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Viertes Kapitel

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Ers­te Un­ter­su­chung des Ufer­lan­des. — Bri­ant und Gor­don im Strand­wald. — Ver­geb­li­cher Ver­such, eine Grot­te zu fin­den. — Eine In­ven­tur der Vor­rä­te. — Nah­rungs­mit­tel, Waf­fen, Klei­dungs­stücke, Bett­zeug, Gerä­te, Werk­zeu­ge und In­stru­men­te. — Ers­tes Früh­stück. — Ers­te Nacht.

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Die Küs­te war ver­las­sen, wie Bri­ant es er­kannt hat­te, als er sich auf der Rah des Fock­mas­tes zum Aus­lu­gen be­fand. Seit ei­ner Stun­de lag der Scho­ner auf dem Ufer­lan­de, und noch war von kei­nem Ein­ge­bo­re­nen et­was be­merkt wor­den. We­der un­ter den Bäu­men, wel­che von dem ho­hen Ufer auf­rag­ten, noch ne­ben dem Rand des Rios, der jetzt von der an­schwel­len­den Flut er­füllt war, sah man ein Haus, eine Hüt­te oder nur ein Zelt. Nicht ein­mal ein Ein­druck ei­nes mensch­li­chen Fu­ßes zeig­te sich auf der Ober­flä­che des Stran­des, den das an- und ab­lau­fen­de Was­ser mit ei­ner lan­gen An­häu­fung von Va­rec ein­ge­fasst hat­te. In der Mün­dung des klei­nen Flus­ses schau­kel­te kein Fi­scher­boot, und längs des gan­zen Um­fan­ges der Bai, zwi­schen den bei­den Vor­ge­bir­gen im Nor­den und im Sü­den, wir­bel­te kei­ne Rauch­säu­le in die Luft.

In ers­ter Li­nie hat­ten Bri­ant und Gor­don den Ge­dan­ken, un­ter die Baum­grup­pen ein­zu­drin­gen, um die hö­he­re Wand zu er­rei­chen und wenn mög­lich zu er­klim­men.

»Da wä­ren wir nun auf dem Lan­de; das ist ja schon et­was«, sag­te Gor­don. »Doch wel­ches ist die­ses Land, das ganz un­be­wohnt scheint …?«

»Doch welches ist dieses Land, das ganz unbewohnt scheint …?«

»Die Haupt­sa­che bleibt doch, dass es nur nicht un­be­wohnt ist«, er­wi­der­te Bri­ant. »Für ei­ni­ge Zeit ha­ben wir ja Mund­vor­rat und Mu­ni­ti­on. Es fehlt uns zu­nächst nur ein Ob­dach, und ein sol­ches müs­sen wir fin­den … Min­des­tens für die Klei­nen … Vor­wärts also!«

»Ja, du hast recht …!« stimm­te ihm Gor­don zu.

»Zu wis­sen, wo wir uns be­fin­den«, fuhr Bri­ant fort, »das auf­zu­klä­ren wird noch Zeit ge­nug sein, wenn wir erst für das al­ler­nö­tigs­te ge­sorgt ha­ben. Wenn es ein Fest­land wäre, so hät­ten wir ja ei­ni­ge Aus­sicht, Hil­fe zu fin­den, wäre es eine In­sel … eine un­be­wohn­te In­sel … so wer­den wir ja se­hen …! Komm, Gor­don, komm zur Ent­de­ckungs­rei­se!«

Bei­de er­reich­ten schnell ge­nug den Saum des Wal­des, der sich schräg zwi­schen dem stei­len Ufer und der rech­ten Sei­te des Rios, drei- bis vier­hun­dert Schrit­te strom­auf­wärts, hin­zog.

In die­sem Ge­hölz fand sich kei­ne Spur, dass hier Men­schen hin­durch­ge­zo­gen wä­ren, kein Durch­hau, kein Fuß­steg. Alte morsch­ge­wor­de­ne Stäm­me la­gen hier und da auf der Erde, und Bri­ant und Gor­don san­ken bis ans Knie in den Tep­pich von wei­chem Laub ein. Die Vö­gel da­ge­gen ent­flo­hen so furcht­sam, als hät­ten sie mensch­li­chen We­sen schon miss­trau­en ge­lernt. Da­nach schi­en es also, als ob die­se Küs­te, wenn sie auch nicht selbst be­wohnt war, doch dann und wann von Ein­ge­bo­re­nen des Nach­bar­ge­bie­tes be­sucht wur­de.

In zehn Mi­nu­ten hat­ten die bei­den Kna­ben das Ge­hölz durch­schrit­ten, des­sen Dicht­heit sich nahe der fel­si­gen Rück­sei­te ver­grö­ßer­te, die gleich ei­ner Mau­er auf eine mitt­le­re Höhe von hun­dert­acht­zig Fuß schroff em­por­stieg. Es wäre höchst wün­schens­wert ge­we­sen, dass der Fuß die­ser Fels­wand ir­gend­ei­ne Aus­buch­tung ent­hiel­te, in der man hät­te Ob­dach su­chen kön­nen. Hier hät­te ja eine ge­gen den See­wind durch die Bäu­me ge­schütz­te und vor dem An­sturm des Mee­res ge­si­cher­te Höh­le einen vor­treff­li­chen Zuf­luchts­ort ge­bo­ten; hier hät­ten die jun­gen Schiff­brü­chi­gen sich vor­läu­fig ein­rich­ten und so lan­ge aus­hal­ten kön­nen, bis eine ein­ge­hen­de Un­ter­su­chung der Küs­te ih­nen ge­stat­te­te, mit mehr Si­cher­heit ins In­ne­re des Lan­des vor­zu­drin­gen.

