Читать книгу Der Rosental Plan - Jürgen W. Roos - Страница 9
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Die darauf folgende Woche mit seinen neuen Chartergästen verlief für Markus angenehm und stressfrei.
Drei unscheinbare Schweizer Geschäftsmänner mittleren Alters mit ihren jungen, aber ausgesprochen dekorativen Gespielinnen waren pünktlich in Zadar gelandet und zu ihm auf die Jacht gebracht worden.
Während des gemeinsamen Törns erfuhr Markus aus Gesprächen, dass die Männer als Abteilungsleiter in einer Züricher Bank arbeiteten. Die noble Urlaubsreise hatten sie vom Vorstand als Belohnung geschenkt bekommen.
Gelegentlich stellte er sich die Frage, ob die drei jungen Frauen ebenfalls von der Bank speziell für die Reise angeheuert und bezahlt worden waren. Freimütig hatten sie ihm erzählt, dass sie für eine Escort-Agentur in Zürich arbeiteten. Auf diese ungewöhnliche Art finanzierten sie ihr Studium.
Für Markus waren es angenehme Gäste. Ihnen reichte es, wenn sie tagsüber viel Sonne tanken konnten und sich am Abend ein Restaurant mit gutem Essen für sie fand. Für die Schönheit der dalmatinischen Inselwelt zeigten sie nur mäßiges Interesse. Begeisterung löste bei ihnen höchstens die kleinen, verschwiegenen Badebuchten mit ihrem glasklaren Wasser aus. Dort konnten sie ohne Badebekleidung schwimmen gehen.
Gleich zu Anfang ihrer Reise, nach Besichtigung der Lebensmittelvorräte an Bord, beschlossen seine Gäste, sich um Frühstück und Mittagessen selber zu kümmern. Ihre Begleiterinnen übernahmen den Service, ohne sich zu beklagen. Markus konnte sich auf die „NINA“ konzentrieren. Ansonsten musste er nur dafür sorgen, dass täglich frisches Brot, sowie Obst und Gemüse an Bord kamen. Gegen diese Arbeitsteilung hatte er nichts einzuwenden.
Nachts sorgten die weiblichen Begleitungen für die Unterhaltung der Schweizer Banker. Die Frauen schienen sich ihren Urlaub redlich verdienen zu müssen. Jedenfalls ging es in den drei Kajüten vorne im Bug oftmals ziemlich lebhaft zu.
Am Ende der Tour setzte er die drei Pärchen in der Marina von Zadar ab. Sofort anschließend machte er sich auf die kurze Fahrt nach Bibinje. Ob der Hafenmeister ihm die Ausrede über die hübsche Frau, die auf ihn wartete, wirklich abnahm, konnte Markus nicht sagen. Jedenfalls schaute der ihn sehr zweifelnd an.
Früher oder später würde Ivo sowieso von seinem Aufenthalt in Bibinje erfahren. Bis dahin hatte er hoffentlich eine gute Erklärung für ihn parat.
Der Hafenmeister machte sich allerdings ganz eigene Gedanken. Seit gut einer Woche wimmelte es in seiner Marina von Leuten, die nicht hierher passten. Sie gehörten keinesfalls zu den normalen Touristen. Überall im Hafen lungerten sie einzeln oder zu zweit herum. Sie schienen auf etwas zu warten. Konnte die plötzliche Abreise von Markus mit diesen Männern zu tun haben? Ivo wollte von seinem Freund nicht mit einer Ausrede abgespeist werden und unterließ es daher, gezielte Fragen zu stellen.
Halbwegs versteckt zwischen zwei älteren Fischkuttern blieb Markus mit der „NINA“ für die beiden nächsten Nächte im Hafen von Bibinje. Die zweite Nacht dort wurde allerdings sehr kurz für ihn. Schon gegen fünf Uhr früh wurde er vom Klingelton des Handys geweckt. Zu seiner Überraschung war es Zeev Zakin, der sein Kommen zu dieser frühen Stunde ankündigte. Markus hatte keine Ahnung gehabt, dass sich der Israeli in Kroatien aufhielt. Der Langhaarige von der israelischen Botschaft hatte die Möglichkeit nicht einmal angedeutet.
Er fand gerade noch Zeit, sich die Zähne zu putzen und etwas Wasser ins Gesicht zu spritzen, als er auch schon Schritte auf dem Holzsteg, der zu seiner Jacht führte, hörte. Zeev Zakin war nicht allein gekommen.
Der Israeli erschien Markus noch kleiner, als er ihn in Erinnerung hatte. Die schwarzen Haare waren inzwischen angegraut. Die Kerben rechts und links neben der Nase schienen noch tiefer geworden zu sein.
Zakin begrüßte ihn herzlich wie einen alten Freund und hielt ihm eine Tüte mit frischem, warmem Weißbrot unter die Nase.
„Wir sind bei einem Bäcker vorbeigekommen. Der Laden war zwar noch geschlossen, aber an der Hintertür wurden schon etliche Kunden bedient. Da haben wir uns kurzerhand entschlossen, nicht mit leeren Händen bei dir aufzutauchen.“
Den Begleiter stellte er als Martin Müller vom Verfassungsschutz aus Köln vor. Der Mann war fast zwei Meter groß, mit kräftiger, durchtrainierter Figur. Die kurzen, blonden, etwas dünnen Haare bedeckten nur unzureichend den Sonnenbrand auf seinem Kopf. Während die Kaffeemaschine lief und Markus den Tisch für das überraschende Frühstück deckte, erwähnte Zeev Zakin mit keinem Wort das Thema, das ihn hergeführt hatte. Zwanglos unterhielten sie sich über das kroatische Wetter und ähnliche Nebensächlichkeiten. Sein Begleiter sagte während der ganzen Zeit kein einziges Wort. Er musterte Markus nur sehr intensiv. Fast so, als wolle er ihn kaufen, und müsse jetzt überlegen, ob der den Preis auch wert war.
