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Drittes Kapitel

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Die Pen­si­on Chair­man in Auck­land. — Gro­ße und Klei­ne. — Fe­ri­en auf dem Mee­re. — Der Scho­ner »Sloug­hi«. — Die Nacht des 15. Fe­bru­ar. — Ver­schla­gen. — Sturm. — Be­ra­tung in Auck­land. — Was vom Scho­ner üb­rig ist.

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Zur­zeit, da un­se­re Ge­schich­te spielt, war die Pen­si­on Chair­man eine der an­ge­se­hends­ten in Auck­land, der Haupt­stadt Neu­see­lands, je­ner be­deu­ten­den eng­li­schen Ko­lo­nie im Stil­len Ozean. Die­sel­be zähl­te ge­gen hun­dert den bes­ten Fa­mi­li­en des Lan­des an­ge­hö­ri­ge Zög­lin­ge. Die Mao­ris, die Ein­ge­bo­re­nen der In­sel­grup­pe, konn­ten in der­sel­ben ihre Kin­der nicht un­ter­brin­gen, doch wa­ren für letz­te­re an­de­re Un­ter­richts- und Er­zie­hungs­an­stal­ten vor­han­den. Die Pen­si­on Chair­man be­such­ten nur jun­ge Eng­län­der, Fran­zo­sen, Ame­ri­ka­ner und Deut­sche, lau­ter Söh­ne von Plan­ta­gen­be­sit­zern, Rent­nern, Kauf­leu­ten oder Be­am­ten des Lan­des. Sie er­hiel­ten hier eine all­sei­ti­ge Er­zie­hung und Aus­bil­dung, voll­kom­men ent­spre­chend der­je­ni­gen, wel­che die ähn­li­chen An­stal­ten des Ve­rei­nig­ten Kö­nig­rei­ches ge­wäh­ren.

Der Archi­pel von Neu­see­land be­steht zu­nächst aus zwei Haup­tin­seln, näm­lich Ika-Na-Mawi oder die Fi­schin­sel im Nor­den und Ta­maï-Po­namu oder Ne­phrit-Land im Sü­den. Durch die Cook­stra­ße ge­trennt, lie­gen die­se zwi­schen dem 34. und 45. Grad süd­li­cher Brei­te, was auf der nörd­li­chen Halb­ku­gel etwa der Lage Nor­d­afri­kas und Ita­li­ens ent­spricht.

Die in ih­rem süd­li­chen Teil stark zer­ris­se­ne In­sel Ika-Na-Mawi bil­det eine Art un­re­gel­mä­ßi­ges Recht­eck, das sich nach Nor­den zu in ei­nem durch das Kap Van Die­men ab­ge­schlos­se­nen Bo­gen fort­setzt.

Fast am An­fang die­ses Bo­gen­stückes und an ei­ner Stel­le, wo die Halb­in­sel nur we­ni­ge (eng­li­sche) Mei­len (zu je 1609 Me­ter) Brei­te misst, ist Auck­land er­baut. Die Stadt liegt also ganz ähn­lich wie das grie­chi­sche Ko­rinth und hat wirk­lich auch den Na­men »das süd­li­che Ko­rinth« er­hal­ten. Im Wes­ten und im Os­ten be­sitzt sie je einen of­fe­nen Ha­fen. Da der öst­li­che, der im Haura­ki-Golf liegt, nicht tief ge­nug ist, hat man meh­re­re je­ner lan­gen »Piers« (nach eng­li­schem Vor­bil­de) er­bau­en müs­sen, an de­nen we­nigs­tens Schif­fe von mitt­le­rem Ton­nen­ge­halt an­le­gen kön­nen. Un­ter die­sen be­fin­det sich der »Com­mer­ci­al-Pier«, an wel­chem die Queens-Street, eine der Haupt­stra­ßen der Stadt, aus­mün­det.

In der Mit­te die­ser Stra­ße hat man die Pen­si­on Chair­man zu su­chen.

Am Nach­mit­tag des 15. Fe­bru­ar 1860 tra­ten aus ge­nann­tem Pen­sio­nat ge­gen hun­dert Kna­ben, be­glei­tet von ih­ren El­tern und mit lus­ti­gen Ge­sich­tern und freu­di­ger Le­ben­dig­keit — jun­ge Vö­gel, de­ren Kä­fig man ge­öff­net hat­te.

Es war näm­lich der Be­ginn der Fe­ri­en. Zwei Mo­na­te Un­ab­hän­gig­keit, zwei Mo­na­te Frei­heit! Ei­ner be­schränk­ten An­zahl die­ser Zög­lin­ge wink­te die ver­lo­cken­de Aus­sicht ei­ner See­rei­se, wel­che schon lan­ge Zeit vor­her in der Pen­si­on Chair­man der Ge­gen­stand leb­haf­ter Ge­sprä­che ge­we­sen war. Wir brau­chen wohl nicht zu schil­dern, wel­che freu­di­ge Er­war­tung die­je­ni­gen er­reg­te, de­nen güns­ti­ge Um­stän­de ge­stat­te­ten, sich an Bord der Yacht »Sloug­hi« ein­zu­schif­fen, um mit der­sel­ben an ei­ner Um­se­ge­lung von ganz Neu­see­land teil­zu­neh­men.

