Читать книгу Der Rosental Plan - Jürgen W. Roos - Страница 11

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7.

Mit einem angenehmen Gefühl verließ Markus Hagen das Haus von Marek Subkow. Das Interview war interessanter geworden, als er es vorher gedacht hatte. Die Zeit war dabei viel zu schnell vergangen. Irgendwie war daraus mehr eine informative Unterhaltung als ein Interview geworden. Jetzt konnte er den Bericht für Freden schreiben. Er selber hatte einen Mann kennengelernt, dessen Einstellungen ihn durchaus beeindruckten. Auch wenn er nicht in allen Punkten mit ihm übereinstimmte. Das Wissen des Professors über die gesamte rechte Szene, nicht nur in Europa, war gewaltig. Subkow schien insgeheim einen kleinen Nachrichtendienst zu unterhalten. Nur so konnte er an die vielen Informationen kommen.

Er hätte das Gespräch gerne ausgedehnt, aber Subkow und seine Frau erwarteten Besuch, dem sie nicht absagen wollten.

Er würde das Interview am Abend vom Boot aus per Mail nach München schicken. Sobald das Wetter es zuließ, konnte er, wie mit Zakin und Müller verabredet, die „NINA“ nach Zadar zurückbringen.

Jetzt allerdings hatten die Wolken den Kampf mit den Bergen gewonnen. Eine dicke Wolkenwand baute sich über ihm auf. Falls die Gewitterfront sich hier festsetzte, würde die kommende Nacht auf seinem Boot etwas unruhig werden. Doch womöglich verzog sie sich bis dahin. An die jähen Wetterumschwünge, gerade im Frühjahr oder Spätsommer, musste man sich in diesem Teil des Landes gewöhnen.

Das Auto aus Zagreb in der Zufahrt zu dem grünen Haus war verschwunden. Möglicherweise hatte der Anruf bei der Polizei Wirkung gezeigt oder sein Misstrauen war unnötig gewesen. Die Männer hatten sich vielleicht nur verfahren, dann hier gehalten, um sich an ihren Straßenkarten zu orientieren. Die Software in den Navigationsgeräten war in dieser Gegend nicht immer auf dem neusten Stand. Dass sie sich wegdrehten, als sie ihn kommen sahen, konnte Zufall sein oder er hatte es sich eingebildet.

Eigentlich hatte Markus keine rechte Lust dazu, den Abend in Bibinje alleine auf der „NINA“ zu verbringen. In seltenen Momenten bekam er solche Anwandlungen. Viel besser wäre es, sich später mit einer hübschen Frau zu treffen. Dafür würde er auch länger in Bibinje bleiben. Selbstverständlich sollte sie schön und intelligent sein sowie die richtige Portion Humor besitzen. Unwillkürlich sah er dabei das Gesicht der Italienerin vor sich. Im Geiste sah er den unschuldsvoll spöttischen Blick und erinnerte sich an die zerzausten blonden Haare, die ihr dauernd in die Augen fielen. Hielt sie sich noch in Kroatien auf oder war sie bereits nach Neapel zurückgekehrt?

Sobald er nach Zadar zurückkam, würde er den Hafenmeister nach ihr fragen. Wenn ihm einer bei der Suche helfen konnte, dann er.

Während er weiterlief, kehrten seine Gedanken immer wieder zu ihr zurück. Vor allem wünschte er sich bei einer Frau, dass sie aufrichtig war. Traf das auf die Italienerin zu? Er wollte keine zweite Christine. Nach außen hin die perfekte Partnerin, hinter deren Maske sich zielbewusste Berechnung verbarg. Möglicherweise verlangte er einfach zu viel. Die von ihm gewünschten Eigenschaften fand man nur selten in einer Person vereint.

Die Unterhaltungsgabe der Schönen war oftmals nach einer halben Stunde erschöpft. Es sei denn, man interessierte sich für Make-up, Schönheitsoperationen oder die neuste Mode. Die Intelligenteren waren meist so von sich selber überzeugt, dass man den Humor mit der Lupe suchen musste.

Das war zumindest einer der Gründe, warum er seit dem Verschwinden von Christine in Tel Aviv keine feste Verbindung mehr eingegangen war. Gelegentlich kam es zu einer kurzen Affäre mit einer Touristin. Meist war er froh, wenn ihr Urlaub zu Ende ging und sie abreiste.

Markus verdrängte seine Grübeleien. Jetzt brauchte er ein kühles Bier, um diese Gedanken zu verbannen.