Un­glück­li­cher­wei­se ent­deck­ten Gor­don und Bri­ant an die­ser Wand, wel­che so schroff wie eine Fes­tungs­mau­er ab­fiel, we­der eine Grot­te, noch auch nur einen Ein­schnitt, durch den sie hät­ten bis zum Schei­tel der­sel­ben ge­lan­gen kön­nen. Um zu dem In­ne­ren des Ge­bie­tes zu ge­lan­gen, muss­ten sie wahr­schein­lich die­ses stei­le Ufer, des­sen An­ord­nung Bri­ant, als er sich von den Ra­hen des »Sloug­hi« aus um­sah, über­blickt hat­te, voll­stän­dig um­wan­dern.

Etwa eine hal­be Stun­de lang zo­gen bei­de längs des Stran­des am ho­hen Ufer hin nach Sü­den zu hin­ab. Da­mit er­reich­ten sie die rech­te Sei­te des Rios, der in vie­len Win­dun­gen nach Os­ten zu ver­lief. War die­ses Ufer von schö­nen Bäu­men be­schat­tet, so be­grenz­te das an­de­re eine Land­schaft von ganz ver­schie­de­nem Aus­se­hen — ohne Grün und ohne jede Bo­de­nu­neben­heit. Man hät­te einen un­ge­heu­ren Sumpf vor sich zu se­hen ge­glaubt, der sich bis zum süd­li­chen Ho­ri­zont hin aus­dehn­te.

Ge­täuscht in ih­rer Hoff­nung, bis zur Höhe des stei­len Ufers em­porklim­men zu kön­nen, von wo aus sie ohne Zwei­fel das Land hät­ten auf einen Um­kreis von meh­re­ren Mei­len über­schau­en kön­nen, kehr­ten Bri­ant und Gor­don nach dem »Sloug­hi« zu­rück.

Do­ni­phan und ei­ni­ge an­de­re lie­fen auf den Fel­sen hin und her, wäh­rend Jen­kins, Iver­son, Dole und Co­star sich mit dem Ein­sam­meln von Mu­scheln be­lus­tig­ten.

Einsammeln von Muscheln

In ei­nem Ge­spräch, das sie mit den Grö­ße­ren hat­ten, setz­ten Bri­ant und Gor­don die­se von dem Er­folg ih­res kur­z­en Aus­flugs in Kennt­nis. Be­vor die­se Un­ter­su­chun­gen nicht wei­ter aus­ge­dehnt wer­den konn­ten, er­schi­en es rat­sam, den Scho­ner nicht zu ver­las­sen. War die­ser auch in sei­nem gan­zen Rip­pen­wer­ke er­schüt­tert und lag er ziem­lich tief nach Back­bord ge­neigt, so konn­te er doch an Ort und Stel­le, wo er fest lag, als einst­wei­li­ge Woh­nung die­nen. Hat­te sich das Deck auch über dem Volks­lo­gis ge­öff­net, so bo­ten doch der Sa­lon und die üb­ri­gen Räu­me des Hin­ter­teils ein hin­rei­chen­des Ob­dach ge­gen den stür­mi­schen Wind. Die Kü­che hat­te eben­falls durch das Strei­fen über die Klip­pen nicht ge­lit­ten — zur großen Be­frie­di­gung der Klei­nen, wel­che die Fra­ge der Mahl­zei­ten vor al­lem an­de­ren in­ter­es­sier­te.

In der Tat war es ein Glück zu nen­nen, dass die Kna­ben nicht nö­tig hat­ten, die zu ih­rer Ein­rich­tung nö­tigs­ten Ge­gen­stän­de nach dem Strand zu schaf­fen. Selbst wenn ih­nen das ge­lun­gen wäre, mit wel­chen Schwie­rig­kei­ten, wel­chen An­stren­gun­gen wäre es ver­knüpft ge­we­sen! Blieb der »Sloug­hi« in­ner­halb der Klip­pen­bank ein­ge­klam­mert sit­zen, wie hät­ten sie die Ber­gung des ge­sam­ten Ma­te­ri­als be­werk­stel­li­gen sol­len? Das Meer muss­te die Yacht doch bald de­mo­lie­ren, und was hät­ten sie dann von den Kon­ser­ven, Waf­fen, dem Schieß­be­darf, den Klei­dern, der Bett­wä­sche und den Gerä­ten al­ler Art wohl ret­ten kön­nen? Glück­li­cher­wei­se hat­ten jene Flut­wel­len den »Sloug­hi« bis über den Klip­pen­gür­tel hin­aus­ge­wor­fen. Wenn er da­mit auch nie­mals wie­der flott wer­den konn­te, so war er we­nigs­tens be­wohn­bar ge­blie­ben, da sein Ober­werk so­wohl dem Wel­len­schla­ge als auch dem nach­fol­gen­den Sto­ße wi­der­stan­den hat­te und nichts ihn wie­der aus die­sem san­di­gen Bet­te rei­ßen konn­te, in das sein Kiel tief ein­ge­senkt war. Un­ter der ab­wech­seln­den Ein­wir­kung der Son­ne und des Re­gens muss­te er wohl end­lich aus den Fu­gen ge­hen, sei­ne Wand muss­te sich öff­nen und das Ver­deck schließ­lich auf­sprin­gen, so­dass das Ob­dach, wel­ches er jetzt noch bot, ein­mal un­zu­läng­lich zu wer­den droh­te.

