festnahmen in Südafrika ablaufen. Wenn dann noch Waffen im Spiel sind, können sie froh sein, zu überleben.“
„Na, nun übertreiben sie mal nicht, Kyle“, entgegnete ich, da es kaum vorstellbar war, dass selbst Verbrecher nicht halbwegs menschenwürdig behandelt wurden. Sicherlich, hier in Deutschland herrschte eine gewisse Kuscheljustiz, bis hin zu falsch verstandener Solidarität mit den Verbrechern. Aber unsere Gerichte kamen ja auch kaum noch nach, bei der Fülle von Verfahren und die Gefängnisse waren voll. Kleinere Bagatellverbrechen, wie einfacher Diebstahl zum Beispiel, wurden schon gar nicht mehr verfolgt. Da hatte der Bestohlene eben Pech gehabt. Wer sich dann aber gegen so einen Dieb oder Räuber wehrte, wurde sehr schnell selbst angeklagt. Irgendwie war das gesamte Justizsystem in Deutschland in die Schieflage geraten.
Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn beim Klappern der Zellentür schreckte ich desorientiert hoch. Maangj saß auf seiner Pritsche und lächelte. Wie konnte der Mann in solch einer Situation noch lächeln? Mir war eher danach zumute, irgendetwas zu zerschlagen oder irgendjemanden zusammenzuschlagen. Mein ganzer Körper schmerzte und die auf dem Rücken gefesselten Arme wurden schon längst nicht mehr ausreichend durchblutet und kribbelten, als wenn tausende von Ameisen darauf herumwandern würden. Mühsam wechselte ich in die Sitzposition.“
„Guten Morgen, Jonathan“, grüßte der Schwarze höflich.
„Guten Morgen, Kyle“, erwiderte ich und fügte hinzu, als ein Polizist den Raum betrat: „Guten Morgen, Herr Gesetzeshüter.“
Der zeigte sich allerdings weniger freundlich, grüßte erst gar nicht, sondern stellte das mitgebrachte Tablett auf einen kleinen Tisch an der Wand. „Frühstück“, knurrte er. Und mit einem Seitenblick auf Maangj fügte er hinzu: „Das Lachen wird ihnen schon noch vergehen. In einer Stunde geht’s zum Verhör. Sie werden sich noch wundern! Unsere Kriminalhauptkommissare verstehen keinen Spaß, da können sie Gift drauf nehmen. Und jetzt essen sie, so lange sie noch können.“ Er war im Begriff sich umzudrehen und die Zelle zu verlassen, als ich sagte: „Moment. Wie sollen wir mit den Händen auf dem Rücken essen? Würden sie uns bitte losmachen oder wenigstens vorne fesseln?“
Der Beamte blickte mich unsicher an. Dann überlegte er eine ganze Weile und nickte schließlich. „Gut, ich fessle ihre Hände auf dem Bauch. Dann können sie essen. Aber wehe, sie versuchen mich auszutricksen. Ich kann nämlich Krav Maga!“
‚Aha‘, dachte ich. ‚Vermutlich einer von Bernds Schülern.‘ Das wurde ja immer schöner! Die Beamten, die wir im Kampfsport ausbildeten, steckten uns anschließend in eine Zelle, ohne überhaupt nach dem wirklichen Sachverhalt zu fragen! Ich war schon stinksauer, als sich der Beamte mir näherte.
„Was für einen Level haben sie denn?“, erkundigte ich mich spaßeshalber. Allerdings entstand in meinem Hinterkopf eine Idee, die mich böse grinsen ließ.
„Level?“, antwortete er verwirrt. „Keine Ahnung. Ich bin jetzt schon bald ein halbes Jahr dabei und habe verdammt viel gelernt. Mir macht keiner mehr was vor. Und jetzt drehen sie sich um, Gesicht zur Wand und die Beine breit.“
„Also Practitioner“, murmelte ich und nahm mir vor, den Mann nicht allzu hart anzufassen. Dann drehte ich mich zur Wand und schob die Beine so weit auseinander, wie die Kette es zuließ.