Es war auch der Israeli, der auf den Grund des Besuches zu sprechen kam.
„Markus, bitte erzähle uns genau, wie du in den Besitz der Pässe gekommen bist.“ Er hob die Hand, als der ihn unterbrechen wollte. „Ich weiß, du hast das alles schon Danny erzählt, aber wir wollen es mit deinen eigenen Worten aus deinem Mund hören.“
„Also gut, wenn es euch weiterhilft.“
Während sie ihre dritte Tasse Kaffee tranken, erzählte Markus, wie er den bewusstlosen Mann inmitten der Zuschauer ganz in der Nähe seines Bootes gefunden hatte. Ebenso von dem unfreiwilligen Bad mit der rothaarigen Frau, die ihn zuvor mit einer Pistole bedroht hatte. Sein Bericht endete mit der Beschreibung des Mannes im weißen Anzug.
„Jedenfalls hat Danny dir einen guten Rat gegeben, als er dich von Zadar wegschickte. Ohne ausreichenden Schutz wäre es sonst unangenehm für dich geworden.“
„Was ist passiert?“
„Drei Männer wollten dich in der Nacht nach der Rückkehr von deiner Tour besuchen. Wahrscheinlich hatten sie nicht die richtigen Leute in Zadar, um dieses Vorhaben bereits vorher durchzuführen. Etwas Ähnliches hatte Danny ja von Anfang an befürchtet. Nun wollte er wissen, ob er mit seiner Vermutung richtiglag. Deswegen hatte er die ganze Zeit einen Mann auf eine der Jachten in der Nähe deines Liegeplatzes postiert. Der Beobachter hatte die drei Männer schon vorher am Kai gesehen, als sie stundenlang gelangweilt herumlungerten. Das kam ihm gleich verdächtig vor. Zwischendurch sind sie zwar ein paar Mal weg gewesen, aber nach kurzer Zeit immer wieder zurückgekommen. Sie haben bemerkt, dass du mit der Jacht verschwunden warst und haben wohl gehofft, dass du am selben Abend wiederkommen würdest. Nachdem das nicht geschehen ist, haben sie offenbar den Auftrag bekommen, deine Rückkehr abzuwarten. Sie dürften zwischendurch in Erfahrung gebracht haben, dass du für eine ganze Woche unterwegs bist.“
„Vielleicht wollten sie sich nur nett mit mir unterhalten. Hat euer heimlicher Beobachter sie beschreiben können?“
„Viel besser. Unser Mann war mit einer Infrarotkamera ausgestattet und konnte ein paar nette Bilder von den Dreien schießen.“
Zeev Zakin holte einige Fotos aus seiner Tasche und legte sie auf den Tisch.
Den Mann im weißen Anzug erkannte Markus sofort wieder, auch wenn er auf dem Bild einem dunklen Trainingsanzug trug. Für sein Alter machte er immer noch eine gute Figur.
„Das ist der Mann, von dem ich euch erzählt habe. Die anderen zwei kenne ich nicht.“
„Wir konnten alle drei identifizieren. Der Mann, den du kennengelernt hast, ist Ralf Knoten, ein Deutscher, geboren in Siebenbürgen, Rumänien. Er ist so etwas wie der persönliche Sekretär des Freiherrn von Thurau. Falls es dich interessiert, kann Martin dir nachher ein bisschen mehr über diesen Adligen erzählen.“
Der blonde Deutsche nickte.
„Die anderen beiden Männer sind Kroaten hier aus der Gegend. Kleine Ganoven, die schon mehrmals wegen Körperverletzung und Diebstahl vor Gericht standen. Knoten muss sie mitgebracht haben, um dich ein bisschen, sagen wir mal, einzuschüchtern.“
„Wieso konntet ihr die Männer so schnell identifizieren?“
Zeev grinste: „Wir haben die Fotos über das Internet an die Botschaft in Zagreb geschickt und dort ein bisschen Druck gemacht. Alle drei sowie den Freiherrn haben wir in unserem Archiv gefunden. Thurau, der Chef des Deutschen, ist uns bereits vor Jahren aufgefallen. Er unterstützt mit viel Geld etliche Parteien des rechten Spektrums in fast jeder Ecke von Europa. Wir vermuten, dass er auch hinter der Finanzierung der neuen rechtsradikalen Kraft in Kroatien steht. Von den zwei Männern in Knotens Begleitung wissen wir jedenfalls, dass sie zum Fußvolk der neu erwachten faschistischen Ustascha-Bewegung hier in Kroatien gehören.“
Markus hatte in letzter Zeit schon mehrmals gehört, dass die verbotene Ustascha ganz still und heimlich wieder zum Leben erweckt wurde. Die Menschen, die dahinterstanden, hatten ihr einen anderen Namen gegeben, aber das Programm war im Großen und Ganzen gleichgeblieben. Ihr Ziel bestand, wie schon vor Jahrzehnten, immer noch darin, ein faschistisches Groß-Kroatien zu errichten. Soweit er sich erinnerte, nannten sie sich jetzt „Nasá Hrvatska“, was so viel wie „Unser Kroatien“ bedeutete.
Die kroatische revolutionäre Organisation, also die Ustascha, war ursprünglich 1928 von Ante Pavelic gegründet worden. Im 2. Weltkrieg verbündeten sich ihre Anhänger mit den Nazis in Deutschland. Nach Ende des Krieges wurde die Organisation rigoros zerschlagen. Etliche ihrer Mitglieder flüchteten nach Südamerika. Viele von ihnen kamen schon vorher ums Leben.
„Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass diese neue Ustascha mehr ist als eine kleine Splittergruppe ewig Gestriger?“
Zeev schüttelte den Kopf. „Bis jetzt halten wir sie für nicht besonders wichtig. Noch ist ihr Einfluss in Kroatien gering und wir unternehmen alles, dass es so bleibt.“
Er ließ es vorerst unerwähnt, dass einer ihrer Führer durchaus Chancen hatte, bei den nächsten Wahlen als kroatischer Präsident an die Macht zu kommen.
„Trotzdem werden sie vom israelischen Geheimdienst beobachtet?“
„Wir richten unser Augenmerk auf möglichst alle Faschisten und andere Fanatiker. So gibt es später weniger Überraschungen.“
Zeev Zakin ging mit keinem Wort oder Blick auf die Bemerkung über den Geheimdienst ein.
„Ich finde, wir haben jetzt genug Zeit mit der Einleitung vertan. Warum kommt ihr zu dieser frühen Stunde zu mir an Bord? Doch bestimmt nicht, um mit mir über die faschistische Bewegung in Kroatien zu diskutieren.“
Martin Müller, der Mann vom deutschen Verfassungsschutz, machte zum ersten Mal den Mund auf: „Da sprechen Sie mir aus dem Herzen. Ich bin ebenfalls dafür, endlich zum wahren Grund unseres Besuches zu kommen.“
Für Markus stand inzwischen fest, dass seine Vermutung richtig war und der Israeli zum Mossad gehörte. Deutscher Verfassungsschutz und israelischer Geheimdienst arbeiteten zusammen. Es musste schwerwiegende Gründe dafür geben.
„Also dann raus damit. Nachdem ihr mich zu dieser unchristlichen Zeit aus dem Bett geworfen habt, will ich endlich erfahren, um was es geht.“
„Unsere Regierung, also Berlin, hat den Hinweis bekommen, dass in München ein größerer Anschlag geplant ist. Genauere Angaben haben wir leider noch nicht. Wir wissen nur, dass sich dort im Herbst, während des Oktoberfestes, die Außen- und Verteidigungsminister einiger führender Nationen treffen wollen. Der Anschlag könnte ihnen gelten, aber das ist lediglich eine sehr schwache, unbewiesene Vermutung unsererseits. Das Attentat soll laut unseren Informationen von einer Spezialabteilung des Mossad geplant und ausgeführt werden.“
„Was natürlich nicht stimmt“, warf Zakin ein. Mit der Bemerkung gab er indirekt zu, über Aktivitäten des israelischen Geheimdienstes wenigstens informiert zu sein.
Markus ahnte immer noch nicht, warum die beiden Geheimdienstleute ihm die Geschichte erzählten.
„Was könnte der Zweck oder Sinn des Attentates sein?“
Zeev Zakin ergriff wieder das Wort: „Wenn wir von der Möglichkeit ausgehen, dass bei diesem Anschlag zum Beispiel die amerikanischen, englischen und deutschen Außenminister verletzt oder sogar getötet würden und der israelische Geheimdienst durch gefälschte Beweise für das Attentat verantwortlich gemacht werden kann, dürfte es die Öffentlichkeit in diesen Ländern nicht mehr akzeptieren, Israel weiterhin zu unterstützen. Unser Land verlöre mit einem Schlag das Vertrauen der wichtigsten Verbündeten.“
„Jetzt begreife sogar ich den Zusammenhang zwischen den gefundenen Pässen und dir, Zeev. Die gefälschten Ausweispapiere könnten nach dem Anschlag den deutschen Behörden in die Hände gespielt werden. Zusätzlich wirst du Zeev, von einem Zeugen eindeutig als einer der Attentäter identifiziert. Das dürfte wirklich unangenehm für Israel und auch für dich persönlich werden.“
Markus war sich klar darüber, welche weitreichenden, politischen und wirtschaftlichen Folgen so ein Attentat für den jüdischen Staat und den gesamten Nahen Osten haben konnte.
Zakin grinste süßsauer: „Du hast es erfasst. Die Überschrift in den Zeitungen der Weltpresse und auf sämtlichen Fernsehkanälen sehe ich bereits vor mir. Wobei es sich bei dem Anschlagsziel nicht unbedingt um die Minister der Konferenz handeln muss. Das Treffen würde nur ins Zeitfenster passen. Es kommen aber alle möglichen Ziele, auch zu einem etwas späteren Zeitpunkt, infrage. Auf alle Fälle ist diese Situation nicht gerade angenehm für mein Land und auch nicht für mich.“
Markus verteilte den Rest des Kaffees gleichmäßig auf alle drei Tassen.
„Was habt ihr vor? Mich für den Geheimdienst anzuwerben?“
Zeev und Müller gaben sich gleichermaßen entrüstet.