Doch bis da­hin hat­ten die jun­gen Schiff­brü­chi­gen ent­we­der eine Stadt oder ein Dorf ge­fun­den, oder wenn der Sturm sie auf eine ganz öde In­sel ver­schla­gen hat­te, wür­den sie doch eine Grot­te in den Ufer­fel­sen ent­deckt ha­ben.

Am bes­ten er­schi­en es also, vor­läu­fig an Bord des »Sloug­hi« zu blei­ben, und dazu rich­te­te man sich noch an dem­sel­ben Tage ein. Eine an Back­bord — nach wel­cher Sei­te die Yacht ge­senkt lag — be­fes­tig­te Strick­lei­ter ge­stat­te­te den Gro­ßen wie den Klei­nen die Trep­pen­kap­pe des Ver­decks zu er­rei­chen. Moko, der et­was vom Ko­chen ver­stand, wie es ihm als Schiffs­jun­gen zu­kam, be­schäf­tig­te sich, un­ter­stützt von Ser­vice, dem es Ver­gnü­gen mach­te, bei der Zu­be­rei­tung der Spei­sen zu hel­fen, mit der Her­rich­tung ei­ner Mahl­zeit. Alle ver­zehr­ten die­sel­be mit größ­tem Ap­pe­tit, und Jen­kins, Iver­son, Dole und Co­star ver­fie­len selbst in ihre frü­he­re ge­wohn­te Hei­ter­keit. Nur Jac­ques Bri­ant, ehe­mals der Sing­vo­gel des Pen­sio­nats, hielt sich auch jetzt noch bei­sei­te. Eine sol­che Ver­än­de­rung sei­nes Cha­rak­ters, sei­ner Ge­wohn­hei­ten muss­te über­ra­schen. Jac­ques aber, der jetzt höchst schweig­sam ge­wor­den war, wuss­te sich al­len dies­be­züg­li­chen Fra­gen sei­ner Ka­me­ra­den ge­schickt zu ent­zie­hen.

Stark er­mü­det nach so vie­len Ta­gen und so vie­len Näch­ten der Angst wäh­rend des furcht­ba­ren Stur­mes, dach­ten end­lich alle dar­an, sich schla­fen zu le­gen. Die Klei­nen ver­teil­ten sich in die Zim­mer der Yacht, wo die Gro­ßen sich ih­nen bald an­schlos­sen. Bri­ant, Gor­don und Do­ni­phan woll­ten je­doch der Rei­he nach Wa­che hal­ten. Konn­ten sie nicht den Über­fall ei­ner Ban­de wil­der Tie­re oder viel­leicht gar ei­nes Hau­fens Ein­ge­bo­re­ner er­war­ten, welch letz­te­re ge­wiss nicht we­ni­ger zu fürch­ten wa­ren? Doch nichts von dem ge­sch­ah. Die Nacht ver­lief ohne Stö­rung und als die Son­ne auf­ging, mach­ten sich alle nach ei­nem Dank­ge­bet zu Gott an die durch die Um­stän­de ge­bo­te­ne Ar­beit.

Zu­erst galt es, sich über die Vor­rä­te der Yacht Re­chen­schaft zu ge­ben und dann das Ma­te­ri­al an Waf­fen, In­stru­men­ten, Gerä­ten, Werk­zeu­gen, Klei­dungs­stücken usw. auf­zu­neh­men. Die Fra­ge be­züg­lich der Nah­rung er­schi­en als die drin­gends­te, da die Küs­te ja völ­lig ver­las­sen schi­en. Die Hilfs­quel­len hier be­schränk­ten sich of­fen­bar auf die Aus­beu­te der Fi­sche­rei oder der Jagd, wenn es an ess­ba­rem Wild nicht man­gel­te.

Bis­her hat­te Do­ni­phan, ein ge­schick­ter Jä­ger, über­haupt nichts be­merkt als zahl­rei­che Ge­sell­schaf­ten von Vö­geln auf der Ober­flä­che der Klip­pen und den Fel­sen des Vor­lan­des. Es wäre aber sehr be­dau­er­lich ge­we­sen, sich nur von See­vö­geln er­näh­ren zu sol­len. Man muss­te also wis­sen, wie viel Pro­vi­ant der Scho­ner noch führ­te und wie lan­ge die­ser noch aus­reich­te, wenn man spar­sam da­mit um­ging.

Ein Über­schlag ließ er­ken­nen, dass, ab­ge­se­hen von dem in sehr großen Men­gen vor­han­de­nen Schiffs­zwie­back, die Kon­ser­ven, der Schin­ken, das Fleisch­bis­kuit — be­ste­hend aus Mehl ers­ter Sor­te mit ge­hack­tem Schwei­ne­fleisch und Ge­würz —, das Cor­ned beef, Salz­fleisch und die Lecker­bis­sen in Blech­do­sen nicht län­ger als zwei Mo­na­te rei­chen wür­den, selbst wenn man sehr spar­sam da­mit um­ging. Dem­nach emp­fahl es sich von An­fang an, auf die Er­zeug­nis­se des Lan­des zu­rück­zu­grei­fen, um den Pro­vi­ant zu scho­nen, für den Fall, dass es not­wen­dig wür­de, ei­ni­ge hun­dert Mei­len wei­ter­zu­zie­hen, um einen Ha­fen an der Küs­te oder eine Stadt im In­nern des Lan­des zu er­rei­chen.

