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Zweites Kapitel

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In der Bran­dung. — Bri­ant und Do­ni­phan. — Die Küs­te. — Vor­be­rei­tun­gen zur Ret­tung. — Das um­strit­te­ne Boot. — Von der Höhe des Fock­mas­tes. — Ein mu­ti­ges Un­ter­neh­men Bri­ants. — Eine Fol­ge der Spring­flut.

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Die von der Ne­bel­wand be­frei­te At­mo­sphä­re ge­stat­te­te jetzt einen wei­ten Aus­blick rings um den Scho­ner. Die Wol­ken flo­gen noch im­mer mit ra­sen­der Schnel­lig­keit am Him­mel hin, der Sturm hat­te noch im­mer nicht aus­ge­wü­tet. Vi­el­leicht peitsch­te er die­ses un­be­kann­te Ge­biet des Stil­len Ozeans aber doch nur mit sei­nen letz­ten Aus­läu­fern.

Das war min­des­tens höchst wün­schens­wert, denn die Lage des »Sloug­hi« war jetzt nicht min­der be­ängs­ti­gend als in der Nacht, wo er ge­gen das em­pör­te Meer an­kämpf­te. Ei­nes sich an das an­de­re schmie­gend, muss­ten die­se Kin­der sich ver­lo­ren glau­ben, wenn eine Woge über die Schanz­klei­dung schlug und sie alle mit Schaum be­deck­te. Die Stö­ße wa­ren jetzt de­sto här­ter, da der Scho­ner den­sel­ben nicht frei nach­ge­ben konn­te. Je­den­falls er­zit­ter­te er bei je­dem An­prall bis in alle Rip­pen und doch schi­en es nicht, als ob sei­ne Wand ge­bors­ten wäre, we­der als er den Rand der Klip­pen streif­te, noch als er sich zwi­schen den Köp­fen der Klip­pen so­zu­sa­gen fest­keil­te. Bri­ant und Gor­don, die nach den un­te­ren Räu­men ge­gan­gen wa­ren, über­zeug­ten sich we­nigs­tens, dass noch kein Was­ser in den Rumpf ein­drang.

Sie be­ru­hig­ten in die­ser Hin­sicht nach Mög­lich­keit ihre Ka­me­ra­den, vor­züg­lich die kleins­ten der­sel­ben.

»Habt nur kei­ne Angst …!« wie­der­hol­te Bri­ant im­mer wie­der. »Die Yacht ist fest ge­baut …! Der Strand ist nicht mehr fern …! War­tet nur, wir wer­den den Strand schon er­rei­chen!«

»Und warum sol­len wir war­ten?« frag­te Do­ni­phan.

Doniphan

»Ja … Wa­rum denn …?« setz­te ein an­de­rer, zwölf­jäh­ri­ger Kna­be, Wil­cox mit Na­men, hin­zu. »Do­ni­phan hat recht. Wa­rum denn war­ten?«

»Weil der See­gang noch zu schwer ist und uns auf die Fel­sen schleu­dern wür­de«, er­wi­der­te Bri­ant.

»Und wenn die Yacht nun in Stücke geht …?« rief ein drit­ter Kna­be, na­mens Webb, der mit Wil­cox etwa gleich­alt­rig war.

»Ich glau­be nicht, dass das zu be­fürch­ten ist«, ant­wor­te­te Bri­ant, »min­des­tens nicht mehr, wenn die Ebbe ein­tritt. So­bald das Was­ser sich so­weit zu­rück­ge­zo­gen hat, wie der Sturm das zu­lässt, wer­den wir an un­se­re Ret­tung ge­hen!«

Bri­ant hat­te völ­lig recht. Ob­wohl die Ge­zei­ten im Stil­len Ozean ver­hält­nis­mä­ßig schwach auf­tre­ten, so kön­nen sie doch zwi­schen Flut und Ebbe eine nicht un­be­trächt­li­che Ver­schie­den­heit des Was­ser­stan­des her­vor­brin­gen. Es war also von Vor­teil, ei­ni­ge Stun­den zu war­ten, zu­mal wenn dann auch der Wind ab­flau­te. Vi­el­leicht leg­te die Ebbe einen Teil der Klip­pen tro­cken; dann war es leich­ter, den Scho­ner zu ver­las­sen und die letz­te Vier­tel­mei­le bis zum Strand zu über­win­den.

So ver­nünf­tig die­ser Rat in­des er­schi­en, zeig­ten sich Do­ni­phan und zwei oder drei an­de­re doch gar nicht ge­neigt, dem­sel­ben Fol­ge zu ge­ben. Sie tra­ten auf dem Vor­der­deck zu­sam­men und spra­chen ge­dämpf­ten To­nes mit­ein­an­der. Es trat schon klar zu­ta­ge, dass Do­ni­phan, Wil­cox, Webb und ein an­de­rer Kna­be, na­mens Cross, kei­ne Lust hat­ten, sich mit Bri­ant zu ver­stän­di­gen. Wäh­rend der lan­gen Fahrt des »Sloug­hi« leis­te­ten sie ihm noch Ge­hor­sam, weil Bri­ant, wie er­wähnt, ei­ni­ge see­män­ni­sche Er­fah­rung be­saß. Sie heg­ten da­bei aber stets den Ge­dan­ken, so­fort nach dem Wie­der­be­tre­ten ei­nes Lan­des sich ihre Frei­heit des Han­delns zu wah­ren — vor al­len Do­ni­phan, der sich durch ge­nos­se­nen Un­ter­richt und na­tür­li­che Ver­an­la­gung so­wohl Bri­ant wie al­len sei­nen Ka­me­ra­den über­le­gen dünk­te. Die­se Ei­fer­sucht Do­ni­phans ge­gen Bri­ant be­stand üb­ri­gens schon seit lan­ger Zeit, und schon weil letz­te­rer von Ge­burt Fran­zo­se war, emp­fan­den jun­ge Eng­län­der we­nig Nei­gung, sich sei­ner Ober­herr­schaft zu fü­gen.

