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Kapitel 3

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Wälder um Vildstejn

November 1209

„Wollt Ihr mir nicht ein wenig von Euch erzählen, Falk?“, fragte Krystina neugierig. Falk empfand die junge Frau als etwas nervig. Er mochte zwar vor dem Gesetz jetzt mit ihr verheiratet sein, doch war das wohl eher ein Umstand, auf den er wenig Einfluss gehabt hatte. Dennoch würde er ihr seinen Schutz anbieten und war auch bereit, sie mit nach Schellenberg zu nehmen. Aber vielleicht konnte er Krystina doch davon überzeugen, sich wieder von ihm zu trennen, wenn sie aus dieser Sache hier heil herauskommen würden. Sie war zwar recht ansehnlich, aber er hatte das Gefühl, dass sie sich von ihm würde nicht allzu viel sagen lassen. Krystina war eine starke Frau, mit einem festen Willen und großem Mut und, wie er zugeben musste, auch mit einem sehr großen Herzen.

„Dafür haben wir jetzt keine Zeit“, sagte er kurz angebunden. „Spart Euch Euren Atem lieber dafür auf, dass wir vielleicht um unser Leben rennen müssen.“ Falk begann schneller auszuschreiten, so dass die junge Frau Mühe hatte, mitzuhalten.

„Deshalb müsst Ihr ja nicht jetzt schon rennen“, beschwerte sie sich. „Ich höre niemanden, der uns verfolgt.“

„Schweigt!“, rief Falk mit verhaltener Stimme und hielt warnend die Hand hoch.

„Was ist?“, flüsterte Krystina zurück.

„Mir war, als hätte ich etwas im Unterholz knacken hören.“ Angestrengt schaute er in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen zu sein schien. Doch konnte er außer dichtem Gestrüpps nichts erkennen. „Vielleicht war es nur ein Hase“, stellte er fest.

Als wäre dies das Stichwort gewesen, fing Krystinas Magen in diesem Moment so laut an zu knurren, dass es sogar ihr Begleiter hören konnte. Er schaute sie fragend an. Krystina errötete und versuchte die Tatsache, dass sie Hunger hatte, zu überspielen. Sie schritt an Falk vorbei und ging weiter, immer der Sonne Richtung Süden folgend. Als Falk es ihr am Morgen erklärte, begriff sie schnell, wie man sich an der Sonne orientieren konnte, um an ein bestimmtes Ziel zu gelangen.

Falk bekam sie am Ärmel zu fassen. „Wartet!“, raunte er. „Noch ist die Gefahr nicht gebannt. Die Spießgesellen Lounys sind mit Sicherheit noch hinter uns her. Wir müssen versuchen, nach Vildstejn zu kommen. Das liegt zwar nicht direkt auf unserer Route. Aber ich habe dort einen guten Freund, der uns weiterhelfen kann.“

„Ihr glaubt nicht, dass Miro die Jagd aufgegeben hat?“, fragte sie nun ängstlich.

„Nein“, antwortete Falk kurz angebunden. Was sollte er auch große Worte machen. Das würde ihnen nur wertvolle Zeit stehlen.

„Ich habe Hunger“, gab Krystina unvermittelt zu. „Wir hätten etwas aufheben sollen von dem Brot, dass uns Andris gebracht hat.“

„Es hat doch kaum für uns beide gereicht. Es war wichtig, uns genügend zu stärken, bevor wir losgegangen sind.“ Krystina schaute ihn niedergeschlagen an.

„Wenn wir Glück haben“, fuhr er scheinbar ungerührt fort, „und uns keiner vorher erwischt, sind wir in drei, vier Tagen in Vildstejn. Das heißt also, dass wir uns jetzt beeilen sollten, wenn wir noch vor dem Dunkelwerden einen Rastplatz finden wollen. Ich kenne mich hier in der Gegend nicht gut genug aus, um in Finstern den Weg zu finden.“ Damit wandte er sich um, und schritt voran. Krystina blieb also nichts weiter übrig, als ihm zähneknirschend zu folgen.

