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Kapitel 1
ОглавлениеJessy konnte den Fahrtwind vorbei brausender Autos in ihrem Gesicht spüren. Der Geruch bitterer Abgase drang in ihre Nase und sie hörte das beständige Rauschen, das alle anderen Geräusche übertönte. Hinter ihren geschlossenen Lidern sah sie das regelmäßige Aufflackern von Scheinwerfern. Aber der Boden unter ihren Füßen war weich. Er vibrierte nicht unter der Wucht der Reifen. Langsam löste sich der stechende Geruch auf und zurück blieb die Frische des kalten Morgens auf ihrer Haut. Sie hob den Kopf und wusste, dass es nur Sonnenstrahlen waren, die sie berührten. Und das Rauschen… Jessy öffnete die Augen. Nichts als Wind in den Wipfeln der uralten Bäume um sie herum.
Voller Genuss sog sie die kühle, reine Luft des Waldes in ihre Lungen. Nein, keine Spur mehr von Schnee und Kälte. Es duftete nach den ersten Blüten, nach nasser Erde und dem modrigen Laub vom letzten Jahr, das unter den letzten Schneeresten zum Vorschein kam. Das vielstimmige Trällern der Vögel und das Plätschern des kleinen Bächleins ganz in der Nähe klangen in Jessys Ohren schöner als jede Musik, die sie in den letzten Monaten gehört hatte. Der Wald hatte die eisige Umklammerung des Winters endgültig abgeschüttelt und sie fühlte sich, als könne sie zum ersten Mal seit einer Ewigkeit wieder frei durchatmen.
„Hast du genug herum getrödelt? Das hier erledigt sich nicht von allein!“
Jessy musste beim Klang der tiefen Stimme lächeln und wandte sich um. Bosco lehnte an einem Baum und reinigte seine Fingernägel mit einem riesengroßen Jagdmesser. Der Anblick ihres Freundes ließ die mühsam heraufbeschworene Erinnerung an ihre eigene Welt mit einem Schlag verblassen. Auch er schien diesen Vormittag im friedlichen Sonnenschein, weit weg von der Eisenfaust, zu genießen. Ihre Pferde schritten ruhig über die kleine Lichtung und knabberten an den ersten zarten Grashalmen. Als Jessys Blick zu der toten Hirschkuh wanderte, die auf der Erde lag, spürte sie wieder, wie ihr Magen revoltierte. Allein die Vorstellung, dass sie das Tier getötet hatte, ließ die Übelkeit erneut aufflammen. Bosco warf das Messer in ihre Richtung und obwohl Jessy die Bewegung nur aus dem Augenwinkel sah, fing sie die Waffe geschickt auf.
„Ich weiß, dass es dir widerstrebt“, sagte Bosco und stieß sich von dem Baumstamm ab. „Aber es gehört zum Jagen eben dazu. Ein erlegtes Tier bringt dir nichts, wenn du nicht lernst, es auszuweiden.“
Natürlich hatte er recht. Die Augen der Hirschkuh waren leblos und ins Nichts gerichtet. Die Wunde, wo Jessys Pfeil sie getroffen hatte, war nur klein und doch hatte sie ausgereicht, das Tier zu töten. Sie umfasste das schwere Messer fester und seufzte tief.
„Also los“, sagte sie. „Ich hoffe wirklich, dass du nicht Bambis Mutter bist.“
Anstatt Jessys erster Jagdbeute aßen sie ein karges Mittagessen aus Brot, Käse und Speck, das sie in den Satteltaschen mitgebracht hatten. Das eiskalte Wasser aus dem Bach schmeckte herrlich. Während sie beisammen saßen, erzählte Bosco Geschichten aus seiner Kriegerausbildung und Jessy traten vor Lachen die Tränen in die Augen. Die Sonne stieg höher und wärmte sie. Erste Insekten summten in der Frühlingsluft. Immer wieder hielt Jessy ihr Gesicht ins Licht und spürte, wie dieser Tag das Eis in ihrem Inneren zum Schmelzen brachte.
„Gut, dass du geheiratet hast“, sagte sie, als Bosco gerade eine weitere Anekdote über ein wüstes Gelage unter jungen Burschen beendet hatte. „Sicher wärst du längst in einer Kneipenschlägerei umgekommen.“
Bosco verzog die Lippen. Er lachte in letzter Zeit seltener und Jessy freute sich, ihn so guter Stimmung zu sehen. Sie schwiegen einen Moment.
„Es ist wirklich schön hier“, sagte sie schließlich. „Schön, aus der Burg herauszukommen.“
Bosco erwiderte ihren Blick und nickte.
„Da hast du recht. War ein harter Winter. Für uns alle.“
Wieder schwiegen sie und Jessy schauderte plötzlich. Nein, sie wollte die düsteren Tage vergessen, die hinter ihnen lagen.
„Ich glaube, es wird Zeit“, meinte Bosco und stand auf. „Genug gefaulenzt.“
Unwillig erhob Jessy sich und packte das Bündel zusammen, in dem sie ihren Proviant verpackt hatte. Dann ging sie hinüber zu Lia und schob ihr einen Brotrest zwischen die samtigen Lippen. Sie streichelte die weiche hellbraune Stirn und machte sich daran, den Sattelgurt zu straffen, bevor sie aufstieg.
„Gib ihr nicht zu viel Brot“, mahnte Bosco. „Sie ist ziemlich fett geworden. Das Herumsitzen in der Burg hat niemandem gut getan.“
Jessy warf ihm einen strengen Blick zu. „Willst du damit sagen, ich bin fett geworden?“
Bosco lachte auf und schwang sich auf den Rücken seines Wallachs. „Große Mutter, nein. Du bist genau so knochig wie immer.“
„Sehr freundlich.“
„Du weißt, ich spare mir alle Nettigkeiten für Kyra auf“, sagte er zwinkernd. Er selbst hatte sich ebenfalls kaum verändert und war noch immer groß und kräftig wie ein Bär ohne eine Spur von Winterspeck. Jessy stieg lachend in den Sattel und sie machten sich auf den Rückweg zur Eisenfaust.
Der Wald lichtete sich und schließlich erreichten sie die Weiden, die zur Burganlage gehörten und die bereits in sattem Grün standen. An den Bäumen und Sträuchern, die dem Vieh und den Pferden im Sommer Schatten spendeten, sprossen dicke Knospen und die ersten Lämmer stolperten durch die feuchten Wiesen. Auch die Pferde genossen die wieder gewonnene Freiheit und einige von ihnen folgten Jessy und Bosco in ausgelassenem Galopp, bis die Zäune ihnen den Weg versperrten. Vor dem klaren blauen Himmel wirkte die königliche Burg von Westland noch herrschaftlicher. Der hellgraue Stein leuchtete in der Sonne. Ein Wachtposten nickte ihnen zu und gab das Zeichen, eines der kleinen Tore für sie zu öffnen. Hintereinander ritten Jessy und Bosco in den riesigen, belebten Innenhof. Die Burg summte wie ein Bienenstock vor Geschäftigkeit. Nach dem Winter wurde von der fleißigen Dienerschaft das Unterste zu Oberst gekehrt. Jeder Raum, vom Thronsaal bis zur kleinsten Kammer wurde gesäubert, jeder Teppich und jedes Kissen gelüftet. Kyra, die Köchin und Boscos Frau, ließ die Vorratskammern mit frisch eingesalzenem Fisch, Käse und dem ersten Gemüse des Jahres füllen und in der Schlachterei herrschte Hochbetrieb, damit es frische Würste gab. Die Mägde waren Tag und Nacht damit beschäftigt, die geschorene Wolle zu verarbeiten und täglich gab es in den Ställen neu geborene Ferkel und Kälber. Alles war aus seiner winterlichen Starre erwacht.
Im Schritt ritten Jessy und Bosco durch den Trubel der hin und her eilenden Diener. Vor dem Prinzenbau, in dem Jessy noch immer das selbe Zimmer bewohnte, standen einige Jungen in feiner Kleidung beisammen, die nun ins Kriegerlager gehen und ihre Ausbildung beginnen würden. Ihre Gesichter waren blass vor Aufregung und Angst, doch ihre Augen glänzten vor Stolz. In der Mitte des Hofes ragte der trutzige Bergfried auf, das älteste Gebäude der Burganlage und das sah man ihm auch an. Das Gestein war dunkel und von Moos überwuchert, aber noch immer war der Turm stabil und beherbergte in seinen untersten Stockwerken die Männer der Königsgarde, die nach ihrem Wappentier nur „die Wölfe“ genannt wurden. Jessy kannte sich nach sieben langen Monaten in der Eisenfaust aus und hatte keine Angst mehr, sich irgendwo zu verirren. Und sie kannte auch die meisten Bewohner. Besonders unter den Dienern gab es keine Fremden mehr für sie. Denn obwohl sie eigentlich ein Gast des Königs war und somit wohl zur Oberschicht gehörte, hatte sie ausschließlich Freundschaft mit Zofen, Mägden und Stallknechten geschlossen.
Vor dem Bergfried kam ihnen Rojan entgegen. Er griff nach Lias Zügeln.
„Erfolgreich, wie ich sehe“, sagte er zufrieden und wies auf das erlegte Reh, das hinter Jessys Sattel festgebunden war. Sie lächelte, denn obwohl das Jagen ihr keinen Spaß machte, war sie stolz auf ihre Beute.