»Wenn nur ein Teil die­ser Kon­ser­ven nicht schon ver­dor­ben ist!« be­merk­te Bax­ter. »Ist nach un­se­rer Stran­dung das Meer­was­ser in den Schiffs­rumpf ein­ge­drun­gen …?«

»Das wer­den wir se­hen, wenn wir die Kis­ten öff­nen, die uns be­schä­digt er­schei­nen«, ant­wor­te­te Gor­don. »Wenn man den In­halt der­sel­ben noch ein­mal auf­koch­te, könn­te man ihn doch viel­leicht ver­wen­den.«

»Das soll mei­ne Sor­ge sein«, ließ sich Moko ver­neh­men.

»So mach dich recht bald dar­an«, emp­fahl ihm Bri­ant, »denn wäh­rend der ers­ten Tage wer­den wir doch ge­zwun­gen sein, von dem Pro­vi­ant des »Sloug­hi« zu le­ben.«

»Wa­rum aber«, fiel Wil­cox ein, »soll­ten wir nicht schon heu­te die Fel­sen ab­su­chen, wel­che sich im Nor­den der Bai er­he­ben, und dort ess­ba­re Vo­ge­lei­er ein­sam­meln?«

»Ja …! Ja …!« rie­fen Dole und Co­star.

»Und warum soll­ten wir nicht fi­schen?« füg­te Webb hin­zu. »Sind denn nicht An­gel­schnü­re an Bord und Fi­sche im Mee­re? — Wer will mit mir an­geln ge­hen?«

»Ich …! Ich …!« rie­fen die Klei­nen.

»Gut, gut!« sag­te Bri­ant. »Aber es han­delt sich nicht dar­um, nur zu spie­len, und An­gel­schnü­re er­hal­ten von uns nur ernst­haf­te Fi­scher.«

»Be­ru­hi­ge dich, Bri­ant«, ver­si­cher­te Iver­son, »wir wer­den es als eine Pf­licht be­trach­ten …«

»Schon gut, doch lass uns da­mit be­gin­nen, ein In­ven­tar von al­lem auf­zu­neh­men, was un­se­re Yacht ent­hält«, sag­te Gor­don. »Wir dür­fen nicht al­lein ans Es­sen und Trin­ken den­ken.«

»Wir könn­ten einst­wei­len Scha­len­tie­re zum Früh­stück ein­sam­meln«, be­merk­te Ser­vice.

»Nun, mei­net­we­gen!« ant­wor­te­te Gor­don. »Nun auf, ihr Klei­nen, drei oder vier von euch mö­gen ge­hen. Moko, du wirst sie be­glei­ten.«

»Ge­wiss, Herr Gor­don.«

»Und du gibst hübsch auf sie acht«, setz­te Bri­ant hin­zu.

»Ängs­ti­gen Sie sich nicht!«

Der Schiffs­jun­ge, auf den man sich ver­las­sen konn­te, ein sehr dienst­wil­li­ger, ge­schick­ter und ent­schlos­se­ner Bur­sche, ver­sprach den jun­gen Schiff­brü­chi­gen nach bes­ten Kräf­ten Diens­te zu leis­ten. Er fühl­te sich vor­züg­lich zu Bri­ant hin­ge­zo­gen, der sei­ner­seits kein Hehl aus der Teil­nah­me mach­te, die er für Moko heg­te, eine Teil­nah­me, über wel­che sei­ne an­gel­säch­si­schen Ge­fähr­ten ohne Zwei­fel ge­spöt­telt hät­ten.

»Nun vor­wärts also!« rief Jen­kins.

»Du be­glei­test sie nicht, Jac­ques?« frag­te Bri­ant, sich an sei­nen Bru­der wen­dend.

Jac­ques ant­wor­te­te ver­nei­nend.

Jen­kins, Dole, Co­star und Iver­son bra­chen also un­ter Füh­rung Mo­kos auf und gin­gen am Rand der Klip­pen hin, wel­che das Meer jetzt ganz tro­cken­ge­legt hat­te. Vi­el­leicht konn­ten sie in den Zwi­schen­räu­men der Fels­blö­cke eine reich­li­che Ern­te von Scha­len­tie­ren, Mies­mu­scheln, Ta­schen­kreb­sen oder gar Aus­tern ein­heim­sen, und roh oder ge­kocht muss­ten die­se Scha­len­tie­re eine an­ge­neh­me Zu­ga­be zu dem Früh­stück bil­den. Sie spran­gen lus­tig da­hin, da sie in die­sem Aus­flug we­ni­ger des­sen Nut­zen als ein Ver­gnü­gen er­kann­ten. Das ent­sprach ja ih­rem Al­ter, und jetzt fehl­te ih­nen fast schon jede Erin­ne­rung an die schwe­ren Prü­fun­gen, die sie aus­ge­stan­den, eben­so wie die Sor­ge um die dro­hen­de Zu­kunft.

