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5. Katzen und Hunde

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Sommerwind fächerte ihr braunes Haar. Er strich über die Halme der Wiese und verwandelte sie in ein grün wogendes Meer mit bunten Blüten-Fischen darin. Eine knorrige Eiche ragte daraus hervor, umwuchert von einem Dickicht aus Sträuchern. Tarja lief darauf zu. Im und um den Baum bewegte sich etwas. Schemen huschten zwischen den Ästen, geschmeidig, wie es nur eine Tierart vermag. Schon hörte Tarja die dazugehörigen Laute, das mal durchdringende, mal leise Miauen, hin und wieder ein Fauchen. Eine dreifarbig gescheckte Glückskatze kauerte vor dem Dickicht und musterte Tarja. Dann sprang sie auf, rannte zu Tarja und strich ihr um die Beine, dabei maunzte sie auffordernd. Gleich darauf verschwand sie zwischen den Büschen, um kurze Zeit später auf einem der unteren Äste der Eiche aufzutauchen.

Tarjas Herz machte einen Sprung – neben der Glückskatze saß ein weiteres Tier, drahtig, hochbeinig und nachtschwarz. Pluto! Sie rief seinen Namen. Der Kater blinzelte ihr zu, rührte sich aber nicht. Fieberhaft versuchte Tarja zu ihm zu gelangen, doch das dornige Gestrüpp wies keine Lücke auf.

Sie zuckte zusammen, als sie fernes Gebell hörte, unter das sich wolfsähnliches Heulen mischte. Es klang nach einem ganzen Rudel! Eine Gänsehaut überlief Tarja. Im Unterholz raschelte es. Blitzschnell erklommen ein Dutzend Katzen die Eiche. Auch Pluto und die Glückskatze kletterten höher hinauf, um sich im dichten Laubwerk zu verbergen.

Die Hunde kamen in Sichtweite. Zehn große, kräftige Tiere, vielleicht auch mehr.

Tarja sah gefletschte Zähne, gesträubtes Fell. Das wütende Knurren trieb sie zwischen die Dornen, die sie festhielten. Hinter ihr ertönte Hecheln, ganz nah.

Sie schrie …

Tarja schreckte hoch. Ihr Pyjama klebte nass geschwitzt am Körper. Sie schüttelte den Albtraum ab und bemühte sich nur diejenigen Traumfetzen festzuhalten, die Pluto gezeigt hatten. Ihr war klar, dass man im Schlaf Dinge verarbeitete, die einen im wachen Leben beschäftigten. Bestimmt entsprang ihr Traum dem Wunsch, Pluto würde irgendwo weiterleben.

Nicht irgendwo, durchzuckte es sie, in Späterland. Dass sie daran nicht früher gedacht hatte!

Als sie klein war, noch bevor sie in die Schule kam, hatte sie Späterland erfunden, den Tierhimmel. Tarja wusste noch genau, warum: Das Meerschweinchen von Hedda, ihrer Kindergartenfreundin, war gestorben und sie waren sich einig gewesen, es müsse nun in den Himmel kommen. Damals hatte Oma Petra noch gelebt und Tarja war oft bei ihr gewesen. Als sie ihr von dem Meerschweinchen erzählte, hatte die Großmutter ihr sehr ernst erklärt, der Himmel sei den Menschen vorbehalten, weil Tiere keine unsterbliche Seele besäßen.

Tarja hatte das mit der Seele nicht ganz verstanden, vor allem nicht, warum Menschen eine haben sollten und Heddas Meerschweinchen nicht. Es schien ihr höchst ungerecht. Deshalb hatte sie sich Späterland ausgedacht, in das die Tiere nach ihrem Tod gelangten – über die Regenbogenbrücke. Dort war es schön, es herrschte immer Sommer und all die gestorbenen Haustiere lebten glücklich und in Frieden.

Im Laufe der Zeit hatten sie und Hedda sich Späterland immer detaillierter ausgemalt. Sie erschufen Landschaften sowie Fantasiewelten, die über Brücken mit Späterland verbunden waren. Auch vom Himmel der Menschen aus war Späterland zu erreichen, damit die Verstorbenen ihre Haustiere besuchen konnten und umgekehrt. Wie es sich für ein Zauberreich gehörte, besaß der Tierhimmel noch einen anderen, geheimen Namen. Dieser hatte die Macht, einen an jeden beliebigen Ort zu befördern, wenn man ihn aussprach. Aber wie lautete er? Tarja erinnerte sich nur daran, dass er irgendwie exotisch geklungen hatte. Hedda und sie hatten sich geschworen, ihn nie jemand anderem zu verraten. Schade, dass ihre Freundin schon wenig später fortgezogen und der Kontakt abgebrochen war, sonst hätte sie sie fragen können.

Tarja kuschelte sich im Bett zurecht und versuchte wieder einzuschlafen. Der Gedanke, Pluto würde in Späterland weiterleben und dort auf sie warten, gefiel ihr, auch wenn sie wusste, dass aus einer erfundenen Geschichte niemals Realität werden konnte. Höchstens im Traum.

Nur die wilden Hunde bereiteten ihr Kopfzerbrechen.


Späterland

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