„Ich hatte immerhin den besten Lehrer.“
Rojan nickte knapp. Er war niemand, der sich mit seinem Können brüstete, auch wenn seine manchmal übermenschlichen Fähigkeiten in Jagd und Kampf das gerechtfertigt hätten. Er hatte Jessy wochenlang Unterricht im Bogenschießen gegeben und sie hatte nun ein völlig neues Gefühl für Balance, Konzentration und Körperbeherrschung. Es hatte ihr viel Spaß gemacht, von ihm zu lernen. Denn das war es, was sie den ganzen Winter über getan hatte. Die Fertigkeiten der Wölfe zu erlernen.
„Ja, der Schuss war nicht schlecht“, sagte Bosco. „Aber eine größeres Tier hätte sie damit niemals erledigt. Dafür braucht man schon so ein Schätzchen.“
Er tippte zärtlich die große Armbrust an, die über seine Schulter ragte.
„Ach, mit diesem Ding kann jeder einen Hirsch erlegen“, warf Dennit ein, der sich zu ihnen gesellt hatte. Jessy bezweifelte das, denn der Pfeil, den sie mit der Armbrust abgeschossen hatte, war meterweit am Ziel vorbei gegangen.
„Aber das richtige Bogenschießen ist eine Kunst. Du bist nur neidisch, dass du es ihr nicht beibringen durftest“, neckte Dennit. „Mit einem lahmen Arm…“
„Verschwinde, sonst wird dieser lahme Arm dir die Zähne ausschlagen“, antwortete Bosco grob und hieb mit seiner Rechten in Dennits Richtung. Dennit wich aus und zwinkerte Jessy schelmisch zu. Die Narbe auf seiner Wange, die er sich auf ihrer Reise in den Süden geholt hatte, verzerrte sein Lächeln ein wenig, doch das gab ihm ein nur noch spitzbübischeres Aussehen. Beim Kampf auf den Nebelklippen hatte er sich die halbe Kopfhaut verbrannt, doch inzwischen war das Haar nachgewachsen und verdeckte die Spuren. Boscos Narben waren nicht zu sehen, doch sein Schwertarm ließ sich nicht mehr durchstrecken, was ihn für den Kampf praktisch untauglich machte. Und auch für das Bogenschießen. Nur Dennit durfte ihn deshalb necken. Überhaupt schien es, dass nur diejenigen, die bei dem alles entscheidenden Kampf gegen Skarphedinn dabei gewesen waren, noch davon sprechen durften. Wenngleich sie es nicht besonders oft taten.
„Das scheint ein Glückstag für dich zu sein“, sagte Dennit an Jessy gewandt. „Es gibt eine Überraschung für dich, unten auf dem Übungsplatz.“
„Tatsächlich? Da bin ich gespannt. Ich würde nur gerne meine Beute in die Küche bringen. Ich will auf keinen Fall, dass es verdirbt. Vielleicht kocht Kyra uns etwas daraus. Wäre doch schade, wenn es als Pastetchen von den Kronräten gegessen wird.“
„Sie macht einen großartigen Eintopf mit Hexenzwiebeln“, sagte Bosco und half ihr, die kleine Hirschkuh zu schultern. Sie war unerwartet schwer und Jessy versuchte, das Gewicht auszubalancieren.
„Sag ihr das von mir“, rief er ihr noch hinterher, als Jessy schon auf halbem Weg zur Küche war. „Auf jeden Fall mit Hexenzwiebeln!“
Die Küchen- und Vorratsräume lagen unterhalb des Hauptgebäudes und als Jessy die Treppe hinunter stieg, umfingen sie dämmriges Licht und die Gerüche verschiedenster Speisen. In der großen Küche waren einige Mägde bei der Arbeit, aber Kyra war nicht da. Jessy legte ihre Last ab und ein Mädchen sagte ihr, dass Kyra in den Küchengarten gegangen war. Auch dort gab es jetzt viel zu tun, es mussten Kräuter und Gemüse angepflanzt und Unkraut gejätet werden. Kyra besaß eine unerschöpfliche Energie und wenn sie sich nicht um das Wohl der Burg und ihrer Bewohner kümmerte, dann um eines ihrer Kinder.
Jessy ging durch das enge Treppenhaus mit den ausgetretenen Steinstufen und stieß eine kleine Tür auf. Sofort blendete sie wieder der Sonnenschein des herrlichen Frühlingstags und sie roch die umgegrabene Erde und die würzigen Kräuter, die hier wuchsen. Es war sehr still und friedlich in dem kleinen Garten, der von einer halbhohen Mauer umgeben war. Sogar das Vogelgezwitscher klang gedämpft. Die Mauern, die den Garten umgaben, waren überwuchert mit Rosen, deren kahle Zweige sich während des Winters wie ein Geflecht aus schwarzen Adern über das Gestein erstreckten. Wie tot waren sie Jessy immer erschienen, wenn sie hierheraus gekommen war. So als sei es völlig unmöglich, dass sie jemals wieder zum Leben erwachen würden. Doch jetzt leuchteten die jungen, zarten Blätter wie winzige rot-grüne Edelsteine vor dem grauen Mauerwerk. In ein paar Wochen würde der Duft der Blütenpracht selbst den Geruch der würzigen Kräuter überlagern.
Im ersten Augenblick konnte Jessy niemanden sehen und wollte schon umkehren. Da entdeckte sie Kyra auf einer Bank sitzend, doch die Haltung der Frau ließ sie zögern. Kyra war immer in Bewegung, sie zeigte niemals Erschöpfung und deshalb war es für Jessy umso erschreckender, sie dort zu sehen. Sie lehnte sich an die Mauer, die Hände lagen in ihrem Schoß und sie hatte das Kopftuch abgenommen. Rotblonde Haarsträhnen hatten sich aus ihrem Zopf gelöst und hingen ihr ins Gesicht. Plötzlich wurde Jessy bewusst, wie jung Kyra war. Noch nicht einmal fünfunddreißig. Sie hatte Jessy noch nicht bemerkt und so gelang es ihr auch nicht, den Ausdruck tiefer Traurigkeit auf ihrem Gesicht zu verbergen, so wie sonst. Es lag soviel Schmerz darin, dass Jessys Herz sich zusammenzog und ihre Kehle trocken wurde. Sie musste an Boscos Worte denken. Ein harter Winter. Für uns alle.
Während der dunkelsten und trostlosesten Wochen, als der hüfthohe Schnee und die Kälte das Leben in der Burg beinahe völlig zum Stillstand gebracht hatten, wurde Mirni, die jüngste Tochter von Kyra und Bosco krank. Kyra wandte alle Hausmittel an die sie kannte, doch der Husten wurde schlimmer und schlimmer und nach einigen Tagen setzte Fieber ein. Sogar der Heiler des Königs wurde geschickt. Doch es gab keine Aussicht auf Heilung. Jessy konnte noch immer das schreckliche Husten hören, das irgendwann zu einem erstickten Keuchen wurde und dann schließlich verstummt war. Sie hatte Bosco angefleht, einen Magier zu suchen. Sie alle wussten, dass Magie ihren jungen Freund Albin vor dem Tod gerettet hatte. Dass es möglich war. Doch in Westland war die Magie mehr denn je verhasst und verboten und schließlich war es zu spät. Jessy war halb wahnsinnig geworden vor Wut und Hilflosigkeit über diese schreckliche mittelalterliche Welt, in der ein Kind vor ihren Augen starb, weil es keine Medizin gab. Bosco war der stärkste Mensch den sie kannte, doch der Verlust ließ ihn von Stunde zu Stunde kleiner und blasser werden. Er hörte auf zu sprechen und zu essen, trank dafür umso mehr Bier und wanderte wie ein Geist durch die Gegend. Kyra legte sich in ihr Bett, drehte das Gesicht zur Wand und bewegte sich nicht mehr. Und das war für Jessy sogar noch schockierender. Sie hätte alles darum gegeben, ihren Freunden irgendeinen Trost spenden zu können, doch es gab nichts. Nichts, was sie sagen oder tun konnte, das den Schmerz gelindert hätte. Nach zwei Tagen stand Kyra auf, wusch sich und kümmerte sich um ihre anderen Kinder, nahm ihre Arbeit mit unverminderter Energie wieder auf und zeigte kein Anzeichen von Trauer mehr. Auch Bosco kam zu sich, wahrscheinlich, weil Kyra es ihm befahl, so wie sie alle anderen Menschen befehligte. Jessy wusste, dass viele Kinder hier während des Winters starben, doch sie konnte nicht glauben, dass es einer Mutter so leicht fiel, das hinzunehmen. Vielmehr nahm sie an, dass die Arbeit Kyras Art war, weiterzuleben. Zu überleben.
Nun hatte Jessy sie in einem stillen Moment ertappt, wo sie ihre Gefühle nicht verbarg. Sie wollte sich zurückziehen und wieder im Haus verschwinden. Nicht nur, um Kyra nicht zu stören, sondern weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Nicht einmal ansatzweise konnte sie sich vorstellen, wie es sich anfühlen musste, ein Kind zu verlieren. Doch Kyra hatte sie bemerkt und schaute auf. Ihre verzweifelte Miene blieb noch für einen Moment sichtbar, dann bewegte sie sich und erwachte aus ihrer Erstarrung. Jessy sah, dass sie das weiße, makellose Kopftuch in ihrer Hand zerknüllt hatte. Auch Kyra schien das nun aufzufallen. Mit einer unsicheren Bewegung versuchte sie, den Stoff auf ihrem Oberschenkel zu glätten. Jessy sagte nichts und gab ihrer Freundin Zeit, sich zu sammeln.