Es lag also die Be­fürch­tung nahe, dass die­se Um­stän­de den Ernst der oh­ne­hin be­un­ru­hi­gen­den Lage noch ver­schlim­mern könn­ten.

In­zwi­schen be­trach­te­ten Do­ni­phan, Wil­cox, Cross und Webb das schäu­men­de, von Wir­beln auf­ge­reg­te und von Strö­mun­gen hin­ge­ris­se­ne Was­ser, wel­ches frei­lich schwer zu über­win­den schi­en. Der ge­üb­tes­te Schwim­mer hät­te der Bran­dung des zu­rück­sin­ken­den Mee­res, wel­ches der Sturm von rück­wärts pack­te, nicht zu wi­der­ste­hen ver­mocht. Der Rat­schlag, ei­ni­ge Stun­den zu war­ten, recht­fer­tig­te sich also von selbst. Do­ni­phan und sei­ne Ka­me­ra­den muss­ten das end­lich ein­se­hen, und so kehr­ten sie wie­der nach dem Hin­ter­deck zu­rück, wo die Klei­nen sich auf­hiel­ten.

Da sag­te Bri­ant zu Gor­don und ei­ni­gen an­de­ren, die ihn um­stan­den:

»Wir dür­fen uns auf kei­nen Fall tren­nen …! Blei­ben wir zu­sam­men, oder wir sind ver­lo­ren!«

»Du nimmst dir doch nicht her­aus, uns Vor­schrif­ten ma­chen zu wol­len?« rief Do­ni­phan, der jene Wor­te ver­stan­den hat­te.

»Ich neh­me mir gar nichts her­aus«, ant­wor­te­te Bri­ant, »und ver­lan­ge nichts, als dass wir zum Hei­le al­ler ver­ei­nigt han­deln.«

»Bri­ant hat recht«, er­klär­te Gor­don, ein erns­ter, schweig­sa­mer Kna­be, der nie sprach, ohne sei­ne Wor­te reif­lich er­wo­gen zu ha­ben.

»Ja …! Ja …!« rie­fen ein­zel­ne der Klei­nen, wel­che eine Art ge­hei­mer In­stinkt trieb, sich an Bri­ant an­zu­schlie­ßen.

Do­ni­phan er­wi­der­te nichts mehr; doch er und sei­ne Ka­me­ra­den hiel­ten sich ab­seits in Er­war­tung der Stun­de, wo zur Ret­tung ge­schrit­ten wer­den soll­te.

Doch wel­ches Land lag ei­gent­lich vor ih­nen? Ge­hör­te es zu ei­ner der In­seln des Stil­len Ozeans oder zu ei­nem Fest­land? Die­se Fra­ge muss­te vor­läu­fig of­fen­blei­ben, da der »Sloug­hi« sich viel zu nahe dem Ufer be­fand, um einen hin­rei­chen­den Ge­sichts­kreis über­bli­cken zu kön­nen. Sei­ne hoh­le, eine ge­räu­mi­ge Bucht bil­den­de Mas­se lief in zwei Vor­ge­bir­ge aus — das eine ziem­lich hoch und nach Nor­den zu scharf ab­ge­schnit­ten, das an­de­re in ei­ner nach Sü­den vor­ge­streck­ten Spit­ze en­di­gend. Ver­ge­bens such­te aber Bri­ant mit ei­nem der an Bord be­find­li­chen Fern­roh­re zu er­ken­nen, ob das Meer jen­seits die­ser Vor­ber­ge die Ufer­li­ni­en ei­ner In­sel ba­de­te.

Im Fall die­ses Land näm­lich eine In­sel war, ent­stand die erns­te Fra­ge, wie man die­se wie­der ver­las­sen kön­ne, wenn es sich als un­mög­lich er­wies, den Scho­ner wie­der flottz­u­ma­chen, den die nächs­te Flut schon da­durch, dass sie ihn auf den Klip­pen hin und her warf, elend zer­trüm­mern muss­te. Und war die­se In­sel oben­drein un­be­wohnt — sol­che gibt es im Stil­len Ozean gar vie­le —, wie soll­ten auf sich selbst an­ge­wie­se­ne Kin­der, die nichts be­sa­ßen, als was ih­nen viel­leicht von den Vor­rä­ten der Yacht zu ber­gen ge­lang, sich die not­wen­digs­ten Le­bens­be­dürf­nis­se ver­schaf­fen?

Auf fes­tem Land da­ge­gen hät­te sich die Aus­sicht auf Ret­tung ent­schie­den ver­bes­sert, weil die­ses Fest­land kein an­de­res als Süd­ame­ri­ka sein konn­te. Da muss­ten sie, auf dem Ge­biet von Chi­le oder Bo­li­vi­en, je­den­falls Hil­fe fin­den und wenn auch nicht so­fort, so doch we­ni­ge Tage nach statt­ge­hab­ter Lan­dung. Frei­lich wa­ren auf die­sen Nach­bar­ge­bie­ten der Pam­pas man­cher­lei schlim­me Be­geg­nun­gen zu fürch­ten — jetzt han­del­te es sich aber ein­zig dar­um, über­haupt erst das Land zu er­rei­chen.