Sekunden später spürte ich, wie sich eine Seite der Handschellen löste. Jetzt ging alles blitzschnell und meine Bewegungen liefen automatisiert ab. Ich ließ mich leicht in die Hocke sinken, federte auf einem Bein herum und zog dem Beamten mit dem freien Fuß die Beine weg. Bevor der schmerzhaft auf dem Boden aufschlagen konnte, fing ich ihn auf, rollte mit ihm zusammen ein Stück über den Boden und entwand seinen Fingern den Schlüssel für die Handschellen. Keine dreißig Sekunden später lag er an Händen und Füßen gefesselt auf meiner Pritsche und blickte mich aus großen, ungläubigen Augen an. Ich knebelte ihn mit einem Taschentuch und fixierte den Knebel dann mit seinem Gürtel. „Krav Maga“, meinte ich achselzuckend. „Trainieren sie auch bei Bernd Heisters?“
Als er nickte, zwinkerte ich ihm zu und sagte: „Da sind sie genau an der richtigen Adresse. Sie müssen nur noch ein wenig mehr üben. Ich bin dort übrigens manchmal auch als Ausbilder tätig.“
Während ich Maangj von seinen Fesseln befreite, meinte der: „Wow, Jonathan. Das hätte ich dir nicht zugetraut. Eine klasse Aktion, aber glaubst du nicht, dass uns so etwas in Schwierigkeiten bringen wird? In Kapstadt würden dich die Polizisten für einen Angriff auf Kollegen irgendwo erschießen oder unauffällig um die Ecke bringen.“
„So weit sind wir hier noch nicht“, entgegnete ich. Doch ich musste zugeben, dass die ganze Aktion ziemlich dämlich gewesen war. Ich hätte doch lediglich darauf warten müssen, mit Albert Pöting zu sprechen und alles würde sich in Wohlgefallen auflösen. Stattdessen überwältigte ich hier den armen kleinen Polizisten. Vielleicht war es ja mein angegriffener Stolz und die unbequeme Stellung der letzten Nacht, die sich ein Ventil gesucht hatten.
Ich nahm mir ein lieblos geschmiertes Wurstbrot von dem Teller auf dem Tablett, biss kurz davon ab und meinte kauend zu dem Neger: „Gehen wir, Kyle. Suchen wir Albert Pöting, damit dieser Wolpensky hinter Schloss und Riegel kommt.“ Beim Hinausgehen zog ich die Zellentür zu, schloss aber nicht ab. Nachher würde ich Albert informieren, dass einer seiner Polizisten in der Zelle hier auf Hilfe wartete.
Wir schlichen unbemerkt die Treppe in den ersten Stock hoch. Irgendwo hier befand sich Albert Pötings Büro, das ich an dem Namensschild an der Tür identifizieren konnte. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass er in seinem Büro sein musste. Und wenn nicht, dann würden wir dort auf ihn warten. Vielleicht befand sich in dem Raum ja sogar eine Kaffeemaschine.
Kyle Maangj schlich in bester Detektivmanier hinter mir her. Wir vermieden jegliches Geräusch und endlich fand ich das Namensschild an der Tür mit der undurchsichtigen Milchglasscheibe. „Pöting“, flüsterte ich Kyle zu und zeigte erst auf das Schild und dann auf die Tür. Schemenhaft war dahinter eine Bewegung zu sehen. „Er ist im Büro“, flüsterte ich erneut und atmete hörbar auf. Mit Albert Pöting an unserer Seite konnte jetzt nichts mehr schiefgehen.
Kyle nickte. „Pöting“, wiederholte er und zeigte mir seine weißen Zähne.
„Überraschung“, rief ich in den Raum, nachdem ich die Tür aufgerissen hatte.
Doch die Überraschung war mehr auf meiner Seite, denn vom Schreibtisch blickte mich jetzt eine Frau an, die ich nur zu gut kannte: Frau Kriminalhauptkommissarin Elisabeth Unruh.
Maangj schob mich zur Seite und trat ebenfalls in den Raum. Er lächelte die Frau an, die uns zwei jetzt mit zornrotem Gesicht abwechselnd ansah.
