Читать книгу Der Rosental Plan - Jürgen W. Roos - Страница 10
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Vom Hafen in Bibinje aus machte sich Markus zu Fuß auf den Weg, um Professor Subkow in seinem Haus, etwas außerhalb der Ortschaft, zu interviewen.
Es war erneut ein schöner Spätsommertag. Sehr viele davon würde es in diesem Jahr an dem Teil der Adria nicht mehr geben.
Die Sonnenstrahlen spiegelten sich im ruhigen Meer, das sich nur gelegentlich im leichten Wind sanft kräuselte. Obwohl es bereits später Vormittag war, schien die Sonne nicht mehr ganz so heiß wie in den letzten Wochen. Die große Sommerhitze dürfte vorbei sein. Für den kleinen Spaziergang war es das optimale Wetter. Lediglich an den Stellen, wo sich die Wärme staute und der leichte Wind nicht hinkam, wurde es unangenehm drückend. Hinter den Bergen hatten sich riesige, bedrohliche Wolken aufgebaut. Vielleicht würde es im Laufe des Tages noch zu einem kräftigen Gewitter kommen.
Bei seinem Telefonat mit dem Professor hatte er sich den Weg genau erklären lassen. Ohne Probleme fand Markus die beschriebene Ausfallstraße und bog dann sofort nach links in eine kleinere, asphaltierte Straße ein. Vorbei ging es an gepflegten, beschaulichen und schon etwas älteren Häusern, vor denen die Tomaten rot leuchteten. Die dazugehörenden, großen Terrassen waren teilweise mit dichten Weinranken überwachsen. Gelegentlich traf er auf Einheimische, leicht zu erkennen an ihrer Arbeitskleidung. Möglicherweise kamen sie von der Arbeit auf ihren Feldern und gingen jetzt nach Hause zum Mittagessen.
Wie von dem Professor beschrieben, erreichte er eine weitere kleine Kreuzung. Laut Hinweisschild führte der Weg links zu einem ziemlich abseits gelegenen Restaurant namens „Riva-Dalmacija“. Markus ignorierte das Schild und spazierte weiter geradeaus. Hier standen mehrheitlich neuere Häuser, meist mit geschlossenen Rollläden. Kleine, gemütlich wirkende Ferienhäuser, die sicherlich nur während der Urlaubszeit benutzt wurden. Überall an der Adria fand man sie. Ihre Besitzer kamen entweder aus den größeren Städten des Landes oder arbeiteten im Ausland und verbrachten hier mit ihren Familien den Urlaub.
Die asphaltierte Straße endete und ging in einen Feldweg über. Rechts von ihm führte eine schmale Zufahrtsstraße zu einem dunkelgrünen Haus mit verschlossenen Rollläden. Ein schwarzer Mercedes mit dem Kennzeichen ZD für Zadar, in dem zwei Männer saßen und der vor dem geschlossenen Gartentor stand, zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Beim Vorbeigehen drehten die Insassen ihre Gesichter zur Seite. Absicht oder Zufall? Wollten sie nicht erkannt werden?
Belustigt schüttelte Markus den Kopf. Das Gespräch mit Müller und Zakin hatten ihn wohl misstrauisch gemacht. Jetzt sah er bereits in jedem parkenden Auto ihm feindlich gesonnene Agenten.
Das vorletzte Haus auf der linken Seite des Weges gehörte dem Professor. Sein Kommen blieb nicht unbemerkt. Als er das Tor zum Garten erreichte, fing ein großer, schwarzer Hund an zu bellen. Auf der mit Wein berankten Terrasse erschien eine Frau mit Besen in der Hand, die ihn neugierig, aber freundlich musterte. Sie war vollschlank, hatte dunkle, kurze Haare sowie volle, dunkelrote Lippen.
„Sind Sie der Journalist, der sich mit meinem Mann unterhalten möchte?“ Sie sprach deutsch mit starkem dalmatinischem Akzent.
Als Markus bejahte, stellte sie den Besen eilig in eine Ecke, wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und kam ihm entgegen. Die Frau mochte etwa so alt sein wie er selber. Sie lächelte ihn mit offenem, freundlichem Gesicht an. Mit beiden Händen ergriff sie den Besucher am Arm und zog ihn auf die Terrasse.
„Bitte setzen Sie sich hier in den Schatten. Mein Mann wird in wenigen Minuten kommen. Ich sage ihm, dass Sie da sind.“
Markus stand vor einem großen Tisch mit mehr als zehn bequemen Stühlen.
Die Frau eilte ins Haus und kam kurz darauf mit einer Karaffe Rotwein zurück. Unaufgefordert schenkte sie ein.
„Falls Ihnen der Wein um diese Tageszeit zu stark sein sollte, sagen Sie es mir. Dann bringe ich Wasser zum Verdünnen.“
Nachdem sie erneut im Haus verschwunden war, hörte er sie fröhlich nach ihrem Mann rufen.