„Und, hast du etwas geschossen?“ fragte sie und zwang sich zu einem halben Lächeln.
„Eine Hirschkuh“, antwortete Jessy. „Bosco möchte Eintopf mit Hexenzwiebeln.“
„Dann sollt ihr den bekommen.“
Kyra warf noch einen letzten Blick auf das Kräuterbeet, dann stand sie auf. Jessy wollte etwas sagen, doch ihr fiel wieder einmal nichts ein und stattdessen schloss sie Kyra fest in die Arme. Sie spürte, wie diese sich vor Überraschung versteifte und erst nach einem langen Moment die Umarmung erwiderte. Als sie Jessy wieder ins Gesicht schaute, war die Verzweiflung nicht mehr zu sehen. Oder zumindest nur noch ein Schatten davon. Sie hakte sich bei Jessy unter.
„Du solltest dir überlegen, ob du diesen Eintopf wirklich mitessen willst“, sagte Kyra.
„Warum?“
„Naja, sie heißen nicht umsonst Hexenzwiebeln, weißt du?“
Das Stallgebäude für die Pferde der Burg war ein langer, niedriger Bau, der sich an die Burgmauer schmiegte. Während des Winters waren die Fensteröffnungen, durch die die Pferde in den Hof schauen konnten, mit dünnem Leder vernagelt worden um Kälte, Wind und Schnee abzuhalten. Dieses hatte man nun zwar entfernt, aber trotzdem waren keine Pferde zu sehen, die neugierig das Treiben beobachteten. An diesem herrlichen Tag waren alle unten auf den Weiden, zu denen man durch ein kleines Tor in der Mauer gelangte.
Jessy warf einen Blick in den Stall, aber nichts regte sich. Für einen Moment genoss sie den Geruch von Stroh, Pferdeschweiß und Leder, den sie so liebte und den selbst die hereinströmende Frühlingsluft nicht vertreiben konnte. Eine silberfarbene Katze schlenderte ihr entgegen und schmiegte sich an ihre Beine. Jessy beugte sich herunter um sie zu streicheln.
„Na, Tinsa, bist du vielleicht meine Überraschung?“ fragte sie leise. Tinsa maunzte und räkelte sich auf dem Boden, doch Jessy war zu neugierig um jetzt länger hier zu bleiben. Sie kehrte dem Stall den Rücken und folgte dem kiesbestreuten Weg zu der Pforte. Als sie gerade die Hand nach der Klinke ausstreckte, wurde die Tür schwungvoll aufgerissen und Albin rannte sie beinahe um, so schnell trat er hindurch. Als er sie sah, hellte sich sein Gesicht auf.
„Da bist du ja! Wir warten schon auf dich, komm endlich!“ rief er.
Zusammen stapften sie den Weg zum Reitplatz hinunter, wo die Schlachtrösser bewegt und die angehenden Krieger im Reiten ausgebildet wurden. Zu beiden Seiten des Weges lagen graue Schneeinseln, die Überbleibsel der riesigen Haufen, die hier während des Winters aufgetürmt worden waren. Damit Mensch und Tier wenigstens etwas Bewegung bekamen, hatten die Stallburschen die Wege und das große Übungsareal regelmäßig freigeschaufelt. Albin eilte zwei Schritte vor Jessy her und sie hatte Mühe, ihm zu folgen. Er war gewachsen und überragte sie mittlerweile um ein gutes Stück. Außerdem wurden seine Schultern immer breiter und er verlor langsam die Schlacksigkeit der Heranwachsenden. Nachdem er eigentlich kein Höfling und auch kein Mitglied des Adels mehr war, hatte er sein rotes Haar kurz schneiden lassen, wie es die Wölfe und Soldaten trugen. Und auch seine Kleider waren schlicht und praktisch. Nach der Hinrichtung seines Vaters und der Verbannung seiner Mutter war das Familienvermögen der Krone zugefallen. Albin bekam ein kleines Taschengeld vom König und lebte kostenfrei in der Eisenfaust. Doch für eine luxuriöse Garderobe, wie er sie früher besessen hatte, reichte es bei Weitem nicht. Jessy wusste, dass er darauf auch keinen Wert gelegt hätte. Der dicke, ängstliche Junge war nicht in die Eisenfaust zurück gekehrt. Vor Jessy lief ein junger Mann, der zwar erst siebzehn war, aber schon sehr viel mehr hinter sich hatte, als so mancher Vierzigjährige. Wie immer, wenn ihr bewusst wurde, wie sehr er sich verändert hatte, war sie stolz auf ihn.
„Das muss ja eine sagenhafte Sache sein, die ihr da ausheckt“, sagte sie atemlos.
Albin lächelte ihr verschwörerisch zu. Die Frühlingssonne lockte seine Sommersprossen wieder hervor und die Aufregung ließ seine dunkelbraunen Augen leuchten. Jessy sah am Rande des Reitplatzes eine Gruppe Männer stehen. Alle Augen wandten sich ihr zu, als sie näher kam. Rojan und Dennit waren unter ihnen, ein paar Jungen, die im Stall arbeiteten und Jugendliche aus dem Kriegerlager, die anscheinend gerade keinen Unterricht hatten. In der Mitte des Platzes ließ Lando, der Stallmeister, ein schwarzes Pferd am langen Zügel laufen.
„Und was gibt es hier nun besonderes?“ fragte Jessy verwirrt.
Dennit lächelte ihr zu. „Schau doch hin!“
Jessy beobachtete das Pferd eine Weile und selbst für ihr ungeübtes Auge wurde schnell deutlich, dass es ein herrliches Tier war. Die Bewegungen waren voller Kraft und Eleganz, die Muskeln zeichneten sich unter dem glänzenden pechschwarzen Fell ab. Die samtigen Ohren tanzten hin und her und es folgte Landos Anweisungen sofort.
„Es ist wunderschön“, sagte sie leise.
„Ja, ein Prachtstück“, sagte Dennit. „Du hast wirklich Glück.“
Jessy starrte ihn verständnislos an. „Was soll das heißen?“
„Die Prinzessin macht dir die Stute zum Geschenk“, sagte Albin. „Wer in die Wolfsgarde eintritt, der bekommt ein Schlachtross.“
„Aber ich trete nicht in die Garde ein“, wandte Jessy ein. Dieses Geschenk schien ihr viel zu wertvoll.
„Du wirst ihre Leibwächterin sein und damit die selben Aufgaben erfüllen wie wir“, sagte Dennit. „Es ist wichtig und notwendig, dass du ein anständiges Pferd hast.“
„Aber Lia ist wunderbar! Sie hat mich durch die ganze Welt getragen. Sie ist stark und treu!“
„Natürlich“, antwortete Dennit. „Aber sie ist dafür nicht gemacht. Diese Stute dagegen ist gezüchtet und geboren, um zu kämpfen und dir in gefährlichen Situationen beizustehen. Viel besser als Lia das könnte.“
Jessy beobachtete zweifelnd, wie das herrliche schwarze Pferd in leichten Galopp fiel und dabei den Hals bog. Sein dichter Schweif peitschte durch die Luft.
„Willst du sie etwa nicht?“ fragte Albin zweifelnd.
„Ich kann so ein Pferd nicht reiten.“
„Du wirst es lernen“, sagte Dennit bestimmt. „Lando hat zugestimmt, euch gemeinsam auszubilden.“
Jessy verzog spöttisch den Mund. „Das bezweifle ich stark.“
Lando ließ die Stute in Schritt fallen und führte sie schließlich zu den Zuschauern herüber. Er war ein kleiner, gedrungener Mann in den Fünfzigern mit rotem, von der Sonne gegerbtem Gesicht und dünnem Haar. Alles an ihm wirkte irgendwie quadratisch, sein Kopf, sein Rumpf, sogar seine Hände. Aber er besaß viel Kraft und Agilität, die immer dann sichtbar wurden, wenn er auf den Rücken eines Pferdes stieg. Sein Geschick und Gespür im Umgang mit den Tieren - sogar mit den schwierigsten - war weithin bekannt und auch die Tatsache, dass er Frauen hasste und nicht in der Nähe seines Stalles haben wollte.
„Dieses Mädchen ist ein Juwel“, sagte er anerkennend und strich mit seiner großen Hand über den schweißfeuchten Hals der Stute. Jessy blickte in das feine Gesicht und die intelligenten großen Augen, die sie neugierig musterten. Auf der Stirn prangte ein unregelmäßiger weißer Fleck. Es war wirklich ein sehr schönes Pferd. Und es sollte tatsächlich Jessy gehören… Plötzlich klopfte ihr Herz vor Freude. Sie liebte Lia, schon allein wegen all der Abenteuer, die sie gemeinsam bestritten hatten. Aber sie kannte die besondere Beziehung der Krieger der Wolfsgarde zu ihren Pferden. Die edlen Tiere waren praktisch das einzige, was sie besaßen und sie bedeuteten ihnen oft mehr als die meisten Menschen. Sie hatte ihre Freunde immer um das Glück beneidet, einen solchen Gefährten zu haben.
„Und so ein Juwel wird verschwendet an eine Frau“, sagte Jessy nun und sofort schoss Lando einen giftigen Blick in ihre Richtung ab.