Die Nacht zuvor hatten sie im Haus der Witwe Maret verbracht. Andris war bei Einbruch der Dämmerung zurückgekommen und hatte ihnen etwas Brot und ein Stückchen Käse mitgebracht, gerade so viel, dass sie den ärgsten Hunger stillen konnten, um bei Kräften zu bleiben. In einer Ecke des einzigen Raumes der Hütte legten sie sich auf einem Haufen Stroh nieder, von dem ihnen Andris versicherte, dass er es erst kürzlich dort aufgeschüttet hatte, da er auch ab und zu hier schlief. Der Junge brachte ihnen auch eine alte Decke, die er, weiß Gott woher, hatte. Doch es war Anfang November und die Nächte bei Temperaturen um die null Grad schon empfindlich kühl. Sie legten sich dicht beieinander auf das Stroh und deckten sich mit der dünnen Decke, die nicht gerade viel von der Kälte abhielt, zu. Der Schlaf übermannte sie trotz der Gefahren, die um sie her lauerten, bald, und es musste bereits gegen morgen sein, als sie erwachten. Schnell rafften sie ihre wenigen Habseligkeiten auf, und schlichen sich zum Ufer des Grabens.

Das kleine Boot lag in der Tat wie erwartet an einem Steg. Sie banden es los und stiegen hinein. Unter der Last der Beiden drohte es zu kentern und sie ruderten vorsichtig ans andere Ufer, in der Hoffnung, dass sie keiner bemerken würde. Doch das Glück war ihnen hold. Die Häscher Miros wähnten sie bereits außerhalb der Stadt. Auf der anderen Seite schlichen sie sich eine Weile durch das Gestrüpp am Ufer entlang, bis sie an den Rand des Waldes gelangten. Noch bevor die Sonne aufgegangen war, hatten sie ein gutes Stück des Weges hinter sich gebracht, und Falk hoffte, dass sie zunächst ihren Verfolgern entkommen waren.

Seit drei Tagen zerrte Falk sie nun schon durch dichte Wälder, die kein Ende zu nehmen schienen. Er kannte sich recht gut aus in der Gegend. Wahrscheinlich hatte er bereits jedem Hirsch und jeder Wildsau hier seinen Gruß entboten. In den Nächten bereiteten sie sich in Kuhlen oder unter Büschen ein Lager. Doch die Kälte schien sich in Krystinas Knochen eingenistet zu haben und sie beschlich das Gefühl, dass sie sich nie wieder würde erwärmen können. Nur einmal hatten sie einen kleinen Weiler passiert. Falk forderte sie auf, sich in einem dichten Gebüsch zu verstecken, dann war er kommentarlos verschwunden. Zuerst glaubte sie, dass er sie hier zurücklassen wollte, und Verzweiflung überkam sie. Nach einer knappen Stunde war Falk allerdings zurückgekommen, unter dem Wams verbarg er einen Laib Brot, einige Äpfel und ein Stück Speck, welches den Stoff des Kleidungsstücks mit seinem Fett durchdrang. Noch nie war ihr eine einfache Speise als so etwas Himmlisches erschienen. Sie wollte gar nicht wissen, woher die Nahrungsmittel kamen. Denn mit Sicherheit hatte sie ihm niemand freiwillig gegeben. Auch förderte er triumphierend einen längeren, zusammengerollten Draht zu Tage. „Damit wir nicht verhungern“, sagte er augenzwinkernd.

Krystina wusste erst nicht, was er meinte, doch dann dämmerte es ihr, dass er damit eine Schlinge legen konnte, um kleinere Tiere zu fangen. Der Ritter schien also mehr zu können, als nur das Schwert zu schwingen.

Es begann zu regnen. Fielen zuerst nur vereinzelte Tropfen, wandelten sich diese doch bald in einen ständigen dichten Nieselregen, der nach und nach durch ihre Kleider drang. Krystina trottete neben Falk dahin, sich hin und wieder an seinem Wams festhaltend, wenn eine Unebenheit oder eine unter dem Laub verborgene Wurzel sie stolpern ließen. Doch der Ritter schien das gar nicht zu bemerken, zu tief war er in seine eigenen Gedanken versunken. Wieder und wieder spulten sich vor seinem inneren Auge die Ereignisse der letzten Tage ab, und zum wiederholten Male schwor er bittere Rache.

Abrupt blieb Falk stehen und packte Krystina am Arm.

„Was ist?“, fragte sie erschrocken.

