Читать книгу Austausch - Programm - Jürgen Ruhr - Страница 5
II.
ОглавлениеGott-sei-Dank endete der Klettertag auch irgendwann und Bernd lud uns zu Säften und Obst in das kleine Bistro der Kletterhalle ein. Mit wäre ein ordentliches Steak in meinem Lieblingsrestaurant, dem ‚Chez Duedo‘ zwar lieber gewesen, doch nach meiner Kletterleistung hielt ich besser den Mund. Ich musste ja nicht noch mehr negativ auffallen.
„Das sollten wir bald einmal wiederholen“, gab Brigit, die ‚Bergziege‘, Zickler von sich.
„Was, hier im Bistro essen und trinken?“, scherzte ich und sah mich Beifall heischend um. Doch niemand lachte.
„Eure Ergebnisse sind durchaus zufriedenstellend“, fasste Bernd zusammen und blickte auf die Zahlen, die in Tabellenform auf einem Blatt standen. „Lediglich Jonathan muss etwas mehr an sich tun. Christine, wenn du nichts dagegen hast, wird Jonathan dich morgens bei deinem Joggingtraining begleiten. Vielleicht kannst du ja auch mit ihm etwas öfter zu Dozer ins Dojo gehen. Jonathan scheint mir ein wenig eingerostet zu sein.“
Christine nickte und zeigte ein Lächeln, das mir äußerst boshaft vorkam. Es war kein Geheimnis, dass wir beiden beim Kampfsporttraining nicht sonderlich zurückhaltend miteinander umgingen, doch merkwürdigerweise war immer ich es, der mit zahlreichen blauen Flecken die Trainingshalle verließ.
Aber insgesamt wurde es noch ein schöner Nachmittag, auch wenn ich öfter zum Nachbartisch herüberschielte, an dem ein junges Pärchen riesige Hamburger mit Pommes verdrückte. Vielleicht konnte ich ja nachher noch zu Curry-Erwin gehen und dort, in meinem Lieblingsimbiss, etwas zu mir nehmen.
Aber wieder schien Bernd meine Gedanken zu lesen oder er hatte meine Blicke gesehen, denn er bemerkte jetzt zu mir: „Und ab heute Diät, Jonathan. Keine ungesunde Currywurst in dieser komischen Frittenbude, keine Hamburger und keine Pommes Frites. Ernähr dich vernünftig. Zumindest, bis du wieder einigermaßen fit bist“, fügte er dann hinzu.
„Das ist keine komische Frittenbude“, protestierte ich. „Und Curry-Erwin ist mein Freund.“
„Eine Schmuddelbude ist das“, ließ sich die Bergzicke vernehmen. Dass die aber auch überall ihren Senf dazu geben musste!
Und jetzt keuchte ich schon die zweite Runde um das Schloss Wickrath hinter Christine her, deren Füße federleicht über die Wege flogen. Meine dagegen waren schwer wie Blei und der Schweiß lief mir die Stirn herunter und in die Augen. „Was ist, Jonathan?“ Christine lief jetzt rückwärts und tänzelte fast wie eines dieser Turnierpferde. „Schon müde?“
„Wie viel noch?“, fragte ich und mein Atem kam stoßweise.
„Wie viele Runden? Also ich laufe immer mindestens fünf. Doch bei deiner Geschwindigkeit werden wir das kaum schaffen, da wir sonst zu spät ins Büro kommen. Komm, streng dich an! Wenigstens eine noch.“
Im Büro - Bernd hatte vor Jahren das Gebäude eines Unternehmens gekauft, das in Konkurs gegangen war und wir nutzen es nun als Stützpunkt unserer Detektei - wartete ein Stapel von Aufträgen auf mich. Durch den Feiertag war einiges liegengeblieben und ich sortierte ein paar der Aufträge aus, die für mich als Fachkraft uninteressant waren. Schnell trug ich die Unterlagen in Birgits Büro und legte sie ihr dort auf den Schreibtisch. Sollte sie sich doch entlaufenen Hunden oder untreuen Ehemännern herumärgern. Für einen Jonathan Lärpers gab es auf jeden Fall weniger profane Einsätze.
