Читать книгу Sterne, die begehrt man nicht - Juli van Bohm - Страница 8

Stimmungswandel

Оглавление

Wieder einmal hatte Leary mehr schlecht als recht vor dem Fernseher geschlafen, als der Wecker am Morgen erbarmungslos schellte. Der erste Pflichttermin, das Interview mit der Francine-Reporterin, stand kurz bevor. Ein eigentümliches Gefühl hatte ihn ergriffen, das sich weder durch eine ausgiebige Dusche noch durch einen starken Kaffee vertreiben ließ. Connor blickte auf das appetitlich angerichtete Frühstück, das der Zimmerservice gebracht hatte. Er verspürte ein leichtes Gefühl der Übelkeit. Nein, er konnte heute Morgen keinen Bissen zu sich nehmen. Stattdessen warf er zwei Schmerztabletten in ein Glas und füllte es mit Wasser auf. Nachdenklich beobachtete er das Sprudeln der Tabletten, die sich langsam auflösten. Sein Kopf brummte heftig. Hoffentlich hilft das Aspirin, dachte er. Ansonsten würde der anstehende Termin noch unangenehmer werden als befürchtet. Ihn störte vor allem die Aussicht auf bohrende Fragen zu seiner Person. Er wollte von seinem Privatleben nichts mehr preisgeben – Image hin oder her. Leos Idee mochte gewinnbringend und öffentlichkeitswirksam sein, förderlich für Connors Wohlbefinden war sie jedoch nicht. Er kippte die inzwischen aufgelösten Tabletten rasch hinunter und schüttelte sich angewidert. Warum hatte er nur so viel Whisky getrunken?

„Ab sofort gibt es bloß noch Wasser“, murmelte er leise, wenig überzeugt von seinen eigenen Worten. Was war nur aus ihm geworden? Was hatte der Bruch mit Hannah aus ihm gemacht? War sie wirklich so wichtig für ihn gewesen? Anfangs gewiss, aber zuletzt hatten sie sich derart selten gesehen, dass es gar keine richtige Beziehung mehr gewesen war. Wenn er ehrlich war, vermisste er sie nur selten, aber den Vertrauensbruch, den sie begangen hatte, konnte er ihr nicht verzeihen. Er zwang sich, Hannah aus seinen Gedanken zu verdrängen und sich auf das bevorstehende Interview zu konzentrieren. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihm, dass er eindeutig zu wenig Schlaf gehabt hatte in letzter Zeit. Na ja, so sah er heute halt aus. Auch wenn sein Anblick vermutlich nicht den Vorstellungen der Reporterin entsprach, musste sie sich mit seiner ramponierten Erscheinung zufriedengeben. Nicht ohne Grund hatte er ein Fotoshooting abgelehnt. Sollte sie doch ein Bild aus dem Archiv nehmen, mittlerweile war er wirklich oft genug abgelichtet worden.

Connor griff nach dem Koffer, den er gestern noch nicht ausgepackt hatte. Zwar hätte er den Service des Hotels in Anspruch nehmen können, aber er mochte es nicht, wenn fremde Menschen Einblicke in seine privaten Dinge hatten. Das rächte sich jetzt. Achtlos warf er den Koffer auf das Bett und räumte seine Sachen lustlos in den Schrank. Er zog seine ausgeblichenen Lieblingsjeans hervor. Der Tag heute hatte so mies begonnen, dass er sich wenigstens bequem anziehen wollte. Er hatte nicht die geringste Lust, sich für das Interview zu stylen.

Ein ungeduldiges Klopfen unterbrach seine übellaunigen Gedanken.

„Bist du fertig?“, Holmes steckte ungefragt seinen Kopf durch die Tür. Er war schon wieder in Höchstform, tadellos gekleidet und schier unerträglich munter.

„Was willst du?“, ungehalten blickte Connor ihn an. „Darf ich mich wenigstens ungestört anziehen?“

Holmes winkte ab. „Mir scheint, du bist mal wieder blendend gelaunt, wie immer in letzter Zeit. Wenn du die Dame vom Frauenjournal nicht mit bloßem Body empfangen möchtest, dann solltest du dich etwas beeilen. Sie ist bereits auf dem Weg nach oben. Der Portier hat gerade Bescheid gegeben.“ Stirnrunzelnd registrierte er Connors legeres Erscheinungsbild.