„Du lieber Himmel, nein! Wir möchten dich nur um eine kleine Gefälligkeit bitten. Absolut harmlos und ungefährlich.“
„Warum ausgerechnet mich?“
„Dazu komme ich gleich.“ Zakin fing an, laut zu überlegen. „Ralf Knoten, dieser angebliche Sekretär des Freiherrn, kam nach Zadar und zeigte auffällig großes Interesse an den von dir gefundenen Pässen.“
„Es könnte durchaus dieser Thurau sein, der im Hintergrund die Fäden für den Anschlag zieht.“ Der Deutsche hatte wieder das Wort ergriffen. „Uns ist lediglich bekannt, dass der Freiherr sich sehr oft mit hochrangigen Leuten aus dem rechten Parteienspektrum trifft und ihre Organisationen in Deutschland sowie im Ausland finanziell unterstützt. Ansonsten wissen wir sehr wenig über ihn. Wir können noch nicht einmal genau sagen, woher das Geld stammt, das er so großzügig verteilt. Angeblich hatte seine Familie den Großteil ihres flüssigen Kapitals bereits vor Beginn des Zweiten Weltkrieges in der Schweiz deponiert. Beweise oder Unterlagen dafür haben wir nicht. Wir können daher auch nicht sagen, wie hoch sein Vermögen ist.“
„Was wissen sie überhaupt über ihn?“
„Thurau ist etwa im selben Alter wie sein Sekretär Knoten. Ansonsten gibt es bei ihm keine besonderen Auffälligkeiten, außer dass er bei seinen Reisen häufig von zwei bis vier Männern begleitet wird. Über diese Leute gibt es ebenfalls nichts zu sagen, das uns weiterhilft. Sie traten polizeilich nie in Erscheinung. Nicht mal eine Verkehrsübertretung liegt gegen sie vor. Wir vermuten, dass sie so etwas wie seine Leibwächter sind. Daneben werden sie von Thurau als Chauffeur oder für gelegentliche Botengänge eingesetzt. Außerdem wird der Freiherr meist von einer weiblichen Person begleitet, die über viele Jahre sehr eng mit ihm zusammengearbeitet hat. Sie hat sich bereit erklärt, uns mehr über ihn zu erzählen.“
„Darf ich fragen, wer das sein soll?“
Markus erkundigte sich mehr aus Höflichkeit. Die Geschichte des Freiherrn und die Spekulationen über die Herkunft dessen Vermögens interessierten ihn nicht. Sollten sich der Verfassungsschutz in Verbindung mit dem israelischen Geheimdienst um ihn kümmern.
„Freiherr von Thurau ist seit etlichen Jahren mit einer Frau liiert, die sich nach eigener Aussage nun von ihm trennen möchte. Wenn sie tatsächlich so viel über ihn weiß, wie sie vorgibt, wird er diese Trennung nur auf seine Art akzeptieren. Er lässt sie möglichst spurlos verschwinden. So drückte sie sich jedenfalls bei einem Gespräch aus. Wer sich in der rechtsnationalen Szene etwas auskennt, wird ihr zustimmen.“
Müller schien immer noch nicht bereit zu sein, den Namen von Thuraus Begleiterin zu nennen. Er machte es spannend.
„Vor gut zwei Monaten ist diese Frau über Bekannte im deutschen Außenministerium an uns herangetreten. Sie erkundigte sich diskret, ob wir ihr einen kleinen Gefallen täten, wenn sie uns wichtige Details zu gewissen Straftaten ihres Geliebten erzählen würde. Dabei machte sie Andeutungen über illegale finanzielle Transaktionen des Freiherrn. Zudem könne sie Beweise über seine Verwicklungen zu rechten Organisationen in Europa liefern. Damals haben wir ihr Angebot abgelehnt. Wir hielten Thurau für nicht besonders wichtig und hatten kein größeres Interesse an ihm. Erst als uns die Israelis vor wenigen Tagen über den Fund der gefälschten Pässe und das Auftauchen von Ralf Knoten informierten, wurden Thurau und diese Frau für uns interessant. Inzwischen haben wir versucht, über das Umfeld des Freiherrn, also auch über die Geliebte, weitere Informationen zu bekommen.“
Martin Müller machte eine Pause. Er schien zu überlegen, wie er in seiner Erzählung weiter vorgehen sollte.
„Wenn die Kenntnisse dieser Frau für die Geheimdienste doch interessant sind, warum gehen Sie dann nicht einfach auf ihre Wünsche ein?“
„Das Wissen der Frau könnte wirklich wichtig sein, wenn der Freiherr tatsächlich etwas mit dem geplanten Anschlag zu tun hat. Unter Umständen kennt sie relevante Einzelheiten, die uns helfen würden, ihn zu verhindern. Deshalb haben wir gestern schließlich mit ihr in München Kontakt aufgenommen.“
„Ohne dass der Freiherr von Thurau davon etwas bemerkte?“
„Wir sind keine Amateure. Ihr Geliebter hielt sich zu dieser Zeit bereits in Venedig auf und sie befand sich auf dem Weg zum Flughafen, um ihm nach Italien zu folgen.“
„Was hat sie euch erzählt?“
„Sie hat bestätigt, dass sie unter gewissen Voraussetzungen bereit wäre, uns Informationen, nicht nur über den geplanten Anschlag in München, zu liefern. Dieser Freiherr scheint viel tiefer in die rechtspopulistische und rechtsradikale Szene verwickelt zu sein, als wir angenommen haben. So viel konnten wir ihren Andeutungen entnehmen.“
„Was verlangt sie für ihr Entgegenkommen?“
„Eigentlich nicht zu viel. Für die Offenlegung dieser kleinen Geheimnisse möchte sie lediglich einen neuen Pass; nach Möglichkeit einen amerikanischen oder kanadischen. Ihr Geliebter darf davon natürlich nichts mitbekommen. Außerdem benötigt sie etwas Hilfe, um sich unbemerkt von Thurau zu lösen und unterzutauchen.“
Markus überlegte angestrengt, warum dieser Martin Müller so viele Einzelheiten an einen Außenstehenden weitergab. Es konnte nur bedeuten, dass es da noch etwas gab, wovon sie ihm bisher nichts erzählt hatten.