„Spar dir deinen Spott“, bellte er. „Ich werde nicht erlauben, dass du dieses Tier falsch behandelst, deshalb wirst du lernen, damit umzugehen.“
Zögernd streckte Jessy die Hand aus und die Schwarze berührte sie neugierig mit den weichen Nüstern. „Ich weiß nicht, ob ich gut genug für sie werden kann. Sie braucht sicher einen erfahrenen Reiter.“
Nun lächelte Lando triumphierend. „Wenn ich mit euch fertig bin, wirst du nicht mehr wissen, wo dein Körper aufhört und der des Pferdes beginnt. Du wirst schon sehen.“ Er wandte sich der Stute zu und rieb mit den Fingerknöcheln über ihre Stirn. „Sie ist nicht nur stark und schön, sie hat ein großes Herz. Sie liebt Menschen.“
Er drückte Jessy den aufgerollten Zügel in die Hand. „Macht euch bekannt. Morgen fangen wir an.“
Dann stapfte er breitbeinig wie ein alter Cowboy davon. Auf seinen eigenen Füßen laufend wirkte er immer unbeholfen.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte Dennit. „Lando ist der Beste. Und wie wir ja wissen, finden Pferd und Reiter am Ende immer zusammen, wenn sie zusammen gehören.“
Er stieß Albin in die Seite. Sie alle erinnerten sich daran, wie sehr er damals mit seinem Hengst Arro gekämpft hatte, bis die beiden schließlich begonnen hatten, an einem Strang zu ziehen. Ein Wunder, dass Albin sich nicht den Hals gebrochen hatte bei seinem Kampf mit dem Pferd. Heute waren sie ein Herz und eine Seele.
Nun verebbten Jessys Zweifel langsam, während sie die Stute streichelte. Sie hatte ein dünnes, seidiges Fell und strahlte große Wärme aus. Sie hatte Lust, sofort aufzusteigen und davon zu reiten. Doch vor den hier versammelten Männern und Jungen wollte sie keinesfalls im Staub landen. Also beschloss sie, erst einmal ein Stück spazieren zu gehen.
„Hat sie schon einen Namen?“
„Du musst ihr einen geben“, sagte Albin. „Das ist Tradition.“
Die Zuschauer gingen auseinander und Jessy wanderte mit ihrem kostbaren Geschenk die Wege entlang, ließ das Pferd vom jungen Gras kosten und schwatzte vor sich hin. Die Ohren der Stute zuckten, als würde sie tatsächlich zuhören und wenn sich in der Ferne etwas regte, hob sie den Kopf und richtete den Blick und die volle Aufmerksamkeit auf das Geräusch. Jessy konnte sich gut vorstellen, dass ein so intelligentes Tier in einem Kampf eine große Hilfe sein konnte. Ganz abgesehen davon, dass sie viel kräftiger und auch größer war, als Lia.
„Wir müssen einen passenden Namen für dich finden“, sagte sie nachdenklich. „Wie wäre es mit Gemma? Das bedeutet Juwel. Mal sehen, ob Lando das akzeptieren kann, oder ob es zu weibisch für ihn ist.“
Als schließlich dunkle Wolken am Himmel aufzogen und es kühler wurde, kehrte Jessy mit Gemma zum Stall zurück. Sie trug nur Hemd, Lederwams und keine Jacke und wollte deshalb nicht vom Regen überrascht werden. Als sie über den Hof zum Palastgebäude lief, fielen bereits die ersten schweren Tropfen. Es war bald Zeit für das Abendessen und sie musste unbedingt noch zu Amileehna um sich für das Geschenk zu bedanken. Also machte Jessy sich auf in die königlichen Gemächer.
Wie immer wenn Jessy in die Wohnung der königlichen Familie ging, fühlte sie sich vom Prunk ein wenig erschlagen. Der Prinzenbau, in dem sie wohnte, war schlicht mit alten Teppichen und Holzmöbeln ausgestattet. Doch hier wurde man förmlich erstickt von der Fülle an bunten Wandbehängen, Polstermöbeln, Gemälden und versilberten Kerzenleuchtern und Statuen. Aus allem stieg der unverkennbare Geruch nach Kräutern auf, die verteilt wurden um das Ungeziefer fernzuhalten. Dazu kamen die blumigen Parfums der Hofdamen, die hier ein und aus gingen.
Jessy musste unzählige Wohnzimmer und kleine Speiseräume durchqueren, um zu Amileehnas Räumen zu kommen. Überall saßen Höflinge herum und unterhielten sich gedämpft, spielten Karten und tranken Wein. Um nichts in der Welt hätte Jessy hier ihre gesamte Zeit verbringen wollen. Es war stickig wegen der vielen Kaminfeuer und Kerzen und düster trotz der großzügigen Fenster, vor denen schwere Vorhänge hingen. Neben jeder Tür stand eine Palastwache in blaugrauer Uniform. Während die Adligen Jessy nur mit misstrauischen Blicken musterten, grüßten die Wachen sie freundlich. Jessy kannte jeden beim Namen und wurde ohne Einwände vorgelassen. Amileehna hatte durchgesetzt, dass sie zu jeder Tages- und Nachtzeit zu ihr kommen durfte.
Schon im riesigen Wohnzimmer der Prinzessin hörte Jessy, dass im angrenzenden Schlafzimmer gestritten wurde und sie seufzte. Astri, Amileehnas Zofe und Freundin sprang auf, als Jessy eintrat.
„Die Königin“, wisperte sie und hob die Brauen. Sie war eine selbstbewusste junge Frau und Jessy war froh, dass Ami eine Vertraute bei sich hatte, wenn sie selbst nicht hier sein konnte.
„Dachte ich mir“, antwortete Jessy. So hitzig klang es nur, wenn Ami mit ihrer Mutter stritt. Sie warf einen schnellen Blick auf ihre nur flüchtig gewaschenen Hände und ihre Kleider, die zum Glück frei von Blutspritzern und Pferdespeichel, aber trotzdem alles andere als angemessen waren. Das selbe schien Astri zu denken, denn sie unterdrückte nur mühsam ein Grinsen, als Jessy ihre Haare zurück band, um nicht ganz wie eine Stallhelferin auszusehen. Entschlossen, den Streit zu unterbrechen, trat Jessy an die Tür, doch eine hochgewachsene Dame stellte sich ihr in den Weg.
„Die Prinzessin befindet sich in einem Gespräch“, zischte Frau Dhanea ihr zu. Sie war die oberste Hofdame und Amileehnas ehemalige Erzieherin. Nach ihrer Rückkehr aus dem Norden hatte sich Amileehna zwar aus ihren Klauen befreien können, doch noch immer sah Frau Dhanea es als ihre unbedingte Pflicht an, die Prinzessin zu überwachen. Jessy verabscheute die strenge Frau mit den kalten grauen Augen, deren Gesicht von tiefen Falten um Mund und Nase gezeichnet war. Es waren Spuren lebenslanger Missbilligung, keine die das Lachen hinterlassen hatte.
„Das höre ich“, antwortete sie bissig, schob sich an Frau Dhanea vorbei und öffnete die Tür ohne zu Klopfen.
Königin Sílean fuhr herum, das schöne Elfenbeingesicht zu einer wütenden Maske verzerrt. Sie war nicht größer als Jessy und trotzdem strahlte sie die unmissverständliche Überlegenheit einer Person aus, die ihr ganzes Leben lang Macht besessen hatte. Sie duldete keinen Widerspruch und ganz besonders nicht den ihrer Tochter. Dass Jessy die Prinzessin bei jeder Gelegenheit dazu anstachelte, ihre eigene Meinung zu vertreten, war der Königin ein Dorn im Auge und sie ließ Jessy ständig spüren, dass ihre Freundschaft zu Amileehna für sie eine Zumutung war. Auch jetzt war ihr Blick voller Abneigung, ihr schöner Mund verzerrte sich vor Abscheu, als sie Jessys unpassendes Äußeres sah.
„Oh, verzeiht die Störung, Herrin“, sagte Jessy nun zuckersüß und machte einen schlampigen Knicks. Normalerweise machte es ihr nichts aus, sich an die höfischen Umgangsformen zu halten, besonders nicht in Gegenwart des Königs, den sie sehr gern mochte. Aber bei Königin Sílean konnte sie sich kaum dazu überwinden. „Ich dachte, die Prinzessin wäre allein.“
Sie warf Amileehna einen schnellen Blick zu, die ihr dankbar zulächelte. Doch auf ihrem ebenmäßigen, hübschen Gesicht mit der zierlichen Stupsnase sah Jessy deutlich die Spuren des eben geführten Kampfes.
„Wir haben unser Gespräch gerade beendet“, sagte die Königin spitz und ging zur Tür. „Halte die Prinzessin nicht zu lange auf, sie muss sich für das Abendessen umkleiden. Und du solltest das auch, meine Liebe. Die Halle des Königs ist nicht der Bergfried.“
„Meine Ausbildung verlangt praktische Kleidung“, gab Jessy zurück und hielt dem abfälligen Blick der Königin mühelos stand.
„Wenn du dich im Gefolge der Prinzessin aufhältst, wirst du standesgemäß gekleidet sein“, sagte die Königin und ihr Tonfall machte deutlich, dass Jessy nichts weiter dazu zu sagen hatte. Sie wandte sich ab und rauschte aus dem Zimmer. Die schwere Tür schloss sich geräuschvoll hinter ihr und Jessy atmete auf.
„Manchmal erinnert sie mich an die Schneekönigin“, murmelte sie. „Entschuldige, ich weiß, sie ist deine Mutter…“
Amileehna winkte ab und ließ sich erschöpft auf einen Sessel sinken. „Macht nichts. Sie sind sich wirklich ziemlich ähnlich.“
Königin Sílean war zwar keine machtbesessene, verrückte Hexe, aber um sich ihr in den Weg zu stellen brauchte man dennoch eine große Portion Mut.
