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3.

Nachdem Markus sich der nassen Kleidung entledigt hatte, saß er an Deck der „NINA“ und dachte nach. Wen in der israelischen Regierung sollte er von dem Fund der Pässe sowie des Geldes unterrichten? Dass damit etwas ganz und gar nicht stimmen konnte, war offensichtlich.

Bevor er die Sachen in seinem Safe auf der Jacht einschloss, hatte er sich die Bilder in den Ausweisen nochmals genaue angeschaut. Einen der Männer kannte er; besser gesagt, der Ausdruck in diesem Augenpaar kam ihm bekannt vor. Nur fiel ihm im Moment einfach nicht ein, bei welcher Gelegenheit er sich ihm eingeprägt hatte. War es bei einer persönlichen Begegnung gewesen, oder kamen ihm die Augen lediglich bekannt vor, weil er sie öfter auf einem Bild oder in einer Zeitung gesehen hatte?

Der Speicherchip, den er unbemerkt aus dem Fotoapparat entfernen konnte, war trotz des Salzwassers unbeschädigt, aber leider vollkommen leer. Der Besitzer der Tasche schien kein Freund der Fotografie zu sein. Die Kamera diente offensichtlich nur zur Tarnung. Der dicke Mann wollte, dass man ihn für einen Touristen hielt. Gleichzeitig gab die Tasche ein brauchbares Versteck für die Pässe und das Geld ab.

In Gedanken ließ Markus so nach und nach alle wichtigen und ihm bekannten Regierungsbeamten aus Israel vor seinen Augen Revue passieren. An wen konnte er sich mit dem brisanten Fund wenden? Zuerst dachte er an Zeev Zakin. Da er über dessen offizielle Funktion so gut wie nichts wusste, schied dieser aus. Er brauchte als Ansprechpartner eine vertrauenswürdige Person, die der israelischen Regierung nahestand. Es sollte jemand sein, der die geeigneten Kontakte besaß, um die Nachricht über den seltsamen Fund an die zuständige Stelle weiterzuleiten.

Markus entschied sich nach gründlichen Überlegungen dafür, mit seinem ehemaligen Wohnungsnachbarn Ben Davidovich Kontakt aufzunehmen. Ben war damals, zu seiner Zeit als Korrespondent in Israel, Abteilungsleiter im Außenministerium. Ein kleiner, freundlicher Mann mit Hornbrille. Zusammen mit seiner Frau und den drei Kindern wohnte er in Tel Aviv zwei Etagen über ihm. Eine von Bens Töchtern war mit Nina zur Schule gegangen. Über sie lernten sie sich mit der Zeit etwas besser kennen. Gelegentlich hatten sie bei einem Tee oder Kaffee zusammengesessen, um über ihre Töchter genauso wie über die israelische Politik und deren Folgen für den gesamten Nahen Osten zu diskutieren.

Markus ging extra ins Postamt von Zadar, um von dort aus zu telefonieren. Aus diversen Informationsquellen in seinem früheren Berufsleben wusste er, mit welchem Aufwand die Geheimdienste Auslandsgespräche von Handys aufzeichneten und auswerteten. Gespräche vom Postamt aus waren zwar auch nicht unbedingt abhörsicher, aber wenigstens konnten eventuelle Mithörer nicht sofort auf seine Person schließen. Sein Gesprächspartner sollte dann selber entscheiden, wie viel Vertraulichkeit ihm diese Nachricht wert war, falls sie nochmals miteinander telefonieren würden.

Es war gar nicht leicht, Ben Davidovich ausfindig zu machen. Unter der Telefonnummer im Außenministerium war er nicht mehr zu erreichen. Weiterführende Auskünfte wollte oder konnte man ihm dort nicht geben. Auch Davidovichs private Rufnummer führte nicht zum Erfolg. Eine grämliche Frauenstimme teilte ihm lediglich mit, dass die Familie unter dieser Anschrift nicht mehr zu erreichen war.