Doch leider waren die Dinge, die für mich übrigblieben nicht weniger langweilig. Ein Nachbarschaftsstreit, bei dem im Garten des einen Kontrahenten regelmäßig Müll landete, er dem Nachbarn aber nichts nachweisen konnte. Nun sollte die Detektei Argus das Problem lösen und Beweise beschaffen. Ich nahm mir vor, an entsprechenden Positionen Kameras mit Bewegungsmelder und Nachtsichtfunktion aufzustellen. Auf keinen Fall würde ich mir die Nächte um die Ohren schlagen.
Da erschien der Fall, bei dem uns die Versicherung eines Autohauses um Hilfe bat, doch schon ein wenig interessanter: Des Öfteren waren auf dem Gelände der Firma hochwertige Fahrzeuge in Brand gesteckt worden, doch die Polizei schien machtlos zu sein. Es wurden weder Spuren, geschweige denn ein oder mehrere Täter gefunden. Nun, wenn jemand diesen Fall lösen konnte, dann ein Jonathan Lärpers. Ich nahm mir vor, gleich für heute Nachmittag einen Termin mit dem Chef des Autohauses zu vereinbaren. Leider bedeutete der Auftrag auch wieder Nachtarbeit und ich stöhnte gequält auf. Wieso landeten solche Angelegenheiten eigentlich immer bei mir?
Nach und nach trudelten auch die Kollegen ein, wobei diese lediglich aus Christine und Birgit bestanden. Da Christine und ich ja in dem gleichen Mietshaus wohnten, dachten wir einmal kurz darüber nach, eine Fahrgemeinschaft zu gründen. Doch den Gedanken hatten wir schnell wieder verworfen, da wir ja flexibel bleiben mussten und bei Außeneinsätzen nie pünktlich Feierabend machen konnten. So fuhr ich mit meinem neuen postgelben Kia Venga zum Büro. Nachdem ich des Öfteren Briefe auf dem Fahrersitz gefunden, hatte, vergewisserte ich mich vor jedem Einsteigen, dass der Sitz auch frei war. Irgendwelche Witzbolde schienen meinen Wagen für einen Briefkasten zu halten. Auch überlegte ich, mir einen anderen Wagen zu kaufen, da wir von unserem letzten Auftraggeber eine nicht unerhebliche Belohnung erhalten hatten. Jetzt ruhte das Geld auf meinem Konto und es juckte mich in den Fingern, mir einen anständigen Wagen zuzulegen. Doch zunächst einmal musste ich meinen Job tun ...
Seufzend wählte ich die Rufnummer des Autohauses. „Internationales Autozentrum Wolpensky“, meldete sich eine Stimme, der ein übermäßiger Zigarettenkonsum anzuhören war.
„Guten Tag, mei...“
„Sie rufen außerhalb unserer Geschäftszeiten an“, unterbrach mich die Stimme und ich begriff, dass es sich um einen Anrufbeantworter handelte. „Sie erreichen uns montags bis freitags von zehn bis zwölf Uhr und von vierzehn bis achtzehn Uhr, sowie samstags von zehn bis zwölf Uhr“, fuhr die Stimme fort und ich vermeinte zwischendurch kurz ein röchelndes Husten zu vernehmen. Achselzuckend legte ich auf und warf einen Blick auf die Wanduhr über der Bürotür. Drei Minuten nach zehn Uhr, stellte ich fest.
Eine Viertelstunde später versuchte ich mein Glück erneut, doch wieder meldete sich diese Stimme. „Internationales Autozentrum Wolpensky.“
Es war jetzt exakt neunzehn Minuten nach zehn Uhr und in dem verflixten Autohaus lief immer noch der Anrufbeantworter. „Ja Kruzitürk“, schimpfte ich und wollte gerade auflegen, als die Reibeisenstimme wieder erklang: „Hallo, hallo? Ist da jemand?“
Ich nahm grinsend den Hörer an das Ohr und wollte mich melden. Doch dann vernahm ich nur noch das Klicken, als die Verbindung unterbrochen wurde.