„Um was ging es diesmal?“ fragte Jessy und goss Wasser aus einem silbernen Krug in zwei Becher.
„Wieder die Feierlichkeiten zu meinem Geburtstag. Sie übertreibt völlig. Sie lässt achtzehn neue Kleider für mich schneidern, kannst du dir das vorstellen?“
Jessy schmunzelte. In ihrer Welt war es nicht so ungewöhnlich, wenn Damen bei einer einzigen Veranstaltung so viele Kleider trugen. Und zu Amileehnas sechzehntem Geburtstag war eine ganze Festwoche geplant.
„Du kannst mir ein paar abgeben“, antwortete sie. „Das würde deine Mutter sicher glücklich stimmen.“
Amileehna lächelte schwach. Sie sah müde und blass aus und war dünner als nach ihrer strapaziösen Reise vor einem halben Jahr. Das weißblonde Haar, das einmal jungenhaft kurz geschnitten gewesen war, wellte sich nun wieder um ihre Schultern. Unter den großen blauen Augen lagen Schatten. Ihr neues Leben als Thronfolgerin verlangte ihr alles ab. Sie hatte Unterricht in Politik und Geschichte, saß den halben Tag im Kronrat und wurde rund um die Uhr von Höflingen belagert, die versuchten, einen guten Eindruck auf die zukünftige Königin zu machen. Und all das, obwohl sie dieses Leben eigentlich zutiefst verabscheute und vor gar nicht solanger Zeit alles getan hätte, um der Eisenfaust für immer zu entkommen. Doch noch stärker als ihre eigenen Wünsche war ihr Bedürfnis, Tychons Rolle auszufüllen. Sie ertrug das alles nur in der Hoffnung, dass es ihren Bruder, der auf den Nebelklippen gestorben war, stolz machte. Wo auch immer er nun sein mochte. Jessy bewunderte sie dafür, doch sie konnte es kaum ertragen, Amileehna in diesem goldenen Käfig zu sehen, herausgeputzt wie eine Puppe in ihrem schweren dunkelgrünen Kleid mit funkelndem Schmuck im Haar. Sie war nur noch ein Schatten von dem starken, tapferen Mädchen, das mit Jessy gegen Ungeheuer und Meuchelmörder gekämpft hatte. Wie immer wenn sie kam, setzte sie alles daran, um Amileehna aufzuheitern.
„Ich bin hier, weil ich mich bedanken wollte“, sagte sie lächelnd. Nun hellte sich Amileehnas Miene auf.
„Hast du sie gesehen? Ist sie nicht wundervoll?“
„Das ist sie wirklich. Es ist ein großartiges Geschenk“, sagte Jessy. „Du musst morgen zu meiner ersten Reitstunde kommen und es dir anschauen.“
„Jessy, du weißt, dass ich das nicht kann“, antwortete die Prinzessin. „Meine Mutter sagt, die Stallungen sind kein Ort mehr, an dem ich mich aufhalten darf. Und dass das Reiten viel zu gefährlich für mich ist.“ Nun war trotz ihres stoischen Gehorsams die Wut in ihrer Stimme deutlich zu hören. Sie stand auf und ging zum Fenster, die schmalen Hände zu Fäusten geballt. Jessy folgte ihr, legte den Arm um ihre Mitte und den Kopf auf ihre Schulter.
„Sie hätte es niemals gewagt, Tychon irgendetwas zu verbieten“, presste Amileehna hervor. Jessy spürte das Beben ihres Körpers, wie immer, wenn sie die Tränen nur mit Mühe unterdrückte.
„Natürlich nicht“, antwortete sie ruhig. „Er war ein Junge. Ein Mann. Du bist ein Mädchen, dem man Anweisungen geben muss.“
„Das ist es doch nicht“, sagte Amileehna. „Ihn hat sie geliebt, so wie jeder andere auch. Und mich hasst sie.“ Nun quollen die Tränen doch hervor und ließen ihre blauen Augen noch größer wirken. „Es wäre ihr lieber gewesen, die Magier hätten mich getötet und nicht ihn.“
„Sag das doch nicht“, seufzte Jessy. Doch mehr fiel ihr nicht dazu ein, denn es war offensichtlich, dass Amileehna Recht hatte. Der Tod ihres Sohnes hatte die Königin zu einer bitteren, bösen Frau gemacht und es schien, als ob sie ihre ganze Wut über den Verlust an ihrer Tochter ausließ. Außerdem wusste Jessy, dass Amileehnas Tränen eigentlich gar nicht der Grausamkeit ihrer Mutter galten. Es war Tychon um den sie weinte und das beinahe jeden Tag.
Tychon war von den Westländern zu einem Helden verklärt worden, was er im Grunde auch gewesen war. Er hatte das Land vor dem Untergang gerettet und Skarphedinn geschlagen, bevor er die Welt der Vier Länder zerstören konnte. Dafür verehrten sie ihn und sangen sogar Lieder von seiner gefahrvollen Reise. Doch für alle, die mit ihm gekämpft hatten, die Wölfe, Jessy, Albin und besonders Amileehna, die ihn so sehr geliebt hatte, war die Trauer ein ständiger Begleiter. Amileehna hatte seinen Platz in der Thronfolge eingenommen und würde alles tun, was dafür nötig war. Doch die Last dieser Aufgabe und der schreckliche Verlust ihres Bruders schienen zu schwer für ihre Schultern zu sein.
Jessy drehte sie zu sich herum und zwang sie, ihr ins Gesicht zu sehen.
„Ich weiß, es ist hart“, sagte sie leise. „Aber ich bin hier und ich werde nicht weg gehen. Ich lasse dich nicht allein.“
Amileehna nickte und wischte sich über die Wangen. „Ich weiß. Wenigstens das.“
Nachdem sie sich von den Strapazen ihrer Reise erholt hatten, hielt der Alltag Einzug in der Eisenfaust und alle führten wieder das Leben, das sie zuvor geführt hatten. Jessy hatte ihre Chance auf eine Heimkehr in ihre eigene Welt vertan. Das Portal - der Weg nach Hause - war zerstört und ob es jemals einen anderen für sie geben würde, wusste niemand. Sie musste also beginnen, sich in der Eisenfaust einzurichten. Einige Wochen tat sie nichts, beobachtete das Leben und lernte alles kennen. Doch schon bald stellte sich Langeweile ein und sie wollte irgendeine Aufgabe übernehmen. Sie erkannte, dass sie keinerlei Fähigkeiten besaß, die hier von Nutzen waren. Von Handarbeit und Hauswirtschaft hatte sie keine Ahnung, ihre Bildung und alles was sie in ihrem alten Leben tagtäglich getan hatte, gehörte hier ins Reich der Fantasie. Das einzige, was sie konnte, war kämpfen. Schließlich war Albin auf die Idee gekommen, dass Jessy zu Amileehnas Leibwächterin werden sollte. Damit löste er gleich mehrere Probleme auf einmal. Amileehna hatte eine Freundin, die ständig in ihrer Nähe sein konnte und sie aus ihrer Trübsinnigkeit riss. Der Schutz der Königsfamilie war traditionell Aufgabe der Wolfsgarde, aber natürlich war es unmöglich, dass ein Mann sich ständig in der Nähe der Prinzessin befand. Deshalb war auch Althan, der Anführer der Garde, damit einverstanden, dass Jessy diesen Posten übernehmen sollte. Während viele Adlige Jessy misstrauten - obwohl sie mehr als genug bewiesen hatte, dass sie Westland nicht schaden wollte - war man in der Garde absolut überzeugt von Jessys Loyalität und ihrer Fähigkeit, diesen Posten auszufüllen. Dieses Vertrauen machte sie stolz und obwohl die Ausbildung während der letzten Monate hart gewesen war, hatte sie es noch keinen Moment bereut.
„Heute habe ich eine Hirschkuh geschossen“, sagte sie nun. Amileehna war immer interessiert daran, was sie gelernt hatte. Wahrscheinlich, weil sie Jessy so sehr darum beneidete. Sie selbst hätte alles darum gegeben, von den Wölfen ausgebildet zu werden. Doch diese Zeiten waren vorbei.
„Sehr gut“, lobte die Prinzessin. Jessys gute Stimmung hatte sie ein wenig angesteckt. „Falls wir also irgendwann in der Wildnis festsitzen und auf uns gestellt sind, werden wir nicht verhungern.“
„So ist es, meine Königin.“ Jessy verneigte sich. „Ich werde jetzt gehen und dich deinen Ankleidedamen überlassen.“
„Weil du davon sprichst… Wäre es sehr schlimm, wenn du ab und zu ein Kleid anziehen würdest?“ fragte Amileehna. „Du weißt, dass meine Mutter dich noch aus tausend anderen Gründen hasst, aber damit könnten wir ihr wenigstens ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen.“
Ungefähr eine Woche lang hatte es Jessy Spaß gemacht, sich täglich als Prinzessin zu verkleiden, doch dann überwog ihr Pragmatismus und sie zog wieder Hemden und Hosen an. Sehr zum Leidwesen sämtlicher weiblicher Burgbewohner, die das mehr als befremdlich fanden.