Markus trank einen Schluck Rotwein und lehnte sich in dem gemütlichen Stuhl zurück. Das hier war ein schöner, luftiger Platz, bestens geeignet, um Freunde zu treffen, zusammen zu essen und sich zu unterhalten. Jetzt, am späten Vormittag, fielen ein paar Sonnenstrahlen durch die Weinranken und zauberten die verschiedensten Muster auf den Tisch. Bis auf einige Geräusche, die aus dem Haus kamen, war es absolut ruhig. Der schwarze Hund, der ihn bellend begrüßt hatte, lag im Schatten am anderen Ende der Terrasse und schaute nur noch gelegentlich zu dem Besucher.
Schließlich hörte er Schritte. Ein kleiner, schmächtiger Mann in gepflegter grauer Hose sowie weißem Hemd stand in der Tür. Seine tief liegenden, braunen Augen musterten den Journalisten.
„Sie sind sehr pünktlich.“ Die Stimme klang prägnant, aber melodisch.
Trotz der vollen weißen Haare, die sorgfältig gebürstet waren, konnte der Professor höchstens fünfzig Jahre alt sein, schätzte Markus. Das magere Gesicht mit dem kräftigen Kinn und der hohen Stirn vermittelten den Eindruck wacher Intelligenz. Aufmerksam und gleichermaßen neugierig musterten sich die Männer.
„Mein alter Freund Freden hat sich also nach all den Jahren plötzlich wieder an mich erinnert. Sicher können Sie mir den Grund dafür nennen?“
Markus war froh, dass sein Gastgeber das Gespräch begann. Nachdem er von Freden gebeten wurde, den ehemaligen Professor Marek Subkow zu interviewen, hatte er vergeblich versucht, Hintergrundinformationen über ihn zu bekommen. Bei seinen Nachforschungen im Internet konnte er seltsamerweise nur wenig in Erfahrung bringen.
Inzwischen wusste er, dass der ehemalige Professor für politische Geschichte bereits 1967 mit seinen Eltern aus Polen nach Israel eingewandert war. Während der Zeit an der Universität in Jerusalem veröffentlichte er vier oder fünf Bücher über rechtsradikale Strömungen in den verschiedensten Ländern. Weitere Hinweise zu diesen Veröffentlichungen fand Markus nicht. Nicht einmal Buchkritiken gab es. Es schien fast so, also wollte man den Professor totschweigen, indem man keine Informationen über ihn preisgab. Über jeden Durchschnittsbürger konnte er mehr herausfinden. Das hatte ihn neugierig gemacht.
Markus Hagen holte das kleine Aufnahmegerät aus seiner Tasche und schaute den Professor fragend an. Nachdem dieser zustimmend nickte, schaltete er es ein.
„Wenn Gottlieb Freden etwas möchte, hat er eigentlich auch einen Grund dafür. Weshalb er mich zu ihnen geschickt hat, kann ich bedauerlicherweise nicht sagen. Vielleicht will er Ihre Meinung zu einem bestimmten Thema wieder mehr in den Vordergrund rücken. Können Sie mir erzählen, warum Sie jetzt hier in Bibinje leben.“
„Was wissen Sie über mich und meine Arbeit in Israel?“
„Leider nicht sehr viel. Sie waren an der Universität in Jerusalem Professor für politische Geschichte und haben einige Bücher veröffentlicht. Diese Informationen habe ich durch Gottlieb Freden bekommen. Natürlich wollte ich vor meinem Besuch bei Ihnen im Internet mehr über Sie erfahren. Es ist wie verhext und auch schon irgendwie unwirklich. Es scheint, als hätte es einen Professor Subkow nie gegeben. Selbst auf den Seiten der Universität in Jerusalem habe ich keinen Hinweis über Sie gefunden.“
Der Professor nickte und wirkte in sich gekehrt.
„Ja, meine Feinde haben hervorragende Arbeit geleistet. Soweit es ihnen möglich war, haben sie sämtliche Spuren über mich im Internet gelöscht. Wer dort mehr über mich erfahren möchte, wird auf falsche Fährten gelockt. Meist landet er schließlich bei Backrezepten oder auf Pornoseiten. Meine Bücher sind, soweit mir bekannt ist, aus allen öffentlichen Bibliotheken verschwunden. In den Verkaufsregalen der Buchhandlungen gibt es sie längst nicht mehr. Sie werden auch keinen Verlag finden, der sich traut, eine Neuauflage herauszugeben. Gelegentlich findet man noch ein Exemplar meiner Bücher auf dem Flohmarkt oder in einem Antiquariat.“
„Aber warum?“
„Die Faschisten aus vielen Ländern dieser Erde, insbesondere in Europa, versuchen zurzeit verstärkt, ihre Interessen und unterschiedlichen Meinungen in einem Block zu vereinheitlichen. Da wirken sich meine Veröffentlichungen störend aus.“
„Was haben Sie geschrieben, um die rechte politische Szene so zu verärgern?“
„In meinen Büchern habe ich eigentlich nicht mehr aufgedeckt, als das, was inzwischen allgemein bekannt ist. Ich habe lediglich gewisse Themen, meist aus der israelischen, arabischen oder europäischen Politik, genommen und sie in Bezug zu anderen Ereignissen in der Welt gestellt. Jeder Mensch, der sich etwas genauer informiert, würde zu ähnlichen Ergebnissen kommen wie ich auch.“
„Können Sie mir ein Beispiel nennen?“
Der Professor nickte nachdenklich: „Natürlich kann ich das. Wie Sie wissen, sind bereits in mehreren europäischen Ländern die Faschisten in Regierungen eingebunden oder werden von den dort führenden Politikern toleriert. Zum Beispiel versucht das Europäische Parlament seit Jahren, die Versorgung und Unterbringung der vielen Flüchtlinge in Europa zu verbessern. Sie auf einen einheitlichen Standard zu stellen. Sämtliche rechte Parteien kämpfen vehement dagegen an. Sie verzögern alle Beratungen mit Hunderten von Anfragen bis ins Unendliche. Wenn es dann endlich zu den entscheidenden Abstimmungen kommt, sind gänzlich unerwartet auch einige Mitglieder des sozialistischen oder konservativen Flügels gegen die neuen Regeln.