Schließlich bekam er den Aufenthaltsort von Davidovich durch seine ehemalige Sekretärin im Büro der Nachrichtenagentur in Tel Aviv heraus. Sarah arbeitete immer noch bei der Firma und freute sich, von ihm zu hören. Für die Agentur war sie von unschätzbarem Wert. Alle halbwegs wichtigen Personen in Israel schien sie persönlich zu kennen. Über ihre zahlreichen Kontakte erfuhr sie oft Neuigkeiten, die noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren.

Markus sah sie förmlich vor sich mit ihren wechselnden grün, blau oder auch orange gefärbten Haaren und dem kolossalen Busen. Ihre enorme Oberweite, meist unter einem viel zu engen Shirt eingequetscht, zog automatisch die Blicke sämtlicher Besucher auf sich. Egal ob männlich oder weiblich. Besonders interessant wurde es, wenn sie sich über etwas aufregte oder freute. Dann fing ihr Busen förmlich an zu vibrieren. Jeder, der dieses mittlere Erdbeben mitbekam, wartete gespannt darauf, ob ihr Büstenhalter dem starken Druck standhielt. Sämtliche Anwesenden waren danach regelrecht erleichtert, wenn alles ohne Komplikationen abging.

Von ihr erfuhr er, dass Ben Davidovich nach Rom an die dortige israelische Botschaft versetzt worden war. Sarah gab ihm, nach einem Blick in ihr privates Telefonverzeichnis, die direkte Durchwahlnummer. Das Wissen dieser Frau war wirklich bemerkenswert.

Ben zeigte sich nicht wenig erstaunt darüber, von Markus zu hören. Nachdem sie sich ausgiebig über die Geschehnisse der vergangenen Jahre ausgetauscht hatten, blieb Davidovich ganz still und hörte aufmerksam zu, als er ihm von dem Fund der Pässe sowie den dazugehörenden zwanzigtausend Euro berichtete.

„Das ist wirklich eine interessante Geschichte Markus, aber ich benötige etwas Zeit, um dir da weiterzuhelfen. Zuerst muss ich ein paar Telefongespräche führen, um überhaupt herauszufinden, für wen dieser Fund von Interesse sein könnte. Kann man dich über die Telefonnummer, die hier auf meinem Display angezeigt wird, zurückrufen?“

„Nein, für diesen speziellen Anruf bin ich extra ins Postamt von Zadar gegangen. Ich wusste nicht, ob eine Handyverbindung sicher genug ist. Ich bin aber jederzeit über mein privates Handy oder per Mail zu erreichen.“

In Rom notierte sich Davidovich die Handynummer und E-Mailadresse von Markus.

„Meine Frau und ich würden uns wirklich freuen, dich wiederzusehen. Besuche uns doch mal. Rom ist eine wunderbare Stadt.“

„Oder du machst mit der Familie mal Urlaub in Kroatien. Auf der „NINA“ ist genügend Platz. Es wird euch bestimmt gefallen.“

Schließlich beendeten sie das Gespräch mit dem Versprechen, sich bald persönlich zu treffen. Ben hatte mit keinem Wort den Tod von Nina angesprochen.

Es war fast Mittag geworden, als er sich auf den Rückweg zu seiner Jacht machte. Ivo, der Hafenmeister, wartete auf ihn. Die Aufregungen so früh am Tage hatte ihn durstig gemacht. Nach einem Bier lud er Markus zu sich nach Hause zum Mittagessen ein. Ivo erzählte ihm, dass sich die rothaarige Frau, trotz intensiver Suche durch die Polizei, nicht finden ließ. Auch der Mann, den man ins Krankenhaus gebracht hatte, war schon wieder verschwunden.