„Ich höre Hundegebell“, flüsterte Falk. „Wollen wir hoffen, dass es nur der Köter auf einem einsamen Gehöft hier in der Nähe ist, denn ich weiß von keiner größeren Siedlung, die wir passieren werden.“ Falk schaute sich aufmerksam um und lauschte angestrengt in die Richtung, aus der das Bellen gekommen war. Doch dann meinte er auch das Klirren von Zaumzeug zu vernehmen. „Verdammt!“, fluchte er mit verhaltener Stimme. „Ich hätte es wissen müssen, dass Miro von Louny nicht so leicht aufgibt.“

Krystina schaute ihn voller Entsetzen an. „Glaubt Ihr, sie haben uns schon gesehen?“, fragte sie mit angehaltenem Atem.

„Nein, aber möglicherweise haben die Hunde Witterung aufgenommen“, sagte Falk und nahm ihre Hand. „Uns bleibt nur eins, wir müssen rennen, als wären alle Höllenhunde hinter uns her.“ Damit wandte er sich um, ohne ihre Hand loszulassen und riss sie mit sich fort. Krystina hatte Mühe mit ihm Schritt zu halten, doch Falk dachte nicht daran, ihre Hand loszulassen. Lieber würde er sie hinter sich her schleifen, als sie hier ihrem Schicksal zu überlassen. Nach einer Weile blieb er unvermittelt stehen. Vollkommen überrascht rannte Krystina an ihm vorbei und wurde jäh nach hinten gerissen, da Falk sie noch immer festhielt. Sie stieß einen Schmerzensschrei aus. Falk zog sie rasch zu sich ran und hielt ihr mit der anderen Hand den Mund zu. Schwer atmend lehnte sie sich an seine Brust und er spürte ihr Herz in einem wilden Rhythmus schlagen. Falk schob die junge Frau ein Stück von sich. Als sie ihn verwirrt anschaute, wies er in die Richtung, in der sich der Wald nach und nach zu lichten schien.

„Dort vorn schlängelt sich ein kleiner Fluss am Rande des Waldes dahin. Wir werden seinem Lauf eine Weile folgen, damit die Hunde unsre Spur verlieren. Bis Vildstejn dürfte es nicht mehr weit sein.“ Damit wandte er sich zum Gehen, sie immer noch hinter sich herzerrend. Es dauerte nicht lange und sie hatten den Fluss erreicht. In den letzten Wochen war kaum Regen gefallen, so dass er nur wenig Wasser führte. Falk stieg die Böschung hinab und setzte einen Fuß ins Wasser. Die Kälte schoss ihm unvermittelt das Bein hinauf und er schnappte nach Luft. Doch blieb er nicht stehen. Plötzlich riss sich Krystina von seiner Hand los.

„Nein, da steige ich nicht hinein. Das Wasser ist eiskalt.“ Trotzig schaute sie den Ritter an.

„Was macht das jetzt noch für einen Unterschied?“, fragte Falk verblüfft. „Wir sind doch eh schon bis auf die Haut durchnässt von dem elenden Regen.“

„Ja, aber noch sind meine Füße trocken. Und das soll auch so bleiben. Ich habe keine Lust, an einer Lungenentzündung zu sterben.“

„Dann sterbt halt durch die Hand der Schergen Lounys“, antwortete Falk ungerührt. „Aber glaubt mir, Ihr wollt nicht wissen, was sie vorher noch mit Euch machen werden“, setzte er trocken hinzu. „Ich denke, im Wasser zu erfrieren, ist der bessere Tod.“ Damit wandte er sich ab und schritt voran, in der Gewissheit, dass sie ihm folgen würde.

„Bastard“, zischte Krystina ihm leise nach.

