Читать книгу Austausch - Programm - Jürgen Ruhr - Страница 4

I.

Оглавление

„So Jonathan, jetzt will ich aber endlich Leistung sehen!“ Dozer stand mit der Stoppuhr neben mir und nickte Bernd zu, der mein Sicherungsseil hielt. Ich hatte keine Ahnung, wer von unserer Truppe auf die glorreiche Idee gekommen war, ausgerechnet heute, am Tag der Arbeit, einen Ausflug in die Kletterhalle zu unternehmen.

Aber die Kollegen waren begeistert gewesen, lediglich ich dachte sehnsüchtig an einen gemütlichen Feiertag auf der Couch vor dem Fernseher. Doch ausschließen konnte ich mich auch nicht und so hatte ich zähneknirschend so getan, als wäre es das Größte auf der Welt den freien Tag mit seinen Arbeitskollegen beim mühseligen Klettern an einer Wand zu verbringen.

Wobei ich durchaus gerne mit Jennifer etwas unternommen hätte. Alleine versteht sich. Jennifer, die blonde Maus vom Empfang in Bernds Krav Maga Studio, übte jetzt mit Christine an der Wand neben uns. Christine Weru war einst, vor langer Zeit, meine Sekretärin gewesen, als ich mich als selbständiger Privatdetektiv versucht hatte. Eine chinesische Triade, die mein Büro abfackelte, beendete jäh meine Selbständigkeit. Bernd, den ich kurz zuvor kennengelernt hatte, half mir nicht nur gegen die Verbrecher und rettete mir das Leben, sondern er nahm Christine und mich schließlich sogar in seinem Unternehmen auf. Bernd Heisters betreibt in ganz Deutschland Krav Maga Studios und ist im Personenschutz tätig. Außerdem hat er vor einiger Zeit die Detektei ‚Argus‘ gegründet, über die wir Aufträge für den Oberstaatsanwalt Herrmann Eberson abwickeln. Die Aktivitäten sind nicht immer ganz legal oder aber bestenfalls stark am Rande der Legalität. Eberson setzt uns immer dann ein, wenn der Polizei die Hände gebunden sind, oder sie nicht mehr weiter weiß. Dann kommen wir ins Spiel: Bernd, Christine, Monika, Birgit, Sam, Frank und noch einige andere. Und natürlich ich, Jonathan Lärpers. Privatdetektiv, Bodyguard, Krav Maga E...

„Jonathan, was ist los? Bist du eingeschlafen?“ Dozer tippte mir auf die Schulter. Eigentlich hieß er mit bürgerlichem Namen Thomas Friedlich, doch der Mann war einen Meter achtzig groß und wog garantiert seine einhundertfünfzig Kilogramm, weswegen ihn jeder nur ‚Dozer‘ rief. Christine und ich hatten ihn einst in Rendsburg auf einem Lehrgang kennengelernt. Dozer war dort damals Ausbilder für Kampfsport, wechselte dann aber später in Bernds Unternehmen. Jetzt ist er für die Ausbildung in Krav Maga, Jiu Jitsu, Judo und allen möglichen Kampfsportarten verantwortlich. Seine Idee war es auch gewesen, neben den Erwachsenenlehrgängen und der Spezialausbildung für Polizisten auch ein Programm für Kinder anzubieten. Nun ja, Dozer schien mit Kindern sehr gut zurecht zu kommen.

An einer Kletterwand ein Stück links von uns, stieg jetzt Birgit wieselflink nach oben. Birgit mit vollem Namen Birgit Zickler war zunächst als Sekretärin für die Detektei zu uns gestoßen und hatte mir von Anfang an das Leben schwer gemacht. Deswegen bekam sie auch den Spitznamen ‚Zicke‘ von mir. Doch mittlerweile komme ich mit der Bunthaarigen ganz gut aus. Wenn sie nur nicht immer so ausgefallene Kleidung und so bunt gefärbte Haare tragen würde!

Birgit wurde durch Monika gesichert, die ebenfalls begeistert bei der Sache war. Monika, mit Nachnamen Salders, arbeitet für Bernd mehr nebenbei und ist meistens zur Stelle, wenn es brenzlig wird. Da sie aber oft mit ihrem Mann, einem Neurochirurgen durch die Welt reist und auch noch als freiberufliche Übersetzerin arbeitet, bleibt uns leider nicht so oft das Vergnügen, die kleine, quirlige Monika bei uns zu haben.

Aber wie wir alle, ist Monika auch so eine Art Adrenalinjunkie. Wir lieben das Abenteuer und die Gefahr. Keiner von uns wollte einem ‚bürgerlichen‘ Beruf mehr nachgehen. So wie Sam, der als bestes Beispiel dafür dienen konnte. Mit vollem Namen Samuel L. Terbarrus hatte er an der Uni Köln promoviert und seinen Doktor der Naturwissenschaften in Molekularer Medizin gemacht. Der kleine Asiate könnte ein hervorragend ruhiges Leben als hochbezahlter Wissenschaftler führen, aber stattdessen stand er jetzt mit der Stoppuhr neben der Kletterwand, an der Birgit gerade wieder langsam herabstieg. Sam war mir ein guter und verlässlicher Freund geworden, ebenso wie Bernd.