Die Wit­te­rung war jetzt klar ge­nug ge­wor­den, um alle Ein­zel­hei­ten des­sel­ben zu er­ken­nen, und deut­lich un­ter­schied man das Vor­land des Stran­des, das hohe, die­sen im Hin­ter­grund ein­rah­men­de Ufer, nebst ver­schie­de­nen, auf letz­te­rem zer­streu­ten Baum­grup­pen. Bri­ant er­kann­te so­gar die Mün­dung ei­nes Rio rechts am Ufer.

Wenn der An­blick die­ser Küs­te auch nichts be­son­ders An­zie­hen­des bot, so wies doch der grü­ne Vor­hang der­sel­ben auf eine ge­wis­se Frucht­bar­keit hin, wel­che der der Län­der un­ter mitt­ler­er Brei­te zu ent­spre­chen schi­en. Voraus­sicht­lich zeig­te die Ve­ge­ta­ti­on jen­seits der Ufer­hö­he, wo sie Schutz vor den See­win­den und ge­wiss noch güns­ti­ge­ren Bo­den fand, eher eine üp­pi­ge Ent­wick­lung.

Be­wohnt schi­en der sicht­ba­re Teil des Ufers nicht zu sein, we­nigs­tens be­merk­te man hier kein Haus und kei­ne Hüt­te, nicht ein­mal an der Mün­dung des Rios. Vi­el­leicht wohn­ten die Ein­ge­bo­re­nen, wenn es sol­che gab, mit Vor­lie­be mehr im In­nern des Lan­des, wo sie dem hef­ti­gen An­sturm des West­win­des am we­nigs­tens aus­ge­setzt wa­ren.

»Ich kann nicht den ge­rings­ten Rauch ent­de­cken«, sag­te Bri­ant, das Fern­rohr sen­kend.

»Und am Strand be­fin­det sich kein ein­zi­ges Boot«, be­merk­te Moko.

»Wie soll­te das der Fall sein, da hier kein Ha­fen vor­han­den ist …?« warf Do­ni­phan ein.

»Ein Ha­fen ist dazu nicht ge­ra­de not­wen­dig«, er­wi­der­te Gor­don. »Ein­fa­che Fi­scher­boo­te kön­nen auch in ei­ner Fluss­mün­dung Schutz fin­den, und es wäre mög­lich, dass die­se des Stur­mes we­gen sich hät­ten wei­ter land­ein­wärts zu­rück­zie­hen müs­sen.«

Gor­d­ons Be­mer­kung war ganz rich­tig. Moch­te es nun die­sen oder je­nen Grund ha­ben, je­den­falls war nir­gends ein Boot wahr­zu­neh­men, und in der Tat schi­en die­ser Teil des Ufers kei­ne Be­woh­ner zu ha­ben. Es muss­te dem­nach die ers­te Auf­ga­be der jun­gen Schiff­brü­chi­gen wer­den, fest­zu­stel­len, ob das­sel­be sich über­haupt als be­wohn­bar er­wei­se.

In­zwi­schen sank das Was­ser mit der Ebbe, doch sehr lang­sam, wei­ter zu­rück, denn der Wind von der See­sei­te hemm­te des­sen Ab­fluss, ob­wohl die­ser bei ei­ner gleich­zei­ti­gen Dre­hung nach Nord­west schwä­cher zu wer­den schi­en. Jetzt galt es also sich be­reit­zu­hal­ten für den Au­gen­blick, wo die Klip­pen­rei­he einen Über­gang ge­stat­ten wür­de.

Es war nun ge­gen sie­ben Uhr. Je­der be­schäf­tig­te sich da­mit, die für den ers­ten Be­darf not­wen­digs­ten Ge­gen­stän­de auf das Deck zu schaf­fen, in der Hoff­nung, die üb­ri­gen auf­zu­fi­schen, wenn die Wel­len sie ans Ufer trü­gen. Die Gro­ßen wie die Klei­nen leg­ten hier­bei die Hän­de an. An Bord be­fand sich un­ter an­de­rem ein großer Vor­rat an Kon­ser­ven, Bis­kuit, an gepö­ckel­tem und ge­räu­cher­tem Fleisch. Die­se Nah­rungs­mit­tel wur­den zu hand­li­chen Bal­len ver­packt und soll­ten, un­ter die Grö­ße­ren ver­teilt, von die­sen ans Land ge­schafft wer­den.

Um das aber aus­füh­ren zu kön­nen, muss­te die Klip­pen­rei­he erst einen tro­ckenen Weg bie­ten, und nie­mand wuss­te doch, ob das Meer sich auch beim nied­rigs­ten Stand so­weit zu­rück­zie­hen wür­de, um die Fel­sen bis zum Strand bloß­zu­le­gen.

Bri­ant und Gor­don be­ob­ach­te­ten un­abläs­sig und auf­merk­sam das Meer. Mit der Ver­än­de­rung der Win­drich­tung wur­de die Luft merk­bar ru­hi­ger und die Ge­walt der Bran­dung be­gann eben­falls nach­zu­las­sen, so wie man leicht be­mer­ken konn­te, dass das Was­ser an den her­vor­ra­gen­den Fels­blö­cken nie­der­sank. Der Scho­ner selbst lie­fer­te einen Be­weis für die­se Ab­nah­me des Was­ser­stan­des, da er sich noch et­was wei­ter nach Back­bord über­neig­te. Es war so­gar zu be­fürch­ten, dass die­se Nei­gung noch fer­ner zu­nahm und er sich ganz auf die Sei­te leg­te, denn er hat­te sehr fei­ne For­men und einen schlank ab­ge­run­de­ten Rumpf mit ho­hem Kiel, gleich den schnell­se­geln­den Yach­ten. Wenn das Was­ser dann das Vor­der­deck des Fahr­zeu­ges eher er­reich­te, als man das letz­te­re ver­las­sen konn­te, muss­te die Si­tua­ti­on sich äu­ßerst be­droh­lich ge­stal­ten.