„Glaubt mir, man hat mich schon schlimmer betitelt. Außerdem trifft dieser Umstand sowieso nicht zu, da mein Vater mit meiner Mutter verheiratet war, als ich das Licht der Welt erblickte“, antwortete Falk unbeeindruckt, ohne sich umzusehen. Nach einem Moment hörte er ein leises Platschen hinter sich, das davon zeugte, dass seine Frau ihm nun doch ins Wasser gefolgt war. Krystina sog scharf die Luft ein, als die Kälte des Wassers ihr in die Füße schnitt. Dieser Mistkerl hatte Recht. Wenn sie in die Hände ihrer Verfolger geriet, würde das für sie bestimmt nichts Gutes verheißen. Denn als vermeintliche Tochter des Henkers war sie Freiwild und keiner würde auch nur im Geringsten an ihrem Schicksal Anteil nehmen. Dennoch grollte sie ihm. Sie hatte ihr eigenes Leben praktisch aufgegeben, nur um das seine zu retten. Doch hatte er ihr bisher wenig dafür gedankt. Ihr schien es eher, als wäre sie für ihn nur eine Last, die er notgedrungen mit sich herumschleppen musste. Nun ja, sie musste zugeben, dass er ohne sie sicher schneller vorankommen würde. Dennoch hatte sie gehofft, einige Worte des Dankes von ihm zu hören. Jetzt war ihr Schicksal untrennbar mit dem seinem verbunden. Für sie gab es kein Zurück mehr. Also musste sie ihm wohl oder übel folgen, ganz gleich, wohin er ging.

Um sich von der Kälte, die mittlerweile von ihrem ganzen Körper Besitz ergriffen hatte, abzulenken, ließ sie ihren Gedanken freien Lauf. Sie sah sich als Fünfzehnjährige in der Burg ihres Wohltäters. Als sie vor ungefähr fünf Jahren Falk zum ersten Mal erblickte, war sie von seiner Erscheinung ziemlich beeindruckt. Allerdings wirkte ihr der Ritter sehr unterkühlt und ein wenig eingebildet. Seine hochgewachsene Gestalt überragte die anderen Männer im Raum um Haupteslänge und er schien mit seiner bloßen Anwesenheit das Gemach auszufüllen. Sein breiter Rücken und seine kräftigen Arme zeugten davon, dass er es wohl verstand, mit dem Schwert umzugehen und sicher einen Großteil seiner Zeit damit verbrachte, zu kämpfen. Seine tiefe Stimme sandte ihr damals einen Schauer über den Rücken. Das Sonnenlicht fiel auf sein langes schwarzes Haar und ließ es silbern aufschimmern. Die leicht gewellten Strähnen hatte er mit einem ledernen Band locker zurückgenommen, so dass die Konturen seines Gesichtes deutlich zur Geltung kamen. Eine gerade Nase dominierte sein Antlitz, sein großer Mund wies jedoch einen bitteren Zug auf, und ließ ihn unnahbar erscheinen. Aber das Faszinierendste waren seine Augen gewesen, von einem unergründlichen blau, wie zwei tiefe Bergseen. Doch trotz der Kälte, die er ausstrahlte, hatte sie sich vom ersten Moment zu ihm hingezogen gefühlt, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wusste, wer er war. Später fragte sie die Gemahlin Friedrichs von Chomotau, wer der Ritter sei. Als sie dann seinen Namen erfuhr, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als ihm endlich ihren Dank aussprechen zu können, denn ihr ganzes Leben hatte sie sich mit dem Gedanken getragen, dass es irgendwo da draußen einen Menschen gab, der einst ihre Mutter vor dem Tod bewahren wollte und selbst schwer dafür gebüßt hatte. Aber Falk bemerkte sie nicht, schenkte ihr kein einziges Mal auch nur einen Blick. Zudem weilte er selten auf der Burg seines Onkels. Oft hörte sie von ihm, wenn sich Friedrich mit seinen Männern unterhielt. Dann rühmte er die Taten seines Neffen als die eines großen Kriegers und sie erging sich in Tagträumen, in denen der Ritter sie bemerkte und ihr freundlich zulächelte. Und jetzt war sie seine Frau...

Jäh aus ihren Träumereien erwachend, wurde sie sich der Tatsache bewusst, dass es genau dieser Falk von Schellenberg war mit dem sie nun für den Rest ihres Lebens verbunden war. Doch hatte er wahrlich nichts mehr von dem strahlenden Ritter an sich, den sie sich in ihren Gedanken so oft ausgemalt hatte. Als sie von seiner Verurteilung erfuhr, war es eher ein spontaner Einfall gewesen, ihm irgendwie das Leben zu retten. Sie konnte es nicht ertragen, dass seine schimmernde Rüstung einen Kratzer abbekam. Aber als sie Falk dann wiedersah, hätte sie ihn fast nicht erkannt. Gebrochen, schmutzig und ohne jede Regung stand er auf dem Blutgerüst und wartete auf seinen Tod. Ohne Überlegung warf sie sich dem Henker zu Füßen, nur von dem Gedanken beherrscht, diesem Mann zu helfen. Von dem Moment an war ihr Leben ein anderes geworden. Langsam drang es in ihr Bewusstsein, dass sie jetzt mit dem Ritter ihrer Träume auf der Flucht vor den Häschern des Todes war. Nie wieder würde sie Krystina von Hauenstejn sein, die sich im Gefolge der Frau von Chomotau ihren Fantasien hingab. Die bittere Realität hatte sie eingeholt.