„Können sie nicht klopfen?“, herrschte sie uns an. „Los, vortreten!“
Vor ihrem Schreibtisch standen zwei Stühle, auf die Kyle und ich uns setzten.
„Habe ich setzen gesagt?“, schrie sie wieder und schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. „Nein, das habe ich nicht!“
Der Südafrikaner und ich sprangen fast synchron auf. „Albert Pöting?“, fragte ich, immer noch einigermaßen verdutzt, sie hier anzutreffen. „Wo ist Albert? Das ist doch sein Büro?“
„Ruhe. Hier stelle ich die Fragen. Pöting hat Urlaub. Und sie sind die Autohaus-Anzünder, die wir gestern Nacht endlich geschnappt haben. Schwarz und Weiß, na das passt ja. Wo ist eigentlich der Beamte?“
„Welcher Beamte?“, fragte ich. Wenn Albert Pöting in Urlaub war, vertrat ihn die Hauptkommissarin Unruh. Mir wurde flau im Magen und ich musste an meine erste Begegnung mit ihr denken. Die Frau war - gelinde gesagt - furchtbar und ich verstand nicht, dass man sie nicht schon längst aus dem Polizeidienst entfernt hatte.
„Ruhe, sie haben keine Fragen zu stellen. Wo ist der Polizist, der sie hergebracht hat?“
„Unten im Keller.“
„Aha. Los, hinsetzen.“
Wir nahmen auf den unbequemen Stühlen Platz, während Elisabeth Unruh in einigen Papieren blätterte. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Maangj immer noch lächelte und gelegentlich nickte.
„Sie, was grinsen sie so? Wie ist ihr Name?“
Der Schwarze sprang auf und legte die Hände an die Hosennaht. „Kyle Maangj, Ma’am“, trompetete er dann. „Major of South African Police Service, Ma’am.“
„Hinsetzen. Danach habe ich nicht gefragt. Was soll das sein?“, sie wiederholte seine Angaben so, wie sie die verstanden hatte. „Mäjscha off Sauss Afrikaan Poliss Sörvisch.“ Dann winkte sie ab: „Uninteressant. Ich hatte gefragt, warum sie so boshaft grinsen.“
Erneut sprang Kyle auf, nahm Haltung an und sprach: „Ich grinse nicht boshaft, sondern ich lächle sie lediglich freundlich und ehrfurchtsvoll an. Mir gefällt ihr Auftreten, das ist so ... so ... selbstbewusst.“
„Quatsch“, schrie die Unruh und hieb erneut auf den Schreibtisch. „Sie wollen sich über mich lustig machen. Aber das wird ihnen noch vergehen!“
Maangj ließ sich wieder auf den Stuhl fallen und unterdrückte mühevoll sein Lächeln. Ihm schien das alles hier einen Riesenspaß zu bereiten, während ich mich darüber ärgerte, mit dieser Frau meine Zeit zu vergeuden. Aber wie hatte der Oberstaatsanwalt noch gesagt? Maangj solle auch unsere Polizeiarbeit kennenlernen. Nun, hier fand er das beste Beispiel dafür, warum es in Deutschland an allen Ecken und Enden hakte.
„Frau Kommissarin Unruh“, versuchte ich zu erklären und vermied es, zu lächeln oder zu freundlich auszusehen. Doch ich kam nicht weit.
„Kriminalhauptkommissarin“, plärrte sie. „Und sie reden nur, wenn sie gefragt werden.“
Eine Weile herrschte Schweigen. Die Unruh sah uns abwechselnd an, schüttelte hin und wieder den Kopf und schien in ihren Gedanken versunken zu sein. Maangj unterdrückte mühsam das Lächeln und fixierte einen Punkt auf ihrem Schreibtisch.
„Warum zünden sie immer Autos an?“, fragte die Kommissarin schließlich.
Kyle Maangj schien entschieden zu haben, dass die Polizei in Deutschland allgemein eine Lachnummer war und antwortete: „Sehen sie, Frau Hauptkriminalkommissarin, die Nächte sind so kalt, da kann ein wärmendes Feuer doch nicht schaden.“ Jetzt grinste er auch wieder und sah mich Beifall heischend an. Ich schüttelte unmerklich den Kopf.