Bei zwei Abgeordneten habe ich nachweisen können, dass sie ihre Meinung plötzlich änderten, nachdem es Übergriffe auf deren Familien in der Heimat gab. Bei einem Parlamentsmitglied gab es zwei Tage vor der Abstimmung einen Überfall auf dessen Vater. Er wurde dabei schwer verletzt. Eine weitere Abgeordnete stimmte dagegen, nachdem am Tag vorher eine ihrer Töchter angegriffen und vergewaltigt wurde. Der Frau haben Unbekannte gänzlich unverblümt mitgeteilt, dass diese Vergewaltigung etwas mit der bevorstehenden Abstimmung zu tun habe. Sollte sie weiterhin für den Antrag des Parlaments stimmen, würde man auch ihre zweite Tochter finden.
Die Täter konnten letztendlich von der Polizei gefasst und vor Gericht gestellt werden. In den darauffolgenden Gerichtsverhandlungen hat man sie lediglich zu Bewährungsstrafen verurteilt. Bei allen Verhandlungen war vorher bekannt, dass die Richter bei Rechtsradikalen gerne beide Augen zuzudrücken. Trotzdem oder gerade deswegen hat man ihnen diese Fälle übertragen.“
„Führten Ihre Ansichten zum Rechtsextremismus dazu, Israel zu verlassen.“
„Da gab es viele Beweggründe. Zuerst verscherzte ich es mir mit den drei rechtsgerichteten Parteien ‚Israel Bethenu‘, ‚Moledet‘ sowie ‚Tekuma‘, als sie begannen, eine einheitliche Liste für die Knesset-Wahlen aufzustellen und ich öffentlich dagegen Stellung bezog.
Etwa zur gleichen Zeit bekam ich Ärger mit der ‚National-Religiösen Partei‘, deren neuer Vorsitzender sich offen dafür ausspricht, ganz Palästina dem israelischen Staat einzuverleiben, ohne der dort wohnenden Bevölkerung ein Stimmrecht bei Wahlen zu geben. Sie wären dann so etwas wie Bürger zweiter Klasse. Offiziell wurde ich an der Universität in Jerusalem gefeuert, weil ich mich an Sitzblockaden gegen die israelische Siedlungspolitik beteiligt habe. Es hat sogar eine Strafanzeige gegeben. Ich soll mich meiner Festnahme durch „Gewalt gegen Staatsorgane“ entzogen haben. Das stimmte natürlich nicht. Die Anzeige wurde fallen gelassen, nachdem ich Israel verlassen hatte.“
„Gab es weitere Gründe?“
„Es gab viele anonyme Bedrohungen, nicht nur gegen mich, sondern betrafen auch meine Familie. Meine erste Ehefrau ließ sich schließlich scheiden und zog mit unseren Kindern in die USA. Wahrscheinlich war es das Beste für sie.“
Während der folgenden Stunde unterbrach Markus den Professor nur selten mit Zwischenfragen. Zu vielen Ausführungen machte er sich zusätzliche, handschriftliche Notizen und nahm sich vor, sie zu überprüfen. Sollte Marek Subkow mit seinen Thesen zur rechtspopulistischen Szene in Europa nur zur Hälfte Recht behalten, war das mehr als beängstigend.
Nach Meinung des Professors gab und gibt es in vielen Ländern politische Entwicklungen, die unweigerlich zu einer Diktatur führen würden.
„Schon jetzt wird die Freiheit des Einzelnen immer mehr eingeengt. Sie werden immer mehr überwacht. Sogar Wochen später kann man noch herausfinden, wo sich jemand an einem bestimmten Tag aufgehalten hat. Ich halte die Entwicklung für sehr gefährlich“, sagte er.
In dem Fall konnte Markus dem Professor nur zustimmen. Bereits in den vergangenen Jahren hatte es unter den Kollegen heftige Diskussionen über diesen Punkt gegeben.