Krystina richtete ihren Blick nach vorn. Falk stapfte einige Meter vor ihr durch das eisige Wasser, dass ihm nicht das Geringste anzuhaben schien. Ihre Unaufmerksamkeit ließ sie über einen Stein stolpern und sie fiel auf die Knie. Ihr Schmerzenslaut veranlasste Falk, sich umzudrehen. Seine junge Frau stützte sich mit den Händen ab und versuchte wieder auf die Beine zu kommen. Ihre ohnehin schon feuchten Kleider waren nun vollständig durchnässt und verhinderten durch ihr Gewicht, dass sie sich aufrichten konnte. Falk ging die wenigen Schritte zu ihr zurück, um ihr aufzuhelfen. Doch sie schlug seine Hand beiseite. „Lasst mich in Ruhe“, zischte sie und ließ sich nun auch mit dem Hinterteil ins Wasser plumpsen. Aber Falk dachte nicht daran, sie hier so in den kalten Fluten sitzen zu lassen. Er packte sie kurzerhand unter den Armen und zog sie grob auf die Füße. „Kommt jetzt, wir haben keine Zeit für Befindlichkeiten. Ich höre immer noch die Hunde in der Ferne bellen. Zum Glück scheinen sie nicht näher zu kommen“, setzte er versöhnlicher hinzu.

„Lasst mich hier zurück, dann könnt Ihr vielleicht entkommen“, sagte Krystina resigniert. „Mit meinen schweren Röcken kann ich mich kaum vorwärtsbewegen. Sie haben sich vollständig mit Wasser vollgesogen.“ Kläglich schaute sie an sich herab.

„Dann zieht sie aus“, sagte Falk kurzerhand. „Sie behindern Euch ohnehin.“

„Wollt Ihr, dass ich erfriere?“, fragte Krystina entrüstet.

„Ob Ihr nun dieses verdammte Gewand anhabt oder nicht, es wird keinen Unterschied machen. Diese nassen Kleider wärmen Euch nicht.“ Falk zog Krystina mit sich Richtung Ufer.

„Ich glaube, unsre Spur ist erstmal verwischt. Vielleicht ist es uns gelungen, die Kerle abzuschütteln, was uns allerdings nicht dazu verleiten sollte, hier herumzutrödeln.“

Die junge Frau wollte zu einer scharfen Erwiderung ansetzen, doch Falk ließ sie nicht zu Wort kommen. Er holte kurzerhand das Messer, das ihnen Andris gegeben hatte, aus seinem Gürtel, und mit einem Ruck schnitt er ihr Obergewand von oben bis unten auf. Krystina keuchte entsetzt auf, als der Stoff um sie her zu Boden sank und verschränkte reflexartig ihre Arme vor der Brust.

„Hier, legt die Decke um, damit Ihr nicht noch mehr auskühlt. Sie ist wenigstens noch halbwegs trocken.“ Damit löste Falk den Stick von seiner Schulter, mit dem er die alte Decke festgebunden hatte. Da es das einzige war, was sie besaßen, um sich in den Nächten wärmen zu können, hatte er sie mitgenommen. Das alte Seil hing in dem verlassenen Haus der Witwe an einem Balken und der Ritter war froh gewesen, dass es noch einigermaßen fest zu sein schien. Man konnte nie wissen, wozu man so etwas einmal gebrauchen konnte. Er rollte die Decke auf und legte sie Krystina um die bebenden Schultern. Zu sehr war sie sich seiner Nähe bewusst. Falk spürte sehr wohl, wie sie zitterte und schob es auf die Kälte. Er drehte die junge Frau kurzerhand um und zog sie zu sich heran an die Brust. Eigentlich wollte er sie nur etwas aufwärmen, doch als er jetzt ihre Arme zu reiben begann, um die Durchblutung in Gang zu bringen, stieg ihm ein leiser Duft in die Nase, ihn vage an Verbenen erinnernd, die seine Mutter gern in das Stroh mischte, mit welcher sie den Boden der Halle in Schellenberg bestreute. Er hielt in seiner Bewegung inne und senkte den Kopf, so dass sein Kinn ihren Scheitel berührte. Krystina erstarrte. Seine Wärme drang in ihren Körper und sandte ein wohliges Gefühl der Geborgenheit durch ihren Körper. Doch der Zauber des Augenblicks währte nur einen Moment. Schnell wurde sich Falk wieder der Tatsache bewusst, dass sie sich auf der Flucht befanden und jeder Aufenthalt ihren Tod bedeuten könnte. Er drehte Krystina erneut herum und schob sie ein Stück in die Richtung, in die sie gehen mussten.