Fast wäre er an dem Wegweiser zum Restaurant „Riva-Dalmacija“ vorbeigegangen. Gerade noch rechtzeitig fiel ihm ein, dass er das Bier mit einem sehr späten Mittagessen beziehungsweise frühen Abendessen verbinden konnte. In den meisten Lokalen hier an der Küste gab es auch am späten Nachmittag etwas zu essen. Warum sollte er es nicht in diesem Restaurant versuchen. Subkows Hinweis auf den Führer der Rechten in Kroatien hatte ihn neugierig gemacht.

Es waren weniger als zweihundert Meter von der Kreuzung aus bis zu dem etwas abgelegenen Restaurant. Trotz der Uhrzeit waren auf der überdachten Terrasse bereits fünf Tische besetzt. Eigentlich ungewöhnlich. In den südlichen Ländern Europas ging man meist recht spät zum Abendessen.

An einem saßen zwei Männer, etwa in seinem Alter, die lebhaft diskutierten. Ansonsten befanden sich noch drei ältere Paare auf der Terrasse, die sich schweigend ihrem Essen widmeten. Ein weiteres Paar saß wartend an einem Tisch mit leeren Tellern.

In der Mitte der Terrasse stand ein beachtliches Salatbuffet, über dem sich ein großer Ventilator drehte. An der rückwärtigen Wand hingen zwei geschmackvolle Kopien der Bilder von Sava Sekulic, einem der wenigen kroatischen Maler, die Markus kannte.

Ganz eindeutig handelte es sich hier nicht um ein typisches Speiselokal für Touristen, in denen man schnell abgefertigt wurde, um Platz für die nächsten Gäste zu schaffen. Hier kam man her, um die angebotenen Speisen zu genießen.

Markus zögerte und überlegte, ob er wieder gehen sollte. Das hier sah nicht nach einem Restaurant aus, in dem man alleine zum Essen ging.

An einem kleinen Tisch, gleich neben dem Aufgang zur Terrasse, saß eine Frau mit kurzen, grauen Haaren. Sie schien so etwas wie die Empfangsdame zu sein. Als sie ihn bemerkte, stand sie auf und ging ihm einige Schritte entgegen.

„Sie möchten einen Tisch?“

Zu spät, um zu verschwinden. Ohne auf seine Antwort zu warten, zitierte sie einen alten Kellner herbei. Danach war ihr Interesse an ihm erschöpft und sie ging zu ihrem Beobachtungsposten zurück.

Das eisgekühlte Bier kam sehr schnell und nach dem ersten, kräftigen Schluck widmete sich Markus entspannt der Speisekarte. Er entschied sich für das Lamm am Spieß.

Während er auf das Essen wartete, betrachtete er die anderen Gäste. Lauter gediegene Bürger. Die Stimmen der Paare waren gedämpft, die Gesten beherrscht. Nur die zwei Männer schienen sehr unterschiedlicher Meinung zu sein. Sie diskutierten immer noch lebhaft, aber ebenfalls sehr leise. Keiner kümmerte sich darum, was in seiner Umgebung geschah. Genau der richtige Ort für heimliche Zusammenkünfte, dachte sich Markus.

Der stattliche Mann mit weißer Schürze, der jetzt aus dem Hintergrund auftauchte, musste Ivo Gotovac sein. Er blieb an jedem der besetzten Tische stehen, verbeugte sich leicht, sprach ein paar Worte und ging weiter. Es wirkte ganz natürlich, als er auf Markus zukam.

„Sie wurden noch nicht bedient oder erwarten Sie noch jemand?“

Der Wirt sprach ein akzentfreies Deutsch. Seine dunklen Augen mit den buschigen Augenbrauen blinzelten vergnügt.

„Oder hat Sie nur die Neugierde hergetrieben, Herr Hagen?“

Markus Blick wurde von der großen, gezackten Narbe auf der linken Wange angezogen, die sich vom Kinn bis fast unter das Auge hinzog. Außerdem fehlte dem Mann ein Ohr.

Als Markus ihn verwundert ansah, fügte er hinzu: „Ich habe soeben einen Anruf von meinem Schwager bekommen.“

Markus grinste vergnügt: „Professor Subkow hat Ihnen also gesagt, dass Sie mich erwarten sollen. Woher wusste er, dass ich hier vorbeikommen werde?“

„Ich würde sagen, dass er sie richtig eingeschätzt hat.“

„In meiner Neugierde auf Ante Zivkovic?“

Der Wirt sah ihn bestürzt an: „Wie ich sehe, haben Sie ein interessantes Gespräch mit ihm gehabt. Wie haben Sie die Information über diesen Mann aus ihm herausgeholt?“

„Lässt er sich überhaupt etwas entlocken, wenn er nicht will?“

Gotovac nickte zustimmend: „Warum sind Sie hergekommen? Meinen Schwager hat es nicht gewundert, aber mich.“