Der Professor schaute Markus direkt in die Augen und wechselte vorerst das Thema: „Wussten Sie, dass es in Deutschland im letzten Jahr mehr als dreihundert Anschläge auf Asylantenheime gegeben hat? Das ist die offizielle Zahl. Flüchtlingsinitiativen schätzen die Dunkelziffer weitaus höher ein. Einige der Attentäter hat man gefasst und vor Gericht gestellt. Allesamt waren es Mitglieder der „Heimattreuen“. Darüber wurde so gut wie nie berichtet. Bevor diese Verbrecher endlich vor Gericht stehen, wird im Hintergrund an vielen Fäden gezogen. Es wird dafür gesorgt, dass die Anklage von ganz bestimmten Staatsanwälten vertreten wird. Oder die Richter stellen im Prozess fest, dass es sich nur um Totschlag statt um Mord handelt, und verurteilen die Täter zu milden Strafen. Ist das die Demokratie der Zukunft?“
„Sie haben noch kein Wort darüber verloren, warum Sie ausgerechnet in Bibinje gelandet sind? Sie hätten ebenfalls in die USA gehen können.“
Der Professor lachte verschmitzt.
„Da hat wohl das Schicksal seine Fäden gezogen.“
Markus glaubte zu wissen, was passiert war.
„Sie haben Ihre jetzige Frau kennengelernt?“
Subkow lächelte immer noch und nickte: „Nachdem ich Israel den Rücken gekehrt hatte, waren die USA mein eigentliches Ziel. Insgeheim hatte ich den Plan, mich irgendwo in Kalifornien niederzulassen. Da wäre ich in der Nähe meiner Kinder gewesen. Zudem leben dort etliche gute Freunde von mir. Ich habe einen Umweg über Zadar gemacht, um für eine israelische Organisation bestimmte Informationen zu sammeln. Im Grunde genommen handelte es sich dabei um nichts Wichtiges. Die Auskünfte hätte ich auch telefonisch einzuholen können. Aber in Kroatien bin ich zuvor nie gewesen. Ich habe nur gehört, dass die Küstenregion unvergleichlich schön sein soll. Deshalb habe ich den kleinen Umweg in Kauf genommen. Innerhalb dieser wenigen Tage in Kroatien lernte ich meine spätere Frau kennen. Nach reiflicher Überlegung habe ich sämtliche Zukunftspläne geändert und bin hiergeblieben.“
„Ist dieses Leben für Sie nicht ein bisschen zu ruhig? Die Hektik einer großen Universität zu tauschen gegen das zurückgezogene Dasein in diesem kleinen Ort. Wie geht man damit um?“
„Das Leben hier hat seine Vorteile. Jetzt finde ich die Zeit, um endlich Bücher zu lesen, die mich immer schon interessiert haben. Hektik kommt lediglich dann auf, wenn mal wieder die Stromversorgung ausfällt und ich vergessen habe, Benzin für den Generator zu kaufen. Außerdem gibt es noch viele ehemalige Kollegen oder Studenten, die keine Furcht vor meinen Gegnern haben und mich besuchen kommen.“
Der Professor schien zu überlegen, ob er weiterreden sollte. Er sah Markus nachdenklich an.
„Ich bin über die Reihe von Anschlägen damals in Israel, denen auch Ihre Tochter zum Opfer fiel, recht gut informiert. Haben Sie nie versucht, die Hintermänner der Attentäter ausfindig zu machen?“
Da war er wieder, dieser Druck in der Herzgegend. Wie immer, wenn Markus an seine Tochter erinnert wurde, stellte sich der Schmerz ein.
„Beide Attentäter sind tot. Angeblich handelten sie aus eigenem Entschluss und es fanden sich keine Hintermänner, die man zur Verantwortung ziehen konnte.“ Christine Landers erwähnte er nicht. Zuerst wollte er selber mit ihr sprechen.
„Da hat man Ihnen nur die offizielle Meinung wiedergegeben“, unterbrach ihn Subkow sehr heftig. „Ich und zahlreiche andere Leute in Israel glauben nicht an die Version der Geschichte. Es gab schon damals zu viele Indizien, die dagegensprachen. Meiner Meinung nach wollten die Regierungen in Israel und Deutschland diese schrecklichen Anschläge bewusst herunterspielen. Dass ausgerechnet zwei Deutsche die Attentate ausgeführt haben, hat in der israelischen Öffentlichkeit genug Staub aufgewirbelt. Damals standen die Regierungen von Israel sowie Deutschland kurz vor dem Abschluss wichtiger Verhandlungen über Waffenlieferungen und einem milliardenschweren Handelsabkommen. Da konnte man keine antideutsche Stimmung unter der israelischen Bevölkerung gebrauchen.“
„Wie kommen Sie darauf?“
Markus musste sich abwenden. Er starrte unbestimmt zum Himmel. Er hatte solange gebraucht, um den Tod seiner Tochter wenigstens etwas in den Hintergrund zu schieben. Nun wurde er, innerhalb von kurzer Zeit, zum wiederholten Mal daran erinnert. Wie immer, wenn er an sie dachte, stand sie bildlich vor ihm. Ganz deutlich sah er ihr hübsches, kindliches Gesicht mit den blauen Augen, die ihn anlächelten. Was konnte er unternehmen, falls der Professor Recht hatte? Ihm fiel die geplante Verabredung in Venedig ein. Vermochte Christine etwas mehr zur Aufklärung der Taten beitragen?