„Es wird Zeit“, sagte er unwirsch. „Wir haben uns schon viel zulange hier aufgehalten. Ich habe wahrlich keine Lust, mich wie einen Hasen fangen und abschlachten zu lassen.“ Er ging an ihr vorüber, es ihr selbst überlassend, ob sie ihm folgte oder nicht.

Dieser Mistkerl, dachte sie wütend. Erst tut er so, als würde er meine Nähe suchen und dann lässt er mich einfach so im Hemd stehen. Sie raffte die Decke über ihrer Brust zusammen und begann langsam hinter ihrem Gemahl herzustapfen, nicht, ohne immer wieder leise vor sich hin zu schimpfen. Sie folgten weiterhin dem Lauf des Baches, hielten sich jedoch nahe an seinem Ufer. Auch Falk verspürte kein Bedürfnis, nochmals in das kalte Wasser zu steigen. Seine Stiefel, die man ihm wundersamerweise vor seiner geplanten Hinrichtung nicht abgenommen hatte, waren vollkommen durchweicht und begannen bereits an einigen Stellen zu scheuern. Wie musste es da erst dem armen Mädchen gehen, dessen Füße nur in dünnen Lederschühchen steckten. Bis jetzt hatte er sich darüber keine Gedanken gemacht. Doch die letzte Berührung seiner Frau hatte in ihm etwas ausgelöst, was er nicht einordnen konnte. Es war ein Gefühl der Nähe gewesen, das Gefühl, jemanden beschützen zu können, etwas, was er so noch nie empfunden hatte. Diese neue Erkenntnis jagte ihm aber auch Angst ein und er errichtete sofort eine Mauer um sich, die ihn abweisend und kalt erscheinen ließ.

Nach einer guten halben Stunde, die sie schweigend hintereinander herliefen, erhob sich in der Ferne die Silhouette einer steinernen Burg, deren runder Turm hoch über die Mauern ragte. Krystina, die den Blick zu Boden gerichtet hatte, um den spitzen Steinen am Ufer zu entgehen, wäre fast in Falk hineingerannt, als dieser plötzlich stehenblieb.

„Wir haben es gleich geschafft“, sagte er und wies nach vorne, so dass sie jetzt auch die trutzigen Mauern von Vildstejn erblickte. Ihr entfuhr ein Seufzer der Erleichterung. Falk nahm wieder ihre Hand und zog sie mit sich. Sie verließen das Flussufer und stiegen die leichte Anhöhe hinauf, die zur Burg führte. Rundherum war der Wald gerodet worden, und die Feste schon von weitem zu sehen. Doch bedeutete das leider auch, dass jeder, der ihnen auf den Fersen war, nun auch sie erspähen konnte. Falk meinte regelrecht, die Blicke seiner Verfolger im Rücken zu spüren und zog den Schritt mächtig an. Krystina rannte geradezu neben ihm her. Doch die Gewissheit, ihrem Ziel endlich nahe zu sein und der feste Druck von Falks warmer Hand verliehen ihr neue Kräfte.

Kurze Zeit später standen sie am Rand eines Grabens, der die Ostseite von Vildstejn schützend umschloss und sich an den Seiten im Nichts verlor, da die Burg auf einem Felssporn stand, der an der rückwärtigen Seite steil in die Tiefe führte und von dort aus uneinnehmbar war. Es begann bereits langsam dunkel zu werden. Die Sonne sandte ein paar letzte Strahlen auf das kupferne Dach hoch oben auf dem Turm. Doch hier unten vor dem Tor wurden die Schatten bereits länger.