Die Unruh dagegen nickte leicht. „Wenn ihnen kalt ist, dann brauchen sie doch keine Autos anzuzünden. Wir haben doch Obdachlosenheime, da lässt es sich bequem übernachten. Wo kommen sie überhaupt her?“
„Kapstadt“, grinste Maangj und fügte erklärend hinzu: „Südafrika, deswegen auch South African Police Service.“
„Ja, bleiben sie mir vom Leib mit ihrem Kauderwelsch. Ich kann ja verstehen, dass sie kaum Deutsch können, doch auch als Flüchtling dürfen sie nicht mal eben so Autos in Deutschland anzünden. Das macht man einfach nicht, denn sonst wird man bestraft.“ Sie hob drohend den Zeigefinger und wedelte damit in der Luft herum. „Hier in Deutschland herrschen noch Recht und Gesetz, mein Lieber. Aber es ist schon merkwürdig, dass ein Schwarzer und ein Weißer aus Südafrika in Mönchengladbach einfach so Autos anzünden. Auch wenn ihnen kalt ist!“
Sie blickte mich jetzt an, überlegte erneut und bemerkte: „Ihr Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor. Bestimmt von einer der Fahndungslisten. Das typische Verbrechergesicht. Wie heißen sie?“
Jetzt sprang ich auf und legte die Hände an die Hosennaht. „Jonathan Lärpers, Frau Kriminalhauptkommissarin. Und ich komme nicht aus Südafrika, sondern aus Mönchengladbach. Ich bin Privatdetektiv und wir ha...“
„Was sie sind, frage ich später“, unterbrach mich Elisabeth Unruh, während ich immer verzweifelter wurde. Wir jagten einen Brandstifter und mutmaßlichen Versicherungsbetrüger und die Unruh hielt uns hier mit ihrer inkompetenten Art nur auf. „Also, was sind sie für einer?“, fragte sie nun doch. Gut, dass ich noch vor dem Schreibtisch stand, so musste ich nicht erneut aufspringen.
„Privatdetektiv. Ich habe den Auftrag, den Brandstifter, der am Autohaus Wolpensky immer wieder die Luxuswagen anzündet, dingfest zu machen.“ Es war das erste Mal, dass sie mich einen längeren Satz zu Ende sprechen ließ und ich nutzte die Gelegenheit aus. „Wir haben den Täter überführt, als er letzte Nacht wieder Fahrzeuge anzündete und alles auf Video aufgezeichnet.“ Langsam sank ich auf den Stuhl zurück. Jetzt müsste die Unruh doch endlich schalten, schließlich ließ sich doch alles überprüfen.
Es dauerte einige Minuten, in denen die Kommissarin angestrengt nachdachte. „So, so“, gab sie schließlich von sich. „Da haben sie sich ja eine schöne Räuberpistole ausgedacht. Wenn sie wirklich über Beweise verfügen würden, dann wüsste ich doch davon. Meine Beamten hätten sie mir doch schon längst vorgelegt!“
„Wir wurden weder vernommen, noch konnten wir in der Nacht etwas erklären“, gab ich von mir und stand diesmal nicht auf. „Sie können sich gerne die Fotos und Videos ansehen.“
„Das sind doch Fakes“, grummelte Elisabeth Unruh. „Jedes Kind weiß, wie man solche Aufnahmen manipuliert. Da setzen sie sich an ihren Computer, nehmen das Programm XY und schon ...“
„Hallo?“, warf ich ein und wurde jetzt wirklich wütend. „Wir haben die Nacht in der Zelle verbracht, da gab es keinen Computer, um solche Videos herzustellen.“ Wie sehr sehnte ich mich jetzt nach Albert Pöting Junior, mit dem wir wenigstens einigermaßen vernünftig hätten reden können. Dann kam mir eine Idee, die diese ganze Farce abkürzen würde, sollte mir die Ausführung gelingen. Unauffällig bedeutete ich Kyle jetzt zu schweigen, dann erhob ich mich langsam.