So­bald die klei­ne Ge­sell­schaft sich ent­fernt hat­te, gin­gen die Gro­ßen an die Nach­su­chun­gen an Bord der Yacht. Auf der einen Sei­te nah­men Do­ni­phan, Cross, Wil­cox und Webb die Durch­sicht der Waf­fen, des Schieß­be­darfs, der Klei­dungs­stücke, Bett­wä­sche, Gerä­te und Werk­zeu­ge des Schif­fes vor; auf der an­de­ren be­rech­ne­ten Bri­ant, Gar­nett, Bax­ter und Ser­vice, was an Ge­trän­ken, Wein, Ale, Bran­dy, Whis­ky und Gin, die sich in zehn bis vier­zig Gal­lo­nen hal­ten­den Fäss­chen im un­te­ren Raum be­fan­den, vor­han­den war. Nach der Auf­nah­me ei­nes je­den ein­zel­nen Ge­gen­stan­des ver­zeich­ne­te Gor­don die An­zahl oder das Maß in sein No­tiz­buch. Die­ses No­tiz­buch war üb­ri­gens schon vor­her mit Auf­zeich­nun­gen, be­tref­fend die Aus­rüs­tung und La­dung des Scho­ners, an­ge­füllt. Der me­tho­di­sche Ame­ri­ka­ner — der sich fast von Ge­burt an für al­les ver­ant­wort­lich zu füh­len schi­en — be­saß schon ein all­ge­mei­nes In­ven­tar­ver­zeich­nis, das bei die­ser Ge­le­gen­heit nur et­was be­rich­tigt zu wer­den brauch­te.

Zu­erst stell­te sich hier­bei her­aus, dass noch eine voll­stän­di­ge Se­rie von Se­geln und Ta­kel­werk al­ler Art, Lei­nen, Sei­le, Taue u. dergl. vor­han­den war. Wäre die Yacht noch flott ge­we­sen, so hät­te nichts ge­fehlt, sie wie­der in se­gel­kla­ren Zu­stand zu set­zen. Wenn die­se vor­treff­li­che Lein­wand, die­se neu­en Taue nun zwar nicht mehr zu ei­ner Schiffs­aus­rüs­tung die­nen soll­ten, so ver­spra­chen sie doch sehr nütz­lich zu wer­den, wenn es dar­auf an­kam, sich häus­lich ein­zu­rich­ten. Ei­ni­ge Fi­sche­rei­ge­rät­schaf­ten, Hand- und Grun­dan­geln, so­wie Schlepp­net­ze be­fan­den sich eben­falls un­ter die­sem In­ven­tar, und die­se wa­ren höchst schätz­bar, vor­aus­ge­setzt, dass es im Was­ser hier reich­lich Fi­sche gab.

Was die Waf­fen be­trifft, so hat­te Gor­don in sein No­tiz­buch fol­gen­des ein­ge­tra­gen; acht Zen­tral­feu­er-Jagd­ge­weh­re, eine weit­tra­gen­de En­ten­f­lin­te und ein Dut­zend Re­vol­ver. Der Schieß­be­darf be­zif­fer­te sich auf drei­hun­dert Pa­tro­nen für die Hin­ter­la­der­ge­weh­re, zwei Ton­nen Pul­ver von je fünf­und­zwan­zig Pfund und eine große Men­ge Blei, Schrot und Ku­geln. Die­se Mu­ni­ti­on, ur­sprüng­lich be­stimmt, auf den Jagd­zü­gen ver­wen­det zu wer­den, wenn der »Sloug­hi« an der Küs­te Neu­see­lands Auf­ent­halt nahm, ver­sprach hier ei­nem viel nütz­li­che­ren Zwe­cke, näm­lich der Be­schaf­fung von Nah­rungs­mit­teln, zu die­nen — wenn sie nicht gar ge­le­gent­lich zur Ver­tei­di­gung in An­spruch ge­nom­men wur­de. Die Pul­ver­kam­mer ent­hielt da­ne­ben eine große An­zahl Ra­ke­ten, zu Nacht­si­gna­len be­stimmt, und etwa drei­ßig Kar­tu­schen und Pro­jek­ti­le für die bei­den klei­nen Ka­no­nen der Yacht, von de­nen Ge­brauch zu ma­chen, man hof­fent­lich nicht zur Ab­wei­sung ei­nes An­griffs Ein­ge­bo­re­ner ge­nö­tigt wur­de.

Was die Toi­let­ten­ge­gen­stän­de und das Kü­chen­ge­rät an­ging, so war hier­von so viel vor­han­den, dass es die Be­dürf­nis­se der jun­gen Schiff­brü­chi­gen deck­te, selbst wenn de­ren Auf­ent­halt sich un­er­war­tet ver­län­gern soll­te. Wenn ein Teil des Ge­schirrs bei dem Auf­schla­gen des »Sloug­hi« zer­bro­chen war, so war doch mehr als ge­nug für Spei­se­kam­mer und Ta­fel üb­rig. Unent­behr­lich not­wen­di­ge Ge­gen­stän­de wa­ren das ja oh­ne­hin nicht. Von grö­ße­rer Wich­tig­keit er­schi­en ein hin­läng­li­cher Vor­rat von Klei­dungs­stücken aus Fla­nell, Tuch, Baum­wol­le und Lein­wand, um mit die­sen, je nach­dem die Tem­pe­ra­tur es er­for­der­te, wech­seln zu kön­nen. Lag die­ses Land näm­lich un­ter der­sel­ben Brei­te wie Neu­see­land — was schon der Um­stand wahr­schein­lich mach­te, dass der Scho­ner von dem Ha­fen von Auck­land aus stets durch west­li­che Win­de fort­ge­trie­ben wor­den war —, so muss­te hier im Som­mer große Hit­ze, im Win­ter aber recht emp­find­li­che Käl­te herr­schen. Glück­li­cher­wei­se be­fand sich an Bord eine große Men­ge sol­cher bei ei­nem mehr­wö­chent­li­chen Aus­flu­ge un­ent­behr­li­cher Klei­dungs­stücke, denn auf dem Meer muss­te man da­mit reich­lich ver­se­hen sein. Die Kis­ten und Kof­fer der Mann­schaft ent­hiel­ten un­ter an­de­rem Bein­klei­der, wol­le­ne Ja­cken, Wachs­tuch­rö­cke, di­cke ge­strick­te Wes­ten und St­rümp­fe, wel­che man für Gro­ße und Klei­ne pas­send ma­chen zu kön­nen hof­fen durf­te — kurz eine so rei­che Aus­wahl, dass man auch der win­ter­li­chen Jah­res­zeit be­ru­higt ent­ge­gen­se­hen konn­te. Es ver­steht sich von selbst, dass, wenn die Um­stän­de zum Ver­tau­schen des Scho­ners ge­gen eine an­de­re Woh­nung zwan­gen, je­der sein voll­stän­di­ges Bett­zeug mit­neh­men soll­te, und von Ma­trat­zen, Pfüh­len, Kopf­kis­sen und De­cken gab es einen sol­chen Vor­rat, dass der­sel­be bei sorg­sa­mer Be­hand­lung auf lan­ge Zeit aus­zu­rei­chen ver­sprach.