Meinen dritten Versuch startete ich, als ich spürte, wie mein Herz wieder ruhiger schlug und die Wärme aus meinem Gesicht gewichen war. „Internationales Autozentrum Wolpensky.“
„Ja guten Tag, hier ist Jonathan Lärpers. Ich möchte einen Termin mit dem Inhaber des Autohauses machen.“
„Mit Herrn Wolpensky?“, fragte die Stimme.
Ich nickte. „Wenn das der Inhaber ist.“
„Und warum? Wollen sie einen Wagen kaufen? Dafür brauchen sie keinen Termin. Kommen sie doch einfach während unserer Geschäftszeiten in das Autohaus. Unsere Geschäftszeiten sind montags bis freitags von zehn bis zwölf Uhr und von vierzehn bis achtzehn Uhr, sowie samstags von zehn bis zwölf Uhr.“
„Nein, nein“, erklärte ich. „Ich möchte kein Auto kaufen. Ich bin von der Detektei Argus und ich möchte mit Herrn Wolpenky wegen der Brände sprechen. Passt es ihnen heute Nachmittag um vierzehn Uhr?“
„Wolpensky“, korrigierte mich die Frau. „Wegen was für Brände denn?“ Sie lachte leise und hustete anschließend keuchend in den Apparat. „Meinen sie Weinbrände oder so etwas?“
„Nein“, gab ich von mir und merkte, dass meine Stimme leicht gereizt klang. „Wegen der Autos, die bei ihnen brennen.“
Die Frau schrie erschreckt auf und der Hörer polterte auf den Tisch. Dann hörte ich, wie sie zurückkam. „Was erzählen sie denn?“, krächzte sie. „Hier brennen keine Autos!“
„Nein, jetzt doch nicht!“ Ich spürte, wie mir wieder wärmer im Gesicht wurde. „Nachts. Nachts brennen doch immer die Autos bei ihnen.“
„Nicht immer“, beharrte die Frau und ich hörte, wie sie sich eine Zigarette ansteckte. War das überhaupt noch erlaubt in einem Gebäude? „Die meisten Tage brennt es hier nämlich nachts nicht.“
„Gut, kann ich dann einen Termin bei Herrn Wolpensky bekommen? Vierzehn Uhr heute?“
„Und letzte Nacht hat es auch nicht gebrannt.“ Hörte die Frau mir überhaupt zu?
„Der Termin, geht das heute?“
„Das weiß ich nicht, da muss ich erst Herrn Wolpensky fragen.“ Der Hörer landete wieder grob auf dem Tisch und ich konnte hören, wie sie hustend davonschlurfte. Eine ganze Weile war es ruhig und ich beobachtete den großen Zeiger der Uhr dabei, wie er über die dreißig hinauswanderte.
„Hallo? Sind sie noch dran?“
„Ja. Was ist jetzt mit meinem Termin?“
„Herr Wolpensky sagt: ‚Meinetwegen, soll er doch kommen‘.“
Ich atmete auf. „Gut, prima. Ich bin dann um vierzehn Uhr bei ihnen.“
Die Frau hustete, dann meinte sie: „Nach vierzehn Uhr. Unsere Geschäftszeiten sind montags bis freitags von zehn bis zwölf Uhr und von vierzehn bis achtzehn Uhr, sowie samstags von zehn bis zwölf Uhr. Also von vierzehn Uhr und nicht um vierzehn Uhr.“
Ich bedankte mich noch einmal und legte mit schweißnasser Stirn den Hörer auf den Apparat. Das konnte heute Nachmittag ja lustig werden!
Keine fünf Minuten später trat Birgit in mein Büro. „Na, fleißig Jonathan? Der Big Boss hat für elf Uhr ein Meeting im Planungsraum anberaumt. Sei pünktlich!“
Als Birgit sich umdrehen wollte, um zu gehen, meinte ich rasch: „Warum ruft er dich an und nicht mich?“ Schließlich war ich ja eigentlich der Verantwortliche hier in der Detektei und nicht Birgit. Auch wenn niemand es offiziell erwähnt hatte, so war ich doch wegen meiner Erfahrung und des Alters eigentlich prädestiniert, so eine Art Chef hier zur sein.