„Die Sanitäter haben ihn in der Klinik abgeliefert. Auf der Fahrt dorthin muss er sich recht gut erholt haben. Er weigerte sich strikt, untersucht zu werden. Zuletzt wurde er gesehen, als er den Wegweisern zum Ausgang folgte.“

„Was passiert jetzt weiter in dieser Angelegenheit?“

„Die Polizei hat offiziell beschlossen, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Damit haben unsere Ordnungshüter am wenigsten Arbeit. Das Opfer sowie die Frau sind verschwunden. Keiner hat Anzeige erstattet. Zurückgeblieben sind lediglich die Tasche mit dem Fotoapparat und die benutzten Bustickets.“

„Ausweispapiere habt ihr nicht gefunden?“

„In der Fototasche waren sie nicht. Vielleicht hatte der Mann sie in seinem Brustbeutel. Als er auf dem Boden lag, habe ich einen bei ihm gesehen. Übrigens hat uns der Fotoapparat bei der Suche nach einer Erklärung nicht weitergeholfen. Es gab keinen Speicherchip. Das ist schon eine verdammt seltsame Geschichte.“

Der frische Fisch, den Ivos Frau Anka zum Mittagessen auf dem Grill zubereitet hatte, war so ausgezeichnet, dass Markus mehr aß, als er eigentlich wollte. Dazu gab es einen leichten Weißwein, den Ivo aus einem Plastikkanister in eine Karaffe füllte, bevor er ihn einschenkte.

„Den Wein haben wir von meinem Schwiegervater. Er keltert ihn immer noch selber.“

Nach dem obligatorischen Kaffee war es für den Hafenmeister an der Zeit, sich wieder der Arbeit zu widmen. Sein täglicher Nachmittagsrundgang in der Marina stand an. Markus beschloss, ihn trotz der Hitze ein Stück zu begleiten. Das reichhaltige Mittagessen verlangte nach körperlicher Bewegung. Ein Spaziergang konnte der Verdauung nur guttun.

Der große, schlanke und schon ältere Mann im weißen, eleganten Leinenanzug sowie weißen Lederschuhen fiel ihnen gleich auf. Eindeutig handelte es sich bei ihm nicht um einen normalen Spaziergänger. Recht unschlüssig schlenderte er in der Marina an den Jachten und Booten vorbei. Er schien etwas oder jemanden zu suchen. Gelegentlich sprach er mit den Leuten auf den Schiffen. Ein Engländer auf einer kleinen Segeljacht schüttelte bedauernd den Kopf, und als er den Hafenmeister mit seinem Begleiter kommen sah, schickte er den Mann zu ihnen.

Sie wurden in einem holprigen Englisch begrüßt. Sehr schnell wechselte er ins Deutsche, nachdem der Hafenmeister ihm in dieser Sprache antwortete.

„Ein Freund von mir hatte heute Morgen einen kleinen Unfall hier in der Marina. Vielleicht wissen Sie darüber Bescheid?“

Aufmerksam musterten die beiden den Mann im Leinenanzug. Trotz der dunklen Haare schätze Markus sein Alter auf weit über sechzig Jahre. Die hellblauen Augen in dem schmalen, kantigen Gesicht mit der großen Nase strahlten eine unangenehme Arroganz aus. Er sprach deutsch mit einem starken Akzent, der ihm irgendwie gekünstelt vorkam. Im Augenblick konnte er nicht sagen, was ihn daran störte. Trotzdem ging Markus davon aus, dass es sich bei ihm um einen Landsmann handelte.

Ivo nickte gleichgültig: „Ja, ich habe den Rettungswagen gerufen, der ihn in die Klinik gebracht hat. Wie geht es Ihrem Freund?“

„Schon viel besser. Er konnte das Krankenhaus bereits verlassen. Aber als ihm dieses kleine Missgeschick passierte, ist seine Tasche abhandengekommen. Vielleicht können Sie mir sagen, durch welche Hände sie gegangen ist?“

„Natürlich. Ich selber habe sie der Polizei übergeben.“

Diese Antwort schien dem Mann nicht zu gefallen.