Lan­ge Zeit …! Ein Wort, das viel­leicht »für im­mer« be­deu­te­te …?

Be­züg­lich der an Bord vor­han­de­nen In­stru­men­te ver­zeich­ne­te Gor­don in sei­nem No­tiz­buch: Zwei Baro­me­ter; ein hun­dert­tei­li­ges Wein­geist-Ther­mo­me­ter; zwei Schiff­suh­ren; meh­re­re je­ner kup­fer­nen Trom­pe­ten oder Hör­ner, wel­che im Ne­bel be­nützt wer­den und de­ren Ton auf sehr wei­te Ent­fer­nun­gen hin­aus­dringt; drei Fern­roh­re mit schwä­che­rer und stär­ke­rer Ver­grö­ße­rung; einen Deck­kom­pass (im Häu­schen) und zwei trag­ba­re klei­ne­re der­glei­chen; ein »Stormglass«,1 wel­ches her­an­na­hen­de Stür­me vor­her mel­det; meh­re­re eng­li­sche Flag­gen, ohne das Sor­ti­ment von Flag­gen und Wim­peln zu rech­nen, de­ren man sich auf dem Mee­re zur Ver­stän­di­gung von ei­nem Schiff zum an­de­ren be­dient. End­lich fand sich hier auch ein Exem­plar je­ner Hal­ketts-Boo­te, d.h. je­ner klei­nen Fahr­zeu­ge aus Kaut­schuk, die sich in Form ei­nes Rei­se­sackes zu­sam­men­le­gen las­sen und zur Über­schrei­tung ei­nes Flus­ses oder Bin­nen­sees recht wohl ge­nü­gen.

Was die Werk­zeu­ge be­traf, so ent­hielt der Ar­beits­kas­ten des Tisch­lers da­von ein gan­zes Sor­ti­ment, ab­ge­se­hen von den Sä­cken mit Nä­geln, den Schrau­ben­zie­hern, Holz- und Me­tall­schrau­ben und Ei­sen­vor­rä­ten je­der Art, wel­che zu ge­le­gent­li­chen klei­nen Re­pa­ra­tu­ren der Yacht be­stimmt wa­ren. Knöp­fe, Näh­fa­den und Na­deln fehl­ten eben­falls nicht, denn in der Voraus­sicht häu­fig not­wen­di­ger Aus­bes­se­run­gen hat­ten die Müt­ter der Zög­lin­ge hier­für aus­rei­chend ge­sorgt. Au­ßer­dem lie­fen die Schiff­brü­chi­gen kei­ne Ge­fahr, des Feu­ers ent­beh­ren zu müs­sen, denn ne­ben ei­nem großen Vor­rat an Streich­hölz­chen muss­ten die Zünd­schnü­re und Feu­er­stäh­le auf lan­ge Zeit hin­aus ge­nü­gen, so­dass sie in die­ser Hin­sicht völ­lig be­ru­higt sein konn­ten.

An Bord be­fan­den sich fer­ner in großem Maß­sta­be ent­wor­fe­ne Land- und See­kar­ten, wel­che frei­lich, da sie sich nur auf die Küs­ten Neu­see­lands be­zo­gen, hier im un­be­kann­ten Lan­de nutz­los er­schie­nen. Zum Glück hat­te Gor­don einen all­ge­mei­nen At­las der Al­ten wie der Neu­en Welt mit­ge­nom­men, und zwar den »Gro­ßen Stie­ler«, der be­züg­lich der neue­ren Geo­gra­fie al­len üb­ri­gen ähn­li­chen Wer­ken vor­an­steht. Die Biblio­thek der Yacht zähl­te über­dies vie­le gute eng­li­sche und fran­zö­si­sche Bü­cher, meist Rei­se­schil­de­run­gen und äl­te­re wis­sen­schaft­li­che Ar­bei­ten, ohne von den bei­den be­rühm­ten Ro­bin­sons zu re­den, wel­che Ser­vice eben­so, wie einst Ca­moëns sei­ne »Lu­sia­den« ge­ret­tet hat­te — und das­sel­be galt auch von Gar­netts Zieh­har­mo­ni­ka, wel­che die Stö­ße bei der Stran­dung heil und ge­sund über­stan­den hat­te. Ne­ben vor­ge­nann­tem Le­se­stoff fan­den sich end­lich alle Schreib­be­dürf­nis­se, Fe­dern, Blei­stif­te, Tin­te und Pa­pier, und schließ­lich ein Ka­len­der des Jah­res 1860, in wel­chem Bax­ter je­den ver­flos­se­nen Tag zu strei­chen über­nahm.