Die ‚Bergzicke‘ verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf mit den bunten Haaren. „Jonathan“, stöhnte sie schließlich, „du warst nicht erreichbar. Hattest du wieder einmal den Hörer neben dem Telefon liegen?“
„Nein, Fräulein Schlaumeier“, wies ich sie zurecht. „Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber ich habe wirklich telefoniert. Schließlich fange ich schon früh morgens an und mache meine Termine.“
Birgit zuckte mit den Schultern und wandte sich zur Tür. „Elf Uhr! Und sei pünktlich. Ich hab’s dir ausgerichtet und wenn du zu spät kommst, ist es nicht meine Schuld.“
Ich streckte ihrem Rücken die Zunge heraus und dachte etwas Hässliches, weil ich mich immer noch daran erinnerte, wie flink sie die Wand hinaufgeklettert war und deswegen ein dickes Lob von Bernd eingeheimst hatte.
Der Planungsraum war bei der Vorgängerfirma für Schulungen benutzt worden und besaß alle Annehmlichkeiten, die man sich wünschen konnte: Eine Leinwand, die von der Decke herabgelassen werden konnte, einen großen Tisch, auf dem ein Beamer auf seinen Einsatz wartete und mit einer Außenjalousie vor dem Fenster, die bei Bedarf elektrisch ausgefahren werden konnte.
Christine und Birgit saßen schon auf ihren Plätzen und Bernd blickte mir entgegen, als ich den Raum betrat. Zu meiner Enttäuschung standen in der Mitte des Tisches lediglich mehrere Flaschen mit Säften, sowie eine Schüssel mit frischem Obst. Bisher hatte uns Jennifer zu den Meetings immer mit frischen belegten Brötchen und Kaffee versorgt, doch die Äpfel, Birnen, Nektarinen und Bananen hatte so gar nichts gemein mit den Brötchenhälften mit Mett, Schinken oder Käse. Bernd musste mein enttäuschtes Gesicht aufgefallen sein, denn er lachte leise und meinte: „Ja, Jonathan. Wir haben beschlossen, gesünder zu leben. Was auch deiner Figur gut tun wird.“
„Dir auch einen schönen guten Morgen, Bernd“, entgegnete ich, ohne auf seine Anspielung einzugehen. Ich nahm mir vor, meine Mittagspause bei Curry-Erwin zu verbringen und von dort aus nach einem reichlichen Mahl direkt zu dem Autohaus zu fahren.
„Zunächst noch einmal ‚Guten Morgen‘“, begann Bernd. „Ich muss mich für dieses plötzliche Meeting entschuldigen, doch es war unumgänglich, dass wir uns so kurzfristig hier treffen. Ich musste einige Planungen über den Haufen werfen, denn Oberstaatsanwalt Eberson rief mich heute Morgen überraschend an.“
Ich lächelte zufrieden. Wenn Eberson ‚überraschend‘ anrief, dann war Not am Manne, wie man so schön sagte. Auf jeden Fall bedeutete es, dass auf die Gruppe Heisters wieder ein Spezialauftrag wartete. Und wen konnte Bernd besser damit betrauen, als Jonathan Lärpers? Und meinetwegen Christine - wir waren schließlich ein gutes Team. Den dämlichen Auftrag mit dem Autohaus müsste dann Birgit übernehmen. ‚Sorry‘, würde ich lächelnd zu ihr sagen, ‚aber Jonathan Lärpers muss sich jetzt mit wichtigeren Dingen beschäftigen. Und vergiss nicht: Um vierzehn Uhr hast du den Termin bei diesem Autohändler ...‘.
„Jonathan, was gibt es da so dämlich zu grinsen?“, unterbrach Bernd sich bei seinen Ausführungen. „Du weißt doch noch nicht einmal, worum es geht.“ Dann winkte er ab und fuhr fort: „Auf jeden Fall bat mich der Oberstaatsanwalt um einen Gefallen und wie könnte ich ihm den abschlagen?“
Bernd nahm eine Flasche Orangensaft und goss sich ein Glas voll. Ich sehnte mich nach einem Kaffee, nutzte aber die Gelegenheit nach einem Fläschchen mit interessantem, rotem Inhalt zu greifen. Ebenso wie Bernd goss ich mir den kühlen Saft in das Glas und nahm einen tiefen Schluck. Und spuckte das Zeug umgehend in das Glas zurück. Dann drehte ich die Flasche, las das Etikett und stellte fest, dass es sich um Tomatensaft handelte. Wollte Jenny mich vergiften? Ekelhafter, säuerlich schmeckender Tomatensaft!