„Die beiden Attentäter besaßen nicht das Format, um Anschläge in dieser Größenordnung im Alleingang zu planen“, fuhr der Professor fort. „Wie sollten sie in Israel an die Waffen gekommen sein? Woher haben die Männer ihre Informationen erhalten, um ihre Anschläge zu verüben, ohne sofort entdeckt zu werden? Es gab noch viele offene Fragen in dieser Sache, die nie geklärt wurden. Ich habe ein paar Freunde beim Schin Bet, dem israelischen Inlandsgeheimdienst. Die überwiegende Mehrheit von ihnen zweifelt jedenfalls sehr an den offiziellen Erklärungen über die beiden Deutschen als Einzeltäter. Die Untersuchungen wurden damals gegen den Widerstand der Ermittler auf Weisung der Regierung eingestellt.“
„Was denken Sie? Wer kann hinter den Attentaten stecken?“
„Diese Frage kann man erst beantworten, wenn man weiß, was eventuelle Hintermänner mit den Anschlägen bezwecken wollten. Sie galten relativ unbedeutenden Geschäftsleuten und Politikern, die unauffällig ihren jeweiligen Tätigkeiten nachgingen. Es gab keine wirklich herausragenden Persönlichkeiten unter den Opfern. Sie konnten leicht ersetzt werden. Möglicherweise geschahen die Anschläge in der Hoffnung, die damaligen Verhandlungen zwischen Israel und Deutschland zu stören. Oder es handelte sich um eine Art Test. Man wollte sehen, wie die Reaktionen der Israeli sowie ihrer Bündnispartner ausfallen würden. Es kann auch sein, dass die Attentäter etwaigen zukünftigen Verbündeten zeigen wollten, wie weit man zu gehen bereit war. In etwa die gleiche Schublade möchte ich auch die vielen Morde der vergangenen Jahre an ausländischen Mitbürgern in Deutschland stecken.“
Markus runzelte die Stirn. Subkow kam unmittelbar auf den ersten Teil ihres Gespräches zurück. Ihm selber wäre nie in den Sinn gekommen, die beiden Ereignisse in Verbindung zu bringen.
„Sie sprechen jetzt von den sogenannten NSU-Morden?“
Subkow nickte: „Genau die meine ich. Ich kann nicht glauben, dass alle, wirklich alle ermittelnden Behörden so viele Fehler bei ihrer Arbeit gemacht haben sollen. Die Ermittler bei diesen Tötungsfällen waren sämtlich hervorragend ausgebildete Spezialisten. Ganz plötzlich sind sie blind und taub geworden? Mit solchen Argumenten kann man vielleicht einzelne, besonders naive Politiker und die Öffentlichkeit belügen. Dabei gab es gezielte Anordnungen von höchster Stelle, Ermittlungsakten über den nationalsozialistischen Untergrund verschwinden zu lassen.Warum? Entdeckte man bei den Ermittlungen doch mehr, als man jetzt der Öffentlichkeit sagen möchte? Mitglieder der rechtsradikalen Szene wurden in den vergangenen Jahren finanziell vom Verfassungsschutz unterstützt. Das ist inzwischen allgemein bekannt. Die Verantwortlichen dafür entschuldigten sich für ihre bedauerlichen Fehler, machten ein zerknirschtes Gesicht vor den Untersuchungsausschüssen und zogen sich mit ihren dicken Pensionen oder Abfindungen in den Ruhestand zurück.“
„Ihrer Meinung nach stecken hinter diesen Anschlägen ganz bestimmte Leute, die der rechtsradikalen Szene nahestehen?“
„Ja, das ist meine feste Überzeugung. Vieles deutet daraufhin, dass die damaligen Anschläge in Israel, die brennenden Asylantenheime sowie die Morde an ausländischen Mitbürgern in Deutschland im Zusammenhang stehen. Meiner Meinung nach hat alles bereits mit der Explosion einer Rohrbombe auf dem Oktoberfest in München angefangen. Sie erinnern sich? Im Abschlussbericht des Generalbundesanwaltes wird ein Einzeltäter dafür verantwortlich gemacht. Ein politisches Motiv konnte nicht erkannt werden. Der Täter, ein Student, handelte angeblich aus Perspektivlosigkeit und sexueller Frustration. Dabei ist den Ermittlern bekannt gewesen, dass der Attentäter Mitglied in einer ultrarechten, paramilitärischen Wehrsportgruppe war. Darauf ging man im Abschlussbericht nicht ein. Die Beteiligung weiterer Täter wurde ausdrücklich ausgeschlossen.“
Markus erinnerte sich an den furchtbaren Anschlag auf das Oktoberfest. Er lag schon viele Jahre zurück. Soweit er noch wusste, gab es dabei mehr als zehn Tote und über zweihundert Verletzte.