»Es war am 10. März«, sag­te er, »als un­ser ar­mer ›Sloug­hi‹ auf die Küs­te ge­wor­fen wur­de. Ich strei­che also den 10. März, so­wie alle schon ver­gan­ge­nen Tage die­ses Jah­res.«

Zu er­wäh­nen wäre hier noch eine Sum­me von fünf­hun­dert Pfund in Gold­stücken, wel­che im Geld­schrank der Yacht vor­ge­fun­den wur­de. Vi­el­leicht fand die­ses Geld ein­mal Ver­wen­dung, wenn die jun­gen Schiff­brü­chi­gen etwa einen Ha­fen er­reich­ten, von dem aus sie nach der Hei­mat zu­rück­keh­ren konn­ten.

Gor­don be­schäf­tig­te sich dann mit sorg­fäl­ti­ger Auf­nah­me der im un­te­ren Raum ver­stau­ten Fäs­ser. Ver­schie­de­ne der­sel­ben, wel­che mit Gin, Ale und Wein an­ge­füllt ge­we­sen wa­ren, hat­ten durch die Stö­ße bei der Stran­dung so arg ge­lit­ten, dass ihr In­halt völ­lig aus­ge­lau­fen war. Nach die­sem nicht wie­der zu er­set­zen­den Ver­lus­te emp­fahl es sich also dop­pelt, mit dem Rest­be­stand sorg­sam um­zu­ge­hen.

Der Raum des Scho­ners barg aber im­mer noch etwa hun­dert Gal­lo­nen Weiß­wein oder Sher­ry, fünf­zig Gal­lo­nen Gin, Bran­dy und Whis­ky; vier­zig Ton­nen Ale, jede zu fünf­und­zwan­zig Gal­lo­nen (1 Gal­lo­ne eng­lisch gleich 4½ Li­ter), und mehr als 30 Fla­schen mit ver­schie­de­nen Li­kö­ren, die in ih­rer dich­ten Stroh­ver­pa­ckung den Stö­ßen an den Klip­pen un­be­schä­digt wi­der­stan­den hat­ten.

Man er­sieht hieraus, dass den fünf­zehn frü­he­ren In­sas­sen des »Sloug­hi« für eine ge­wis­se Zeit kein Man­gel an ei­gent­li­chen Le­bens­be­dürf­nis­sen droh­te, und es er­üb­rig­te sich fest­zu­stel­len, ob auch das Land selbst noch ei­ni­ge Hilfs­mit­tel lie­fer­te, um jene nicht al­lein in An­spruch neh­men zu müs­sen. War es näm­lich eine In­sel, auf wel­che der lan­gan­dau­ern­de Sturm sie ver­schlug, so durf­ten sie kaum hof­fen, die­sel­be je wie­der ver­las­sen zu kön­nen, wenn nicht etwa ein Schiff in die Nähe der­sel­ben kam, dem sie ihre An­we­sen­heit zu er­ken­nen zu ge­ben ver­moch­ten.

Eine Re­pa­ra­tur der Yacht, die Aus­bes­se­rung ih­rer bis in den Grund ge­lo­cker­ten Rip­pen wie die Dich­tung der leck­ge­wor­de­nen Ver­plan­kung, über­stieg eben­so ihre Kräf­te, wie es die Be­nut­zung von Hilfs­werk­zeu­gen er­for­dert hät­te, die ih­nen nicht zu Ge­bo­te stan­den. An die Her­stel­lung ei­nes neu­en Fahr­zeugs aus den Trüm­mern des al­ten konn­ten sie aber gar nicht den­ken, und wie hät­ten sie, bei ih­rem Man­gel an Kennt­nis­sen in der Schiff­fahrts­kun­de, es er­mög­li­chen sol­len, durch den Stil­len Ozean nach Neu­see­land zu­rück­zu­se­geln? Vi­el­leicht wäre es mit­tels der Boo­te des Scho­ners tun­lich ge­we­sen, ein Fest­land oder eine an­de­re In­sel zu er­rei­chen, wenn sich in der Nähe die­ses Teils des Stil­len Ozeans eine sol­che be­fand. Die bei­den Boo­te wur­den aber durch den Wo­gen­schlag weg­ge­ris­sen, und an Bord lag nur noch die Jol­le, wel­che höchs­tens zu kür­ze­ren Fahr­ten längs der Küs­te ge­nüg­te.

Ge­gen Mit­tag ka­men un­ter Füh­rung Mo­kos die Klei­nen nach dem »Sloug­hi« zu­rück. Durch ernst­haf­te Durch­füh­rung ih­res Vor­ha­bens hat­ten sie sich wirk­lich nütz­lich zu ma­chen ver­stan­den, denn sie brach­ten einen reich­li­chen Vor­rat an Scha­len­tie­ren mit, de­ren Zu­be­rei­tung der Schiffs­jun­ge so­fort in die Hand nahm. Eier muss­te es wohl auch in großer Men­ge ge­ben, denn Moko hat­te sich von dem Vor­han­den­sein un­zäh­li­ger ess­ba­rer Fel­sen­tau­ben über­zeugt, wel­che in den Lö­chern und Spal­ten des ho­hen Steilufers nis­te­ten.