Bernd sah mich strafend an. „Deine Manieren waren aber auch schon einmal besser, Jonathan“, bemerkte er. Du solltest erst schauen, was du dir da einschenkst, bevor du so gierig trinkst!“
Birgit, die ‚Bergzicke‘ kicherte leise.
Bernd sollte doch eigentlich froh sein, dass ich die ekelhafte Brühe nicht über den ganzen Tisch gespuckt hatte!
„Kann ich jetzt endlich fortfahren? Danke. Es handelt sich um ein Austauschprogramm der Polizei, das der Oberstaatsanwalt persönlich ins Leben gerufen hat. Dabei geht es darum, Polizisten aus aller Welt im Austausch mit unseren Beamten in partnerschaftlicher Weise die Arbeitsmethoden der jeweiligen Kollegen nahezubringen.“
Ich verstand kein Wort. Was ging uns die Polizei und deren Austauschprogramm an? Schüleraustausch kannte ich, auch wenn ich selbst niemals an so etwas teilgenommen hatte.
Bernd fuhr fort: „Konkret geht es darum, dass ein Kollege aus Kapstadt bei der Kriminalpolizei in Düsseldorf an den Ermittlungen teilnehmen und so Erfahrungen sammeln sollte. Im Gegenzug wäre ein Beamter von dort nach Kapstadt gereist. Leider haben sich aber durch Krankheit und plötzliche Einsätze Engpässe ergeben und auch das Ausweichen nach Köln war nicht möglich. Eberson will den feststehenden Termin aber nicht absagen und bittet uns für die Kollegen einzuspringen. Wir sollen uns des Polizisten aus Kapstadt annehmen und ihm sowohl die Detektivarbeit hier, als auch die Polizeiarbeit näherbringen.“
Mein Herz machte einen Sprung, als ich daran dachte, nach Kapstadt zu reisen. Wo immer das auch liegen mochte. In bester Schülermanier hob ich die Hand: „Ich melde mich freiwillig“, verkündete ich und setzte mein gewinnendstes Lächeln auf.
„Das ist sehr löblich, Jonathan“, entgegnete Bernd. „Auch wenn du das blöde Grinsen sein lassen solltest. Ich hatte sowieso schon an dich gedacht.“
„Au fein“, gab ich zufrieden von mir und sah mich schon in einem gewissen Sonderurlaub. „Wo liegt denn dieses Kapstadt?“
Birgit stöhnte vernehmlich und Bernd sagte nur: „Südafrika. Jonathan, was ist mit deinen Geographiekenntnissen los? Ich glaube, du solltest ein paar Nachhilfestunden nehmen.
Ich kicherte und es hörte sich fast so an, wie Birgit eben noch: „Ich kenne Karstadt, reicht das nicht?“
Keiner lachte.
Bernd seufzte leise. „Gut, kommen wir zur Aufgabenverteilung und zum Ablauf. Birgit, du wirst einige Aufträge mehr übernehmen müssen. Aber momentan haben wir ja in Bezug auf die Detektei ohnehin nicht allzu viel zu tun.“ Birgit nickte und Bernd sah mich prüfend an. „Jonathan, auf dir wird die Hauptlast unserer Aufgabe liegen. Ich erwarte, dass du dich einwandfrei benimmst. Hier geht es um das Ansehen der deutschen Polizei und natürlich unseres Hauses. Der Oberstaatsanwalt Eberson wird später mit Sicherheit einen Bericht erhalten und ich möchte nicht, dass unsere Gruppe darin negativ erwähnt wird. Hast du das verstanden?“
Ich sprang von meinem Stuhl auf und legte die Hand an die Stirn. „Qui, mon General“, brüllte ich und musste selbst über meine hervorragenden Französischkenntnisse lächeln. Welche Sprache wurde eigentlich in diesem Südafrika gesprochen? Ich würde mir einige Sätze einprägen müssen. Es machte immer einen guten Eindruck, in der Landessprache grüßen zu können. Oder beim Ober ein Bier auf Suaheli zu bestellen.