„Muss das wirklich sein?“

Natürlich wusste Connor, worauf Leo anspielte und lächelte schief. „Ja, es muss tatsächlich sein. Das ist mein Wohlfühl-Outfit. Gibt es irgendetwas daran auszusetzen?“ Provozierend streifte er sich ein ausgeleiertes T-Shirt über und glättete sich die widerspenstigen, feuchten Haare mit den Fingern.

„Wann wirst du endlich begreifen, dass nicht jeder so schauderhaft frisch und erholt aussehen kann wie du?“, beruhigend tätschelte er Holmes‘ Schulter. „Und nun mach, dass du rauskommst. Die Dame wird meinen Anblick schon ertragen.“

„Ich sollte vielleicht besser bleiben“, Holmes‘ Blicke wanderten kritisch durch den Raum. „Na ja, wenigstens ist es aufgeräumt.“

„Meine Güte, Leo, du benimmst dich wie meine Gouvernante.“ Connor schlüpfte in seine Espadrilles.

„Ich werde das Interview schon schaukeln, mach dir keine Gedanken. Es ist doch nicht mein erstes.“

„Eben“, Holmes blickte ihn skeptisch an. „Versprich mir, dass du nicht ausfallend oder sarkastisch wirst. Wir können keine weitere negative Publicity gebrauchen.“

„Das weiß ich inzwischen. Das läuft bei dir in Endlosschleife. Was glaubst du, warum ich mich auf diese Unterhaltungssendung und diesen“ – er machte eine abwertende Handbewegung – „Quatsch hier eingelassen habe?“

„Es ist kein Quatsch“, Holmes verlor langsam die Geduld. „Es gehört zu deinem Job, wann begreifst du das endlich?“

„Mein Job besteht darin, vernünftige Filme zu drehen und nicht, dumme Fragen zu beantworten.“

„Doch, genau darin besteht ein Teil deiner Aufgabe“, Holmes wurde laut. „Denn du musst dich, deine Filme, halt die ganze Person verkaufen – und dazu gehören eben auch Interviews und PR-Auftritte. Langsam bin ich es leid, dir das stets aufs Neue erklären zu müssen. Ganz abgesehen davon, dass du nicht nur für dich verantwortlich bist, sondern für das gesamte Team und die Menschen, die für dich arbeiten.“

„Schon gut“, Connor lenkte ein. „Ich habe keine Lust, mich mit dir zu streiten. Du hast wahrscheinlich recht – wie immer.“ Er zuckte mit den Schultern. „Sorry, ich gebe dir mein Wort, dass ich alles zu deiner Zufriedenheit erledigen werde. Ich bemühe mich, höflich, charmant und zuvorkommend zu sein. Ein vollendeter Gentleman eben, aber in einer verwaschenen Jeans.“ Er grinste Leo müde an. „Und jetzt verschwinde, ehe sie hier auftaucht, okay.“

„Wie du meinst.“ Widerstrebend verließ Holmes die Suite. Es war schon angenehmer gewesen, mit seinem Schützling zusammenzuarbeiten. Weiß Gott, das war es.

Connor warf einen letzten Blick in den Spiegel, als es erneut klopfte.

„Auf geht‘s“, murmelte er sich aufmunternd zu, ehe er die Tür öffnete.