Wie be­kla­gens­wert er­schi­en es nun, dass die Boo­te vom Stur­me weg­ge­ris­sen wor­den wa­ren. Die­se hät­ten hin­ge­reicht, die gan­ze Ge­sell­schaft auf­zu­neh­men, und die jun­gen Leu­te wä­ren jetzt schon in der Lage ge­we­sen, einen Lan­dungs­ver­such zu un­ter­neh­men. Und wel­che Be­quem­lich­keit eine Ver­bin­dung zwi­schen Scho­ner und Küs­te zu un­ter­hal­ten, um vie­ler­lei nütz­li­che Ge­gen­stän­de, die jetzt an Bord zu­rück­ge­las­sen wer­den muss­ten, fort­zu­schaf­fen! Wenn der »Sloug­hi« schon die nächst­fol­gen­de Nacht viel­leicht in Stücke ging, was wa­ren sei­ne Wrack­trüm­mer wert, nach­dem die Bran­dung sie durch die Klip­pen­rei­he hin­ge­wälzt hat­te? Konn­ten die­se über­haupt noch nütz­li­che Ver­wen­dung fin­den? Wür­den dann die noch üb­ri­gen Vor­rä­te nicht voll­stän­dig ha­va­riert sein? Sa­hen sich die jun­gen Schiff­brü­chi­gen nicht in kür­zes­ter Zeit al­lein auf die Hilfs­quel­len an­ge­wie­sen, wel­che die­ses Land ih­nen bot?

Ja, es war ein be­kla­gens­wer­ter Um­stand, dass kein Boot mehr vor­han­den war, um die Aus­schif­fung zu be­werk­stel­li­gen.

Plötz­lich er­tön­te vom Vor­der­deck ein lau­ter Auf­schrei. Bax­ter hat­te eine jetzt hoch­wich­ti­ge Ent­de­ckung ge­macht.

Die für ver­lo­ren ge­hal­te­ne Jol­le hat­te sich un­ter dem Knie des Bugs­prits in den Ket­ten des letz­te­ren ge­fan­gen. Die­se Jol­le konn­te frei­lich nur fünf bis sechs Per­so­nen auf­neh­men; doch da sie sich un­be­schä­digt zeig­te, was leicht zu er­wei­sen war, nach­dem man sie aufs Deck ge­zo­gen hat­te, er­schi­en es nicht un­mög­lich, sie zu be­nut­zen, im Fal­le das Meer die Über­schrei­tung der Klip­pen tro­ckenen Fu­ßes ver­hin­der­te. Hier­zu muss­te man na­tür­lich den nied­rigs­ten Stand der Ebbe ab­war­ten, und in­zwi­schen kam es wie­der zu ei­ner leb­haf­ten Aus­ein­an­der­set­zung, vor­züg­lich zwi­schen Bri­ant und Do­ni­phan.

Do­ni­phan, Wil­cox, Webb und Cross, die sich der Jol­le be­mäch­tigt hat­ten, gin­gen näm­lich schon dar­an, sie wie­der über Bord zu be­för­dern, als Bri­ant auf sie zu­trat.

»Was be­ginnt ihr hier?« frag­te er.

»Was uns passt!« ant­wor­te­te Wil­cox.

»Ihr wollt die­ses klei­ne Fahr­zeug be­stei­gen …?«

»Ja«, er­wi­der­te Do­ni­phan, »und du wirst uns nicht da­von ab­hal­ten.«

»Das werd’ ich doch tun, ich und alle die üb­ri­gen, die du ver­las­sen willst.«

»Ver­las­sen …? Wer sagt dir das?« ant­wor­te­te Do­ni­phan hoch­mü­tig. »Ich will nie­mand ver­las­sen, ver­stehst du? Wenn wir erst am Strand sind, wird ei­ner die Jol­le zu­rück­ru­dern …«

»Und wenn er nicht zu­rück­keh­ren kann«, rief Bri­ant, der sich nur mit Mühe be­herrsch­te, »wenn sie zwi­schen den Fel­sen leck wür­de …«

»Ein­stei­gen …! Zum Ein­stei­gen fer­tig!« un­ter­brach ihn Webb, der Bri­ant zu­rück­dräng­te.

Von Wil­cox und Cross un­ter­stützt, hob er schon das leich­te Fahr­zeug auf, um es ins Was­ser zu brin­gen.

Bri­ant pack­te das­sel­be an dem einen Ende.

»Ihr wer­det nicht ein­stei­gen!« rief er.

»Das wol­len wir doch se­hen!« ant­wor­te­te Do­ni­phan.

»Ich sage euch, ihr steigt nicht ein!» wi­der­hol­te Bri­ant, ent­schlos­sen im All­ge­mei­nen In­ter­es­se Wi­der­stand zu leis­ten. »Die Jol­le muss zu­nächst für die Kleins­ten zu­rück­be­hal­ten wer­den, im Fal­le auch bei nied­ri­gem Mee­re zu viel Was­ser ste­hen­blie­be, um den Strand zu er­rei­chen.«

»Lass uns in Ruhe!« schrie Do­ni­phan auf­brau­send. »Ich er­klä­re dir noch­mals, Bri­ant, du wirst uns nicht hin­dern zu tun, was wir wol­len.«

»Und ich wie­der­ho­le dir, Do­ni­phan«, herrsch­te ihn Bri­ant eben­so laut an, »dass ich euch doch hin­dern wer­de!«

Die bei­den Kna­ben wa­ren schon be­reit, auf­ein­an­der los­zu­stür­zen. Bei die­sem Streit hät­ten Wil­cox, Webb und Cross na­tür­lich für Do­ni­phan Par­tei er­grif­fen, wäh­rend sich Bax­ter, Ser­vice und Gar­nett vor­aus­sicht­lich auf Bri­ants Sei­te stell­ten. Die Sa­che hät­te die schlimms­ten Fol­gen ha­ben kön­nen, als Gor­don sich noch ins Mit­tel leg­te.