„Jonathan, was soll der Scheiß?“, raunzte Bernd mich an. „Du benimmst dich wie ein Zehnjähriger. Und außerdem spricht man in Kapstadt kein Französisch, sondern hauptsächlich Englisch, Afrikaans oder isiXhosa. Aber du wirst kaum in die Verlegenheit kommen, deine Sprachkenntnisse zu bemühen, denn der Kollege aus Kapstadt spricht sehr gut Deutsch, wie mir Eberson versicherte. Also benimm dich nicht so kindisch, sonst lass ich Birgit die Aufgabe übernehmen.“
„Nein, nein bloß nicht“, gab ich erschreckt von mir und rutschte auf meinen Stuhl zurück. Auch wenn die in Kapstadt keinen Spaß verstanden, so würde ich mich dort bestimmt gut amüsieren.
Bernd blickte auf ein Blatt, das vor ihm lag und fuhr fort: „Du musst um fünfzehn Uhr am Flughafen Düsseldorf sein, Jonathan. Ich möchte, dass du mit dem Hundertsiebzehner aus unserem Fahrzeugpool dort hinfährst. Ein bisschen Repräsentieren schadet ja nicht.“
Ich hob wieder die Hand, da mir einiges unklar war. Bernd nickte ergeben. „Also, du meinst doch den Mercedes C117“, stellte ich fest und Bernd nickte. „Mir ist nur nicht ganz klar, wo ich den Wagen parken soll. Wäre es nicht sinnvoller, wenn Christine mich zum Flughafen fährt?“
Bernd sah mich fragend an: „Den Wagen parkst du im Parkhaus, wo sonst? Ich weiß ja nicht, was für Überlegungen in dir vorgehen, doch vielleicht lässt du mich einfach einmal ausreden und stellst dann erst deine Fragen.“
Ich nickte. Jetzt durfte ich es mir auf keinen Fall mit Bernd verderben, sonst fuhr am Ende doch noch Birgit, die Bergzicke, nach Kapstadt.
„So, jetzt bitte ohne Unterbrechungen, Jonathan: Du bist um fünfzehn Uhr am Flughafen in Düsseldorf. Fünfzehn Uhr zweiundzwanzig landet die Maschine aus Kapstadt. Der Mann, den du in Empfang nehmen wirst, heißt Kyle Maangj und ist Major der SAPS, des South African Police Service. In den nächsten drei Wochen wirst du dich intensiv um den Mann kümmern. Bind ihn in deine Ermittlungen mit ein, zeige ihm die hiesige Polizei und auch ein wenig die Umgegend. Du hast doch Beziehungen zur Kripo, Freunde dort, da dürfte dir das doch nicht schwerfallen. Das war übrigens auch ein Grund, warum ich dich für den Job ausgesucht habe ...“
Beziehungen zur Polizei? Gut, ich war mit Kriminalkommissar Albert Pöting Junior vor einer langen Ewigkeit hier in Mönchengladbach zu Schule gegangen, doch Freunde waren wir nie geworden. Die Wahrheit war, dass ich Albert Junior nie ausstehen konnte und sich das bis heute nicht geändert hat. „Heißt das, ich fliege gar nicht nach Kapstadt?“
„Sehr gut kombiniert, Jonathan“, gab Bernd nicht ohne ein Fünkchen Spott in der Stimme von sich. „Deine Aufgabe besteht darin, sich um Kyle Maangj intensiv zu kümmern. Jennifer wird dir später noch ein Informationsblatt mit den wichtigsten Daten, wie Ankunftszeit, Hotel und so weiter, geben.“
Bernd machte eine kurze Pause und trank einen Schluck des goldgelben, eiskalten Orangensaftes. „Und damit komme ich zum zweiten Teil der Aufgabe: Da das Ganze ja ‚Austauschprogramm‘ heißt, muss natürlich jemand aus unserer Truppe nach Kapstadt reisen. Ich dachte dabei an dich, Christine. Natürlich nur, wenn du einverstanden bist. Dein Flug geht nämlich schon heute Nachmittag und Jonathan kann dich mit zum Flughafen nehmen.“
Christine nickte begeistert und vermied es, mir ins Gesicht zu schauen.
