Читать книгу Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht - Julia Fritz - Страница 30
3.3.7 Wahrnehmung des Fremdsprachenunterrichts im Vergleich der Jahrgangsstufen
ОглавлениеEmpirische Untersuchungen bestätigen den Eindruck zahlreicher Fremdsprachenlehrkräfte, dass „die Anfangsmotivation relativ schnell nachlasse bis zu dem absoluten Tiefpunkt in Klasse 11, in der sich die Schülerinnen und Schüler zu fast gar nichts mehr bewegen ließen“ (Caspari 2008:23). Jüngere SchülerInnen scheinen demnach noch deutlich motivierter zu sein.
Die Akzeptanz des Fremdsprachenunterrichts war in der fünften Klasse am größten. Fast 40 % der Schüler/innen bezeichneten die Fremdsprache als ihr Lieblingsfach. In Klasse 7 waren es nur noch 10 %, in den achten Klassen mit 20 % im Gesamtdurchschnitt wieder etwas mehr. (Sambanis 2009:10)
Für das Fach Französisch belegen bereits die Ergebnisse von Düwell, dass die Zahl der SchülerInnen, deren Motivation, Französisch zu lernen, abgenommen hat, im Vergleich der Jahrgangsstufen zunimmt. Zieht man die Ergebnisse aktuellerer Studien hinzu, wird deutlich, dass sich an diesen Tendenzen wenig geändert hat. Die MES-Studie wie auch die Untersuchungsergebnisse von Beckmann zeigen, dass die Anzahl an SchülerInnen, die keine weitere Fremdsprache lernen wollen, von der Jahrgangsstufe 5 über die Klasse 9 bis hin zur Oberstufe signifikant steigt (vgl. Beckmann 2016:345). Ein Drittel der Befragten gibt in der Untersuchung von Küster (2007:220) an, Französisch „abgeschrieben“ zu haben.
Zwar lässt sich anhand des Schemas (vgl. Abb. 5) ablesen, dass die Motivation von knapp drei Viertel aller Lernenden nach dem ersten Lernjahr konstant bleibt oder sogar zunimmt – in der zehnten Klasse gilt dies jedoch nur noch für weniger als zwei Drittel der Schülerschaft.
Abbildung 5:
Entwicklung der Motivation zwischen den Jahrgangsstufen 8 und 10 im Fach Französisch (vgl. Düwell 1979: 110)1
Vergleicht man nun die Zahlen der Zu- und Abnahme genauer, fällt auf, dass in der achten Klassenstufe mit 34,9 % mehr Lernende angeben, motivierter als zu Beginn des Französischunterrichts zu sein, als diejenigen, die bereits weniger motiviert als am Anfang waren. Zwei Jahre später ist es nur noch ein Drittel (30,2 %), das einen Anstieg der Motivation verzeichnen kann, während knapp die Hälfte der Lernenden eine Abnahme der eigenen Motivation feststellt. Betrug dieser Wert in der achten Klasse, d.h. im zweiten Lernjahr bereits 28,3 %, stiegen die Zahlen in der Klassenstufe 10 weiter auf 43,1 % (vgl. Düwell 1979:110). Eng verbunden mit der Abnahme der Motivation ist die Bereitschaft zum Erlernen weiterer Fremdsprachen, die mit zunehmender Sprachlernerfahrung ebenfalls abnimmt. Die in der Studie von Düwell (1979:120) befragten Zehntklässler schätzen ihre Lernbereitschaft und ihren Lernerfolg im Fach Französisch insgesamt negativer ein als die Lernenden der achten Jahrgangsstufe.
Dass Französisch mit zunehmender Lernzeit in der Wahrnehmung der Lernenden schlechter abschneidet als Englisch, verdeutlichen u.a. die Ergebnisse der MES-Studie. Sinkendes Interesse sowie die abnehmende Leistungsbereitschaft sind bei den Französischlernenden in der neunten Klasse deutlich ausgeprägter als im Fach Englisch (vgl. Meißner et al. 2008:105). Dies bestätigt auch die Studie von Beckmann. Während in der Oberstufe 57,01 % der EnglischschülerInnen „bereit sind, freiwillig überdurchschnittlich viel Arbeit in das Erlernen der Fremdsprache zu investieren“ (Beckmann 2016:242), sind es im Französischunterricht beinahe nur halb so viele (30,13 %). Das Fach Spanisch, für das 51 % der SchülerInnen bereit sind, freiwillig zusätzliche Arbeit zu investieren, schneidet besser ab (vgl. ebd.). Es ist sehr wahrscheinlich, dass hier ein Zusammenhang mit der wahrgenommenen Nützlichkeit der verschiedenen Fremdsprachen besteht. Während in den hessischen Stichproben der MES-Studie 98 % der Fünftklässler angaben, Englischlernen sei nützlich, waren es in der Jahrgangsstufe 9 immerhin noch 90 %. Demgegenüber liegt der Wert für Französisch in der neunten Klasse bei nur 33 % (vgl. Meißner et al. 2008:69). Zusätzlich erschwert sicher auch das spätere Einsetzen des Französischen bzw. der zeitliche Vorsprung im Englischen die Position der zweiten Fremdsprache. Düwell (2002:177) spricht in diesem Zusammenhang von motivationalen Interferenzen: „Das lernende Subjekt bildet in einem solchen auf mehrere Sprachen bezogenen Lernprozess Präferenzen für z.B. eine (oder zwei) Sprache(n), was demotivierende Folgen für die verbleibende(n) Sprache(n) haben kann.“ Der Lernfortschritt in der ersten Fremdsprache Englisch wird als Maßstab für das Erlernen der zweiten oder weiteren Fremdsprachen angelegt. Dabei wird der vermeintlich höhere Schwierigkeitsgrad der romanischen Sprachen Spanisch und Französisch oftmals als frustrierend wahrgenommen.
