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|6|1.1.3 Tourismusgeographie

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Ausgangspunkt der modernen Tourismusgeographie ist die Fremdenverkehrsgeographie (von den 1920er-Jahren bis in die 1960er-Jahre). Es folgt mit dem sozialgeographischen Ansatz der Geographie des Freizeitverhaltens (Münchner Schule der Sozialgeographie) die Geographie der Freizeit bzw. die Freizeitgeographie. KULINAT und STEINECKE (1984, S. 4) definieren zusammenführend die „Analyse und Erklärung von Raumstrukturen [], die im Bereich des Freizeit- und Fremdenverkehrs durch sozialräumliche Verhaltensweisen und Umweltbewertungen, durch Standortbildung und (natur)geographische Standortfaktoren, durch Wirkungen der Freizeitnutzung und Standortbildung sowie durch planerische Steuerung entstanden sind bzw. entstehen können (Prognose)“ als Geographie des Freizeit- und Fremdenverkehrs.

Etwa parallel dazu und in enger Anlehnung an bzw. in Weiterentwicklung der Fremdenverkehrsgeographie etabliert sich die Tourismusgeographie, die fortan zusammen mit der Freizeitgeographie als Geographie der Freizeit und des Tourismus bzw. als Freizeit- und Tourismusgeographie eine eigenständige Teildisziplin innerhalb der Anthropogeographie bildet. Die Bezeichnung Fremdenverkehrsgeographie ist mittlerweile obsolet (vgl. JURCZEK 2007, S. 25f.; HOPFINGER 2007, S. 1f.).

Entwicklung im Ausland

Während die Freizeit- und Tourismusgeographie in Österreich und der Schweiz im Vergleich zu Deutschland eine längere Tradition aufweist, ist es außerhalb des deutschsprachigen Raumes vor allem die angloamerikanische Freizeit- und Tourismusgeographie, die sich bereits ab den 1930er-Jahren entwickelt und mittlerweile einen integralen Bestandteil der angloamerikanischen Humangeographie darstellt. Dabei wird neben raumanalytischen und verhaltensgeographischen Ansätzen vor allem der Angewandten Geographie ein hoher Stellenwert eingeräumt (vgl. WACHOWIAK 2007, S. 35ff.; HALL/PAGE 2006, S. 8ff.).

Im Folgenden wird lediglich die Tourismusgeographie behandelt. Freizeit und Tourismus unterscheiden sich schon allein darin, dass Freizeit die meisten Formen von Tourismus einschließt (Ausnahme: Geschäftsreisetourismus) und somit umfassender verstanden wird (vgl. HOPFINGER 2007, S. 1f.). Während bei der eigentlichen Freizeit, also der ungebundenen „freien Zeit“, zwischen Aktivitäten der Feierabend-, der Wochenend-, der Urlaubs- und der Lebens-Freizeit (bei Kindern, Senioren) unterschieden wird (vgl. FREYER 2015, S. 8ff.), spielt für die Tourismusgeographie weniger das zeitliche „wann“ der Freizeitaktivitäten als vielmehr das räumliche „wo“, „wohin“ und „warum genau da bzw. dahin“ der Tourismusaktivitäten eine Rolle.

Neben der ökonomischen Bedeutung des Tourismus (vgl. Kap. 3.1) beschäftigtsich die Tourismusgeographie–aus einer wirtschaftsgeographischen Perspektive – somit vor allem mit der räumlichen Dimension tourismuswirtschaftlicher Aktivitäten und Prozesse. Neben der räumlichen Verortung stellt sich hierbei insbesondere die Frage, warum es zu einer Gleich- bzw. Ungleichverteilung von touristischen Aktivitäten kommt. Generell verschärft sich die Konkurrenz zwischen einzelnen vom Tourismus geprägten Räumen bzw. Destinationen. Während beispielsweise 1950 die Top-15-Länder in Bezug |7|auf die Anzahl der internationalen Ankünfte 88 % aller internationalen Ankünfte auf sich vereinten, sank der Wert bis zum Jahr 1970 auf 75 %. Im Jahr 2005 waren die Top-15-Länder nur noch für 57 % aller internationalen Ankünfte verantwortlich (UNWTO 2009). Biszum Jahr 2030 wird erwartet, dass auf die „emerging economy destinations“ 57 % aller Ankünfte entfallen werden (im Vergleich zu 30 % im Jahr 1980) (UNWTO 2014b, S. 14).

Zentraler Forschungsgegenstand der Tourismusgeographie ist der touristische Aktivitätsraum auf verschiedenen räumlichen Aggregationsebenen. Diese sind als zielgerichtete räumliche Zusammenfassung von Raumeinheiten auf der Basis bestimmter Kenngrößen bzw. Merkmalsausprägungen zu verstehen (z.B. Reisegebiete) und können auf verschiedenen Maßstabsebenen (lokal, regional, national, international, global) untersucht werden.

Aus theoretischer Perspektive bedient sich die Tourismusgeographie eigener, fachspezifischer Erklärungsansätze, Modelle und Theorien und nimmt zudem solche der anderen beteiligten Disziplinen (vgl. Kap. 1.1.2) auf.

Geographische Ansätze

Geographische Erklärungsansätze sind beispielsweise Yokenos idealtypisches Standortmodell für den internationalen Tourismus (1974), das in Anlehnung an christallers standorttheoretische Zentrale-Orte-Theorie (1933) und die Thünen’schen Ringe (1826) entstand, oder Gormsens Schema der zeit-räumlichen Entwicklung des internationalen Küstentourismus (1983) (vgl. Kap. 1.4.1). Des Weiteren werden z.B. industriewirtschaftliche Konzepte wie das des Produktlebenszyklus oder die im Bereich der Betriebswirtschaft häufig eingesetzte SWOT-Analyse (vgl. Kapitel 2.2.3) in der tourismuswissenschaftlichen Forschung angewendet, zum Teil in abgeänderter Form (vgl. HOPFINGER 2007, S. 2ff.).

Ziel der Tourismusgeographie

Allgemeines Ziel der Tourismusgeographie ist es letztendlich, auf Grundlage der theoretischen Überlegungen räumliche Verbreitungs- und Interaktionsmuster, die sich aus dem ökonomisch, soziokulturell und ökologisch verantwortlichen Denken und Handeln unterschiedlicher Akteure ergeben, zu erfassen, zu beschreiben, zu erklären und zu interpretieren. Aus den Interpretationen wiederum gilt es, praktikable Handlungsempfehlungen für verschiedene Akteure des Tourismusgeschehens abzuleiten. Voraussetzung hierfür ist eine möglichst exakte Erfassung des Tourismus.

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