„Ich kann diesen Manga gar nicht abholen“, trumpfte ich auf. „Ich habe heute Nachmittag einen Termin in dem Autohaus Wolpensky. Wegen der abgebrannten Autos.“
Bernd lächelte. „Das trifft sich doch prima, Jonathan. Du legst deinen Termin auf morgen Nachmittag und nimmst Kyle Maangj mit. Und merke dir den Namen: Maangj und nicht Manga. Denk immer daran, dass diese Austauschgeschichte unserem Oberstaatsanwalt sehr am Herzen liegt. Versau es also nicht!“
Ich nickte ergeben. Wieder einmal blieb die unerfreuliche Arbeit an mir hängen. Ich würde mich drei Wochen mit einem Polizisten irgendeines Hinterwäldlerlandes, der vermutlich nicht einmal richtig unserer Sprache mächtig war, herumquälen dürfen. War das nicht eher eine Aufgabe für Birgit? Aber ich nickte nur stumm und fügte mich in mein Schicksal. Wenn ich doch wenigstens an eine der leckeren Fläschchen mit dem Orangensaft herankommen könnte ...
„Gut, wenn ihr noch Fragen habt, dann fragt jetzt. Ansonsten erhaltet ihr weitere Informationen von Jennifer.“
Birgit meldete sich zu Wort: „Soll ich alle Aufträge von Christine übernehmen?“
„Nein, nur einen Teil. Ich denke so an zwei Drittel, den Rest kann Jonathan mitmachen. Und die unwichtigen Sachen schieben wir erst einmal nach hinten. Du, Christine, übergibst am besten gleich deine Aufträge an Birgit, fährst dann nach Hause und packst einige Sachen für die Reise ein. Bedenke bitte, dass in Südafrika momentan Herbst ist, die Temperaturen dort durchaus zwischen zehn und zwanzig Grad Celsius liegen können. Plus minus einige Grade natürlich. Und jetzt ran an die Arbeit!“
Missmutig ließ ich mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen und griff zum Telefonhörer. Die Sache schmeckte mir überhaupt nicht. Ermittlungen mit einem Klotz am Bein! Was für ein Mensch würde der Kollege aus Kapstadt sein? Arrogant, ein Besserwisser? Oder vielleicht doch eher ein verträglicher Typ? Als ich den Hörer des Telefons in die Hand nahm, betrat Birgit ohne anzuklopfen mein Büro und legte mir einen Stapel Akten auf den Tisch. Ich erkannte auf Anhieb, dass es sich größtenteils um die Fälle handelte, die ich ihr heute Morgen untergeschoben hatte.
„Das ist ungefähr ein Drittel der Aufträge“, lächelte Birgit mich an. „Da hast du mit deinem Gast genug zu tun.“
Der Stapel machte auf mich eher den Eindruck, als hätte sie die Hälfte aller Aufträge an mich weitergegeben. Wie bösartig die Kleine doch sein konnte!
Seufzend wählte ich die Nummer des Autohauses. „Internationales Autozentrum Wolpensky.“
„Ja, Jonathan Lärpers noch einm...“
„Sie rufen außerhalb unserer Geschäftszeiten an. Sie erreichen uns montags bis freitags von zehn bis zwölf Uhr und von vierzehn bis achtzehn Uhr, sowie samstags von zehn bis zwölf Uhr.“ Wieder nur der Anrufbeantworter, dabei zeigte die Wanduhr gerade einmal fünfzehn Minuten vor Zwölf an. Vermutlich gab es im Internationalen Autohaus Wolpensky eine andere Zeitrechnung, als allgemein üblich. Achselzuckend warf ich den Hörer auf die Gabel. Meine Laune war auf dem Nullpunkt, doch ich wusste, wie ich die Stimmung wieder etwas heben konnte: Ich würde meine Mittagspause bei Curry-Erwin verbringen.