Grüne Augen, das war das Erste, was ihm auffiel. Sie hatte unglaublich grüne Augen und wunderschönes, kastanienbraunes Haar, das ihr glänzend auf die Schulter fiel. Leicht irritiert bat er sie herein. Er musste zugeben, er war positiv überrascht. So hübsch hatte er sich die angekündigte Emily Simon nicht vorgestellt. Wie alt sie wohl sein mochte? Vielleicht Ende zwanzig, Anfang dreißig. Egal, sie strahlte eine natürliche Schönheit aus, die ihm gefiel. Ein angenehmer Gegensatz zu den vielen hübschen Kunstgeschöpfen der Filmbranche, die ihn ansonsten umgaben. Fast hätte er aufgelacht, als er bemerkte, dass auch sie Jeans trug. Was Leo wohl dazu gesagt hätte? Den Champagner, den er ihr anbot, lehnte sie ab und verlangte stattdessen nach einem Saft. Connor nahm sich bewusst Zeit, ihren Wunsch zu erfüllen. Diese Zeit brauchte er, um den ersten Eindruck auf sich wirken zu lassen. Sicher würde auch sie ihn mustern, denn Neugierde gehörte schließlich zu ihrem Metier. Sie schien in Gedanken versunken, als er zu ihr trat, um ihr das Glas Orangensaft zu reichen. Bislang hatte sie noch nicht viel gesagt, sich nur über seine deutschen Sprachkenntnisse gewundert. Eine Reaktion, die ihm durchaus geläufig war. Dennoch beschloss er, sich durch diese Taktik nicht aus der Reserve locken zu lassen. Seiner Erfahrung nach konnte es nur schaden, zu redselig zu sein. Klar, auch die Presse wollte leben, aber bitte nicht auf seine Kosten. Erstaunlicherweise schien sie sich unbehaglich zu fühlen. War sein Ruf inzwischen derart ruiniert? Holmes hatte in letzter Zeit mehrfach etwas Ähnliches angedeutet, aber Connor hatte diese Bemerkungen ignoriert. Es war ihm egal. Er dachte schlecht über die Presse, und die Presse dachte schlecht über ihn. Na und! Vielleicht war diese Gleichgültigkeit tatsächlich ein Fehler gewesen? Nun denn, dann würde er sich jetzt eben bemühen, diesen Schnitzer zu korrigieren.

„Sie haben hoffentlich nichts dagegen, dass ich unser Gespräch aufzeichne?“, fragend blickte sie ihn an und zog vorsichtig ein kleines Aufnahmegerät aus ihrer Tasche. Aha, jetzt kommt sie zur Sache, dachte Connor amüsiert.

„Natürlich nicht“, er nickte zustimmend. „Tun Sie, was immer Sie tun müssen.“

Sie blickte ihn herausfordernd an und spielte unbewusst mit einer Haarsträhne.

„Hassen Sie Reporter?“

Connor lachte auf. Mit dieser Frage hatte er nun wirklich nicht gerechnet, aber er musste zugeben, sie hatte durchaus ihre Berechtigung. Dann wurde er ernst.

„Vielleicht“, gab er zu. „Ab und an ist das wohl so. Allerdings ist ‚hassen‘ ein sehr starkes Wort. Ich würde eher sagen, ich kann einige Vertreter dieses Genres nicht besonders gut leiden. Reicht Ihnen diese Antwort?“

„Gilt das auch für mich? Das macht es nicht unbedingt leicht, ein angenehmes Interview zu führen.“

„Ich denke, das sage ich Ihnen nach unserem Gespräch oder besser noch, nachdem ich Ihren Artikel über mich gelesen habe.“

Allmählich bekam er Spaß an der Sache.

„Nun gut“, tastete sie sich vor und lächelte ihn auf eine so bezaubernde Art an, dass er spontan zurücklächelte. „Dann besteht ja noch die Hoffnung, dass wir ein gutes Interview zustande bringen.“ Sie nippte zaghaft an ihrem Saft. „Werfen wir also einen Blick auf Ihre unglaubliche Karriere, Mr. Leary. Was war Ihrer Meinung nach entscheidend für Ihren beruflichen Werdegang?“

„Das ist im Grunde ganz einfach. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und habe die passenden Worte gefunden“, Leary zuckte mit den Schultern. „So war es tatsächlich. Ich habe als Student in den Filmstudios gejobbt, Kabelrollen getragen und anfallende Hilfsarbeiten erledigt. Dann sprang ein Darsteller kurzfristig ab. Scheinbar entsprach ich optisch der Vorstellung des Regisseurs, denn er schlug mich als Ersatz vor. Es folgten ein kurzes Gespräch und einige Probeaufnahmen, und schon nahm eine neue Hollywoodkarriere ihren Anfang. Ganz unspektakulär, nicht wahr. Ich hoffe, Sie sind jetzt nicht enttäuscht.“

„Keineswegs“, Emily schüttelte den Kopf. „Es klingt doch recht aufregend, wenn es wahr ist. Allerdings dachte ich bislang, solche Geschichten wären Erfindungen von einfallsreichen Managern.“

„Ich kann Ihnen versichern, so fantasievoll ist mein Manager in diesen Dingen nicht. Sie können mir also glauben. In Hollywood ist manches möglich.“

„Was bleibt mir anderes übrig?“, lächelte sie. „Aber lassen Sie uns über Ihren nächsten Film ‚21 Clans‘ sprechen. Es heißt, Sie werden einen Freiheitskämpfer spielen, der im 14. Jahrhundert in Schottland gelebt hat. Liegen Ihnen historische Heldenrollen besonders oder würden Sie gerne einmal einen richtigen Bösewicht verkörpern?“

„Ja, die Schurkenrolle würde mir in der Tat Spaß machen“, grinste Connor, „aber leider scheine ich diesem Typus nicht zu entsprechen.“

„Der Vorstellung, die man von einem leidenschaftlichen Liebhaber und Helden hat, wohl eher, wie es scheint?“, Emily blickte ihn fragend an.