„Ist sie immer noch beleidigt, weil ich den Benimm-Kurs abgelehnt habe?“
Amileehna seufzte. „Wäre es denn so schlimm gewesen? Du wirst mich bei politischen und gesellschaftlichen Anlässen begleiten. Da wäre es doch hilfreich, wenn du die Etikette kennst…“
„Nein, nein“, widersprach Jessy. „Ich stehe hinter dir und passe auf, dass niemand dir an die Gurgel geht. Deswegen muss ich nicht die Reihenfolge der Gabeln kennen.“
„Ich sehe schon, du wirst dich nicht umstimmen lassen. Aber es würde vieles vereinfachen, wenn du dich ein bisschen besser… einfügen würdest, oder?“
Jessy presste die Lippen aufeinander. „Ich bin kein Burgfräulein, Ami, und ich werde auch nicht so tun als ob. Der einzige Grund, warum ich dieses Gemäuer überhaupt betrete, bist du. Ich bin als deine Freundin hier und was andere denken, ist mir gleich.“
„Ich wünschte, ich könnte auch so sein“, antwortete Amileehna niedergeschlagen. „Einfach tun, wonach mir ist.“
„Entschuldige mal, du wirst in ein paar Jahren die Königin von diesem ganzen Haufen hier sein“, fuhr Jessy auf. „Dann kannst du doch wohl tun und lassen, was du willst. Wer sollte dir dann noch Steine in den Weg legen können?“
„Meine Mutter, der Kronrat, die Händlergilden, mein Ehemann…“
„So ein Blödsinn. Und diesen mysteriösen Ehemann vergessen wir ganz schnell wieder.“
Zu Amileehnas Glück und Erleichterung waren ihre Eltern erst einmal von dem Gedanken abgekommen, sie schnell zu verheiraten. Immerhin würde der Zukünftige an ihrer Seite das Land regieren und musste daher mit größter Sorgfalt ausgewählt werden.
„Und jetzt sei nicht mehr traurig“, sagte Jessy. „Morgen früh schleichst du dich raus und schaust dir an, wie ich auf der schönen Gemma Rodeo reite. Das wird dich sicher aufmuntern.“
Amileehna lächelte und sah wieder ein wenig mehr nach dem Mädchen aus, das Jessy kannte.
Nach dem Trubel, dem Lärm und der stickigen Luft in der Großen Halle empfand Jessy die Ruhe in ihrem Zimmer immer als eine Wohltat. Draußen war es längst dunkel und der Regen prasselte gegen die dicke Fensterscheibe. Sebel, ihre treue Freundin und Kammerzofe, hatte das Feuer angezündet, denn auch jetzt im Frühjahr wurde es nachts empfindlich kalt in den steinernen Gebäuden. Um ein wenig guten Willen zu zeigen hatte Jessy an diesem Abend ein Kleid angezogen, das jetzt durchnässt über einer Stuhllehne hing. Nun streckte sie sich wohlig unter den dicken Decken ihres Bettes aus und genoss die Ruhe. Sie war müde, ihre Tage waren lang und meistens anstrengend. Manchmal schmerzte jeder Muskel in ihrem Leib von den Übungsstunden, denn so freundlich und liebenswert die Wölfe waren, als Lehrer waren sie meistens erbarmungslos. Niemand schonte sie, weil sie eine Frau war. Wenn es soweit war, würde sie Ami verteidigen müssen und durfte sich keine Sekunde der Schwäche erlauben. Trotzdem glaubte sie nicht, dass sie jemals so hart werden würde.
„Du bist eben ein Mädchen“, sagte Bosco manchmal und klang dabei derart enttäuscht, dass Jessy lachen musste. Trotz dieses offensichtlichen Nachteils erntete sie oft Lob und machte ihre Sache wohl ganz gut.
Amileehna hatte beim Abendessen entspannter gewirkt, wahrscheinlich schmiedete sie tatsächlich einen Ausbruchsplan für den Morgen und das baute sie auf. Jessy konnte aber beim Essen meistens nicht mit ihr reden, denn sie saß nicht bei den Adligen, auch wenn ihr dort ein Platz zugestanden hätte. Meistens aß sie bei den niederen Hofdamen und wartete darauf, dass die Geschlechtertrennung an der Tafel aufgehoben wurde, um sich dann zu Albin und den Wölfen zu setzen. Dort ging es immer lustig zu und Jessy blieb länger als sie eigentlich wollte. Auch heute hatte sie die Augen kaum noch offen halten können und war schließlich durch den Regen herüber zum Prinzenbau gelaufen, um schnellstmöglich in ihr Bett zu kriechen. Doch egal wie müde sie war, sobald sie hier in ihrem kleinen, stillen Zimmer mit dem prasselnden Kamin lag, mochte der Schlaf nicht kommen. Denn dann wartete sie.
Sie war schon eingedöst, als sie hörte, wie sich der Riegel an der Tür leise öffnete. Ihr Herz machte einen kleinen Satz. Sie rührte sich nicht, öffnete aber die Augen ein wenig. Genug um zu sehen, wie Rheys seine Stiefel auszog und neben die Tür stellte. Für einen so großen Menschen bewegte er sich erstaunlich leise. Der Raum schien immer kleiner zu werden, wenn er herein kam, so sehr wurde er von seiner Anwesenheit ausgefüllt. Nun ging er zu dem kleinen Tisch und goss sich ein wenig Wein in einen Becher. Jessy beobachtete jede seiner Bewegungen. Oft sahen sie sich den ganzen Tag nicht und dann erschien es ihr, als habe sie vergessen, wie er seinen Nacken streckte um die Muskeln zu lockern oder wie es klang, wenn er die Schnallen an seinem Wams öffnete. Regentropfen glitzerten in seinem kurzen schwarzen Haar. Er zog das nasse Hemd mit einer Hand über den Kopf und hängte es ordentlich am Kamin zum Trocknen auf. Im Schein des Feuers waren die Narben auf seiner Haut nicht mehr als Schatten. Einen Moment lang schaute er gedankenverloren ins Feuer und trank aus dem Becher. Nur selten hatte Jessy Gelegenheit, ihn so heimlich zu beobachten. Immer versuchte sie einen Blick auf etwas zu erhaschen, das sie noch nicht kannte, eine Geste, die ihr etwas über ihn verriet. Aber die meisten Dinge verbarg er selbst im Schlaf.
„Warum bist du noch wach?“ fragte Rheys ohne sich umzuschauen. „Es ist spät.“
Jessy stützte sich auf den Ellbogen hoch. „Wie konntest du das wissen? Ich habe keinen Muskel bewegt!“
Nun wandte er sich um und schaute sie an. Der Feuerschein fing sich in seinen hellen Augen. Dunkle Bartschatten lagen auf seinen kantigen Wangen. Vielleicht lächelte er ein wenig, aber so genau konnte sie es nicht sagen. Auch das Lächeln sah sie selten.
„Ich höre dich atmen. Es klingt anders wenn du schläfst.“
Hecheln trifft es wohl eher, dachte Jessy. Er kam zum Bett herüber und sie konnte den Regen und den Rauch aus der Halle an ihm riechen. Aber sie wollte seinen eigenen Geruch nach Leder, Schweiß und Eisen, wollte ihn tief aufsaugen und ihre Lungen damit füllen.
„Ich schlafe nie bis du kommst. Das weißt du doch.“
„Ist meine Gesellschaft so großartig?“ fragte er spöttisch. „Du brauchst deinen Schlaf, du wirst morgen mit Lando arbeiten.“
„Ehrlich gesagt möchte ich jetzt nicht über Lando reden. Oder das Pferd oder sonst irgendwas“, sagte Jessy leise. Ihre Haut kribbelte.
Rheys beugte sich herunter und fuhr mit der Hand in ihre noch nassen Haare, die offen über ihre Schultern hingen. Sie spürte seine Fingerspitzen auf ihrer Kopfhaut und holte tief Luft. Er zog sie zu sich heran und küsste sie.
Großartig trifft es nicht annähernd, schoss es ihr durch den Kopf.
Bevor Jessy irgendetwas anders wahrnehmen konnte, spürte sie Rheys’ warme Hand auf ihrem Rücken. Dann kam die Dunkelheit zurück, die kalte Luft auf ihrer nackten Haut und die Tränen auf ihrem Gesicht. Sie hörte das Knacken der alten Deckenbalken und das Zischen des Kaminfeuers, das nur noch Glut war. Und kehrte zurück aus dem düsteren Traum in die Wirklichkeit.
Sie seufzte und wischte sich über das Gesicht, während das Grauen verflog.
„Ist schon gut“, murmelte Rheys, der sich neben ihr aufgesetzt hatte, und drückte sie sanft zurück auf die Matratze, wo sie sofort von der Wärme ihrer Körper unter den Decken umfangen wurde. Das Zittern ihrer Glieder ließ nach. Rheys zog sie an sich, sie legte den Kopf auf seine Brust und lauschte dem steten ruhigen Schlag seines Herzens.
Es waren Wochen vergangen seit ihrem letzten Albtraum und trotzdem überkam Jessy die Angst, dass alles wieder von vorne beginnen könnte. Während sie nämlich begann, tagsüber ein normales Leben in der Eisenfaust zu führen, wurde sie nachts stärker und stärker von Träumen gepeinigt, die ihr nur eins zu sagen schienen. Du gehörst nicht hierher. Dann irrte sie an finsteren, furchteinflößenden Orten umher, unfähig zu schreien oder irgendetwas zu tun. Das Gefühl, völlig allein und verloren zu sein war so stark, dass sie schluchzend und verzweifelt aufwachte und nur Rheys’ Anwesenheit konnte sie beruhigen. Manchmal war sie sogar aufgestanden und im Zimmer umher geirrt und es war ihm nicht gelungen, sie zu wecken, während sie weinte und um Hilfe rief. In diesen Wochen fiel es ihr auch immer schwerer, durch den Tag zu kommen.