Der von den El­tern der Zög­lin­ge gechar­ter­te hüb­sche Scho­ner war für eine Rei­se von sechs Wo­chen aus­ge­rüs­tet. Er ge­hör­te dem Va­ter ei­nes der­sel­ben, Mr. Wil­liam H. Gar­nett, ei­nem ehe­ma­li­gen Ka­pi­tän der Han­dels­flot­te, zu dem man das bes­te Ver­trau­en ha­ben konn­te. Eine un­ter die ver­schie­de­nen Fa­mi­li­en ver­teil­te Sub­skrip­ti­on1 soll­te die Kos­ten der Rei­se de­cken, die vor­aus­sicht­lich die denk­bar größ­te Si­cher­heit und An­nehm­lich­keit zu bie­ten ver­sprach. Für die jun­gen Leu­te war das na­tür­lich eine große Freu­de, und schwer­lich hät­te man die we­ni­gen Wo­chen Fe­ri­en bes­ser ver­wen­den kön­nen.

In den eng­li­schen Pen­sio­na­ten un­ter­schei­det sich die Er­zie­hungs­me­tho­de sehr we­sent­lich von der in ähn­li­chen fran­zö­si­schen An­stal­ten. Man gönnt den Zög­lin­gen da­selbst mehr ein ge­wis­ses Recht der Selbst­be­stim­mung und da­mit eine grö­ße­re Frei­heit, wel­che die Zu­kunft der­sel­ben recht glück­lich be­ein­flusst. Mit ei­nem Wort, die Er­zie­hung hält hier glei­chen Schritt mit der viel­sei­tigs­ten Aus­bil­dung. Da­her kommt es, dass die meis­ten Zög­lin­ge höf­lich und ge­wandt, zu­vor­kom­mend, so­wie acht­sam auf ihr Be­neh­men sind und, was wohl her­vor­ge­ho­ben zu wer­den ver­dient, zur Ver­heim­li­chung und Lüge kaum je Zuf­lucht neh­men, selbst wenn es sich dar­um han­delt, ei­ner ver­dien­ten Be­stra­fung zu ent­ge­hen. Da­bei sei auch be­merkt, dass die Schü­ler die­ser Lehr­an­stal­ten weit we­ni­ger den Re­geln ge­mein­sa­men Le­bens und den dar­aus her­vor­ge­hen­den Vor­schrif­ten des Still­schwei­gens usw. un­ter­wor­fen sind. Meist be­woh­nen die­sel­ben be­son­de­re Zim­mer, wo sie auch ge­wis­se Mahl­zei­ten ein­neh­men, und wenn sie sich an die Ta­feln ei­nes ge­mein­sa­men Spei­se­saa­l­es set­zen, so steht es ih­nen frei, nach Be­lie­ben zu plau­dern.

Je nach dem Al­ter sind die Schü­ler in Ab­tei­lun­gen un­ter­ge­bracht, de­ren das Pen­sio­nat Chair­man fünf zählt. Wenn in der ers­ten und zwei­ten die Klei­nen sich ge­le­gent­lich noch an den Hals ih­rer El­tern hin­gen, so er­setz­ten die Grö­ße­ren schon den kind­li­chen Kuss durch den männ­li­chen Hän­de­druck. Da­bei gab es kei­nen Lau­scher, sie zu über­wa­chen, das Le­sen von Er­zäh­lun­gen und Zeit­schrif­ten war ge­stat­tet, Ur­laubs­ta­ge wur­den häu­fig be­wil­ligt, die Ar­beits­stun­den blie­ben mög­lichst be­schränkt, wäh­rend da­ne­ben auf Kör­per­übun­gen, wie Tur­nen, Bo­xen und an­re­gen­de Spie­le in frei­er Luft, ho­her Wert ge­legt wur­de. Als Dämp­fer ge­gen­über je­ner Un­ab­hän­gig­keit, wel­che die Schü­ler üb­ri­gens nur sel­ten miss­brauch­ten, hat­te man je­doch die kör­per­li­che Züch­ti­gung, vor­züg­lich mit der Ger­te, bei­be­hal­ten. Ge­le­gent­lich aus­ge­peitscht zu wer­den, er­schi­en den jun­gen An­gel­sach­sen nicht als eh­ren­rüh­rig, und sie un­ter­war­fen sich wi­der­spruchs­los ei­ner sol­chen Züch­ti­gung, wenn sie die­sel­be als ver­dient er­kann­ten.

Je­der­mann kennt die bei den Eng­län­dern ge­wöhn­li­che Ach­tung vor der Über­lie­fe­rung im pri­va­ten, eben­so wie im öf­fent­li­chen Le­ben, und die­sen Über­lie­fe­run­gen, selbst wenn sie an sich un­ver­nünf­tig er­schei­nen, trägt man auch Rech­nung in den Lehr­an­stal­ten des wei­ten Rei­ches. Wenn es den äl­te­ren Schü­lern ob­liegt, die jün­ge­ren zu un­ter­stüt­zen, so ge­schieht das nur un­ter der Be­din­gung, dass letz­te­re es den ers­te­ren durch ge­wis­se häus­li­che Dienst­leis­tun­gen, de­nen sie sich auf kei­ne Wei­se ent­zie­hen kön­nen, ver­gel­ten. Die­se Diens­te, wel­che in der Her­bei­schaf­fung des Mor­ge­nim­bis­ses, der Rei­ni­gung der Klei­der so­wie des Schuh­wer­kes, der Be­sor­gung von Auf­trä­gen u. dergl. be­ste­hen, sind un­ter dem Na­men »Fag­gis­me« (etwa Fuchs­pflich­ten) be­kannt, und die­je­ni­gen, wel­che sie zu leis­ten ha­ben, hei­ßen »Fags« (Füch­se).