Konnte Subkow damit Recht haben, wenn er die Tat von damals in Zusammenhang mit den Anschlägen der jüngeren Zeit brachte? Markus selber hielt die These für sehr gewagt. Seines Wissens gab es dafür keine stichhaltigen Beweise. Jedenfalls hatte er nie etwas davon gehört.
Obwohl er damals noch ein Kind gewesen war, blieb das Oktoberfestattentat immer in seiner Erinnerung haften. Am Nachmittag des gleichen Tages war er zusammen mit seiner Mutter, selber auf dem Oktoberfest gewesen. Der Unterhaltung der Eltern am nächsten Tag entnahm er, dass etwas Schreckliches passiert sein musste, und verstand es nicht. Später, auf dem Gymnasium, musste er über diesen Anschlag ein Referat schreiben. Bereits damals fand er in Zeitungsartikeln Hinweise darauf, die eine rechtsextreme Gruppe mit dem Attentat in Verbindung brachten. Beweise dafür gab es offiziell nicht.
„Zu welchen Erkenntnissen sind Sie selber gekommen?“
Gespannt wartete er auf die Antwort von Subkow.
„Ein Kollege von Ihnen, also ebenfalls ein Journalist, bekam später Kopien der Untersuchungsakten über das Oktoberfestattentat zugespielt. Es gab einen Zeugen, der den Attentäter dreißig Minuten vor dem Anschlag mit zwei Männern am Haupteingang des Oktoberfestes diskutieren sah. Exakt beschrieb der Augenzeuge, dass der Student einen Koffer und eine weiße Plastiktüte mit einem schweren, runden Gegenstand trug. Die Ermittler stempelten ihn als unglaubwürdig ab. Ein Angehöriger genau der Wehrsportgruppe, wo der Attentäter Mitglied gewesen ist, wollte zu dem Anschlag eine Aussage machen. In der Nacht davor erhängt er sich.
Den Verdachtsmomenten, die zur rechten Szene führen, geht man nicht nach, und das von einer Zeugin angefertigte Phantombild der Mittäter verschwindet spurlos aus den Akten. Es gibt auch keinerlei Hinweise auf eine abgetrennte Hand, die man am Tatort fand. Sie gehörte weder dem Attentäter noch einem Opfer.“
Subkows Frau stellte eine Kanne Kaffee und etwas Gebäck auf den Tisch. Leise, wie sie gekommen war, verschwand sie wieder.
„Da musste es sich schon damals um eine Organisation handeln, die stark war und sich eventuell sogar hinter der Wehrsportgruppe versteckte. Es mussten auch entsprechende Barmittel zur Verfügung gestanden haben. Denken Sie, dass die Hintermänner aus Deutschland kamen?“
„Davon gehe ich aus.“ Der Professor überlegte, bevor er weitersprach. „Es muss sich bei diesen Leuten aber nicht nur um Deutsche handeln. Wir leben in einer Zeit, in der sich viele rechtsradikale Gruppierungen aus den verschiedensten Ländern zusammenschließen. Die Linken von der „Roten Armee Fraktion“ haben es vorgemacht mit ihren Verbindungen nach Italien, Japan sowie Jordanien. Ich möchte aber zur heutigen Zeit zurückkommen. Die Nationalität ist inzwischen nicht mehr wichtig. Zwar verfolgen alle faschistischen Gruppierungen, die mir bekannt sind, mehr oder weniger unterschiedliche Ziele, aber meiner Meinung nach gibt es im Hintergrund Personen, die gewaltbereite Rechtsradikale und rechte Parteien enger zusammenschließen möchten, um sie für ihre eigenen Absichten einzusetzen. Mehr noch, als es bis jetzt bereits geschehen ist.“
„Bedauerlicherweise gibt es dafür keine Hinweise oder Namen von Leuten, die man damit in Verbindung bringen könnte.“
Subkow schaute den Journalisten prüfend an. „Was würden Sie tun, wenn es Namen gibt, die zu den Hintermännern führen?“
Erst in diesem Moment wurde Markus klar, dass der Professor nicht nur über Vermutungen sprach.
„Ich könnte nach zusätzlichen Informationen suchen. Solange, bis sich aus vielen Teilen ein Bild ergibt. Wie bei einem Puzzle. Wenn es uns gelingt, dafür die breite Öffentlichkeit zu interessieren, wären wir einen großen Schritt weiter. Vielleicht kommen wir dadurch an Beweise, um wenigstens einige dieser Leute aus dem Hintergrund vor Gericht zu bringen. Geben Sie mir ein paar Namen oder wenigstens Anhaltspunkte.“
Die Antwort schien Subkow zu gefallen. Trotzdem zögerte er.
„Ein andermal vielleicht. Ich muss es mir überlegen. Schließlich kenne ich Sie erst seit kurzer Zeit. Zudem könnte es für Sie gefährlich werden.“
Marek Subkow musste die Enttäuschung von Markus Hagen bemerkt haben.