„Bei der hiesigen Polizei waren wir selbstverständlich schon. Mein Freund hat die Tasche auch zurückbekommen. Leider fehlte ein Teil des Inhaltes.“

„Ich kann Ihnen versichern, dass mich der Inhalt nicht interessiert hat. Was vermisst er denn?“

„In der Tasche befanden sich Papiere, die für meinen Freund ungemein wichtig sind. Wenn Sie ihm dabei helfen, die Unterlagen zurückzubekommen, können Sie mit einer großzügigen Belohnung rechnen.“

Markus verfolgte das Gespräch, ohne sich einzumischen. Er wollte nicht unnötig die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Warum, konnte er selber nicht sagen. Darum war es ihm auch sehr recht, dass der Mann nur mit dem Hafenmeister sprach und ihn nur gelegentlich mit kurzem, flüchtigem Blick musterte.

„Dann hat diese Frau also doch …“

„Welche Frau?“

„Irgendeine rothaarige Frau wollte dem Bewusstlosen die Tasche stehlen. Mein Freund hier hat sie ihr wieder abgenommen. Vielleicht hat sie in der kurzen Zeit eine Möglichkeit gefunden, um die Papiere, von denen sie sprachen, an sich zu nehmen.“

Der Mann im Leinenanzug richtete jetzt seine Aufmerksamkeit auf Markus. Die hellblauen Fischaugen in dem gebräunten Gesicht musterten ihn abschätzend und fragend gleichzeitig. Er versuchte, möglichst freundlich zu schauen, aber irgendwie gelang ihm das nicht. Sein Blick war ohne jegliche Wärme.

Markus zuckte mit den Schultern: „Mehr als der Hafenmeister kann ich Ihnen dazu auch nicht sagen. Eine rothaarige Frau wollte die Tasche Ihres Freundes an sich nehmen. Ich habe lediglich verhindert, dass sie damit das Weite sucht und habe sie sofort an den Hafenmeister weitergegeben.“

„Was ist danach mit der Frau passiert? Wo kann ich sie finden?“

„Sie ist geflüchtet. Zuerst hat die Polizei nach ihr gesucht. Nachdem Ihr Freund keine Strafanzeige gestellt hat, wurde die Suche schließlich eingestellt. Wenn aus der Tasche etwas fehlt, sollten Sie noch einmal mit der Polizei sprechen. Dort kann man Ihnen vielleicht bei der Suche nach der rothaarigen Frau weiterhelfen.“

Für Ivo war das Gespräch damit beendet. Sie sahen es dem Mann an, dass er mit den Antworten, die er bekommen hatte, unzufrieden war.

Am Abend, es war bereits dunkel, saß Markus allein an Bord der „NINA“ und schaute den Touristen dabei zu, wie sie auf der Promenade vor den Jachten entlang spazierten und den schönen Tag ausklingen ließen. Er liebte den Übergang vom Tag zur Nacht nach einem heißen Sommertag. Vermutlich dachten die Menschen, die bei ihm vorbeiliefen, ebenso. Vielleicht brauchten sie auch nur etwas Bewegung, um sich für ein reichhaltiges Abendessen zu wappnen. Oder es lag bereits hinter ihnen und sie unternahmen jetzt einen abendlichen Verdauungsspaziergang. Die Familien mit kleinen Kindern würden danach in ihren Hotels verschwinden und die jüngeren Leute sich eine Diskothek oder Bar suchen.

Eine junge Frau, das attraktive Gesicht umrahmt von nackenlangen, blonden Haaren, weckte seine Aufmerksamkeit. Lebhaft diskutierte sie in einem Mischmasch aus Deutsch und Englisch direkt vor der „NINA“ mit zwei etwas zudringlich wirkenden, einheimischen Verehrern. Die leicht rauchige Stimme passte besser zu einer berufserfahrenen Bardame mittleren Alters als zu ihr. Wirkliche Probleme schien sie mit den beiden Männern nicht zu haben. Die wussten offensichtlich nicht so genau, ob die schöne Frau mit ihrem fröhlichen Lachen sie aus- oder anlachte.