„Wenn sie sonst keine weiteren Forderungen hat, solltet ihr vielleicht auf das Angebot eingehen. Es dürfte doch kein großes Problem sein, den gewünschten Pass und die dazugehörende Staatsbürgerschaft für die Frau zu beschaffen. Soviel mir bekannt ist, helfen sich befreundete Regierungen in solchen Fällen gegenseitig. Mir ist aber immer noch nicht klar, was ich dabei tun soll.“
„Du schipperst doch auch in den kommenden Tagen in Richtung Venedig?“ Zakin schien endlich in die Endphase ihrer Unterhaltung zu kommen.
„Da sind eure Informationen absolut richtig. Ich werde meine nächsten Chartergäste in gut zwei Wochen in der Nähe von Venedig absetzen. Das Boot bleibt danach in Jesolo auf der Werft und ich verkrieche mich den Winter über in München. Für dieses Jahr ist die Saison hier an der Adria vorbei. Aber jetzt kommt endlich raus mit der Sprache. Was hat eure Geschichte mit meinem Törn nach Italien zu tun?“
„Diese Geliebte des Freiherrn möchte, dass du dich mit ihr in Venedig triffst, Markus.“ Endlich den Namen der Frau zu nennen, schien dem Israeli nicht leicht zu fallen.
„Warum will sie sich ausgerechnet mit mir treffen? Dass sie den Geheimdiensten nicht über den Weg traut, ist verständlich. Aber wieso kommt sie auf mich? Kenne ich sie?“
„Sie reist zurzeit mit einem kolumbianischen Diplomatenpass auf den Namen Maria Sanchez.“
Markus überlegte nur kurz.
„Ich kann mich nicht an eine Person dieses Namens erinnern.“
Der Israeli räusperte sich und sprach nur zögernd weiter: „Du kennst sie unter ihrem früheren Namen, Christine Landers.“
Der Name traf Markus wie ein heimtückischer Schlag in den Magen. Unmittelbar setzten die Erinnerungen an die Geschehnisse in Israel ein. Er sah seine Tochter Nina im Krankenhaus; ihr schmales, blasses Gesicht mit den geschlossenen Augen, die sich nie mehr öffnen sollten. Als sie schließlich für immer einschlief, hatte er ihre Hand gehalten. Einfach so, von einer Sekunde zur anderen, hörte sie auf zu atmen.
Vergeblich versuchte er, die Tränen zu unterdrücken. Dabei hatte er geglaubt, diesen Teil aus seiner Vergangenheit inzwischen etwas besser im Griff zu haben. Er ging vor zum Bug und schaute eine Weile aufs Meer hinaus. Nur mühsam konnte er sich fassen.
Als er zu den Besuchern zurückkehrte, war seine Stimme lediglich ein heiseres Flüstern: „Zeev, du weißt also seit einiger Zeit, wo sich die Komplizin des Mörders meiner Tochter aufhält? Sie kann sich frei bewegen? Ihr habt sie nicht festgesetzt? Mir wäre es dabei völlig egal, ob sie euch tot oder lebendig in die Finger gefallen ist. Über die Nachricht, dass sie endlich gefunden wurde, hätte ich mich gefreut. Jetzt wollt ihr ein Geschäft mit ihr abwickeln und ich, ausgerechnet ich, soll mich mit ihr treffen und ihr dabei in die Augen sehen? Warum soll ich mir das antun? Ich bin mir keineswegs sicher, ob ich ihr bei dieser Gelegenheit nicht den Hals umdrehe oder sie erschlage.“
Der Israeli stand auf und schaute sich suchend um. Schließlich brachte er eine Flasche Sliwowitz sowie drei Wassergläser an den Tisch und schenkte allen einen großen Schluck ein. Schweigend tranken sie den starken Pflaumenschnaps.
„Frau Landers hat nach unseren jetzt vorliegenden Informationen keine, jedenfalls keine direkte Schuld an den Anschlägen in Israel, also auch nicht am Tod Ihrer Tochter“, sagte der Deutsche. „Während der damaligen Attentatsserie verfolgten die Israelis alle möglichen und unmöglichen Spuren sowie Hinweise. Polizei und Nachrichtendienst standen unter starkem Druck der Regierung und der Öffentlichkeit. In dieser Zeit hat man auch einen gewissen Manfred Kramer überprüft. Er gehörte nicht zum Kreis der wirklich Verdächtigen. Zusammen mit anderen israelischen Sicherheitsorganen hatten wir damals in Erfahrung gebracht, dass sich Frau Landers und Manfred Kramer über die deutsche Botschaft in Tel Aviv kennengelernt haben. Dieser Hinweis stellte sich später leider als falsch heraus. Auf ausdrücklichen Wunsch des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet und mit Wissen des deutschen Botschafters sollte Frau Landers herausfinden, was dieser Kramer in Israel wollte. Sie sollte ihn lediglich ein bisschen aushorchen. Dabei handelte es sich um einen an sich harmlosen Auftrag. Sie wäre damit nicht beauftragt worden, wenn man Kramer wirklich verdächtigt hätte. Dass Frau Landers selber ein Teil der rechten Szene in Deutschland gewesen ist und Manfred Kramer, sowie dessen Komplizen Gerhard Troger bereits aus Deutschland kannte, haben wir erst bei späteren Überprüfungen ihrer Person erfahren. Kramer, der mit richtigen Namen Alfred Freud heißt, war sogar ihr Schwager. Durch ihn kannte sie auch seinen Freund Troger, alias Jochen Schawemann.“
„Ihr habt also mit Christine Landers den Bock zum Gärtner gemacht. Und nun wollen Sie mir mit diesen lächerlichen Argumenten klarmachen, dass sie nichts mit den Attentaten zu tun hatte? Das kann unmöglich ihr Ernst sein. Jetzt spricht doch noch viel mehr gegen sie. Offensichtlich hat sie das Verhältnis mit mir vorher genauestens geplant. Ich Idiot bin ihr auf den Leim gegangen. Durch mich kam sie möglicherweise erst an die Informationen, die ihre Komplizen für die Anschläge benötigten.“