„Frau Kriminalhauptkommissarin Unruh“, begann ich. „Mein Partner und ich sind bereit, alles zu gestehen. Es sollte lediglich der Oberstaatsanwalt Herrmann Eberson anwesend sein. Dann erfahren sie alles zu den Bränden und können endlich den Fall abschließen. Und eine Belobigung oder Beförderung für sie wird vermutlich auch noch dabei herausspringen!“ Ich hoffte, dass Eberson die Frau zur Fußstreife befördern würde, doch noch mehr hoffte ich, dass sie sich auf den Handel einließ. Es genügte ja schon, wenn sie mit Eberson telefonisch sprach.
„Ohne Herrn Oberstaatsanwalt Eberson sagen wir kein Wort mehr!“ Ich verschränkte publikumswirksam die Arme vor der Brust und setzte einen trotzigen Gesichtsausdruck auf. Kyle tat es mir nach und nickte grinsend.
Hauptkommissarin Elisabeth Unruh brauchte erneut eine ganze Weile, um in Ruhe nachzudenken, dann nickte sie widerstrebend. „Gut, darauf kann ich mich einlassen. Und dann wandert ihr Burschen für eine lange, lange Zeit hinter Gitter!“ Sie griff zum Telefonhörer. „Ja, Kriminalhauptkommissarin Elisabeth Unruh hier“, sprach sie schließlich hinein. „Ich möchte, dass sie mich umgehend mit dem Oberstaatsanwalt Herrmann Eberson verbinden. Es geht um die Fahrzeugbrände in diesem Autohaus.“ Sie lauschte einen Moment, dann nickte sie. „Ja, die beiden Gefangenen. Sagen sie Eberson, dass ich den Fall aufgeklärt habe und die Männer zu einer Aussage bereit sind. Und dann stellen sie ihn zu mir durch. Verstanden?“
Sie warf den Hörer auf die Gabel und betrachtete uns zufrieden. „So, jetzt haben wir euch! Mein lieber Freund Eberson ist ein knallharter Brocken, da haben sie sich für ihre Lügen den Falschen ausgesucht. Wir werden euch Brüder ins Kreuzverhör nehmen, bis die Schwarte kracht!“
„Wir sind keine Brüder“, klärte ich das nicht bestehende Verwandtschaftsverhältnis zwischen Kyle und mir auf. „Kyle Maangj heißt doch ganz anders als ich und ist außerdem ein Schwarzer. Ich bin Weißer, also können wir doch keine Brüder sein. Maximal Halbbrüder, wenn unsere Mutter mit ...“
„Papperlapapp“, unterbrach sie mich. „Setzten sie sich hin und quatschen sie nicht. In der heutigen Zeit ist alles möglich! Und jetzt Ruhe, sonst überhöre ich noch das Klingeln, wenn der Oberstaatsanwalt anruft.“
Wieder entstand eine längere Pause, die wir schweigend verbrachten. Meine Gedanken wanderten zu Curry-Erwin und dessen letzter Kreation mit der schwarzen Frikadelle. ‚Schwarzer Frikaner‘. Ein gelungener Name. Aber beim nächsten Essen musste Maangj unbedingt den Teller ‚Lärpers Spezial‘ probieren. Dann endlich schrillte das Telefon und erschreckt fuhr ich auf. Der laute Ton konnte Tote erwecken.
Süffisant grinsend ließ die Kommissarin es einige Male klingeln, dann hob sie ab: „Kriminalkommissarin Elisabeth Unruh. Gut, verbinden sie.“ Ein paar Sekunden herrschte Stille, dann hob die Unruh einen Daumen in unsere Richtung. „Guten Morgen, Herr Oberstaatsanwalt. Ja, ich habe die Täter gefasst. Ein Schwarzer und ein Weißer. Die Namen?“ Sie deckte den Hörer mit einer Hand ab und sah uns fragend an. „Ihre Namen“, fragte sie dann leise.
„Jonathan Lärpers und Kyle Maangj aus Kapstadt“, gab ich ebenso leise zurück.