„Meinen Sie?“, Connor fand Gefallen daran, sie ein wenig in Verlegenheit zu bringen. „Es ist halt das, was der Zuschauer in mir sehen möchte. Ob es der Realität entspricht oder nicht, ist dabei völlig unerheblich. Schließlich lebt Hollywood in erster Linie vom schönen Schein.“

„Wie sieht denn die Realität, sprich Ihr Privatleben, inzwischen aus? Ähnelt es den Ihnen zugedachten Filmrollen?“, sie rutschte nervös auf dem Sofa hin und her. Offenbar schien ihr diese persönliche Frage unangenehm zu sein.

„Sie meinen sicherlich meine fabelhafte Beziehung zu meiner Ex-Frau?“

Obwohl Connor sich bemühte, gelang es ihm nicht, seine Verärgerung über ihre Frage zu unterdrücken. Seine Stimme klang gereizt, als er ihr antwortete. „Dazu gibt es wahrlich nichts mehr zu sagen. Die Presse weiß sehr genau, dass ich dabei keineswegs den Helden gespielt habe. Sie weiß übrigens erheblich mehr als ich selbst, wie ich feststellen musste.“

„Das tut mir leid. Sicher werden Ihnen oft Fragen zu diesem Thema gestellt. Verletzt Sie das?“ Emily blickte ihn verunsichert an.

Er runzelte die Stirn. „Abgesehen davon, dass es mich allmählich langweilt, weil ich dazu definitiv schon alles gesagt habe, was es von meiner Seite aus zu sagen gibt, gebe ich zu, dass es mich verletzt, wie sehr sich fremde Menschen an meinem privaten Unglück ergötzen können. Es sollte wichtigere und interessantere Dinge im Leben geben als den Beziehungsstress anderer Leute. Denken Sie nicht?“

Emily hob entschuldigend die Arme. „Schon, aber es gibt doch noch ein Leben nach Ihrer Scheidung. Es könnte ja sein, dass Sie bereits eine neue Liebe gefunden haben. Oder nicht? Bei Ihren Möglichkeiten dürfte das doch nicht schwierig sein?“ Gespannt schaute sie ihn an, wobei offensichtlich war, dass sie sich in ihrer Haut nicht besonders wohlfühlte.

Sogleich hatte Connor ein schlechtes Gewissen. Schließlich war diese junge Frau nicht schuld an seiner persönlichen Misere. Er reagierte noch immer überempfindlich, wenn die Sprache auf Hannah kam. Es stimmte, es sollte ein normales Leben nach dieser verkorksten Ehe geben. Nur bei ihm schien es noch nicht zu funktionieren. Er blickte in ihre ungewöhnlich grünen Augen, die ihn von Anfang an fasziniert hatten, und beugte sich leicht zu ihr vor. „Glauben Sie mir, sollte ich mich jemals wieder verlieben, werde ich es für mich behalten, solange es eben geht. Die Presse wird es definitiv zuletzt erfahren, das steht fest.“

„Heißt das, es gibt eine neue Frau in Ihrem Leben?“

„Kein Kommentar“, Connor lehnte sich wieder zurück.

Emily konnte die Enttäuschung in ihrer Stimme nicht verbergen. „Ich kann Sie gut verstehen, aber ein paar interessante Neuigkeiten über Ihre Person wären schon schön.“

„Sie meinen tatsächlich, mich gut zu verstehen?“, zweifelnd blickte er sie an. Er wusste selbst nicht, warum, aber plötzlich war es ihm wichtig, dass sie ihn tatsächlich verstand, dass ihn überhaupt jemand verstand. Vielleicht war es an der Zeit, mit der Vergangenheit aufzuräumen und reinen Tisch zu machen. Er fasste spontan einen Entschluss.