Gor­don, der äl­tes­te und be­son­nens­te von al­len, sah das Be­kla­gens­wer­te ei­nes sol­chen Zwi­schen­falls ein, und war ver­nüf­tig ge­nug, sich zu Guns­ten Bri­ants aus­zu­spre­chen.

»Halt! Halt, Do­ni­phan!« rief er, »et­was Ge­duld! Du siehst doch, dass der See­gang noch stark ist und wir Ge­fahr lau­fen, un­se­re Jol­le ganz ein­zu­bü­ßen.«

»Ich mag es nicht lei­den, dass Bri­ant uns Ge­set­ze vor­schreibt, wie er sich das seit ei­ni­ger Zeit an­ge­wöhnt hat«, er­wi­der­te Do­ni­phan hef­tig.

»Nein …! Nein …!« lie­ßen Cross und Webb sich ver­neh­men.

»Es fällt mir gar nicht ein, ir­gend­wem Ge­set­ze vor­zu­schrei­ben«, ant­wor­te­te Bri­ant, »ich wer­de das aber auch kei­nem an­de­ren ge­stat­ten, wenn es sich um das In­ter­es­se al­ler han­delt.«

»Das liegt uns eben­so sehr am Her­zen wie dir«, schleu­der­te ihm Do­ni­phan ent­ge­gen; »und jetzt, wo wir auf dem Lan­de sind …«

»Lei­der noch nicht«, fiel ihm Gor­don ins Wort. »Trot­ze nicht fer­ner, Do­ni­phan, und lass uns einen güns­ti­gen Au­gen­blick ab­war­ten, wo wir die Jol­le ver­wen­den kön­nen.«

Gor­don trat zu sehr ge­le­ge­ner Zeit als Ver­mitt­ler zwi­schen Bri­ant und Do­ni­phan — wozu er üb­ri­gens schon mehr­fach Ver­an­las­sung ge­fun­den hat­te —, und die Ka­me­ra­den füg­ten sich sei­nen Vor­stel­lun­gen.

Der Was­ser­stand hat­te jetzt um zwei Fuß ab­ge­nom­men, und es ent­stand die Fra­ge, ob sich zwi­schen den Klip­pen viel­leicht eine Art Kanal hin­zie­he.

In der Mei­nung, von der Höhe des Fock­mas­tes die gan­ze An­ord­nung des Klip­pen­gür­tels bes­ser über­se­hen zu kön­nen, be­gab sich Bri­ant nach dem Vor­der­deck, er­klomm die Steu­er­bord­wan­ten und klet­ter­te dann noch an den Tau­en der Brams­ten­ge1 hin­auf.

Quer durch die Klip­pen­bank zeig­te sich da eine Durch­fahrt, de­ren Rich­tung durch vie­le, sie auf bei­den Sei­ten be­gren­zen­de Fels­blö­cke an­ge­deu­tet war und der man fol­gen muss­te, wenn man mit Hil­fe der Jol­le nach dem Strand ge­lan­gen woll­te. Au­gen­blick­lich frei­lich bro­del­te und wir­bel­te die Bran­dung hier noch viel zu hef­tig, um sich je­ner mit Er­folg be­die­nen zu kön­nen. Un­fehl­bar wäre die Jol­le auf eine Felss­pit­ze ge­wor­fen und da­mit schwer be­schä­digt, wenn nicht ver­nich­tet wor­den. Es emp­fahl sich also, noch so lan­ge zu war­ten, bis das sin­ken­de Meer hier eine ge­fahr­lo­se­re Was­ser­stra­ße zu­rück­ließ.

Von der Ober­bram­rah aus, auf wel­cher Bri­ant rei­tend sich an­klam­mer­te, be­müh­te sich die­ser, das Ufer­land noch ge­nau­er zu be­sich­ti­gen. Er such­te mit dem Fern­glas Stück für Stück den Strand ab, bis zu der hö­her an­stei­gen­den Hin­ter­wand des­sel­ben. Zwi­schen den bei­den, etwa acht bis neun See­mei­len von­ein­an­der ent­fern­ten Vor­ge­bir­gen schi­en die Küs­te völ­lig un­be­wohnt zu sein.

Nach halb­stün­di­gem Aus­lu­gen stieg Bri­ant wie­der hin­un­ter und be­rich­te­te sei­nen Ge­fähr­ten, was er ge­se­hen. Wenn Do­ni­phan, Wil­cox, Webb und Cross ihm zu­hör­ten, ohne et­was zu sa­gen, so frag­te ihn Gor­don da­ge­gen:

»Als der ›Sloug­hi‹ stran­de­te, Bri­ant, war es da nicht ge­gen sechs Uhr mor­gens?«

»Ja«, ant­wor­te­te Bri­ant.

»Und wie lan­ge dau­ert es bis zum nied­rigs­ten Was­ser­stan­de?«

»Ich glau­be fünf Stun­den. — Nicht wahr, Moko?«

»Ja, zwi­schen fünf und sechs Stun­den«, er­klär­te der Schiffs­jun­ge.

»Das trä­fe also ge­gen elf Uhr ein«, fuhr Gor­don fort. »Dann wäre der güns­tigs­te Zeit­punkt zu dem Ver­such, die Küs­te zu er­rei­chen.«

»So hat­te ich auch ge­rech­net«, be­merk­te Bri­ant.