»Das ist schön!« rief Bri­ant; »so wer­den wir an ei­nem der nächs­ten Mor­gen eine Jagd ver­an­stal­ten, wel­che sehr er­folg­reich aus­zu­fal­len ver­spricht.«

»Ganz ge­wiss«, be­stä­tig­te Moko; »drei bis vier Flin­ten­schüs­se müs­sen uns Dut­zen­de von je­nen Tau­ben lie­fern. Was die Nes­ter an­geht, so dürf­te es durch Em­por­klet­tern oder Herab­las­sen an ei­nem Tau nicht all­zu schwie­rig sein, die­sel­ben aus­zu­neh­men.«

»Ein­ver­stan­den!« be­merk­te Gor­don. »Vi­el­leicht spürt Do­ni­phan Lust, sich schon mor­gen auf die Jagd zu be­ge­ben …?«

»Mit größ­tem Ver­gnü­gen!« ver­si­cher­te Do­ni­phan. »Webb, Cross und Wil­cox, ihr be­glei­tet mich doch da­bei?«

»Herz­lich gern!« rie­fen die jun­gen Kna­ben, er­freut, auf die nach Tau­sen­den zäh­len­den Tau­ben Feu­er ge­ben zu sol­len.

»Ich emp­feh­le euch je­doch«, ließ Bri­ant sich ver­neh­men, »nicht gleich zu vie­le Tau­ben zu er­le­gen. Im Fal­le des Be­darfs fin­den wir sie schon wie­der. Vor al­lem gilt es, Pul­ver und Blei nicht zu ver­geu­den …«

»Schon gut …! Schon gut!« fiel ihm Do­ni­phan ins Wort, der sol­che Er­mah­nun­gen nicht lieb­te, vor­züg­lich wenn sie von Bri­ant aus­gin­gen. »Wir neh­men nicht zum ers­ten Mal ein Ge­wehr in die Hand und brau­chen kei­ne gu­ten Ratschlä­ge.«

Nach Ver­lauf ei­ner Stun­de mel­de­te Moko, dass das Früh­stück fer­tig sei. Alle be­ga­ben sich ei­lig wie­der an Bord des Scho­ners und nah­men im Spei­se­sa­lon Platz. Bei der Lage der Yacht neig­te sich die Ta­fel sehr merk­lich nach Back­bord. Das be­läs­tig­te je­doch die Kin­der nicht, wel­che die Be­we­gun­gen des Schif­fes schon ge­wöhnt wa­ren. Die Scha­len­tie­re, vor­züg­lich die Mies­mu­scheln, wur­den vor­treff­lich be­fun­den, ob­wohl ihre Zu­be­rei­tung zu wün­schen üb­rig ließ. In die­sem Al­ter ist der Hun­ger aber ja stets der bes­te Koch. Schiffs­zwie­back, ein tüch­ti­ges Stück Cor­ned beef und fri­sches Was­ser, ge­schöpft an der Mün­dung des Rios zur­zeit der Ebbe, wo es also kei­nen Salz­ge­schmack ha­ben konn­te, und ge­würzt mit we­ni­gen Trop­fen Bran­dy — das al­les bil­de­te zu­sam­men eine gar nicht zu ver­ach­ten­de Mahl­zeit.

Der Nach­mit­tag wur­de ver­schie­de­nen Auf­räu­mungs­ar­bei­ten im Schiffs­rau­me und der Ord­nung der in­ven­ta­ri­sier­ten Ge­gen­stän­de ge­wid­met. Wäh­rend­des­sen be­schäf­tig­te sich Jen­kins nebst ei­ni­gen klei­nen Ge­nos­sen mit dem An­geln im Flus­se, der von Fi­schen man­cher­lei Art ge­ra­de­zu wim­mel­te. Nach dem Abendes­sen aber be­ga­ben sich alle zur Ruhe, mit Aus­nah­me Bax­ters und Wil­cox’, wel­che bis Ta­ge­s­an­bruch die Wa­che über­nah­men.

So ver­ging die ers­te Nacht auf die­sem Er­den­win­kel des Stil­len Ozeans.

Al­les in al­lem sa­hen sich die­se Kna­ben nicht von den Hilfs­quel­len ent­blö­ßt, wel­che Schiff­brü­chi­gen an öden Küs­ten so häu­fig man­geln. Un­ter den Ver­hält­nis­sen, in wel­chen sie sich be­fan­den, hät­ten ar­beits­fä­hi­ge und um­sich­ti­ge Män­ner alle Aus­sicht ge­habt, ihre Lage ganz er­träg­lich zu ge­stal­ten. Wür­den die­se Kna­ben aber, de­ren äl­tes­ter vier­zehn Jah­re zähl­te, wenn es ih­nen be­stimmt war, lan­ge Jah­re un­ter sol­chen Ver­hält­nis­sen aus­zu­har­ren, es auch ver­mö­gen, sich alle Le­bens­be­dürf­nis­se zu be­schaf­fen …? Das ist wohl ei­ni­ger­ma­ßen zu be­zwei­feln.

1 Ein Sturm­glas, auch FitzRoy-Sturm­glas (nach dem Ad­mi­ral Ro­bert FitzRoy) oder Cam­pher­glas, ist ein mit Was­ser, Etha­nol, Cam­pher, Ka­li­um­ni­trat und Am­mo­ni­um­chlo­rid ge­füll­tes Glas­rohr, in dem ge­le­gent­lich Kris­tal­le in un­ter­schied­li­chen For­men wach­sen und sich wie­der auf­lö­sen. Es wird be­haup­tet, dass die­se Ver­än­de­run­gen Stür­me oder Schlecht­wet­ter­fron­ten an­kün­di­gen, je­doch konn­te eine sol­che Eig­nung zur Wet­ter­vor­her­sa­ge wis­sen­schaft­li­che nicht be­stä­ti­gen wer­den. (WIKIPEDIA) <<<

Zwei Jahre Ferien

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