Eigentlich sind wir ja alle gute Freunde, eine große Familie, die ha...

„Jonathan“, vernahm ich jetzt Bernds Stimme hinter mir. „Du musst schneller werden! Kann es sein, dass du etwas Fett angesetzt hast? Ich glaube, ich sollte dir mehr Training verordnen. Dozer, du musst ihn beim Krav Maga Training mehr fordern.“

Der nickte und grinste mich an: „Das kriegen wir schon wieder hin. Also, Jonathan. Du solltest noch mindestens zwanzig Sekunden schneller werden.“

Ich stöhnte. Diese Quälerei hier ging schon den ganzen Vormittag so und noch war kein Ende abzusehen. Bernd hatte ja Recht, das musste ich im Stillen zugeben. Der Sport war in letzter Zeit ein wenig zu kurz gekommen, was aber daran lag, dass ich wegen der vielen Aufträge einfach nicht mehr dazu kam, genügend zu trainieren. Und mich morgens in aller Frühe aus dem Bett zu quälen, so wie es Christine tat, die in dem Mietshaus in Wickrath eine Etage unter mir wohnte, und um das Schloss dort herum zu joggen, war auch nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung.

„Du solltest mal wieder mit Christine joggen gehen“, vernahm ich jetzt Bernds Stimme. Konnte der Mann eigentlich Gedankenlesen?

„Drei - zwo - eins - los“, kommandierte Dozer und ich hechtete wie ein Verrückter los. In Windeseile ergriff ich die bunten Klettersteine. Voller Schwung und Elan überwand ich Meter für Meter, meine Bewegungen erfolgten fließend und mit einer gewissen künstlerischen Eleganz. Und dann war ich endlich oben. Schweiß floss mir über das Gesicht, meine Hände waren klebrig und meine Knie schmerzten. Doch ich war mir sicher, dass ich es geschafft hatte! Ein Blick nach unten schien meine Gedanken zu bestätigen. Dozer hielt gerade Bernd grinsend die Stoppuhr hin und der nickte ernst. Ja, Freunde, auch wenn Jonathan Lärpers einige Kilo zu viel auf die Waage brachte, hier stand der neue Bezwinger der Kletterwand vor euch!

Langsam stieg ich wieder herab und dachte daran, dass meine Zeit vermutlich sogar besser war, als die von Birgit Zickler. Ein Blick zeigte mir, dass sie an ihrer Wand schon wieder auf dem Weg nach oben kletterte. Ein unermüdliches Auf und Ab. Vielleicht sollte ich sie demnächst ‚Bergzicke‘ nennen. Bei dem Gedanken daran musste ich lachen und immer noch fröhlich lächelnd stand ich schließlich Bernd und Dozer gegenüber. Ich musste ein Keuchen unterdrücken, doch es war auch extrem warm in dieser dämlichen Kletterhalle!

„Was grinst du denn so blöd?“, empfing mich mein Freund und deutete mit dem Kopf auf die Stoppuhr. „Dazu gibt es nun wirklich keinen Grund! Ich hatte doch gesagt, du musst schneller werden, Jonathan, nicht langsamer. Du warst diesmal fünfzehn Sekunden langsamer, als bei deinem letzten Versuch. Ab morgen gehst du mit Chrissi joggen. Keine Widerworte“, fügte er hinzu, als ich protestieren wollte, „das ist ein Befehl.“

Nun, Bernd konnte mir ja eigentlich keine Befehle geben, wir waren ja schließlich nicht beim Militär. Auch wenn unsere Einsätze durchaus mit militärischer Exaktheit durchgeführt wurden. „Vielleicht stimmt etwas nicht mit der Stoppuhr“, gab ich vorsichtig zu bedenken, doch Dozer winkte nur ab.

Bernd reichte mir das Sicherungsseil und legte sich den Klettergurt um. „Wehe, du lässt das Seil los“, warnte er mich, doch ich wusste, dass Bernd keine Sicherung brauchte. Niemand von uns brauchte so etwas, doch die Vorschriften der Kletterhalle waren in diesem Punkt eindeutig. Ich nickte nur.

Mein Freund gab Dozer ein Zeichen und kurz darauf erklomm er auch schon die Wand. Mir kam es so vor, als wäre er langsamer als ich, doch als Bernd endlich wieder neben uns stand, lächelte Dozer ihn an: „Neue Bestzeit, Chef. Und ganze vierzig Sekunden besser als Jonathan.“

Entweder war diese dämliche Stoppuhr wirklich defekt oder Dozer wollte sich bei Bernd nur einschleimen.

Austausch - Programm

Подняться наверх