Es sind die Kleins­ten, die Mit­glie­der der ers­ten Ab­tei­lun­gen, wel­che den Zög­lin­gen der hö­he­ren Klas­sen als »Füch­se« die­nen, und wenn sie sich des­sen wei­ger­ten, wür­de ih­nen das Le­ben ge­wiss recht sau­er ge­macht wer­den. Da­ran denkt je­doch kei­ner, und das ge­wöhnt sie, sich ei­ner Dis­zi­plin zu fü­gen, von der man z. B. bei den Zög­lin­gen der fran­zö­si­schen Ly­zeen kei­ne Spur fin­det. Die Über­lie­fe­rung ver­langt es hier ein­mal, und wenn es ein Land gibt, wel­ches die­se be­ach­tet, so ist es das Ve­rei­nig­te Kö­nig­reich, wo sie den ein­fachs­ten Lon­do­ner Stra­ßen­jun­gen eben­so be­herrscht wie die Peers des Ober­hau­ses.

Die Zög­lin­ge, wel­che an der Spa­zier­fahrt des »Sloug­hi« teil­neh­men soll­ten, ge­hör­ten ver­schie­de­nen Ab­tei­lun­gen der Pen­si­on Chair­man an. Wie der Le­ser schon weiß, be­fan­den sich an Bord des Scho­ners sol­che von acht bis zu vier­zehn Jah­ren. Und die­se fünf­zehn Kna­ben, mit Ein­rech­nung des Schiffs­jun­gen, soll­ten weit weg ver­schla­gen wer­den und die schlimms­ten Aben­teu­er zu be­ste­hen ha­ben.

Wir füh­ren nun nicht nur ihre Na­men auf, son­dern auch ihr Al­ter, Ge­wohn­hei­ten, Cha­rak­ter, Fa­mi­li­en­ver­hält­nis­se ne­ben den Be­zie­hun­gen, wel­che zwi­schen ih­nen be­stan­den, als sie zur ge­wöhn­li­chen Zeit der be­gin­nen­den Spät­som­mer­fe­ri­en die An­stalt ver­lie­ßen.

Mit Aus­nah­me zwei­er Fran­zo­sen, der Brü­der Bri­ant, und Gor­d­ons, ei­nes Ame­ri­ka­ners, sind alle eng­li­scher Ab­kunft.

Do­ni­phan und Cross stam­men aus der Fa­mi­lie rei­cher Land­ei­gen­tü­mer, wel­che in der neu­see­län­di­schen Ge­sell­schaft den ers­ten Rang ein­neh­men. Drei­zehn Jah­re und ei­ni­ge Mo­na­te alt, sind sie Vet­tern und zur­zeit Mit­glie­der der fünf­ten Ab­tei­lung. Der ele­gan­te und auf sei­ne äu­ße­re Er­schei­nung streng hal­ten­de Do­ni­phan ist un­strei­tig der her­vor­ra­gends­te Zög­ling. Geis­tig ge­weckt und eif­rig, be­wahrt er ehr­gei­zig sein An­se­hen, teils aus Nei­gung sich aus­zu­bil­den und zu ler­nen, teils in­fol­ge des Wun­sches, sei­nen Ka­me­ra­den im­mer vor­an­zu­ste­hen. Ein ge­wis­ser ari­sto­kra­ti­scher Stolz hat ihm den Spitz­na­men »Lord Do­ni­phan« er­wor­ben, und sein selbst­wil­li­ger Cha­rak­ter ver­lei­tet ihn dazu, über­all herr­schen zu wol­len. Dem ent­stammt zwi­schen Bri­ant und ihm jene Ri­va­li­tät, wel­che schon meh­re­re Jah­re an­dau­ert, die aber nur noch zu­ge­nom­men hat, seit­dem die Um­stän­de Bri­ants Ein­fluss auf sei­ne Ka­me­ra­den er­wei­ter­ten. Cross ist ein ge­wöhn­li­cher Durch­schnitt­szög­ling, je­doch durch­drun­gen von der Be­wun­de­rung für al­les, was sein Vet­ter Do­ni­phan denkt, spricht oder tut.

Der der­sel­ben Ab­tei­lung zu­ge­hö­ri­ge drei­zehn Jah­re alte Bax­ter, ein ver­schlos­se­ner, über­le­gen­der, flei­ßi­ger Kna­be, der sich durch Er­fin­dungs­ga­be und be­son­de­re Hand­fer­tig­keit aus­zeich­net, ist der Sohn ei­nes Kauf­man­nes in ver­hält­nis­mä­ßig be­schei­de­nen Ver­mö­gen­sum­stän­den.

Webb und Wil­cox, bei­de zwöl­fein­halb Jah­re alt, sind Zög­lin­ge der vier­ten Ab­tei­lung. Von mitt­ler­er Ver­an­la­gung, ziem­lich ei­gen­wil­lig und streit­süch­tig, ha­ben sie sich stets sehr streng be­züg­lich Be­ach­tung der Re­geln des Fuchs­we­sens ge­zeigt. Ihre Fa­mi­li­en sind reich und ste­hen un­ter dem Be­am­ten­stan­de des Lan­des auf ho­her Stu­fe.