„Jonathan Lärpers aus Kapstadt und Kyle Maangj“, wiederholte sie in das Telefon und hielt den Hörer plötzlich weit fort von ihrem Ohr. Das Brüllen des Oberstaatsanwaltes konnte ich bis hierhin vernehmen, doch leider nicht, was er sagte. Aber dafür entschädigte mich der Gesichtsausdruck der Kommissarin umso mehr. „Ja ... ja ... jawohl, Herr Oberstaatsanwalt. Sofort.“ Sie hielt mir den Hörer hin: „Der Oberstaatsanwalt will sie sprechen“, murmelte sie und ich nahm den Hörer.
Oberstaatsanwalt Herrmann Eberson brüllte anfänglich, so dass ich den Hörer auch ein wenig weiter weghalten musste, doch als ich ihm die Situation erklärte und von unserem Ermittlungserfolg sprach, beruhigte er sich zusehends. Schließlich reichte ich den Hörer an Maangj weiter.
„Guten Morgen, Herrmann“, grüßte der Schwarze und ich wunderte mich, dass die beiden Männer sich duzten. Maangj schien unseren Oberstaatsanwalt sehr gut zu kennen. „Nein“, fuhr der Neger fort, „keine Beschwerden. Es ist sehr ... interessant, die Arbeit der Polizei einmal aus dieser Perspektive zu beobachten. Nein, Frau Unruh hat keine körperliche Gewalt angewendet, obwohl ich sagen muss, dass sie so manchem Kollegen in Südafrika alle Ehre machen würde. Sehr energisch, wenn jetzt auch leider auf dem Holzweg. Ja, selbstverständlich.“ Er reichte den Hörer an die Unruh zurück, die erneut aufmerksam lauschte. Schließlich legte sie seufzend auf.
„Ich verstehe zwar nicht, was hier vor sich geht“, murmelte sie. „Doch sie gelten nicht länger als verdächtig. Außerdem haben sie völlig freie Hand. Sagen sie mir, wie wir weiter vorgehen, ich soll ihnen jeden Wunsch erfüllen.“
Diesmal grinste ich bis über beide Ohren. Mein Plan war aufgegangen. Aber warum auch nicht, denn ein Jonathan Lärpers wusste schließlich, wie man so eine Situation handhaben musste. Rasch überlegte ich, welche Schritte jetzt zu unternehmen waren.
„Kaffee“, entfuhr es mir unvermittelt. „Sie lassen uns Kaffee und belegte Brötchen besorgen. Mehrere mit Mett, gekochtem Schinken und Käse. Keine Sülze oder solche Sachen. Verstanden?“
Die Unruh nickte und drückte eine Taste an ihrem Telefon.
„Weiterhin erkläre ich dieses Büro zu unserem Hauptquartier.“ Jetzt sollte Kyle Maangj einmal sehen, wie wirkliche, effektive, Polizeiarbeit aussah. Koordiniert von Jonathan Lärpers! Ob es möglich sein würde, das Mittagessen von Curry-Erwin hier ins Büro liefern zu lassen? Oder ein Polizist könnte das Essen dort abholen und zu uns bringen. Man müsste Curry-Erwin bei Zeiten anrufen und alles telefonisch bestell...“
„Jonathan?“, unterbrach Kyle Maangj meine planerischen Gedanken. „Bist du eingeschlafen? Wie geht es weiter?“
„Ach so, ja. Das ist unser Hauptquartier hier. Wo bleiben denn der Kaffee und die Brötchen?“ Ich überlegte kurz, ob ich etwas vergessen hatte. „Ja, also, wir müssen eine Fahndung nach dem Autohausbesitzer Tymoteusz Wolpensky ausschreiben. Zwei Mann sollen zu dem Gebäude fahren und ihn festnehmen, falls er dort ist.“
Kriminalhauptkommissarin Unruh nickte und sprach in ihr Telefon. Endlich kam Bewegung in die Sache.
Vielleicht könnten wir ja auch zur Mittagszeit in den Imbiss von Curry-Erwin fahren. Wegen des Ambientes oder so ...