Zeev Zakin trank vorsichtig noch einen Schluck des scharfen Schnapses, bevor er weitersprach: „In einem Punkt hast du Recht, Markus. Sie hat dich benutzt. Inzwischen wissen wir, dass Christine Landers schon vor ihrer Zeit in Israel für Friedrich von Thurau arbeitete. Sie kam in dessen Auftrag nach Israel und durch seine Verbindungen auch zu ihrem Job an der deutschen Botschaft.“
„Was wollte sie dann in Israel, wenn sie eurer Meinung nach nicht an den Anschlägen beteiligt war?“
„Das ist uns bis jetzt nicht bekannt, aber es dürfte mit den Plänen des Freiherrn zu tun haben. Wir denken uns, dass sie für Thurau etwas in Erfahrung bringen sollte und er sie deshalb in die deutsche Botschaft schleuste. Genaueres werden wir wohl erst wissen, wenn sich die Dame länger mit uns unterhalten hat. Du bist für sie jedenfalls eine zusätzliche und dazu nützliche Tarnung gewesen. In deiner Begleitung konnte sie Kontakte zu Leuten knüpfen, an die sie als kleine Botschaftsangestellte nie gekommen wäre. Über Christine Landers wissen wir ansonsten lediglich, dass sie, ebenso wie ihre ältere Schwester, seit ihrer frühen Jugend aktives Mitglied bei den „Heimattreuen“ gewesen ist. Sagt dir der Name etwas?“
„Natürlich habe ich von dem Verein gehört, mich aber nicht weiter damit beschäftigt.“
„Die „Heimattreuen“ sind inzwischen zur größten rechtsnationalen Gruppierung in Deutschland angewachsen. Die Jugendorganisation dieser Gruppe hat es besonders auf Jugendliche abgesehen, denen in ihrem familiären oder beruflichen Umfeld keine Perspektive geboten wird. Sie veranstalten des öfteren Kameradschaftsabende, Jugendzeltlager und viele andere Freizeitaktivitäten. Damit binden sie die Jugendlichen immer fester an sich. Für sie sind „die Heimattreuen“ so etwas wie eine zweite Familie. Die Schwester von Frau Landers lernte dort auch ihren späteren Mann, Alfred Freud, kennen.“
„Das ist also der richtige Name des Mörders meiner Tochter. Gleichzeitig war er ihr Schwager. Braucht es da weitere Überlegungen? Christine hat von Anfang an ihren Schwager bei den Planungen seiner Anschläge unterstützt. Nur deshalb ist sie nach Israel gekommen.“
„Nachdem, was wir bisher in Erfahrung bringen konnten, ist das eher unwahrscheinlich. Nach dem Tod Kramers haben wir dessen Partner Troger, alias Schawemann, mit internationalem Haftbefehl suchen lassen. In Kenia konnte die dortige Polizei den Freund ihres Schwagers festnehmen. Bei seiner Vernehmung behauptete er glaubhaft, Kramer habe aus eigenem Antrieb die Idee gehabt, mit den Anschlägen in Israel Angst zu verbreiten. Er erzählte uns, wie sie zusammen mit ihrer Ortsgruppe noch in Deutschland alles geplant haben. Troger und Kramer sind auf eigene Faust nach Israel gekommen. Von Troger erfuhren wir, das Frau Landers und dieser Kramer verschwägert sind. Sie muss sich in Israel einmal mit ihm getroffen und durch Prahlereien von seinem Vorhaben erfahren haben. Danach hat sie mit allen Mitteln versucht, die beiden von weiteren Anschlägen abzuhalten. Sie hat deswegen sogar mit ihrem Chef, dem Freiherrn, in Deutschland Kontakt aufgenommen. Sie hoffte, er könnte durch seine Beziehungen irgendwie Einfluss auf die beiden Männer nehmen. Als dies nicht gelang, war der Frau klar, dass die Israelis sehr schnell eine direkte Verbindung zwischen ihr und Kramer herstellen konnten, sobald man ihn verhaftete. Unter Umständen würde sie möglicherweise wegen Mittäterschaft vor ein israelisches Gericht gestellt werden. Dadurch, dass sie ihn nicht verriet, hat sie sich natürlich nachträglich schuldig gemacht. Darum ist sie nach dem Tod ihres Schwagers auf dem schnellsten Weg aus dem Land verschwunden.“
„Und wer hat Kramer umgebracht?“
„Bei der Vernehmung in Kenia vermutete Troger, dass es Christine Landers gewesen sein muss, kurz bevor sie Israel verließ. Beweise dafür gibt es nicht. Wir hatten für den nächsten Tag vom zuständigen Richter die Genehmigung, Troger erneut zu vernehmen. Dazu kam es nicht mehr. Er wurde vorher in seiner Zelle umgebracht.“
Zeev Zakin stand auf und warf einen Blick raus auf den Steg. „Könntest du uns noch einen Kaffee machen? Der Sliwowitz bekommt mir zum Frühstück nicht besonders.“
Schweigend stand Markus auf. Sagten Zeev und dieser Müller die Wahrheit? War seine Tochter Nina wirklich nur das sinnlose Opfer perverser Rechtsradikaler geworden, die nur aus ihrem Hass auf die Juden heraus handelten? Oder erzählten ihm die beiden Besucher nur eine Story? Eigentlich unvorstellbar, dass es in der heutigen Zeit immer noch Menschen gab, die so verblendet wie diese Nazis waren. Auf keinen Fall konnte er glauben, dass seine damalige Lebensgefährtin nichts mit den Mordanschlägen zu tun hatte. Darüber wollte er sich lieber selber eine Meinung bilden.