Rheys’ Atem beruhigte sich langsam und obwohl sein schwerer Arm sie immer noch umschlungen hielt, spürte sie, dass er eingeschlafen war. Bald würde der Morgen grauen und sie sollte auch noch ein wenig schlafen, doch der Traum hatte sie in Aufregung versetzt und sie hatte Angst, die Augen wieder zu schließen.
Als der Winter die Eisenfaust fest in seinen Klauen hielt und sie völlig eingeschneit waren, hatte Jessy ganz plötzlich ein so heftiges Heimweh gepackt, dass sie kaum wusste, wie sie hier weiterleben sollte. Die Dunkelheit und Enge der Burg und der Verzicht auf so viele schöne Dinge machten sie wahnsinnig. Dann starb Boscos Tochter und sie verfluchte diese schreckliche rückständige Welt, in der sie gefangen war. Ständig begannen ihre Gedanken um ihr Zuhause zu kreisen, ihre Familie und Freunde. Hatten ihre Eltern sich mit ihrem Tod abgefunden? Die Vorstellung, wie sie um sie trauerten, war Jessy unerträglich. Die Westländer bereiteten die Festlichkeiten zur Wintersonnenwende vor und Jessy mochte ihr Bett nicht mehr verlassen, weil sie ständig weinte, wenn sie an Weihnachten denken musste. An all das, was sie vielleicht nie wieder sehen und erleben würde. Es kümmerte sie nicht mehr, was aus Albin und Amileehna wurde und sie schwor sich, sofort ohne einen Blick zurück nach Hause zu gehen, wenn sich die Gelegenheit bot. Rheys, der nicht besonders gut im Trösten hysterischer Frauen war, drohte und schimpfte, wich aber nicht von ihrer Seite. Er war immer da, wenn sie Essen verweigerte oder ein wenig zu lange auf dem vereisten Wehrgang im kalten Wind stand und in den verführerischen Abgrund schaute. Sie nahm die Menschen, die sie lieb gewonnen hatte, nicht mehr wahr, so groß war der Schmerz um die, die sie verloren hatte. Um das Leben, das sie nicht mehr führen konnte. Und um sie herum feierten die Bewohner der Eisenfaust die längste Nacht des Jahres…
Sebel klopfte leise an die Tür und kam herein. Ihr hübsches Gesicht war gerötet von dem eisigen Wetter draußen und Schneeflocken glitzerten auf ihrem Umhang. Sie trug einen großen Korb über dem Arm und stellte ihn auf den Tisch. Jessy lag im Bett und sagte nichts. Sie fühlte sich krank und elend und wollte am liebsten niemanden sehen. Sebels Fröhlichkeit raubte ihr den letzten Nerv. Niemand versuchte so penetrant sie aufzubauen, wie die blonde Zofe.
„Ich habe ein paar Dinge von meiner Mutter mitgebracht“, sagte sie nun betont gut gelaunt und begann tönerne Gefäße und Flaschen auf den Tisch zu stellen.
„Ich will nichts“, krächzte Jessy und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand.
„Warte nur ab, du hast das noch nicht gekostet“, schwatzte Sebel weiter. „Das wird deine Lebensgeister wecken. Und du musst etwas essen. Heute Abend solltest du etwas im Magen haben.“
„Vergiss es. Ich gehe da nicht hin.“
An diesem Abend wurde im Bergfried die Wintersonnenwende gefeiert. Das Fest des Königs im Palast hatte Jessy schon gestern über sich ergehen lassen und es war eine einzige Qual gewesen. Die steifen Rituale, die Förmlichkeit, das viele Essen und die Menschen hatte Jessy kaum ertragen. Sie war ganz und gar nicht in Stimmung für ein weiteres Fest.
„Alle werden traurig sein, wenn du nicht kommst“, sagte Sebel und setzte sich auf den Bettrand. „Komm schon, es wird bestimmt ein großer Spaß.“
Jessy wusste nicht, wie es geschah, aber Sebel brachte sie tatsächlich dazu, die köstlichen Kekse ihrer Mutter zu probieren und sich rechtzeitig zu waschen und anzuziehen. Glücklicherweise gab es im Bergfried keinerlei Kleidungsvorschriften und sie konnte Hemd und Hose anziehen. Schließlich stapfte sie mit Sebel bei Einbruch der Dunkelheit durch den verschneiten Hof. Der Bergfried war sonst eher ein wenig einladendes altes Gemäuer, doch heute brannte Licht hinter den kleinen Fenstern und schon von weitem waren Gelächter und Musik zu hören. Jessy wollte am liebsten wieder umkehren. Doch sobald sie den Turm betreten hatten, und sie die fröhlichen Gesichter sah, wusste sie, dass sie länger bleiben würde, als geplant.
Der kleine Raum, in dem die Wölfe sonst aßen und in ihrer Freizeit zusammen saßen, war mit grünen Zweigen geschmückt und so voller Menschen, dass er schier aus den Nähten platzte. Die Tische bogen sich unter dem Gewicht von Platten mit Fleisch, Brot und Süßigkeiten und überschäumenden Bierkrügen. Außer den Wölfen waren Kyra und ihre Kinder da, ein paar Zofen und Dienstmädchen, Freunde aus der Palastwache und Männer aus dem Kriegerlager. Alle lachten und die meisten waren auf dem besten Weg, richtig betrunken zu werden. Jessy blieb gar keine Gelegenheit, sich still in eine Ecke zu setzen und zu warten, bis sie wieder gehen konnte. Im Nu war sie in Gespräche verwickelt, mit Essen versorgt und merkte, wie sie sich entspannte und ihr Kummer in den Hintergrund rückte.
Sie beobachtete Albin, der mit seinen Freunden lachte und scherzte. Selbst Kyra schien ihre Traurigkeit ein wenig zu vergessen und tanzte mit Bosco. Sie alle waren hier zuhause, an dem Ort, an den sie gehörten. Jessy hatte auch das Gefühl gehabt, hierher zu gehören. Und plötzlich erinnerte sie sich wieder daran. Vielleicht hatte sie tatsächlich eine neue Familie gefunden.
Rheys erschien neben ihr und streckte ihr die Hand hin. Sie sah ihn fragend an.
„Tanzen“, sagte er. Auch ihm tat die Stimmung gut, er wirkte geradezu fröhlich und hatte schon einiges getrunken.
„Ist das dein Ernst?“ fragte Jessy fassungslos und amüsiert zugleich.
„Ich frage dich wahrscheinlich nie wieder, also solltest du es dir nicht entgehen lassen“, sagte er.
Jessy war zu überrascht um abzulehnen und während Rheys sie zum Klang von Trommel und Geige herumwirbelte, bis ihr schwindelig wurde, stellte sie fest, dass sie ihn während der letzten Wochen gar nicht wirklich beachtet hatte. Das Tanzen schien nicht seine Sache zu sein, er rempelte ständig jemanden an und trat Jessy auf die Füße. Schließlich ließ sie sich lachend auf eine Bank fallen und zog ihn neben sich, damit er nicht noch jemanden ernstlich verletzte. Ganz unerwartet beugte er sich herüber und küsste sie, was er sonst niemals in der Öffentlichkeit tat. Dann lächelte er sie ein wenig unsicher an.
„Komm, ich zeige dir etwas“, sagte er laut um den Lärm zu übertönen. Jessy folgte ihm nach draußen, wo tiefe Nacht herrschte und einzelne Schneeflocken vom pechschwarzen Himmel rieselten. Nach der Hitze drinnen traf sie die Kälte wie ein Schlag und sie schlang die Arme um ihren Körper. Der Atem stand in dichten Wolken vor ihrem Mund.
„Du bist ja unfassbar guter Stimmung heute Abend“, sagte sie mit leisem Spott.
„Du auch“, gab er zurück und lächelte. Seine bemerkenswerten blaugrünen Augen leuchteten im Schein der Fackel, die neben ihnen flackerte. Plötzlich schämte sie sich ein wenig für ihr Verhalten in der letzten Zeit.
„Es tut gut, dich außerhalb des Bettes zu sehen“, fuhr er fort. „Nicht, dass ich dich nicht gern darin sehen würde…“
Jessy gab ihm einen leichten Schubs. „Ich glaube, ich bin auf dem Weg der Besserung“, sagte sie. „Danke, dass du da warst.“
„Ein paar Wutausbrüche mehr und ich hätte dich aus dem Fenster geworfen.“
„Ich hoffe, das war ein Scherz.“
„Natürlich, ich bin betrunken. Merkt man das nicht?“
Jessy lachte leise. „Überhaupt nicht. Nur wenn du versuchst zu tanzen.“
„Es kommt bestimmt nicht wieder vor. Das Tanzen meine ich.“
„Wunderbar. Können wir reingehen, es ist furchtbar kalt“, sagte sie.
Nun wurde Rheys plötzlich ernst. „Noch ein Moment. Ich möchte dir etwas geben.“
Er nestelte an seiner Hose herum und zog etwas aus seiner Tasche. Jessy hatte selbst getrunken und konnte erst nichts erkennen. Im schwachen Licht glitzerte etwas zwischen seinen Fingern. Sie sah, dass es ein silberner Ring war, der in seiner großen Hand winzig wirkte. Sie schluckte und ihr Herz begann zu rasen.