„Na schön, ich weiß, Sie möchten ein außergewöhnliches Interview, schließlich ist es Ihr Job.“ Er machte eine kurze Pause. „Ich verspreche Ihnen, Sie werden exklusive Statements von mir bekommen, wenn Sie mir im Gegenzug versprechen, meine Äußerungen weder aus dem Kontext zu reißen noch in Ihrem Sinne zu interpretieren. Leider habe ich diese Erfahrung bei Ihren Kollegen mehrfach machen müssen.“

Emily nickte zustimmend. Sie schien sich über seinen Vorschlag zu freuen.

„Dann hoffe ich, mich auf Sie verlassen zu können?“

Sein Blick versuchte zu ergründen, ob er ihr wirklich trauen konnte.

„Auf jeden Fall!“, Emily reichte ihm intuitiv die Hand zur Bekräftigung. „Sie haben mein Wort.“

Er schlug ein, wobei er über ihren festen Händedruck keineswegs verwundert war.

Lächelnd lehnte er sich zurück. „Dann legen Sie mal los. Sagen Sie mir ehrlich, was Sie besonders interessiert. Ich werde mich bemühen, Ihre Wünsche zu erfüllen.“

„Hm“, Emily sah nachdenklich aus. Offenbar suchte sie nach einem unverfänglichen Thema, um ihm nicht wieder unbeabsichtigt auf den Schlips zu treten. „Worüber würden Sie mir denn am liebsten etwas verraten, falls es so etwas überhaupt gibt?“

Connor amüsierte sich über diese diplomatische Antwort. „Am sinnvollsten wäre es wohl, Ihnen ein bisschen mehr von meinem neuen Filmprojekt zu erzählen“, schlug er vor. Dann wäre zumindest mein Manager hellauf begeistert.“

„Gerne, dann legen Sie mal los. Bislang weiß ich nur, dass Sie den sympathischen Helden mimen, obwohl Sie eigentlich lieber ein Bad Guy wären.“

Connor musste lachen. Er wollte es nicht zugeben, aber er freute sich, dass Emily Simon sich auf seinen Vorschlag einließ. Dabei wusste sie bestimmt genau, wovon der nächste Film handelte. Egal, er begann, sich ein wenig zu entspannen.

„Wie bereits gesagt. Der Film spielt im 14. Jahrhundert in Schottland. Vielleicht haben Sie schon einmal von Robert the Bruce gehört?“, fragend blickte er sie an, doch Emily schüttelte den Kopf und zuckte bedauernd mit den Schultern. Scheinbar hatte sie sich nicht intensiver mit dem historischen Hintergrund des Films auseinandergesetzt. Doch Connor störte ihre Unwissenheit nicht. Erklärend fuhr er fort: „Während der schottischen Unabhängigkeitskriege war Robert the Bruce Heerführer der Schotten und besiegte in der historischen Schlacht von Bannockburn das englische Heer, das damals von Eduard II befehligt wurde. Bruce hatte nicht überall den besten Ruf, denn er war durchaus grausam und schreckte auch vor Mord nicht zurück. Aber er war auch ein cleverer Stratege und Motivator. Es heißt, dass Mitglieder aus 21 schottischen Clans ihn damals auf dem Schlachtfeld unterstützt haben, was auch den Titel des Films erklärt. Ich spiele einen dieser Krieger. Einen Mann, der nicht nur bereit ist, sein Leben für Schottland zu opfern, sondern auch, sein Herz an eine schöne Frau zu verlieren.“ Er lachte. „Wie sollte es anders sein, schließlich wird in einem Hollywood-Blockbuster neben Mord und Totschlag auch ein bisschen Romantik erwartet. Historisch ist das Ganze relativ frei nacherzählt und längst nicht korrekt, was die Details betrifft, aber hoffentlich sehr spannend und unterhaltsam.“

Leary war seine Begeisterung anzumerken. „Das Drehbuch ist wirklich gut, auch wenn es jedem Historiker vermutlich Schweißperlen auf die Stirn treibt. Aber ich freue mich darauf, diesen Film zu drehen. Das Team reist für die Außenaufnahmen nach Schottland. Zwar nicht an den Originalschauplatz, aber in die Highlands und an die Küste. Das Ambiente gefällt dem Produzenten besser. Letztendlich ist es auch egal, Hauptsache, die Kulisse wirkt gut auf der Leinwand, der Rest wird dann sowieso im Studio gedreht.“

„Schottland muss aufregend sein“, antwortete Emily entzückt. „Ich war leider noch nicht dort, aber ich stelle es mir wild und ursprünglich vor.