»Nun wohl«, nahm Gor­don wie­der das Wort, »wir wol­len uns für die­se Zeit be­reit­hal­ten und in­zwi­schen et­was es­sen. Sind wir ge­zwun­gen, selbst ins Was­ser zu ge­hen, so ge­sch­ehe das we­nigs­tens meh­re­re Stun­den nach ein­ge­nom­me­ner Mahl­zeit.«

Ein gu­ter Rat, wie er von die­sem klu­gen Kna­ben zu er­war­ten war. Jetzt ging’s also an das ers­te, aus Kon­ser­ven und Bis­kuit be­ste­hen­de Früh­stück. Bri­ant be­sorg­te und über­wach­te da­bei vor­züg­lich die Klei­nen. Jen­kins, Iver­son, Dole, Co­star be­gan­nen sich bei der glück­li­chen Sorg­lo­sig­keit ih­res Al­ters schon wie­der völ­lig zu be­ru­hi­gen und hät­ten ge­wiss ohne jede Rück­sicht dar­auf los­ge­ges­sen, denn sie hat­ten seit vier­und­zwan­zig Stun­den nichts über die Lip­pen ge­bracht. Al­les ging je­doch gut ab, und ei­ni­ge Trop­fen mit Was­ser ver­dünn­ten Bran­dys lie­fer­ten ein an­re­gen­des Ge­tränk.

Nach ein­ge­nom­me­nem Früh­stück be­gab sich Bri­ant wie­der nach dem Vor­der­teil des Scho­ners und be­ob­ach­te­te, auf die Schanz­klei­dung ge­stützt, die Klip­pen­rei­he.

Wie lang­sam wich doch das Meer zu­rück! Es lag aber auf der Hand, dass des­sen Ni­veau sich er­nied­rig­te, denn die Schief­la­ge des Scho­ners nahm noch wei­ter zu. Moko hat­te mit­tels ei­nes Senk­bleis ge­fun­den, dass noch min­des­tens acht Fuß Was­ser über der Bank stan­den. Dass die Ebbe so tief sin­ken wür­de, um jene völ­lig tro­cken­zu­le­gen, glaub­te Moko nicht an­neh­men zu dür­fen und teil­te sei­ne An­sicht Bri­ant heim­lich mit, um nie­mand un­nö­tig zu er­schre­cken.

Bri­ant setz­te dann Gor­don hier­von in Kennt­nis. Bei­de be­grif­fen, dass der Wind, ob­wohl er noch wei­ter nach Nor­den um­ge­gan­gen war, doch das Meer ver­hin­der­te, so­weit zu­rück­zu­sin­ken, wie es bei stil­lem Wet­ter der Fall ge­we­sen wäre.

»Was be­gin­nen wir dann also?« sag­te Gor­don.

»Ich weiß es nicht … Ich weiß es nicht …!« ant­wor­te­te Bri­ant. »Und wel­ches Un­glück, es nicht zu wis­sen … wel­ches Un­glück, in un­se­rer Lage fast noch Kin­der und, wo es so nö­tig wäre, nicht Män­ner zu sein.«

»Die Not­wen­dig­keit wird un­se­re Lehr­meis­te­rin sein«, ver­si­cher­te Gor­don. »Verzwei­feln wir nicht, Bri­ant, und han­deln wir klug!«

»Ja, han­deln, Gor­don! Wenn wir den ›Sloug­hi‹ vor Wie­de­r­ein­tritt der Flut nicht ver­las­sen ha­ben, wenn wir noch eine Nacht an Bord blei­ben müs­sen, sind wir ver­lo­ren …«

»Kein Zwei­fel, denn die Yacht wird dann zer­trüm­mert wer­den. Wir müs­sen die­sel­be auf je­den Fall ver­las­sen ha­ben …«

»Ge­wiss; um je­den Preis, Gor­don!«

»Wäre es nicht rat­sam, eine Art Floß oder et­was wie eine Fäh­re her­zu­stel­len?«

»Da­ran hab’ ich wohl auch ge­dacht«, ant­wor­te­te Bri­ant, »lei­der hat uns der Sturm aber al­les dazu ge­eig­ne­te Ma­te­ri­al ent­führt. Die Schanz­klei­dung ab­zu­bre­chen, um aus de­ren Tei­len ein Floß zu­sam­men­zu­zim­mern, dazu fehlt uns die Zeit. So bleibt nur die Jol­le üb­rig, de­ren wir uns aber bei dem schwe­ren See­gan­ge nicht be­die­nen kön­nen. Doch nein, wir könn­ten auch noch ver­su­chen, ein Tau durch den Klip­pen­gür­tel zu zie­hen und des­sen Ende an der Spit­ze ei­nes Fel­sens zu be­fes­ti­gen. Vi­el­leicht ge­lingt es uns, dar­an bis ganz in die Nähe des Stran­des hin­glei­ten zu kön­nen …«

»Wer soll das Tau aber aus­le­gen?«

»Ich«, er­klär­te Bri­ant.

»Und ich wer­de dir hel­fen«, sag­te Gor­don.

»Nein, ich voll­bring es al­lein«, ver­setz­te Bri­ant.

»Denkst du, da­bei die Jol­le zu be­nüt­zen?«

»Das hie­ße, es wa­gen, sie ganz ein­zu­bü­ßen, Gor­don, und es ist bes­ser, die­se als al­ler­letz­tes Hilfs­mit­tel auf­zu­be­wah­ren.«

Be­vor er zur Aus­füh­rung sei­nes ge­fahr­vol­len Vor­ha­bens schritt, woll­te Bri­ant je­doch, um jede un­glück­li­che Mög­lich­keit aus­zu­schlie­ßen, noch eine nütz­li­che Maß­re­gel tref­fen.