Als sie Markus auf der „NINA“ bemerkte, blickten ihre großen Augen ihn flehend an. Bevor er darauf eingehen konnte, flüchtete sie lachend über die Gangway auf seine Jacht.

Irritiert beratschlagten die beiden Verehrer, was sie jetzt tun sollten. Sie schienen zu überlegen, ob es sich lohnen würde, auf ihre Rückkehr zu warten. Schließlich gingen sie enttäuscht und mit unzufriedenen Gesichtern weiter. Die junge Frau winkte ihnen zum Abschied erleichtert nach.

Ein wenig belustigt hatte Markus die Szene verfolgt und schaute sich die Besucherin noch etwas genauer an. Er ließ sich Zeit dabei. Sie war eindeutig der Typ Frau, nach dem sich Männer gerne umdrehten und deren Anblick bei anderen weiblichen Wesen ein misstrauisches Stirnrunzeln hervorrief. Die großen, braunen Augen, die ihn jetzt verwirrend unschuldsvoll und fast schüchtern anblickten, harmonierten so gar nicht mit ihrem überfallartigen Besuch bei ihm an Bord. Schon besser zu ihrem Auftreten passte da der etwas spöttisch verzogene Mund mit den vollen Lippen. Zusammen mit den wirren, von der Sonne gebleichten, glatten hellblonden Haaren, die ihr dauernd in die Augen fielen, ergab ihre ganze Erscheinung eine zauberhaft widersprüchliche Mischung.

Erstaunt blickte sie Markus an; fast so, als wäre er zu ihr an Bord gekommen und sie müsste jetzt überlegen, ob sie vor ihm fliehen sollte.

Zum hübschen Gesicht gehörte eine sehenswerte Figur, wie er fachmännisch feststellte. Der gleichmäßig goldbraunen Haut nach zu urteilen konnte es sich um eine Südeuropäerin handeln. Ihrer Aussprache nach zu urteilen konnte sie aus Italien stammen.

Ihre Bluse, die vorne lediglich mit einem Knoten zusammengehalten wurde, verhüllte nur wenig die vollen Brüste und betonte die schmale Taille. Ihr kleines, festes Hinterteil steckte in sehr engen, kurzen Hosen. Die langen Beine schienen nicht enden zu wollen, was durch die hochhackigen Schuhe noch unterstrichen wurde.

Sie musterte Markus ebenso ausgiebig. Das Ergebnis schien zu ihrer Zufriedenheit ausgefallen zu sein. Ohne ein Wort zu sagen, oder auf eine Einladung zu warten, spazierte sie über die Treppe hoch zur Flybridge, warf einen Blick auf die Fotos von Nina sowie seiner Patentochter Sofiyanti und stieg danach zum Salon der Jacht hinunter. Die Kombüse mit der modernen Ausstattung schien jedenfalls ihre Zustimmung gefunden zu haben, wie er ihrem Kopfnicken zu entnehmen glaubte. Etwas erstaunt und auch belustigt folgte ihr Markus. Besuche dieser Art hatte er an Bord noch nicht erlebt.

Nachdem sie sich auf der „NINA“ ausgiebig umgeschaut hatte, fand sie ihre Sprache wieder und es folgte doch noch eine etwas konfuse Erklärung für ihren überraschenden Besuch. Ihre rauchige Stimme und alles was dazugehörte, gefielen ihm immer noch. Ohne Umschweife ließ sie sich von Markus zu einem Glas Wein einladen.