„Ach – das ist eher Zufall. Ich wollte nur die Geschichte, die er mir erzählte, nachprüfen. Bei Journalisten wird das zur Gewohnheit. Zudem hat er mir gesagt, dass Ihr Restaurant für seine gute Küche bekannt ist. Ich bekam ganz plötzlich Hunger und konnte so beides miteinander verbinden.“

„Eine gute Entscheidung. Sonst wären Sie jetzt nass geworden.“

Der Wirt warf einen prüfenden Blick zum Himmel: „Nur ein kleines Unwetter. In einer Stunde ist der Regen vorbei.“

Wie auf Kommando fuhr ein Windstoß über die Terrasse des Restaurants und große Regentropfen prasselten davor auf den Boden. Der alte Kellner bemühte sich, die Schiebewände an den Seiten zu schließen, um die Gäste vor dem Wind zu schützen.

„Und wie kann ich helfen? Soll ich Ihnen den Führer der Faschisten in Kroatien zeigen?“

„Jetzt?“

„Er ist zehn Minuten vor Ihnen gekommen. Zuerst dachte ich, dass Sie ihn möglicherweise verfolgen.“

„Welcher von den beiden diskutierenden Männern ist es?“

„Falsch. Es ist der Mann im grünen Polohemd mit der grauhaarigen Frau dort links am Tisch. Sie warten noch auf ihr Essen.“

Markus sah sich gleichgültig um.

„Der mit der roten Knollennase und den fleischigen Lippen? Das neben ihm ist seine Frau?“

„Ja und es ist eines der wenigen Abendessen, die er zusammen mit ihr in meinem Restaurant einnimmt.“

„Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?“

„Wer kann das schon sagen. Vielleicht hat er heute keine andere Begleitung gefunden. Im Moment sieht es so aus, als würde sich Ante Zivkovic für sie, Herr Hagen, interessieren. Jedenfalls schaut er auffallend oft zu uns her. Er scheint überrascht zu sein, sie hier zu sehen.“

„Wie sollte er wissen, wer ich bin. Ich kann mich nicht erinnern, ihm jemals begegnet zu sein. Eventuell denkt er auch, dass ich ihn verfolge.“

Gotovac zuckte die Schultern: „Möglich ist es, aber eher unwahrscheinlich. Falls Sie sich nicht persönlich kennen, wird er wohl ein Foto von ihnen gesehen haben.“

„Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, scheinen Sie nicht viel von diesem Gast zu halten. Warum bewirten Sie ihn dann,“ wollte Markus wissen.

Der Wirt fuhr mit der Hand über die Narbe im Gesicht: „Irgendwann ist auch seine Zeit gekommen. Vielleicht kann ich mit meinen bescheidenen Mitteln dazu beitragen, sie herbeizuführen. Bis dahin erlaube ich mir jedes Mal den Spaß, in sein Essen zu spucken, bevor es ihm serviert wird.“

Der alte Kellner erschien mit dem bestellten Lamm für Markus. Gotovac warf einen prüfenden Blick darauf und schien zufrieden zu sein.

„Noch ein Bier oder lieber ein Glas von unserem ausgezeichneten Wein?“

Er entschied sich für ein zweites Bier.

Gotovac gab dem Kellner eine entsprechende Anweisung und nickte ihm zum Abschied freundlich zu.

Das Essen war ausgezeichnet und Markus ließ es sich schmecken. Ein weiterer Windstoß ließ die Seitenwände erbeben, während sich der Regenschauer zu einem prasselnden Platzregen verstärkte. Unwillkürlich schaute er nach draußen. Ein weiterer Gast konnte sich gerade noch rechtzeitig unter das schützende Dach der Terrasse retten.

Da stand sie mit ihren zerzausten, blonden Haaren. Diesmal bekleidet mit einem pastellfarbenen, ärmellosen Kleid, deren seidiger Stoff sich an ihre Haut schmiegte. Mein Gott dachte Markus, wie kommt man nur zu solchen wohlgeformten, langen Beinen.

Ihre Augen wanderten über die Gäste auf der Terrasse und blieben schließlich mit erleichtertem Lächeln bei Markus hängen. Sie kam auf ihn zu, achtete nicht auf den alten Kellner, der ungewöhnlich rasch auftauchte, ebenso wenig auf die misstrauischen Blicke des weiblichen Wachhundes an ihrem kleinen Tisch.

„Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe“, sagte sie.

Ihre wunderschönen braunen Augen unter den dunklen Wimpern blickten flehend. Das bezaubernde, schüchterne Lächeln um ihren Mund vertiefte sich, als Markus sich erhob, um sie zu begrüßen.

Der Rosental Plan

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