An Bord be­fan­den sich ver­schie­de­ne Schwimm­gür­tel, und er ver­an­lass­te die kleins­ten Ge­fähr­ten, sich so­fort mit den­sel­ben aus­zu­rüs­ten. Im Fall sie die Yacht ver­las­sen muss­ten, wäh­rend das Was­ser noch so tief war, dass die­se mit den Fü­ßen kei­nen Grund fan­den, wür­den die­se Ap­pa­ra­te sie schwim­mend er­hal­ten, und die grö­ße­ren Kna­ben, wel­che an dem Tau hin­g­lit­ten, soll­ten sie dann nach dem Stran­de zu vor sich her­schie­ben.

Es war jetzt zehn­ein­vier­tel Uhr. Bin­nen fünf­und­vier­zig Mi­nu­ten muss­te die Ebbe den tiefs­ten Stand er­reicht ha­ben. Am Ste­ven des »Sloug­hi« maß man nur noch vier bis fünf Fuß Was­ser, es schi­en aber nicht, als ob die­ser Stand sich noch mehr als we­ni­ge Zoll er­nied­ri­gen soll­te. Ge­gen sech­zig Yards wei­ter­hin stieg der Grund frei­lich merk­bar hö­her auf, das ver­riet sich deut­lich an der mehr schwärz­li­chen Far­be des Was­sers, so­wie an den zahl­rei­chen Spit­zen, die längs des Stran­des auf­ge­taucht wa­ren. Die Schwie­rig­keit lag nur dar­in, über die tiefe­re Stel­le vor dem Schif­fe glück­lich hin­weg­zu­kom­men. Ge­lang es Bri­ant, in die­ser Rich­tung ein Tau aus­zu­le­gen und es an ei­nem Fel­sen halt­bar zu be­fes­ti­gen, so muss­te die­ses Tau, nach des­sen An­span­nung mit­tels des Gang­spills an Bord, es er­mög­li­chen, eine Stel­le zu er­rei­chen, wo man we­nigs­tens Grund fand. Hol­te man an dem­sel­ben Ka­bel die Bal­len mit Mund­vor­rä­ten und Werk­zeu­gen her­über, so ge­lang­ten die­se vor­aus­sicht­lich un­be­schä­digt ans Land.

Wie ge­fähr­lich die­ser Ver­such auch sein moch­te, so woll­te Bri­ant doch nie­mand ge­stat­ten, für ihn ein­zu­tre­ten, und er traf dem­ge­mäß sei­ne Vor­be­rei­tun­gen.

An Bord be­fan­den sich meh­re­re schwä­che­re Taue von etwa hun­dert Fuß Län­ge, wel­che ge­le­gent­lich als Tros­sen ge­dient hat­ten. Bri­ant wähl­te ei­nes von mitt­ler­er Di­cke, das ihm am ge­eig­nets­ten er­schi­en, und be­fes­tig­te das­sel­be, nach­dem er sich halb ent­klei­det, am Gür­tel.

»Jetzt, Ach­tung, ihr an­de­ren!« rief Gor­don. »Seid bei der Hand, das Tau nach­glei­ten zu las­sen. Hier­her aufs Vor­der­deck!«

Do­ni­phan, Wil­cox, Cross und Webb konn­ten ihre Mit­hil­fe bei ei­nem Un­ter­neh­men nicht ver­wei­gern, des­sen Wich­tig­keit sie ein­sa­hen. Trotz ih­rer Miss­lau­ne lie­ßen sie sich dazu her­bei, an dem Tau mit an­zu­fas­sen und die­ses je nach Be­darf nach­schie­ßen zu las­sen, um Bri­ants Kräf­te mög­lichst zu scho­nen.

In dem Au­gen­blick, wo die­ser be­reit­stand, über Bord zu sprin­gen, nä­her­te sich ihm sein Bru­der und rief:

»Ach, Bri­ant, was wagst du?«

»Kei­ne Furcht, Jac­ques! Ängs­ti­ge dich nicht um mich!« ant­wor­te­te der mu­ti­ge Kna­be.

Briant und Jacques

Gleich dar­auf sah man ihn schon im Was­ser auf­tau­chen und mit kräf­ti­ger Be­we­gung fort­schwim­men, wäh­rend das Tau ihm nachroll­te.

Selbst bei ru­hi­gem Mee­re wäre die­ses Un­ter­neh­men sehr schwie­rig ge­we­sen, denn die Bran­dung schlug stets hef­tig ge­gen das Fel­sen­ge­wirr. Strö­mun­gen und Ge­gen­strö­mun­gen hin­der­ten den un­er­schro­cke­nen Kna­ben oft, eine ge­ra­de Rich­tung ein­zu­hal­ten, und wenn sie ihn pack­ten, hat­te er große Mühe, sich wie­der her­aus­zu­ar­bei­ten.

Im­mer­hin kam Bri­ant dem Strand all­mäh­lich nä­her, wäh­rend sei­ne Ka­me­ra­den das Tau nach Be­darf ab­lau­fen lie­ßen. Of­fen­bar aber nah­men sei­ne Kräf­te ab, ob­wohl er sich fünf­zig Fuß weit vom Scho­ner be­fand. Vor ihm tob­te jetzt ein hef­ti­ger Wir­bel, er­zeugt durch ver­schie­den auf­ein­an­der­tref­fen­de Wel­len. Ge­lang es ihm, um die­sen her­um­zu­kom­men, so durf­te er hof­fen, sein Ziel zu er­rei­chen, denn hin­ter dem­sel­ben war das Was­ser be­deu­tend ru­hi­ger. Er ver­such­te also sich mit al­ler An­stren­gung nach links zu wer­fen. Ver­geb­lich! Auch der bes­te Schwim­mer im kräf­tigs­ten Man­nes­al­ter wäre hieran ge­schei­tert. Von der durch­ein­an­der­schie­ßen­den Wel­len­be­we­gung er­fasst, wur­de Bri­ant un­wi­der­steh­lich nach der Mit­te des Wir­bels ge­zo­gen.