Gar­nett, wie sein Ge­nos­se Ser­vice der drit­ten Ab­tei­lung zu­ge­hö­rig und bei­de zwölf Jah­re alt, sind der eine der Sohn ei­nes pen­sio­nier­ten Flot­ten­ka­pi­täns, der an­de­re der ei­nes wohl­ge­bor­ge­nen Far­mers, und ihre Fa­mi­li­en woh­nen am North-Sho­re, d.h. am nörd­li­chen Ufer des Ha­fens von Wai­te­ma­la. Die­sel­ben hal­ten gute Nach­bar­schaft, und ihr ver­trau­ter Um­gang ist auch die Ur­sa­che, dass Gar­nett und Ser­vice von­ein­an­der ganz un­zer­trenn­lich ge­wor­den sind. Sie sind gut­mü­ti­ger Art, aber et­was trä­ge. Gar­nett hat au­ßer­dem eine be­kla­gens­wer­te Lei­den­schaft für das auf der eng­li­schen Flot­te so all­ge­mein be­lieb­te Ak­kor­de­on. Als Sohn ei­nes See­manns spielt er in je­der frei­en Mi­nu­te sein Lieb­lings­in­stru­ment und hat das­sel­be na­tür­lich auch an Bord des »Sloug­hi« mit­ge­nom­men. Was Ser­vice be­trifft, so ist die­ser der aus­ge­las­sens­te der gan­zen Ge­sell­schaft, der rich­ti­ge Bru­der Lus­tig der Pen­si­on Chair­man, der nur von Rei­seaben­teu­ern träumt und Ro­bin­son Cru­soe so­wie den Schwei­zer Ro­bin­son, die er mit Vor­lie­be im­mer wie­der liest, schon aus­wen­dig weiß.

Wir ha­ben nun die Kna­ben von neun Jah­ren an­zu­füh­ren. Da ist Jen­kins, der Sohn des Vor­sit­zen­den der Ge­sell­schaft der Wis­sen­schaf­ten, der »New-See­land-Roy­al-So­cie­ty«; fer­ner Iver­son, der Sohn des Pfar­rers an der Me­tro­po­li­tan­kir­che zu St. Paul. Zwar noch in der drit­ten, re­spek­ti­ve der zwei­ten Ab­tei­lung, gel­ten sie doch als vor­züg­li­che Schü­ler des Pen­sio­nats.

Es fol­gen hier­auf zwei Kin­der, Dole, acht­ein­halb, und Co­star, acht Jah­re alt, bei­de Söh­ne von Of­fi­zie­ren der eng­lisch-see­län­di­schen Ar­mee, wel­che in der klei­nen Stadt Ou­chun­ga, sechs Mei­len von Auck­land und am Ufer des Ha­fens von Ma­nu­kau, woh­nen. Sie ge­hö­ren zu den »Klei­nen«, von de­nen man nichts zu sa­gen hat, au­ßer dass Dole ein rech­ter Starr­kopf und Co­star ein klei­nes Lecker­maul ist. Wenn sie noch in der ers­ten Ab­tei­lung glän­zen, so hal­ten sie sich doch für nicht we­nig fort­ge­schrit­ten, da sie be­reits le­sen und schrei­ben kön­nen — und et­was an­de­rem kann man sich in die­sem Al­ter ja nicht wohl zu rüh­men ha­ben.

Es er­üb­rigt nun noch von den drei an­de­ren auf dem Scho­ner ein­ge­schiff­ten Kna­ben zu spre­chen, von dem Ame­ri­ka­ner und den bei­den Fran­zo­sen.

Der Ame­ri­ka­ner ist der vier­zehn­jäh­ri­ge Gor­don. Er­schei­nung und Hal­tung des­sel­ben zei­gen schon ent­schie­de­ne Spu­ren der ro­hen Ur­wüch­sig­keit des »Yan­kee«. Ob­wohl et­was lin­kisch und schwer­fäl­lig, ist er doch so­zu­sa­gen der ge­setz­tes­te al­ler Schü­ler der fünf­ten Ab­tei­lung. Ihm fehlt das äu­ßer­lich Glän­zen­de sei­nes Ka­me­ra­den Do­ni­phan, da­für be­sitzt er ein schar­fes Ur­teil und ge­sun­den Men­schen­ver­stand, von dem er zu wie­der­hol­ten Ma­len Pro­ben ab­ge­legt hat. Den Blick auf erns­te­re Din­ge ge­rich­tet, ist er ein gu­ter Beo­b­ach­ter von kal­tem Tem­pe­ra­ment. Metho­disch bis zur Klein­lich­keit, ord­net er die Ge­dan­ken im Ge­hirn wie die Ge­gen­stän­de im Schreib­tisch, wo al­les klas­si­fi­ziert, eti­ket­tiert und in ei­nem be­son­de­ren Büch­lein ver­zeich­net ist. Sei­ne Ka­me­ra­den schät­zen ihn, ver­sa­gen sei­nen gu­ten Ei­gen­schaf­ten nicht die ge­büh­ren­de Aner­ken­nung und neh­men ihn, ob­wohl Nich­teng­län­der von Ge­burt, stets freund­lich in ih­rem Krei­se auf. — Gor­don ist aus Bo­ston ge­bür­tig; va­ter- und mut­ter­los, hat er kei­ne an­de­ren An­ge­hö­ri­gen als sei­nen Vor­mund, einen ehe­ma­li­gen Kon­su­lar­agen­ten, der sich nach An­samm­lung ei­nes hüb­schen Ver­mö­gens in Neu­see­land nie­der­ge­las­sen hat und eine je­ner rei­zen­den Vil­len be­wohnt, wel­che auf den An­hö­hen rund um das Dorf Mount-Saint-John ver­streut lie­gen.