„Du hast gesagt, in deiner Welt gibt es ein Fest, zu dem man sich Geschenke macht. Deshalb…“ Zögernd verstummte er und suchte schulterzuckend nach Worten. „Er war eigentlich für eine andere Frau.“
Jessy hob die Brauen. „Wie bitte?“
„Nein, nein“, antwortete er schnell. „Nicht so, wie du jetzt denkst.“ Er rieb sich über den Nacken, ein untrügliches Zeichen dafür, dass er verunsichert war.
„Als ich im Krieg war, gab es einen Mann in meiner Truppe, den ich sehr gern mochte. Ich war ja noch ein halber Junge und er hat ein wenig auf mich aufgepasst. Dabei war er selbst noch nicht alt.“
Jessy mochte keine Geschichten über den Nordlandkrieg, aber immer wieder erzählte jemand davon. Die Erinnerungen an all die Schrecken von damals waren noch immer frisch in den Köpfen derer, die dort gekämpft hatten.
„Jedenfalls wurde er verletzt und wusste, dass er sterben würde“, fuhr Rheys fort. „Also gab er mir all seine Sachen und sagte, ich solle diesen Ring seinem Mädchen bringen. Er beschrieb mir das Dorf, aus dem er kam und ich wusste, dass wir auf dem Rückweg dort vorbei kommen würden. Ich versprach ihm, dass ich ihr den Ring gebe.“
Er hatte sich halb abgewandt und Jessy betrachtete sein scharfkantiges Profil. Es schien ihm nicht leicht zu fallen, diese Dinge zu erzählen. Gedankenverloren schaute er auf seine Stiefel und scharrte ein wenig mit dem Fuß im frischen Schnee.
„Als wir in das Dorf kamen, war es nur noch Rauch und Asche. Irgendwelche Ungeheuer waren vor uns dort gewesen. Also habe ich das Mädchen nicht gefunden. Ich weiß nicht, warum ich den Ring behalten habe.“
„Das ist eine sehr traurige Geschichte“, sagte Jessy. „Willst du, dass ich wieder anfange zu weinen?“
„Bloß nicht“, antwortete er schnell und hob die Hände. Dann streckte er ihr den Ring entgegen wie ein kleiner Junge, der etwas Unangenehmes sehr schnell hinter sich bringen möchte. Viel mehr als alles andere rührte Jessy seine Unbeholfenheit. Alles was er tat war stets geprägt von seiner Selbstsicherheit und Stärke. Nur sie konnte ihn dazu bringen, Schwäche zu zeigen. Als sie keine Anstalten machte, den Ring zu nehmen, seufzte er ungeduldig.
„Mein Freund konnte der Frau nicht sagen, wie gern er sie hatte. Und ich kann es auch nicht. Also nimm ihn bitte einfach.“
Jessy lächelte. „Das ist das Romantischste, was mir jemals jemand gesagt hat.“ Sie nahm den Ring und steckte ihn an ihren Ringfinger. Er passte genau und war aus schlichtem Silber. „Vielen Dank.“
Erleichtert lächelte Rheys. „Gern geschehen.“
Von da an wurden die Tage wieder heller.
Im fahlen Licht der Morgendämmerung betrachtete Jessy das Geschenk an ihrem Finger. Sie dachte oft an diesen Abend und noch immer ging ein freudiger Schauer durch sie hindurch, wenn sie sich daran erinnerte. Zwischen ihr und Rheys hatte es nie viele Worte über ihre Beziehung gegeben. Nach ihrer Rückkehr in die Eisenfaust hatten sie sich zuerst seltener gesehen. Eine seltsame Befangenheit hatte sich eingestellt, als müssten sie sich noch einmal kennenlernen. Auf sicherem Terrain ohne ständige Gefahren und Streitereien. Doch es dauerte keine Woche, bis Jessy ihn überreden konnte, abends zu ihr zu kommen. Noch nie zuvor hatte sie solche Sehnsucht nach einem Mann verspürt. Sie hatte das Gefühl, dass sie niemals genug von ihm bekommen würde. Und auch nach so vielen Monaten war das Verlangen nicht einmal ansatzweise gestillt. Schließlich kam Rheys jeden Abend und schlief auch bei ihr, denn wenn sie im Bett lagen und anfingen, sich zu unterhalten, redeten sie oft stundenlang. Und trotzdem wusste sie, dass es Dinge gab, die sie nicht von ihm erfahren würde. Ein Teil von ihm blieb der wachsame Fremde, den sie vor langer Zeit kennen gelernt hatte. Und diesen würde sie niemals für sich gewinnen können. Im Augenblick machte ihr das aber nichts aus. Sie genoss es einfach, mit ihm zusammen zu sein. Egal ob er hier mit ihr im Bett lag, oder sie ihn nur aus der Ferne über den Hof gehen sah. Ihr Herz schlug in einem anderen Takt, wenn er da war und das fühlte sich schrecklich gut an.
Vorsichtig drehte sie sich zur Seite und stützte den Kopf auf die Hand um Rheys beim Schlafen zu zuschauen. Hier, in der Sicherheit seiner Burg, schreckte er nicht bei der geringsten Regung hoch und wachte nicht ständig über sie, wie auf ihrer Reise. Wenn er schlief, sah er entspannt und jung aus. Nur wenige Wochen nach dem Kampf gegen Skarphedinn, der ihn fast das Leben gekostet hatte, war er wieder bei Kräften gewesen. Bloß eine weitere Narbe war geblieben, die zwar noch frisch und wund aussah, aber irgendwann verblassen würde. Seine Trauer um Tychon versteckte er vor Jessy und vor allen anderen, aber sie wusste, dass er genauso darunter litt wie Amileehna. Durch das Fenster glitten die ersten Sonnenstrahlen herein. Sie schmiegte sich enger an ihn und strich mit der Hand über seinen harten Bauch.
„Du musst aufstehen“, flüsterte sie. Er murmelte etwas Unverständliches, drehte sich zu ihr herum und umklammerte sie so fest, dass sie kaum Luft bekam. Manchmal tat er das auch nachts, so dass sie davon wach wurde, weil sie sich plötzlich nicht mehr rühren konnte. Vielleicht versuchte er, sie festzuhalten, auch wenn keine Gefahr bestand, dass sie fortging.
„Dein Bett ist schrecklich“, sagte er ohne die Augen zu öffnen. „Ich schlafe viel zu gut darin. Ganz anders als in meinem.“
„Das kann ich nicht beurteilen“, antwortete sie. „Ich habe dein Bett noch nie gesehen.“
Sie wand sich etwas und versuchte, seinen Griff zu lockern, aber er bewegte sich keinen Zentimeter.
„Du bist herzlich eingeladen“, sagte Rheys.
„Lieber nicht. Nicht auszudenken, was die Hofdamen sagen, wenn sie mich nachts in den Bergfried gehen sehen. Es reicht schon, wie sie jetzt über mich tratschen.“
„Was meinst du?“
Jessy kicherte. „Rheys, jedes Mäuschen in der Burg weiß von uns beiden. Hast du das nicht gemerkt?“
„Und was geht das die Hofdamen an?“ fragte er mit einem Anflug von Zorn in der Stimme. Jessy stellte sich vor, wie er in voller Rüstung ins Wohnzimmer von Frau Dhanea marschierte und anfing, die versammelte Gesellschaft anzuschreien, so wie er es bei den Schülern im Kriegerlager machte. Sie schmunzelte.
„Um es kurz zu sagen, sie hassen mich. Ich bin eine Fremde und die einzige, die Amileehna ins Vertrauen zieht. Das muss jeden misstrauisch machen. Und dann habe ich noch ein Verhältnis mit einem Man von der Leibgarde und mache mir nicht mal die Mühe, es zu verbergen. Das passt nicht ganz ins Bild, oder?“
„Wenn sich jemand dir gegenüber ungebührlich verhält, solltest du das der Königin sagen“, meinte Rheys streng. „Du bist immerhin ein Gast des Königs und jeder muss dich respektieren.“
Jessy biss sich auf die Lippe. Sie sollte ihm wohl besser nicht sagen, dass Königin Sílean ihr ständig nahe legte, sich von Amileehna fern zu halten. Dass die Damen ganz offen über sie lästerten und schimpften machte ihr nichts aus. Aber sie wollte der Prinzessin nicht noch mehr Schwierigkeiten machen.
„Ich komme schon zurecht“, sagte sie.
„Hattest du einen schlimmen Traum?“ fragte Rheys unvermittelt. „So schlimm wie damals?“
„Nein“, antwortete sie und drehte den Kopf, um ihm ins Gesicht schauen zu können. „Es ist vorbei, ganz bestimmt. Mach dir keine Sorgen.“
„Gut. Denk nicht mehr daran. Konzentriere dich heute auf dein Pferd. Lando wird dir alles abverlangen.“
Jessy seufzte. Zu gerne hätte sie einmal einen ganzen Tag hier mit ihm verbracht, ohne Verpflichtungen oder Trainingseinheiten. Aber Rheys' unerschöpfliche Energie duldete kein Ausruhen. Er und auch die anderen Wölfe hatten es sich zum Ziel gemacht, aus ihr eine Kriegerin zu machen. Egal, was es kostete.
„Du wirst mir hoffentlich nicht zuschauen, oder?“ fragte sie, während Rheys aufstand und begann, sich anzuziehen. „Ich will eigentlich niemanden dabei haben, wenn ich mir alle Knochen breche.“
„Blödsinn“, gab er zurück. „Es ist ein Pferd und kein verrückter Drache. Und es gibt eine Menge Arten, herunterzufallen ohne sich zu verletzen.“
„Na dann bin ich ja beruhigt“, sagte Jessy zweifelnd.