„Vermutlich wird es das sein“, Connor lächelte über die Begeisterungsfähigkeit seiner Besucherin und schenkte ihr Saft nach.

„Darf ich Ihnen noch etwas anderes anbieten?“

„Nein danke“, sie schüttelte abwehrend den Kopf und fuhr fort. „Dann haben Ihre Fans also die Möglichkeit, Sie im Kilt zu bewundern und wir erfahren endlich, ob Mann was drunter trägt.“

Sie lachte ihn fröhlich an.

„Da muss ich Sie enttäuschen“, widersprach er entschieden. „Der Kilt wurde erst deutlich später erfunden und bleibt mir deshalb erspart. Aber wie Sie sehen, kann der Job des Schauspielers gelegentlich seine Tücken haben, also ‚Augen auf‘ bei der Berufswahl.“

„Was für Pläne hatten Sie, als Sie jung waren? Sie wollten doch offensichtlich nicht immer Schauspieler werden, wenn Sie zuvor studiert haben.“

„Stimmt. Ich habe Agrarwissenschaften studiert. Ich bin also im Grunde meines Herzens ein Farmer.“ Er lachte. „Hat das Ihre Vorstellung von mir jetzt erschüttert?“

„Keineswegs“, Emily stimmte in sein Lachen mit ein. „Ich finde, das ist auch ein Traumberuf. Halt ganz anders.“

„In der Tat, vielleicht hätte das besser zu mir gepasst.“

„Haben Sie Ihre Frau an der Uni kennengelernt?“

Vorsichtig tastete sich Emily ein weiteres Mal an seinen wunden Punkt heran. Sein Lachen verstummte augenblicklich und wich einem düsteren Blick.

„Nein, wir kennen uns schon seit der Kindheit. Sie war sozusagen meine Sandkastenliebe. Eine Zeit lang hatten wir uns aus den Augen verloren, aber wir haben später wieder zueinandergefunden.“ Connor erhob sich, um sich ein Glas Wasser einzuschenken.

„Apropos Liebe“, fuhr Emily fort. „Mich würde Ihre Einstellung zur Liebe interessieren. Fällt es einem wirklich leichter, sich zu verlieben, wenn man umschwärmt, begehrt und bewundert wird? Oder wird es dadurch immer komplizierter? Wie kann in diesem Umfeld wahre Liebe entstehen? Ist nicht alles furchtbar oberflächlich? Wann wissen Sie, ob Sie als Mensch gemocht oder nur Ihr Image und Ihr Geld begehrt werden? Ich stelle mir das sehr schwierig vor.“

Nachdenklich ließ er sich erneut auf der Sitzgarnitur nieder und schloss die Augen, um seine Gedanken in die Vergangenheit schweifen zu lassen. Er seufzte und warf ihr einen Blick zu, der ungewollt offenbarte, wie schmerzvoll seine Erfahrungen gewesen waren. Schließlich beugte er sich vor und nickte zustimmend.

„Das waren aber eine Menge Fragen. Ja, da liegen Sie nicht falsch. Unsere Branche ist oberflächlich – teilweise jedenfalls. Aber auch wir sind abseits des Sets gewöhnliche Menschen mit ganz normalen Bedürfnissen. Daran ändert der Erfolg nichts. Was die Liebe betrifft, sehe ich es so. Liebe ist etwas Einmaliges, unendlich Wichtiges, nein – ich würde sogar sagen, das Wichtigste im Leben.“ Er lächelte versonnen. „Meine Frau Hannah war für mich lange Zeit eine unerschütterliche Festung, zu der ich nach jedem Film zurückkehren konnte. Wie gesagt, wir kannten uns schon seit der Kindheit. Sie hatte also nichts mit dem Filmbusiness zu tun. Wir haben damals gemeinsam für meinen Erfolg gekämpft, obwohl unsere Pläne ursprünglich andere waren. Sie hat für mich ihre eigene Karriere zurückgestellt. Ich habe das als selbstverständlich angesehen. Ich habe geglaubt, sie sei mein bester Freund. Vor allem habe ich angenommen, das würde immer so bleiben. Und da lag mein Fehler. Ich habe aufgehört, an unserer Beziehung zu arbeiten. Vielleicht übersteht eine wahre Liebe zahlreiche Trennungen und Opfer. Das, was sie und ich für Liebe gehalten haben, hat es jedenfalls nicht überstanden. Es hat unser Verhältnis zerstört, dass ich ständig unterwegs, beschäftigt und abgelenkt war. Während ich im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand, hat sie sich gelangweilt und war allein. Sie wollte Aufmerksamkeit, und ich habe sie ihr nicht gegeben. Sie hat sich eine Zeit lang damit abgefunden. Schließlich hat mein Ruhm ihr in dem Maße gefallen, wie er ihr ein luxuriöses Leben ermöglichte. Der Verzicht auf Privatleben und Zweisamkeit, der gleichermaßen damit verbunden war, gefiel ihr allerdings immer weniger. Sie wollte von mir bewundert und begehrt werden – und ich war nicht da, um ihr meine Bewunderung zu zeigen. Was liegt in so einem Fall näher, als sich nach jemandem umzusehen, der einem auf emotionaler Ebene genau das gibt, was man braucht, um glücklich zu sein? Sie hat sich für diesen Weg entschieden, das muss ich akzeptieren. Auch wenn es mir immer noch sehr schwerfällt und unendlich wehgetan hat.“