Die bei­den jun­gen Fran­zo­sen end­lich sind die Söh­ne ei­nes ge­schätz­ten In­ge­nieurs, der vor zwei­und­ein­halb Jah­ren hier­her­kam, um die um­fäng­li­chen Ar­bei­ten der Tro­cken­le­gung der Sümp­fe im In­nern Ika-Na-Ma­wis zu lei­ten. Der Äl­te­re zählt drei­zehn Jah­re. Nicht be­son­ders ar­beit­sam trotz sehr gu­ter An­la­gen, be­geg­net es ihm häu­fi­ger, der letz­te in der fünf­ten Ab­tei­lung zu sein. Wenn er aber den Wil­len dazu hat, ge­lingt es ihm, bei sei­nem leich­ten Auf­fas­sungs­ver­mö­gen und er­staun­li­chen Ge­dächt­nis, sich auf den ers­ten Platz em­por­zu­sch­win­gen, wor­über Do­ni­phan er­klär­li­cher­wei­se nicht we­nig ei­fer­süch­tig wird. Zwi­schen Bri­ant und ihm hat im Pen­sio­nat Chair­man von je­her kein rech­tes Ein­ver­neh­men ge­herrscht, und die Fol­gen der Dis­har­mo­nie tra­ten ja schon an Bord des »Sloug­hi« zu­ta­ge. Üb­ri­gens ist Bri­ant kühn, un­ter­neh­mend, in al­len kör­per­li­chen Übun­gen ge­schickt, nicht mund­faul und gleich mit ei­ner Ge­gen­re­de bei der Hand, sonst aber ein hilfs­be­rei­ter gu­ter Jun­ge, ohne den Stolz Do­ni­phans, ja be­züg­lich der äu­ße­ren Er­schei­nung so­gar et­was nach­läs­sig — kurz, er ist vom Schei­tel bis zur Zehe Fran­zo­se und un­ter­schei­det sich schon des­halb we­sent­lich von sei­nen eng­li­schen Ka­me­ra­den. Die Schwächs­ten hat er oft ge­schützt ge­gen den Miss­brauch ih­rer Kraft sei­tens der Gro­ßen, und sich, was sei­ne Per­son an­ging, den Fuchs­re­geln nie­mals un­ter­wer­fen wol­len. Da­durch ent­stan­den man­che Zän­ke­rei­en und Schlä­ge­rei­en, aus wel­chen er, dank sei­ner über­le­ge­nen Kör­per­kraft und sei­nem Mut, meist als Sie­ger her­vor­ging. Das hin­der­te je­doch nicht sei­ne all­ge­mei­ne Be­liebt­heit, und als es sich um Über­nah­me der Füh­rung des »Sloug­hi« han­del­te, wei­ger­ten sich sei­ne Ka­me­ra­den, mit ganz we­nig Aus­nah­men, kei­nen Au­gen­blick, ihm zu ge­hor­chen, zu­mal er, wie wir wis­sen, sich ge­le­gent­lich sei­ner Über­fahrt von Eu­ro­pa nach Neu­see­land ei­ni­ge see­män­ni­sche Kennt­nis­se an­ge­eig­net hat­te.

Sein jün­ge­res Brü­der­chen, Jac­ques, war bis­her stets als der Schalk und Spaß­vo­gel der drit­ten Ab­tei­lung — wenn nicht der gan­zen Pen­si­on Chair­man, Ser­vice in­be­grif­fen — an­ge­se­hen wor­den, da er im­mer neue Pos­sen er­fand und sei­nen Ka­me­ra­den lose Strei­che spiel­te, für die er gleich­mü­tig so man­che Be­stra­fung hin­nahm. Wie man bald se­hen wird, hat­te sich sein Cha­rak­ter je­doch, ohne dass je­mand die Ur­sa­che ent­rät­seln konn­te, seit der Ab­fahrt der Yacht höchst auf­fal­lend ver­än­dert. —

Das war die Kin­der­ge­sell­schaft, wel­che der ra­sen­de Sturm auf ei­nes der Län­der­ge­bie­te des Stil­len Ozeans ver­schla­gen hat­te.

Wäh­rend sei­ner mehr­wö­chent­li­chen Lust­fahrt rings­um die Ge­sta­de Neu­see­lands, soll­te der »Sloug­hi« von sei­nem Ei­gen­tü­mer, dem Va­ter Gar­netts, be­feh­ligt wer­den, der als küh­ner Yach­ten­füh­rer in den Ge­wäs­sern Ozea­ni­ens rühm­lichst be­kannt war. Wie oft war sein Scho­ner be­reits an den Küs­ten Neu­ka­le­do­ni­ens, Neu­hol­lands, von der Meeren­ge von Tor­res bis zur süd­lichs­ten Spit­ze Tas­ma­ni­ens und bis hin­auf in den selbst für grö­ße­re Schif­fe oft ver­derb­li­chen Mee­ren der Mo­luk­ken, der Phil­ip­pi­nen und von Ce­le­bes sicht­bar ge­we­sen. Es war aber auch eine äu­ßerst so­li­de ge­bau­te, schnell se­geln­de Yacht, wel­che ihre See­tüch­tig­keit selbst beim schwers­ten Wet­ter glän­zend be­währ­te.

Die Be­sat­zung der­sel­ben be­stand aus ei­nem Ober­steu­er­mann, sechs Ma­tro­sen, ei­nem Koch und ei­nem Schiffs­jun­gen — Moko, ei­nem Ne­ger von zwölf Jah­ren, des­sen Fa­mi­lie bei ei­nem An­sied­ler von Neu­see­land schon lan­ge Zeit in Diens­ten stand. Wir dür­fen auch nicht ver­ges­sen, einen schö­nen Jagd­hund von ame­ri­ka­ni­scher Ras­se, Phann, zu er­wäh­nen, der Gor­don an­ge­hör­te und sei­nen Herrn nie­mals ver­ließ.

Als Ab­fahrts­tag war der 15. Fe­bru­ar be­stimmt wor­den. In­zwi­schen lag der »Sloug­hi«, von sei­nen Sorr­tau­en2 am Hin­ter­teil ge­hal­ten, am äu­ßers­ten Ende des Com­mer­ci­al-Pier und folg­lich ganz nahe der See­sei­te des Ha­fens.

