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4.2 Methodologische Vorüberlegungen

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Um die Erfahrungswelt der Lernenden aus ihrer Perspektive zugänglich zu machen und einen tieferen Zugang zu den individuellen Erlebnisweisen und Innenansichten zu ermöglichen, wurde ein qualitativ-exploratives Vorgehen gewählt. Gerade wenn es um die Erhebung subjektiver Sichtweisen geht, lässt sich die Entscheidung für eine qualitative Fallstudie zunächst in Abgrenzung zum quantitativen Forschungsparadigma begründen:

Statt uns auf immer abstraktere Generalisierungen zu konzentrieren, die wir mit immer größeren Datenerhebungen zu finden hoffen, sollten wir versuchen, in intensiven Fallstudien Material zu sammeln, das Aussagen über konkrete Wirklichkeit und Wahrnehmungen dieser Wirklichkeit durch konkrete Personen zuläßt. (Abels 1975:330, zit. nach Lamnek 2010:284)

Während sich mit quantitativen Fragebogenstudien auch sehr große Datenmengen bewältigen und repräsentative Aussagen mit einer größeren Reichweite generieren lassen, ermöglichen Einzelfallstudien ein ganzheitliches Bild des beobachteten Phänomens zu zeichnen und dabei „möglichst alle für das Untersuchungsobjekt relevanten Dimensionen in die Analyse einzubeziehen“ (Lamnek 2010:273).

Bei der Erforschung der Schülersicht bringen geschlossene Fragebogenformate darüber hinaus den Nachteil mit sich, dass die Schülerantworten anhand eines theoretischen, relativ eng auf die Forscherperspektive bezogenen Konstrukts ermittelt werden (vgl. Nölle 1993:65f.). Man erhält demnach ausschließlich Antworten, die bereits im Denkhorizont des Fragers waren (vgl. Czerwenka et al. 1990:28). Auch Bocka (vgl. 2003:51) weist auf die Gefahr hin, dass durch die vorher festgelegten Antwortmöglichkeiten in quantitativen Fragebogenstudien möglicherweise Originalität und Individualität der Schülermeinungen verloren gehen und Spezifisches der Schülersicht nicht erfragt werde, zumal sich individuelle Erlebnisse und Lernerfahrungen mittels Fragebögen kaum operationalisieren und „abfragen“ lassen.

Jedenfalls erfährt man aus solchen Untersuchungen wenig über die alltäglichen Verstehens- und Handlungsmuster, die als subjektive Sichtweisen von Schule einen Teil des pädagogischen Handlungsfeldes repräsentieren. (Nölle 1993:65f.)

So finden sich zur Erforschung der Schülersicht vermehrt auch qualitative Untersuchungen mit offeneren Befragungsformen (vgl. u.a. Behrens 2011; Trautmann 2014; Palowski et al. 2014; Otto 2015). Diese erlauben vollkommen freie Aussagen der Lernenden, ohne individuelle Meinungen einzuschränken oder vorwegzunehmen. Denn darin gerade besteht das Ziel der Erhebung von Schülermeinungen: „neue Perspektiven und bisher nicht beachtete Ansichten zu finden“ (Bocka 2003:59). Vor allem in Bezug auf den Unterricht der zweiten Fremdsprachen Französisch und Spanisch liegen bislang kaum Studien vor, die Erkenntnisse liefern, wie die Jugendlichen das schulische Fremdsprachenlernen erleben. Insofern ermöglicht ein qualitativer Forschungsansatz, dieses weitgehend unbeforschte Feld zu untersuchen (vgl. Rosenthal 2014:18). Die so gewonnenen Erkenntnisse vermögen die sich bislang offenbarenden Tendenzen quantitativer Untersuchungen inhaltlich zu vertiefen und zu differenzieren.