„Mein Schwager Ivo Gotovac besitzt nicht weit von hier ein kleines Restaurant. Sie sind auf dem Weg zu mir fast daran vorbeigekommen. Obwohl etwas abseits gelegen, ist das „Riva-Dalmacija“ für seine hervorragende Küche über Dalmatien hinaus bekannt.“
„Was hat dieses Restaurant mit den Faschisten zu tun?“
„Ante Zivkovic, der Führer der kroatischen Faschisten, trifft sich dort fast regelmäßig, mindestens aber zweimal wöchentlich, mit seinen wichtigsten Gefolgsleuten aus anderen Landesteilen Kroatiens. Über ihn sagt man, dass er insgeheim für die Übergriffe rechter Schlägertrupps auf zwei Journalisten in Zagreb verantwortlich ist. Das passierte zu Beginn des Jahres. Er ist ein Schwein.
Es gibt gewichtige Hinweise darauf, dass er im Krieg bis Anfang 1999 für die Serben gegen sein eigenes Volk spioniert hat. Nachdem die NATO anfing, Serbien zu bombardieren, wurde er unversehens zum großen Freiheitskämpfer, der sein Leben als Kommandant einer zivilen Partisanenarmee für sein geliebtes Kroatien gegen Serbien einsetzte. Bei einem Überfall seiner Gefolgsleute auf ein Dorf wurden sämtliche Frauen, Kinder und alte Menschen getötet. Was er bis heute abstreitet. Angeblich handelt es sich bei ihm um einen Urenkel von Nikola Zivkovic, dem früheren Führer der Kroaten vor der Zeit von Tito.“
„Woher wissen sie das alles?“
„Mein Schwager kam mit seinem kleinen Spähtrupp der kroatischen Armee kurz nach dem Blutbad in das Dorf, geriet in einen Hinterhalt der Leute von Zivkovic und wurde dabei schwer verletzt. Seitdem hat er ein persönliches Interesse daran, alles über diesen Mann zu erfahren.“
„Also hat Zivkovic mit seiner kroatischen Privatarmee gegen die offizielle Armee gekämpft? Eigentlich sollte das ein Fall für den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sein.“
„Dort wird seit Jahren ohne Erfolg gegen ihn ermittelt. Alle Zeugen verschwanden spurlos, bevor sie überhaupt vernommen werden konnten.“
Markus war sich im Klaren darüber, dass Subkow nicht ohne Grund das Gespräch auf die kroatischen Faschisten lenkte.
„Warum trifft sich ein Mann wie Zivkovic ausgerechnet hier, in einer Urlaubsregion weitab von jeder Großstadt, mit seinen Gesinnungsgenossen?
Und welche Verbindung soll es zu den Faschisten aus anderen Ländern geben?“
„Ante Zivkovic ist nicht nur Führer der kroatischen Faschisten, sondern zudem ein hoher Beamter der Regierung in Zagreb. Er besitzt viel Einfluss. Es ist ein offenes Geheimnis, dass er die alte Ustascha als politische Kraft zu neuem Leben erweckt hat. Die Partei, die er zusammen mit Gleichgesinnten gegründet hat, nennt sich „Nasá Hrvatska“. Ihre Zentrale befindet sich in Split. Womöglich haben Sie von der Bewegung gehört?“
Markus nickte. Bereits zum zweiten Mal innerhalb von kurzer Zeit tauchte der Name auf.
„Damit Zivkovic seine hochgesteckten Ziele erreichen kann, benötigt er die finanzielle Unterstützung reicher Gönner. Hier, weit weg von Zagreb und doch in der Nähe der Parteizentrale, kann er sich unauffällig mit solchen Leuten treffen. Zufällig besitzt Zivkovic ganz in der Nähe ein großes Ferienhaus. Im Sommer hält er sich dort oft mit seiner Familie auf. Was kann unverdächtiger sein, als sich im Urlaub mit Freunden zu einem gemütlichen Abendessen zu treffen. Im Restaurant meines Schwagers ist er nur selten mit Familienangehörigen gewesen. Dort trifft er sich hauptsächlich zu Besprechungen. Alle zwei bis drei Tage gehen meine Frau und ich dort essen. Ich habe selber gesehen, wie er sich dort mit Freiherr von Thurau getroffen hat. Der gilt schon seit vielen Jahren als Drahtzieher der rechten Szene in Deutschland und Europa. Er könnte einer dieser Hintermänner sein, von denen wir gerade gesprochen haben.“
„Sie oder ihr Schwager konnten nicht hören, um was es in dem Gespräch ging?“
Der Professor schüttelte den Kopf.
„Leider nein. Sie sprachen sehr leise. Als mein Schwager an ihren Tisch trat, um sich nach ihrer Zufriedenheit zu erkundigen, wechselten sie sofort das Thema.“
„Schade, es wäre interessant zu wissen, um was es bei dem Gespräch ging.“
„Ich könnte mir vorstellen, dass die beiden über eine engere Zusammenarbeit zwischen den Rechtsradikalen in Deutschland und der neuen Ustascha gesprochen haben. Es würde auch Sinn machen. Mit der finanziellen Unterstützung durch den Deutschen könnte Ante Zivkovic bei den nächsten Wahlen in Kroatien viele Stimmen gewinnen, die ihn seinem Ziel näherbringen.“
Markus erinnerte sich daran, wie Zakin in ihrem Gespräch die Gruppierung um Zivkovic als unbedeutend abgetan hatte.