Als er den Kaffee in den Salon brachte, unterbrachen die Besucher ihre Unterhaltung. Die Stimmung zwischen den beiden schien leicht angespannt zu sein. Markus tat, als würde er es nicht bemerken. Er selber hatte seine Fassung inzwischen wiedergefunden.
„Wie ist Christine überhaupt an einen Diplomatenpass auf den Namen Maria Sanchez gekommen?“
„So viel wir bisher über die Dame herausfinden konnten, ließ sie sich vor zwei Jahren von einem gewissen Hugo Sanchez adoptieren. Den Grund dafür können wir nur vermuten. Vielleicht hoffte sie, so von ihrem Vorleben als Christine Landers und der kurzen Episode in Israel abzulenken. Das ist immerhin eine Zeit lang gut gegangen. Mit der Adoption ist sie gleichzeitig kolumbianische Staatsbürgerin geworden. Maria ist ihr zweiter Vorname. Auf den ersten Blick ist alles in Ordnung mit der Namensänderung. Den Diplomatenpass hat sie durch die Verbindungen des Freiherrn bekommen. Er selber ist Honorarkonsul von Kolumbien. Manchmal kann so ein Pass sehr nützlich sein.“
„Falls ich mich bereit erkläre, Christine Landers in Venedig zu treffen, wie würde das ablaufen?“
„Das wird dir mein Begleiter erzählen.“ Zeev Zakins Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war er offenbar mit dessen Plan nicht einverstanden.
Der Deutsche nahm das Wort „falls“ bereits als Zusage und schien darüber erleichtert zu sein.
„Bevor Sie nach Venedig abreisen, treffen wir uns noch zu einem ausführlichen Gespräch. Dann besprechen wir auch die weiteren Einzelheiten. Möglicherweise wissen wir bis dahin schon, wann und wo genau die Begegnung stattfinden kann. Nur so viel kann ich bis jetzt sagen: Frau Landers wird Ihnen bei dem Treffen eine CD oder einen Speicherstick übergeben. Das ist alles.“
„Das kann doch auch einer Ihrer Leute erledigen, wenn Sie es nicht selber machen wollen.“
„Wie schon gesagt, hat Christine Landers, alias Maria Sanchez, den Wunsch geäußert, ihnen persönlich diese Daten zu übergeben. Weitere Fragen dazu kann ich eventuell bei unserem abschließenden Gespräch in Zadar beantworten. Allerdings nur, wenn wir bis dahin nochmals Gelegenheit bekommen, mit Frau Landers zu sprechen.“
Markus gab vorläufig nach.
„Ich werde mir die ganze Angelegenheit durch den Kopf gehen lassen und mich erst nach dem Gespräch in Zadar festlegen, ob ich mich überhaupt mit der Frau treffen will. Gibt es noch mehr Informationen, die Sie mir lieber gleich sagen sollten?“
„Eine Kleinigkeit gäbe es da noch. Ich hätte es gerne, wenn Sie nach Ihrem Interview mit dem Professor mit Ihrer Jacht zurück in die Marina nach Zadar fahren.“
„Erst war der Aufenthalt dort für mich noch zu gefährlich und jetzt ist das nicht mehr der Fall? Sind diese Männer, die nach mir gesucht haben, inzwischen verschwunden, oder soll ich als Lockvogel missbraucht werden?“
Martin Müller versuchte es mit einem schamhaften Grinsen, das nicht zu ihm passen wollte.
„Das Wort Lockvogel trifft in etwa zu. Wir möchten herausfinden, wer hier in Kroatien alles mit diesem Knoten zusammenarbeitet. Dadurch könnten wir womöglich wichtige Querverbindungen aufdecken.“
Beschwichtigend hob er beide Arme hoch: „Sie werden, sobald Sie in Zadar in der Marina liegen, keinen Moment unbeobachtet bleiben. Wir passen dort sehr gut auf Sie auf. Ihr Freund, der Hafenmeister, wird Ihnen, wie immer bei Ihrer Einfahrt in den Hafen, einen ganz bestimmten Liegeplatz zuweisen. Ich werde ihm vorher sagen, an welcher Stelle ich Sie gerne hätte.“
„Ich bezweifle, dass sich Ivo in seine Arbeit reinreden lässt.“
„Er wird sich bestimmt von mir überzeugen lassen. Die Schiffe rechts und links neben ihnen sind, bis zum Beginn ihrer Fahrt nach Venedig, Tag und Nacht von meinen Leuten oder eventuell auch mir selber besetzt. Sie wurden von uns gechartert.“
Er grinste: „Auf diese Art spart die deutsche Regierung auch noch die Hotelkosten. Außerdem überlege ich mir bereits, ob es sinnvoll sein könnte, ihnen für die Dauer Ihrer nächsten Reise eine Hilfskraft an Bord zu schicken.“
„Das kommt nicht infrage“, unterbrach Markus ihn. „Meine Besatzung suche ich mir immer noch selber aus – falls ich jemanden benötigen sollte.“
Eigentlich hatte er bereits vorher in Erwägung gezogen, auf dieser Tour die Nichte oder Frau des Hafenmeisters mitzunehmen. Das hatte er in der Vergangenheit gelegentlich gemacht. Die Frauen waren für die Abwechslung in ihrem Alltagsleben und den zusätzlichen Verdienst dankbar. Im Vorfeld hatte er bereits Ivo gegenüber so etwas angedeutet.