Die Be­sat­zung be­fand sich nicht an Bord, als die jun­gen Pas­sa­gie­re sich am Abend des 14. Fe­bru­ar ein­schiff­ten. Ka­pi­tän Gar­nett soll­te erst ein­tref­fen, wenn das Schiff die Fahrt an­trat. Nur der Ober­steu­er­mann und der Schiffs­jun­ge emp­fin­gen Gor­don und sei­ne Ka­me­ra­den, da die üb­ri­ge Mann­schaft noch an Land bei ei­nem letz­ten Glas Whis­ky saß. Nach­dem alle un­ter­ge­bracht und ih­nen die La­ger­stät­ten an­ge­wie­sen wa­ren, such­te auch der Ober­steu­er­mann die üb­ri­gen Leu­te noch ein­mal in der Schän­ke am Ha­fen auf, wo er sich der un­ver­zeih­li­chen Nach­läs­sig­keit schul­dig mach­te, bis zur spä­ten Nacht­stun­de zu ver­wei­len. Der Schiffs­jun­ge hat­te sich be­reits im Volks­lo­gis zum Schla­fen nie­der­ge­legt.

Was nun in­zwi­schen vor­ging, das wird wohl nie­mals auf­ge­klärt wer­den. Si­cher ist nur das, dass die Sorr­taue sich ent­we­der zu­fäl­lig lös­ten oder fre­vent­lich von drit­ter Hand ge­löst wur­den, ohne dass an Bord je­mand et­was da­von be­merk­te.

Tief­dunkle Nacht ver­hüll­te den Ha­fen und den Golf Haura­ki. Vom Land her weh­te ein ziem­lich star­ker Wind, und der Scho­ner, den gleich­zei­tig die rückströ­men­de Ebbe mit fort­zog, wur­de nach der of­fe­nen See hin­aus­ge­trie­ben.

Als der Schiffs­jun­ge er­wach­te, schau­kel­te der Scho­ner, als wer­de er von hoh­lem See­gan­ge um­her­ge­wor­fen, eine Be­we­gung, wel­che mit der durch die ge­wöhn­li­che Bran­dung ver­an­lass­ten gar nicht zu ver­wech­seln war. Moko sprang ei­ligst nach dem Deck hin­auf … Die Yacht war im Ab­trei­ben …

Auf den lau­ten Ruf des Schiffs­jun­gen ver­lie­ßen Gor­don, Bri­ant, Do­ni­phan nebst ei­ni­gen an­de­ren ihre La­ger­stät­ten und stürm­ten die Trep­pe hin­auf. Ver­geb­lich rie­fen sie um Hil­fe! Sie er­blick­ten nicht ein­mal mehr ein ein­zi­ges Licht von der Stadt oder dem Ha­fen. Der Scho­ner be­fand sich schon in der Mit­te des Gol­fes, ge­gen drei Mei­len vom Ufer.

An­fäng­lich ver­such­ten die Kna­ben, auf den auch vom Schiffs­jun­gen ge­bil­lig­ten Rat Bri­ants hin, ein Se­gel bei­zu­set­zen, um durch Kreu­zen nach dem Ha­fen zu­rück­zu­ge­lan­gen; zu schwer aber, um von ih­nen in die pas­sen­de Lage ge­bracht zu wer­den, hat­te die­ses Se­gel kei­ne an­de­re Wir­kung, als dass es sie durch den West­wind, den es ab­fing, noch wei­ter hin­austrieb. Der »Sloug­hi« um­schiff­te da­bei das Kap Gol­ville, glitt durch die Meeren­ge, wel­che die­ses von der In­sel der großen Bar­re trennt, und be­fand sich bald meh­re­re Mei­len von Neu­see­land.

Der Ernst die­ser Lage ist ge­wiss leicht zu durch­schau­en. Bri­ant und sei­ne Ge­fähr­ten konn­ten auf Hil­fe vom Lan­de her nicht mehr rech­nen. Wenn selbst ein Schiff vom Ha­fen aus­lief, sie auf­zu­spü­ren, so muss­ten im güns­tigs­ten Fall meh­re­re Stun­den ver­ge­hen, ehe es sie ein­hol­te — an­ge­nom­men, dass es über­haupt mög­lich war, den Scho­ner bei der tie­fen Fins­ter­nis zu ent­de­cken. Grau­te erst wie­der der Tag, wie hät­te je­mand ein so klei­nes, im of­fe­nen Mee­re ver­irr­tes Fahr­zeug wahr­neh­men kön­nen? Und wie soll­te es die­sen Kin­dern ge­lin­gen, sich mit ei­ge­ner An­stren­gung aus die­ser schlim­men Lage zu be­frei­en? Schlug der Wind nicht bald um, so muss­ten sie dar­auf ver­zich­ten, das Land wie­der er­rei­chen zu kön­nen.

Frei­lich blieb auch die Mög­lich­keit üb­rig, ei­nem Schiff auf dem Wege nach ei­nem der Hä­fen Neu­see­lands zu be­geg­nen. Trotz der Un­wahr­schein­lich­keit ei­nes so glück­li­chen Zu­fal­les be­eil­te sich Moko doch, eine an­ge­zün­de­te Si­gnal­la­ter­ne am Top des Fock­mas­tes zu be­fes­ti­gen. Jetzt aber hat­ten sie nichts an­de­res zu tun, als den An­bruch des Ta­ges ab­zu­war­ten.

Die Klei­nen, wel­che von dem Lär­men nicht auf­ge­wacht wa­ren, lie­ßen sie lie­ber weiter­schla­fen. Ihr Schre­cken hät­te an Bord nur Un­ord­nung ver­ur­sacht.