Dies bedeutet, daß der Lernende, z.B. in Klasse 8, im Englischunterricht die Fremdsprache bereits relativ komplex anwenden kann, während er sich im Französischunterricht noch sehr stark in der lehrwerkbezogenen Anfangsphase befindet. Die größere Anwendungsmöglichkeit der englischen Sprache, die aus dem Lernvorsprung resultiert, dürfte dabei die Lernmotivation für den Erwerb dieser Sprache anregen und gleichzeitig die Lernmotivation der Schüler im Fach der zweiten Fremdsprache (hier Französisch) hemmen. (Düwell 1979:215)
Ohne Zweifel ist die sinkende Motivation jedoch auch ein Ergebnis des Unterrichts selbst, da das Bild des Französischunterrichts in der Jahrgangsstufe 9 signifikant gegenüber dem des Englischunterrichts, welches positiv bleibt, verliert (vgl. Meißner et al. 2008:104). Hier bestätigt die MES-Studie die Ergebnisse von Düwell. Während in der achten Klasse 40,9 % der Befragten den Englischunterricht interessanter als den Französischunterricht bewerten, sind es in der Jahrgangsstufe 10 bereits 53 %. Umgekehrt sinkt die Zahl derer, die den Französischunterricht interessanter als den Englischunterricht einschätzen, von 28,3 % in Klasse 8 auf 20,4 % in Klasse 10 (vgl. Düwell 1979:144).
Auch wenn der Schwierigkeitsgrad der Fremdsprachen im Verlauf der Jahrgangsstufen deutlich höher wahrgenommen wird, schneidet Französisch gegenüber Englisch hier besser ab. Fast zwei Drittel (64,1 %) der in der Studie von Hermann-Brennecke und Candelier (1993:250) befragten 518 SchülerInnen empfinden Englisch in der Jahrgangsstufe 8 schwerer als zu Beginn. Nur 33,9 % geben an, dass Englisch leichter sei. Im Fach Französisch halten 52,8 % der fortgeschrittenen Lernenden die Sprache für schwerer, 45,3 % für leichter. Insgesamt kommen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass Französischlernende im Hinblick auf die erwartete Lernbarkeit der Sprache weniger enttäuscht sind als in Englisch.
Der Blick auf die Wahrnehmung des Fremdsprachenunterrichts über die Jahrgangsstufen hinweg weist insofern auf Veränderungen hin. Deutlich wird, dass sich die Motive für die Wahl oder Abwahl einer bestimmten Fremdsprache im Laufe der Sekundarstufe I sowie der Einfluss von unterrichtsexternen hin zu unterrichtsimmanenten Faktoren verschieben:
Während bei Eintritt in die Sekundarstufe und zu Beginn des Fremdsprachenunterrichts schulisches und berufliches Nützlichkeitsdenken dominieren, treten nun die Auswirkungen der persönlichen Begegnung mit dem fremdsprachlichen Medium in den Vordergrund. (Hermann-Brennecke & Candelier 1993:240)
Durch die voranstehenden Darstellungen wurde deutlich, dass die Einstellungen zum Fremdsprachenlernen, das Interesse, die Leistungsbereitschaft und die Motivation im Fremdsprachenunterricht von zahlreichen, auch außerunterrichtlichen Faktoren (z.B. schulsprachenpolitische Rahmenbedingungen, Auslandsaufenthalte, Familie etc.) beeinflusst werden. Dennoch sind es vor allem unterrichtsimmanente, im Rahmen des schulischen Fremdsprachenunterrichts gemachte Lernerfahrungen, die Einfluss auf die Sprachlernhaltung nehmen. Zwischen Merkmalen der schulischen Lernumwelt (z.B. Vertrauen in die Lehrperson, Fach- und Unterrichtskompetenz der Fremdsprachenlehrkraft, Leistungsdruck im Fremdsprachenunterricht, Konkurrenzstreben und Anerkennung durch MitschülerInnen) und den verschiedenen motivationalen Orientierungen bestehen stärkere Wechselwirkungen, als dies bei Merkmalen der familiären Lernumwelt (z.B. Fremdsprachenkenntnisse der Mutter, Stellenwert des Fremdsprachenunterrichts für die Eltern sowie Häufigkeit der Konflikte wegen ungenügender Schulleistungen) der Fall ist (vgl. Holder 2005:162ff.).
Es konnte außerdem gezeigt werden, dass sich die Bewertung des Unterrichts im Verlauf der Sekundarstufe I verschlechtert, weshalb Caspari (2008:22) die Abwahl der zweiten Fremdsprache Französisch auch als „Ergebnis von mehreren Jahren erlebten Unterrichts“ bewertet. Auch Meißner et al. stellen die Sprach(en)lernerfahrung in der Jahrgangsstufe 9 als den Faktor heraus, der den größten Einfluss auf die Sprachlernhaltung hat: „Die positivsten Attitüden waren bei jenen Schülern zu beobachten, die auch ein positives Unterrichts- und Lernerlebnis nachwiesen.“ (Meißner et al. 2008:79, Hervorh. d. Verf.) Nachfolgend soll deshalb der Begriff „Unterrichtserlebnis“ näher beleuchtet werden.