In den Verträgen mit den Chartergästen war bewusst ungenau angegeben, dass bei Bedarf oder auf Wunsch zusätzliches Personal an Bord kommen würde. Um das zu entscheiden, musste er seine neuen Gäste erst kennenlernen und mit ihnen sprechen. Falls sie es vorzogen, ihre Mahlzeiten regelmäßig an Bord einzunehmen, war es für ihn unumgänglich, eine gute Köchin auf dem Schiff zu haben. Zudem waren Menschen, die sich die Charterpreise für seine Jacht leisten konnten, oft daran gewöhnt, sich von vorne bis hinten bedienen zu lassen. Das hieß für die mitfahrende Köchin, auch die Arbeiten eines Zimmermädchens zu übernehmen.
Am ehesten gab es auf seinen Touren Probleme, wenn ältere Männer mit ihren sehr jungen Geliebten an Bord kamen. Etliche dieser Frauen konnten, außer ihren körperlichen Reizen, nicht viel vorweisen. Deutlicher ausgedrückt: Oft genug waren sie strohdumm. Meist verstanden sie sich aber hervorragend darauf, Kommandos zu erteilen und sich von vorne bis hinten bedienen zu lassen. Bei solchen Touren durch die Kornaten fragte Markus sich gelegentlich, wie es die Männer auch nur für begrenzte Zeit mit Frauen dieser Art aushalten konnten? Da schien nur ihre Jugend eine Rolle zu spielen.
Zum Glück hatten die Gäste der zurückliegenden Tour nicht ganz zu der Kategorie gehört. Die Männer waren nicht zu alt und die Frauen wirkliche Profis, die völlig darin aufgingen, ihren Begleitern jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Sie wurden für die Arbeit großzügig bezahlt. Da zählten eigene Befindlichkeiten nicht. Trotzdem waren ihm am liebsten Ehepaare, gerne auch mit Kindern, die einfach ihren Urlaub an der Adria genießen wollten.
Schlagartig kam ihm eine Idee. Ein Versuch war es allemal wert.
„Es sei denn, Sie wollen mir eine ganz bestimmte, ausgesprochen hübsche Hilfskraft mitgeben. Dann würde ich mich sicherlich überreden lassen.“
Zakin schaute ihn neugierig an: „An wen denkst du da?“
„Vor meiner letzten Tour tauchte eure hübsche, blonde Kollegin Chiara Bertone bei mir an Bord auf. Gegen ihre Begleitung hätte ich ganz sicher nichts einzuwenden.“
Zakin schüttelte bedauernd den Kopf und Müller grinste.
„Deinen Wunsch kann ich ja durchaus verstehen, aber ich muss dich leider enttäuschen. Chiara Bertone ist keine Kollegin, sondern lediglich eine gute Bekannte oder sogar Freundin von Danny Danon. Er wusste, dass sie in Zadar ihren Urlaub verbringt und hatte sie telefonisch gebeten, dir eine Nachricht zu überbringen. Ihr Besuch bei dir ist also eine reine Gefälligkeit gewesen. Ansonsten hat sie mit der Arbeit von Danny Danon absolut nichts zu tun.“
„Sie könnte euch doch noch einen kleinen Dienst erweisen und in den nächsten Wochen auf mich aufpassen. Ein kostenloser Urlaub auf der Jacht und dazu in meiner Begleitung – eigentlich müsste sie da schwach werden.“
„Keine Chance, Markus.“ Zeev schüttelte den Kopf. „Ich war schon dagegen, dass du noch mehr in die Sache verwickelt wirst. Einen weiteren Laien, der in dieser Angelegenheit mitmischt, würden meine Nerven nicht verkraften.“
Markus ahnte jetzt, worüber die zwei Männer vorhin diskutiert hatten.
„Du denkst, ein Amateur wie ich ist schon mehr, als du vertragen kannst?“
„So ungefähr“, gab Zeev grummelnd zu. „Schließlich wissen wir nicht, was Thurau und Knoten noch alles versuchen werden, um die Pässe in die Hand zu bekommen. Da reicht es schon, dass wir auf dich aufpassen müssen.“
„Schade“, gab Markus sich geschlagen. „Diesmal hätte es auch für mich ein ausgesprochen angenehmer Trip durch die Kornaten bis nach Venedig werden können.“
„Trotzdem sollten Sie sich meine Idee von vorhin nochmals durch den Kopf gehen lassen.“ Müller strahlte. „Sobald Sie zurück in Zadar sind, lernen sie ein anderes, ausgesprochen hübsches Exemplar von Frau kennen. Dafür werde ich sorgen.“
Der deutsche Agent und der Israeli wechselten einen kurzen Blick, worauf Zakin zustimmend nickte.
„Sie haben in Zadar ja noch ein bisschen Zeit, sie kennenzulernen. Bevor Sie mit Ihren Gästen nach Venedig aufbrechen, werden Sie die Frau selber einladen, bei ihnen mitzufahren.“
„Und wenn sie mir nicht zusagt?“
„Ich bin überzeugt davon, dass Sie nichts gegen sie einzuwenden haben. Sie ist hübsch, klug und sämtlichen Situationen gewachsen. Sie wird es so anstellen, dass alle, einschließlich des Hafenmeisters, glauben, dass Sie bis über beide Ohren verliebt sind.“
„Noch mehr Ärger. Langsam verfluche ich den Tag, an dem ich die Pässe gefunden und Kontakt zu euch aufgenommen habe.“