Ihr schüchterner Blick, gepaart mit einem provozierenden Funkeln, sowie ihr selbstbewusster, gleichzeitig scheuer und doch auch spöttischer Gesichtsausdruck brachten Markus mehr als einmal aus dem Gleichgewicht. Alles zusammen ergab eine faszinierende Mischung.

So nebenbei erfuhr er von ihr, dass sie Chiara Bertone hieß, Tochter einer Deutschen und eines Italieners war, in Rom Medizin studiert hatte und jetzt bei ihren Eltern in Neapel lebte. Das blonde Haar hatte sie von der Mama und ihre dunkle Haut vom Papa geerbt. In Zadar verbrachte sie zurzeit ihren Urlaub.

Ihm gefiel es, wenn sie ihrem Temperament freien Lauf ließ; ihm gestenreich etwas erklärte und sich immer wieder die ungezähmten Haare aus der Stirn strich. Ihr lebhafter Gesichtsausdruck veränderte sich dabei dauernd.

Es war ein seltsames Zusammentreffen. Je länger sie sich unterhielten, umso mehr kam das Gefühl auf, sich bereits seit Ewigkeiten zu kennen. Ihre Unterhaltung zog immer weitere Kreise. Keiner von ihnen schien Lust zu haben, sie zu beenden. Wie alte Freunde diskutierten sie hitzig über die verschiedenen politischen Systeme ihrer Länder und gleich danach über das immer häufigere Auftreten Rechtsradikaler bei Fußballspielen in den Stadien. Irgendwie kamen sie zu den Reisen Goethes in Italien, bevor sie schließlich wieder in der Gegenwart bei den Unterschieden in der medizinischen Versorgung zwischen ihrer Heimat und Deutschland landeten.

Als sie sich schließlich voneinander verabschiedeten, ging es auf Mitternacht zu. Sie stand neben Markus an der Gangway. Mit den hohen Schuhen war sie fast so groß wie er. Zum ersten Mal an diesem Abend wurde sie ernst.

„Die Pässe und das Geld sind noch bei Ihnen?“

Für einen kurzen Moment verschlug es Markus die Sprache.

„Wovon reden Sie?“

„Sie haben Ben Davidovich kontaktiert und ich wurde von einem Freund darum gebeten, meinen Urlaub für einen kurzen Besuch bei Ihnen zu unterbrechen.“ Ihre Augen funkelten immer noch: „Es hat mir aber Spaß gemacht, Sie kennenzulernen“, fügte sie hinzu.

Bevor er antworten konnte, hakte sie sich freundschaftlich bei ihm unter und redete einfach weiter.

„Morgen bekommen Sie Besuch von einem Mann aus der israelischen Botschaft in Zagreb. Passen Sie bis dahin gut auf Ihren Fund auf.“

„Niemand weiß, dass Pässe und Geld bei mir sind.“

„Passen Sie trotzdem darauf und auf sich selber gut auf. Man kann nie wissen.“

Markus fiel der Mann im weißen Anzug ein und beschloss, in dieser Nacht ihrem Rat zu folgen.

„Wie erkenne ich den Besucher?“

„Sein Name ist Danny Danon. Er wird sich mit einem Diplomatenpass ausweisen. Außerdem wird sich ihr alter Freund Zeev Zakin telefonisch bei ihnen melden. Das sollte möglicherweise aufkommendes Misstrauen zerstreuen.“

Zum Abschied küsste sie ihn auf die Wange. Ihre unbekümmerte Fröhlichkeit und das scheue Lachen waren zurück. Jeder Beobachter musste annehmen, dass sich da zwei gute Bekannte oder sogar Freunde voneinander verabschiedeten.

Markus schaute ihr nachdenklich nach, als sie in Richtung Altstadt verschwand. Ihre rauchige und doch warme Stimme glaubte er noch zu hören, als sie längst zwischen den Häusern verschwunden war. Plötzlich kam er sich auf der „NINA“ ziemlich einsam vor.

Der Rosental Plan

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