Die Studie verfolgt keinen Anspruch auf Repräsentativität. Statt nach gemeinsam auftretenden Variablen über viele Fälle hinweg zu suchen und statistisch belegbare Zusammenhänge zwischen diesen Variablen herzustellen (vgl. ebd.: 21f.), zeichnet sich die vorliegende qualitative Untersuchung vor allem durch die detaillierte Betrachtung von Einzelfällen sowie die Konzentration auf einen spezifischen Bereich der Alltagswelt – das Erleben unterrichtlichen Fremdsprachenlernens – aus. Das Ziel dabei ist es, „die Konstruktion der Wirklichkeit zu rekonstruieren“ (Meuser 2011:140), welche die SchülerInnen in und mit ihren Handlungen vollziehen. Wirklichkeits- bzw. Sinnkonstruktionen sind den jeweiligen AkteurInnen jedoch in der Regel nicht bewusst, sodass es sich bei dem Wissen über ihre habitualisierte Alltagspraxis um ein implizites Wissen handelt. Obwohl es nicht ohne weiteres möglich ist, dieses Wissen nach Aufforderung zu verbalisieren, kann es über Methoden der empirischen Forschung zugänglich gemacht und rekonstruiert werden (vgl. ebd.: 141). Hypothesen und Theorien werden demnach nicht vorab formuliert, sondern erst im Verlauf der Auseinandersetzung mit dem empirischen Datenmaterial generiert (vgl. Bennewitz 2013:47), indem die Interaktion und Handlungspraxis bzw. das Erfahrungswissen, das für diese Alltagspraxis konstitutiv ist, rekonstruiert wird (vgl. Bohnsack 2014:12). Der Sinn, den die SchülerInnen dem Erlernen der zweiten Fremdsprache zuschreiben, kann also am ehesten dann zugänglich gemacht werden, wenn es gelingt, die entsprechenden Erfahrungen aus dem Unterricht, auf denen die Bezugnahme zum Fach beruht, zu rekonstruieren.

Dass ein solcher, eher sozialwissenschaftlicher Ansatz durchaus anschlussfähig für fremdsprachendidaktische Forschungsarbeiten ist, stellt die Arbeit von Bauer unter Beweis. Die Fallrekonstruktionen ihrer Studie zeigen,

„dass ein empirischer Zugang zu den tieferliegenden Sichtweisen der Lernenden es ermöglicht, Prozesse des Fremdsprachenlernens nicht lediglich mithilfe von psychologischen bzw. psycho-linguistischen und kognitiven Kategorien (wie z.B. Motivation, Kompetenz) zu erfassen, sondern diese auch in ihrer sozio-kulturellen und vor allem biographischen Dimension zu betrachten“ (Bauer 2015:361f.).

In der vorliegenden Studie geht es um ein Verstehen des Alltagshandelns der SchülerInnen, weshalb ihren persönlichen Ansichten und Meinungen methodologisch mit einer größtmöglichen Offenheit zu begegnen ist (vgl. Flick 2011a: 27). Für den Forschungsprozess schließt dies eine möglichst unvoreingenommene Haltung der Forscherin gegenüber dem Forschungsgegenstand ein. Unvoreingenommenheit ist dabei jedoch keineswegs gleichzusetzen mit Beliebigkeit. Bei qualitativer Forschung handelt es sich nicht um theorielose Forschung. Sowohl bei der Einarbeitung in das Forschungsfeld und damit verbunden bei der Entwicklung und Präzisierung der Fragestellung als auch für die Datenauswertung, bei der das Vorwissen einen Hintergrund bietet, um die Ergebnisse stets an die Theorie rückzubinden, dient die Kenntnis relevanter vorangegangener Forschungen als Ergänzung zu dem Prinzip der Offenheit.

Gerade aufgrund der notwendigen Offenheit im Forschungsprozess bleibt die Reflexivität der Forscherin eine weitere wichtige Bezugsnorm. Nur so kann eine größtmögliche Transparenz und intersubjektive Nachvollziehbarkeit gewährleistet werden.

Ohne Zweifel ist die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der zentrale Wert, wenn es darum geht, die Güte einer qualitativen Forschung zu beurteilen. Dies bezieht sich auch darauf, dass die Anzahl der Fälle, die Auswahl und Gestaltung der Methoden und die Abstimmung der Methoden auf den zu untersuchenden Gegenstand von allen Kollegen und Kolleginnen, die guten Willens sind, nachvollzogen werden können. Zu dieser Nachvollziehbarkeit gehört auch, dass alle wichtigen Entscheidungen in den Forschungsberichten dargestellt werden und im Falle eines Falles auch nachgeprüft werden können. (Reichertz 2007:200)

Um diesem Gütekriterium Rechnung zu tragen, sollen alle methodischen Entscheidungen, die im Zuge der Datenerhebung und ‑auswertung getroffen wurden, nachfolgend dargestellt und begründet werden.

Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht

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