Er rieb sich nachdenklich das Kinn. „Vor allem wohl deshalb, weil ihr Lover mein bester Freund war. Auch ihm konnte ich lange Zeit nicht verzeihen. Noch heute stelle ich mir vor“, sagte er leise mehr zu sich selbst, „was die beiden wohl über mich gedacht haben, wenn wir zu dritt unterwegs waren? Sie müssen mich für reichlich naiv gehalten haben.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich kann nichts dafür, für mich hat Treue noch einen hohen Stellenwert. Kaum zu glauben, nicht wahr? Aber wenn ich mich für jemanden entschieden habe, dann ohne Wenn und Aber. Vermutlich teilen auch Sie das Vorurteil, dass ein Schauspieler laufend mit attraktiven Frauen flirtet und flüchtige Affären hat.“

„Haben Sie?“, warf Emily unvermittelt ein.

„Ich denke, das muss ich nicht wirklich kommentieren.“

„Warum nicht?“, forderte Emily ihn heraus, wobei ihre leicht zitternde Stimme ihm ihre Nervosität verriet.

Er stand auf und ging zum Fenster, wobei er ihren Blick förmlich im Rücken spürte. Connor drehte sich langsam um. „Sie sind aber hartnäckig. Ich dachte, ich hätte meine Einstellung gerade unmissverständlich klar gemacht. Aber um Ihre Frage konkret zu beantworten. Nein, habe ich nicht, obwohl es sicherlich genug Gelegenheiten gegeben hätte und immer noch gibt.“

„Was genau hindert Sie daran, diese Angebote anzunehmen?“ Nervös nippte Emily an ihrem Glas, um ihre trockene Kehle zu befeuchten. „Es würde vielleicht helfen, die Wut über Ihre Frau zu mindern und die Einsamkeit zu vertreiben?“

Seine Finger fuhren über den Rand seines Glases.

„Nein. Das ist nicht der richtige Weg für mich. Auch weiß ich nie, ob jemand an mir oder an meiner Prominenz interessiert ist.“ Er blickte auf. „Ich möchte keinen oberflächlichen Sex, sondern eine ganz besondere Intimität erleben. Dazu brauche ich absolutes Vertrauen zu einer Person. Vielleicht ist ein One-Night-Stand einfach nicht das, was ich suche. Haben Sie denn Affären?“

Vor Überraschung hätte Emily sich beinahe verschluckt.

„Natürlich nicht!“, entrüstet blickte sie Connor an. „Wie kommen Sie darauf?“

Er lachte auf. „Ist das so abwegig? Sie sind jung und attraktiv, es dürfte für Sie kein Problem sein, jemanden kennenzulernen. Oder sind Sie verheiratet?“

Abwehrend hob sie die Hände und schüttelte den Kopf. Connor grinste.

„Na also, warum sollte es bei mir anders sein? Weil ich ein Mann oder weil ich Schauspieler bin? Oder aus beiden Gründen? So simpel ist vielleicht die Sicht der Boulevardpresse und deren Leser, aber die Wirklichkeit ist weitaus komplexer.“

Er schlenderte zur Couch zurück und nahm den Platz ihr gegenüber wieder ein.