„Was hat er für ein Ziel?“
„Man redet davon, dass er sich bei der nächsten Wahl als Kandidat für die Präsidentschaft aufstellen lassen möchte. Falls er gewinnen sollte, könnte das einen gewaltigen Rechtsruck für den gesamten Balkan bedeuten. Man sagt auch, dass Zivkovic die Unterstützung des ungarischen Ministerpräsidenten hat. Die beiden sollen gute Freunde sein.“
„So wie Sie über Zivkovic sprechen, kann ich das verstehen. Wahrscheinlich denken beide in die gleiche Richtung. Aber welche Vorteile sollte Freiherr von Thurau davon haben?“
„Als Operationsbasis, aber auch als Rückzugsgebiet ist Kroatien nicht zu verachten. Gleichzeitig wird dadurch der faschistische Block im Europaparlament gestärkt. Das könnten die Beweggründe für Thurau sein, Zivkovic zu unterstützen. Die rechtsnationalen Parteien sind in Europa überall auf dem Vormarsch. Sie brauchen da nur nach Frankreich, Griechenland und Holland schauen.“
Subkow machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr: „Freiherr von Thurau ist übrigens nicht allein gekommen, als er sich mit Zivkovic getroffen hat. In seiner Begleitung befand sich eine auffallend hübsche, junge Dame, die sich intensiv an den Gesprächen der beiden beteiligt hat.“
Beim letzten Satz blickte Subkow fast lauernd in das Gesicht des Besuchers.
„Vermutlich handelte es sich bei der Frau um Maria Sanchez.“
Markus schaute dem Professor offen in die Augen: „Ich kannte sie noch unter ihrem früheren Namen Christine Landers. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wissen Sie, dass Frau Landers und ich uns einmal recht nahestanden.“
Markus gab diesmal nicht zu erkennen, wie viel Wut, Hass und auch Traurigkeit über den sinnlosen Tod seiner Tochter dieser Name in ihm auslöste. Daran konnten auch die Erklärungen von Zeev Zakin über ihre eventuelle Unschuld nichts ändern.
Der Professor wirkte etwas verlegen. „Entschuldigen Sie, aber als Sie mit mir den Termin für das Interview vereinbarten, habe ich mich natürlich über Sie erkundigt. Ich muss vorsichtig sein.“
Markus wollte nicht weiter über diese Frau sprechen. Er lenkte ab.
„Stehen Sie unter Beobachtung?“
„Ich denke nicht. Wie kommen Sie darauf?“
„Auf dem Weg zu Ihnen fiel mir ein Pkw mit dem Autokennzeichen von Zadar auf. Er stand in der Einfahrt zu einem dunkelgrünen Haus mit geschlossenen Rollläden. Als ich vorbeiging, drehten die beiden Männer im Wagen ihre Köpfe zur Seite. Es kam mir vor, als sollte ich ihre Gesichter nicht sehen. Mir kam das eigenartig vor. Wer setzt sich bei dem schönen Wetter freiwillig zu einem Gespräch ins Auto?“
„Das ist tatsächlich seltsam. Der Eigentümer wohnt in Karlovac. Er ist dort Geschäftsführer einer Brauerei. Das Haus wird nur in der Ferienzeit und gelegentlich an den Wochenenden von ihm sowie seiner Familie genutzt. Sie sind vor etwa zehn Tagen abgereist.“
Subkow überlegte kurz, bevor er mit einer knappen Entschuldigung im Haus verschwand.
Markus hörte ihn mit seiner Frau reden, verstand aber nicht, was sie miteinander sprachen. Mit zufriedenem Gesichtsausdruck tauchte der Professor kurz darauf wieder auf.
„Meine Frau ruft ihren Cousin an. Er arbeitet bei der hiesigen Polizei und ist sicherlich froh, mal aus seinem Büro zu kommen. Um diese Jahreszeit haben unsere Ordnungshüter hier in Bibinje nicht mehr allzu viel zu tun. Dann sind sie über gelegentliche Abwechslung recht froh.“
Augenzwinkernd fügte er hinzu: „Es darf nur nicht zu viel Arbeit damit verbunden sein.“
Markus schaute den Professor fragend an: „Wenn sich hier in dieser Gegend die Führer rechtspopulistischer und sogar rechtsradikaler Kreise aus verschiedenen Ländern treffen, haben Sie dann keine Angst, dass Sie beobachtet werden? Schließlich dürften Ihre Bücher unter den Anhängern für ziemlich viel Ärger gesorgt haben.“
„Warum sollten Sie mich beobachten lassen. Seitdem ich mich hier niedergelassen habe, wurde von mir nichts mehr veröffentlicht und die Bücher sind aus den Buchhandlungen verschwunden. Meine gelegentlichen Nachforschungen verlaufen sehr diskret. Sie dürften diesen Leuten nicht aufgefallen sein.“