Im­mer­hin wur­den noch meh­re­re Ver­su­che un­ter­nom­men, dem »Sloug­hi« eine güns­ti­ge­re Rich­tung zu ge­ben. Die­ser wi­der­stand aber je­der der­ar­ti­gen Be­mü­hung und trieb mit großer Schnel­lig­keit im­mer wei­ter nach Os­ten hin­aus.

Plötz­lich tauch­te, etwa zwei bis drei Mei­len ent­fernt, ein Licht­schein auf. Es war ein wei­ßes Licht oben am Mas­te, das un­ter­schei­den­de Zei­chen ei­nes in Fahrt be­grif­fe­nen Damp­fers. Bald er­schie­nen auch sei­ne bei­den Po­si­ti­ons­lich­ter, das rote wie das grü­ne, und da bei­de gleich­zei­tig sicht­bar blie­ben, be­wies das, dass der Damp­fer in ge­ra­der Rich­tung auf den Scho­ner zu­steu­er­te.

Ver­geb­lich lie­ßen die Kna­ben lau­te Hil­fe­ru­fe er­tö­nen. Das Klat­schen und Schla­gen der Wel­len, das Zi­schen des Damp­fes, der durch die Ab­fluss­roh­re des Stea­mers aus­ström­te und der noch wei­ter auf­ge­frisch­te Wind — al­les traf zu­sam­men, ihre Stim­me un­ge­hört ver­hal­len zu las­sen.

Laute Hilferufe

Doch wenn sie die Rufe nicht hör­ten, muss­ten die wach­ha­ben­den Ma­tro­sen des an­de­ren Schif­fes nicht we­nigs­tens das Si­gnal­licht des »Sloug­hi« er­ken­nen? Das war die letz­te Hoff­nung.

Un­glück­li­cher­wei­se war durch eine hef­ti­ge Sch­lin­ger­be­we­gung die Lei­ne des­sel­ben zer­ris­sen, die La­ter­ne da­bei ins Meer ge­fal­len und nichts ver­riet jetzt mehr die Ge­gen­wart der »Sloug­hi«, auf den der Damp­fer mit ei­ner Schnel­lig­keit von zwölf Kno­ten in der Stun­de zu­jag­te.

Nach we­ni­gen Se­kun­den wur­de die Yacht an­ge­rannt und wäre ohne Zwei­fel ver­senkt wor­den, wenn der Stoß sie recht­win­ke­lig traf. So be­traf die Kol­li­si­on aber nur den Ach­ter der­sel­ben und zer­stör­te die Plan­ke3 mit dem Na­men, ohne den Schiffs­rumpf zu be­schä­di­gen.

Der Stoß war über­haupt ein so schwa­cher ge­we­sen, dass der Damp­fer den »Sloug­hi« ein­fach, trotz dro­hen­den Stur­mes, sich selbst über­ließ und sei­ne Fahrt ru­hig fort­setz­te.

Sehr häu­fig be­küm­mer­ten sich die See-Ka­pi­tä­ne nicht im Ge­rings­ten um die Schif­fe, wel­che sie an­gerammt ha­ben. Von sol­chem ver­bre­che­ri­schen Be­neh­men gibt es gar zu vie­le Bei­spie­le. Im vor­lie­gen­den Fall war frei­lich an­zu­neh­men, dass man an Bord des Damp­fers von der Kol­li­si­on mit der leich­ten Yacht, die in der Dun­kel­heit auch nie­mand ge­se­hen, über­haupt nichts ver­spürt hat­te.

Vom Win­de wei­ter hin­aus­ge­jagt, muss­ten die Kna­ben sich für so gut wie ver­lo­ren hal­ten. Als der Tag grau­te, sa­hen sie nur eine öde Was­ser­wüs­te vor sich. Auf die­sem we­ni­ger be­leb­ten Teil des Stil­len Ozeans fol­gen die Schif­fe, wel­che von Ozea­ni­en nach Ame­ri­ka oder um­ge­kehrt se­geln, ei­nem ent­we­der weit nörd­li­che­ren oder mehr süd­li­che­ren Wege. In Sicht der Yacht kam kein ein­zi­ges vor­über. Wie­der brach die Nacht her­ein, wel­che noch schlim­mer zu wer­den droh­te, und wenn der ei­gent­li­che Sturm sich auch zeit­wei­lig be­ru­hig­te, so weh­te doch der Wind im­mer recht steif von Wes­ten her.

Wie lan­ge die­se Fahrt an­dau­ern soll­te, da­von hat­ten na­tür­lich we­der Bri­ant noch sei­ne Ka­me­ra­den eine Ah­nung. Ver­geb­lich such­ten sie in der Wei­se zu ma­nö­vrie­ren, um den Scho­ner nach den neu­see­län­di­schen Ge­wäs­sern zu­rück­zu­lei­ten; es fehl­te ih­nen je­doch an Kennt­nis­sen, sei­ne Rich­tung be­stimmt zu be­ein­flus­sen, und über­dies an Kraft, die schwe­ren Se­gel bei­zu­set­zen.