„Haben Sie Ihre Ex-Frau so sehr geliebt, dass Sie vorerst keine neue Beziehung eingehen möchten? Oder lieben Sie sie womöglich immer noch?“, interessiert sah Emily ihn an.

Connor seufzte leise, ehe er antwortete. „Obwohl das Ende unserer Beziehung eine persönliche Katastrophe für mich war, muss ich zugeben, dass Hannah mich bei meiner Karriere immer unterstützt hat. Ohne sie wäre ich nicht das, was ich heute bin. Das werde ich ihr nicht vergessen, auch wenn wir kein Paar mehr sind. Deshalb steht ihr auch die Abfindung, über die so viel geschrieben und spekuliert wurde, absolut zu. Es ist ihr Anteil, von dem ich ihr jeden Cent gönne. Ob ich Hannah noch liebe?“, er trommelte mit seinen Fingern nervös auf der Tischplatte herum, ohne es zu bemerken. Seine Kinnmuskeln bewegten sich und zeigten seine Anspannung, als er überlegte. „Nein“, schüttelte er schließlich entschieden den Kopf. „Das ist endgültig vorbei. Ich gebe zu, ich vermisse Hannah manchmal. Vielleicht vermisse ich aber auch nur mein Idealbild von ihr, denn es ist nicht immer einfach, allein zu sein. Aber Liebe – nein, das ist es nicht mehr, die Liebe ist gestorben.“

Emily wagte einen erneuten Vorstoß. „Kann es sein, dass bereits eine andere Frau in ihr Leben getreten ist?“

Connor lachte kurz auf und konnte nicht verhindern, dass dieses Lachen bitter klang. „Sie lassen wirklich nicht locker. Ihre Zeitung weiß schon, warum sie Sie zu mir geschickt hat, nicht wahr? Nein, Sie können zur Beruhigung meiner weiblichen Fans gerne schreiben, dass mir derzeit nichts ferner liegt, als eine neue Beziehung einzugehen. Ich konzentriere mich ausschließlich auf meine Arbeit. Mein derangiertes Seelenleben muss sich definitiv noch erholen. Vor allem von den niveaulosen Presseberichten, die zuhauf erschienen sind. Ihre Kollegen haben wirklich ganze Arbeit geleistet, um mein Verhältnis zur Presse nachhaltig zu zerstören.“ Er verstummte abrupt und blickte Emily fragend an. „Können Sie sich überhaupt vorstellen, wie man sich in einer solchen Situation fühlt? Wenn man täglich Geschichten über sein Privatleben liest, die alles noch schlimmer machen, als es ohnehin schon ist? Wenn jeder Zeitungsbericht eine Eigendynamik entwickelt und ein Zerrbild von ihnen und ihrem Umfeld kreiert, das nicht das Mindeste mit der erlebten Realität zu tun hat. Sie fühlen sich gedemütigt, ohne die geringste Möglichkeit zur Gegenwehr. Sie werden einfach nicht mehr gehört. Ob sie prominent sind oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Ich würde sogar sagen, der Promistatus macht alles noch viel schlimmer. Die Leute wollen einen Skandal und die Presse liefert ihn rücksichtslos. Ohne einen Hauch von Empathie spüren zu lassen.“ Er schloss die Augen und strich sich müde über die Stirn. „Natürlich können Sie das nicht nachempfinden. Ich hätte es früher auch nicht verstanden. Außerdem stehen Sie auf der anderen Seite und müssen über das Unglück solcher Leute berichten. Bereitet es Ihnen keine Bauchschmerzen, so einen Mist zu veröffentlichen?“

Eindringlich musterte er Emily, während er sich wunderte, dass er dieser völlig fremden Frau sein Seelenleben so freizügig offenbart hatte. Zum ersten Mal seit langem war es wieder aufgeflackert. Dieses Gefühl, einer Person unbedingt vertrauen zu können. Hoffentlich hatte er sich nicht in ihr getäuscht. Schließlich war sie eine Reporterin und sicherlich eine verdammt clevere, wenn man sie zu ihm schickte. Vermutlich hatte er sich wieder einmal blenden lassen? So ein Mist, jetzt war ihm genau der Fehler unterlaufen, den er unbedingt hatte vermeiden wollen. Verdammtes Interview, verdammter Manager, verdammte Reporterin!

Sterne, die begehrt man nicht

Подняться наверх