Briant nach der Mitte des Wirbels gezogen.

»Zu Hil­fe …! Zieht an …! Holt ein!« hat­te er noch die Kraft zu ru­fen, be­vor er ver­schwand.

An Bord der Yacht ver­brei­te­te sich ein un­be­schreib­li­cher Schre­cken.

»Holt ein …!« rief Gor­don kalt­blü­tig.

Sei­ne Ka­me­ra­den be­eil­ten sich, das Tau schnell ein­zu­zie­hen, um Bri­ant wie­der an Bord zu ho­len, ehe er durch zu lan­ges Ver­wei­len un­ter Was­ser er­stick­te.

Bin­nen we­ni­ger als ei­ner Mi­nu­te war Bri­ant — frei­lich be­wusst­los — an Bord ge­holt; er kam je­doch in den Ar­men sei­nes Bru­ders bald wie­der zu sich.

Der Ver­such, ein Tau ir­gend­wo an der Klip­pen­rei­he zu be­fes­ti­gen, war miss­glückt und kei­ner hät­te ihn mit Aus­sicht auf Er­folg wie­der­ho­len kön­nen. Die un­glück­li­chen Kin­der wa­ren also dar­auf an­ge­wie­sen, ru­hig zu war­ten … Auf was denn zu war­ten …? Auf Un­ter­stüt­zung …? Doch von wel­cher Sei­te und von wem hät­te eine sol­che kom­men kön­nen?

Jetzt war schon Mit­tag vor­über; die Flut mach­te sich be­reits be­merk­bar und die Bran­dung wur­de stär­ker. Da gleich­zei­tig Neu­mond war, muss­te die Flut so­gar hö­her stei­gen als am ver­gan­ge­nen Tage. Wenn dazu der Wind wie­der mehr nach der Sei­te des ho­hen Mee­res zu­rück­ging, lief der Scho­ner Ge­fahr, von sei­nem Fel­sen­bett noch ein­mal ab­ge­ho­ben zu wer­den … Er streif­te dann von Neu­em den Grund, er muss­te an den Klip­pen ken­tern! — Die­sen end­li­chen Aus­gang des Schiff­bruchs hät­te kei­ner über­lebt. Und jetzt war nichts zu tun … nichts!

Auf dem Ach­ter­deck ver­sam­melt, die Klei­nen in der Mit­te der Gro­ßen, be­trach­te­ten alle das Wie­der­an­schwel­len des Mee­res, das sich durch die nach­ein­an­der ver­schwin­den­den Klip­pen­häup­ter ver­riet. Lei­der war der Wind wie­der nach Wes­ten um­ge­schla­gen, und wie in ver­gan­ge­ner Nacht peitsch­te er das Land mit vol­ler Wucht. Mit dem sich ver­tie­fen­den Was­ser wuch­sen auch die Wel­len wie­der an, hüll­ten den »Sloug­hi« in feuch­te Düns­te und muss­ten bald über den­sel­ben hin­weg­bran­den. Gott al­lein konn­te den jun­gen Schiff­brü­chi­gen zu Hil­fe kom­men, und ihre Ge­be­te ver­misch­ten sich mit ih­ren Angst­ru­fen.

Kurz vor zwei Uhr hat­te der Scho­ner sich wie­der auf­ge­rich­tet und lag jetzt nicht mehr nach Back­bord ge­neigt. In­fol­ge sei­nes Stamp­fens stieß er aber mit dem Vor­der­teil auf den Grund, ob­wohl sein Hin­ters­te­ven noch auf dem Fel­sen fest­saß. Bald wie­der­hol­ten sich die Stö­ße ohne Un­ter­lass, und der »Sloug­hi« roll­te da­bei von ei­ner Sei­te zur an­de­ren. Die Kin­der muss­ten sich fest an­ein­an­der­hal­ten, um nicht über Bord ge­schleu­dert zu wer­den.

In die­sem Au­gen­blick kam ein schaum­ge­krön­ter Berg von der of­fe­nen See her an­ge­stürmt und türm­te sich zwei Ka­bel­län­gen von der Yacht noch hö­her auf. Man hät­te ihn für die un­ge­heu­re Woge ei­ner Spring­flut, wie die­se in ei­ni­ge große Strö­me sich ein­drängt, hal­ten kön­nen. In ei­ner Höhe von über zwan­zig Fuß kam er her­an­ge­don­nert, braus­te über den Klip­pen­gür­tel hin­weg und hob den »Sloug­hi« auf, den er über die Fel­sen weg­trug, ohne dass sein Kiel die Fel­sen nur streif­te.

Bin­nen we­ni­ger als ei­ner Mi­nu­te wur­de der »Sloug­hi«, um­hüllt von der gur­geln­den Was­ser­mas­se, bis mit­ten auf den Strand und hier auf einen Sand­hü­gel ge­wor­fen, so­dass er kaum zwei­hun­dert Schrit­te von den Bäu­men des ho­hen Ufer­ran­des ent­fernt lag. Hier blieb er, dies­mal auf dem fes­ten Land, un­be­weg­lich sit­zen, wäh­rend das wie­der ab­flu­ten­de Meer den Strand tro­cken zu­rück­ließ.

1 zwei­t­obers­te Ver­län­ge­rung ei­nes Mas­tes <<<

Zwei Jahre Ferien

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