Un­ter die­sen Ver­hält­nis­sen ge­wann Bri­ant, der eine sei­nem Al­ter über­le­ge­ne Tat­kraft ent­wi­ckel­te, all­mäh­lich ein Über­ge­wicht über sei­ne Ge­fähr­ten, dem sich auch Do­ni­phan nicht ent­zie­hen konn­te. Ge­lang es ihm auch, trotz Mo­kos Un­ter­stüt­zung, nicht, die Yacht wie­der nach Wes­ten zu­rück­zu­steu­ern, so be­nutz­te er doch sei­ne ge­rin­gen Kennt­nis­se, um die­se un­ter mög­lichst gu­ten Be­din­gun­gen fort­trei­ben zu las­sen. Er schon­te sich kei­nen Au­gen­blick, wach­te Tag und Nacht und lug­te im­mer nach dem Ho­ri­zont hin­aus, um eine Aus­sicht auf Ret­tung zu ent­de­cken. Gleich­zei­tig ließ er auch meh­re­re Fla­schen mit ei­nem Be­richt über den Ver­bleib des »Sloug­hi« ins Meer wer­fen, und wenn das auch ein sehr un­zu­ver­läs­si­ges Hilfs­mit­tel war, woll­te er es doch nicht ver­nach­läs­si­gen.

In­zwi­schen trieb der West­wind die Yacht im­mer wei­ter über den Stil­len Ozean hin­aus, ohne dass es mög­lich war, de­ren Lauf zu hem­men oder nur ihre Ge­schwin­dig­keit zu ver­min­dern.

Wir wis­sen schon, was sich wei­ter zu­trug. We­ni­ge Tage, nach­dem der Scho­ner durch die Was­ser­stra­ßen des Gol­fes Haura­ki hin­ge­ris­sen wor­den war, brach ein Sturm los, der zwei vol­le Wo­chen lang mit au­ßer­ge­wöhn­li­cher Hef­tig­keit wü­te­te. Von un­ge­heu­ren Wel­len auf und ab ge­schleu­dert, hun­dert­mal nahe dar­an, durch an­don­nern­de Was­ser­mas­sen zer­trüm­mert zu wer­den, was ohne sei­ne be­son­ders fes­te Bau­art und sei­ne vor­treff­li­chen nau­ti­schen Ei­gen­schaf­ten gar nicht hät­te aus­blei­ben kön­nen, war der »Sloug­hi« schließ­lich auf ein un­be­kann­tes Stück Erde im Stil­len Ozean ge­wor­fen wor­den.

Wel­ches Los er­war­te­te nun die­ses Pen­sio­nat von Schiff­brü­chi­gen, wel­che wohl acht­zehn­hun­dert Mei­len weit von Neu­see­land ver­schla­gen wa­ren? Von wel­cher Sei­te wür­de ih­nen die Hil­fe kom­men, die sie in sich selbst nicht fin­den konn­ten …?

Je­den­falls hat­ten ihre Fa­mi­li­en gar zu viel Ur­sa­che, sie mit dem Scho­ner un­ter­ge­gan­gen zu glau­ben.

Die­se Ur­sa­che war näm­lich fol­gen­de:

Als in Auck­land das Ver­schwin­den des »Sloug­hi« in der Nacht vom 14. zum 15. Fe­bru­ar be­merkt wor­den war, be­nach­rich­tig­te man da­von den Ka­pi­tän Gar­nett und die Fa­mi­li­en der un­glück­li­chen Kin­der. Wir brau­chen wohl die Wir­kung die­ses trau­ri­gen Vor­fal­les, der in der Stadt all­ge­mei­ne Be­stür­zung er­reg­te, nicht ein­ge­hen­der zu schil­dern.

Wenn sei­ne Sorr­taue aus ir­gend­ei­nem Grund nach­ge­ge­ben hat­ten, so war der Scho­ner doch viel­leicht nicht über den Golf selbst hin­aus­ge­trie­ben. So durf­te man hof­fen, ihn noch wie­der­zu­fin­den, ob­wohl der stei­fe West­wind eine recht schmerz­li­che Beun­ru­hi­gung er­weck­te.

Ohne eine Mi­nu­te Zeit zu ver­lie­ren, traf der Ha­fen­ka­pi­tän An­stalt, der Yacht zu Hil­fe zu kom­men. Zwei klei­ne Damp­fer soll­ten den gan­zen Golf Haura­ki durch­su­chen. Die gan­ze Nacht über kreuz­ten sie um­her, wäh­rend der See­gang im­mer schwe­rer wur­de, und als sie mit Ta­ge­s­an­bruch zu­rück­kehr­ten, raub­ten ihre Mel­dun­gen den von die­ser schreck­li­chen Ka­ta­stro­phe be­trof­fe­nen Fa­mi­li­en den letz­ten Schim­mer von Hoff­nung.

Wenn die­se Damp­fer zwar den »Sloug­hi« nicht auf­ge­spürt hat­ten, so hat­ten sie doch ein­zel­ne Stücke auf­ge­fischt. Die­se letz­te­ren be­stan­den aus den ins Meer ge­fal­le­nen Trüm­mern des Back­bords nach der Kol­li­si­on mit dem pe­rua­ni­schen Damp­fer »Qui­to«, eine Kol­li­si­on, von der letz­te­rer nicht ein­mal Kennt­nis hat­te.

Auf die­sen Bruch­stücken wa­ren noch drei bis vier Buch­sta­ben des Na­mens »Sloug­hi« deut­lich zu er­ken­nen. Es schi­en also un­zwei­fel­haft, dass die Yacht ver­un­glückt und viel­leicht ein Dut­zend Mei­len von der Küs­te Neu­see­lands mit Mann und Maus un­ter­ge­gan­gen war.

1 (hier) schrift­li­che Ver­pflich­tung, eine An­zahl emit­tier­ter Wert­pa­pie­re zu kau­fen <<<

2 dün­ne Stri­cke, wo­mit grö­ße­re Taue an­ge­zo­gen wer­den <<<

3 lan­ges, dickes Brett; Bau­holz für den Schiffs­bau <<<

Zwei Jahre Ferien

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