„Und nun?“, fragte Krystina und schaute das mächtige Portal, dass ihnen gegenüber auf der anderen Seite des Grabens lag, ratlos an. „Glaubt Ihr, man wird uns hören?“

„Ihr könnt gewiss sein, dass man uns schon längst erspäht hat. Auch wenn Ihr es nicht seht, aber dort oben hinter den Zinnen auf der Mauer stehen mit Sicherheit Wächter, die jede Bewegung ringsumher wahrnehmen.“ Er lachte leise auf. „Er ist schon ein Fuchs, mein Freund Ludek. Ihn wird hier keiner so leicht überraschen.“

„Wart Ihr schon einmal hier?“, wollte Krystina wissen.

„Ja, ein paar Mal. Doch nie in so einem desolaten Zustand wie jetzt“, stellte er achselzuckend fest und schaute an sich herunter. Falk wandte sich dem Tor zu. „He, Ihr da! Öffnet das Tor für zwei Reisende, die ein Lager für die Nacht suchen! Wir bitten Euch!“, setzte er vorsichtshalber noch hinzu, auch wenn er fast daran erstickte.

Es dauerte nicht lange und über dem Tor erschien zuerst die Spitze einer Hellebarde, dann eine Kettenhaube und letztendlich das Gesicht eines bärtigen Mannes. Da er die zwei Gestalten draussen nicht als Bedrohung anzusehen schien, beugte er sich schließlich etwas über die Mauer und schaute zu ihnen hinunter.

„Wer seid ihr und was habt ihr hier zu suchen fast mitten in der Nacht?“, fragte der Mann mit lauter Stimme.

„So ein Trottel. Hat er nicht gehört, was ich gesagt habe“, beschwerte sich Falk an Krystina gewandt. „Wir sind zwei Reisende aus Prag, die nach Bamberg wollen“, schrie er nach oben, und Krystina fragte sich, warum er wohl nicht die Wahrheit sagte.

„Er glaubt mir nie im Leben, wenn ich ihm sage, ich sei Falk von Schellenberg“, klärte er seine Frau auf, als hätte er ihre Gedanken erraten.

„Seid ihr allein?“, fragte der Wächter nun von oben.

„Das siehst du doch. Wo sollte sich hier meine Begleitmannschaft verstecken?“, antwortete Falk sichtlich genervt und machte mit den Armen eine ausholende Bewegung. „Wir bitten nur um ein bescheidenes Mahl und ein Lager für die Nacht, damit wir uns morgen wieder auf die Reise machen können.“

Der Wächter schien zu überlegen, ob sich der Aufwand, das Tor zu öffnen wegen der beiden armseligen Gestalten da draußen lohnen würde. Doch schien er zu dem Schluss zu kommen, dass es die christliche Nächstenliebe befahl, Barmherzigkeit zu zeigen. Außerdem wollte er sich nicht den Zorn seines Herrn zuziehen, der oft auf Seiten der vom Schicksal Benachteiligten stand, wenn es darum ging, deren Rechte zu verteidigen. Nach einer kurzen Weile gab er einem unsichtbaren Kumpan ein Zeichen, die Zugbrücke herunterzulassen. Mit lautem Getöse und Geklirre der Ketten schwang sich das Ungetüm bedrohlich auf die Wartenden zu und Krystina klammerte sich ängstlich am Arm ihres Begleiters fest, was in Falk wiederum ein eigenartiges Gefühl von Besitzerinstinkt aufwallen ließ. Endlich öffnete sich das Tor und sie rannten fast hindurch, getrieben von dem Wunsch, in Sicherheit zu sein. Kaum hatten sie das Torhaus betreten als hinter ihnen die Zugbrücke wieder nach oben gezogen wurde. Ein Waffenknecht kam auf sie zu und wies sie mit einer barschen Geste an, ihm zu folgen. Falk nickte Krystina auffordernd zu und sie gingen hinter dem Mann her in Richtung eines niedrigen Gebäudes, dass wohl die Küche der Burg sein musste. Der Knecht forderte sie auf, hineinzugehen. Drinnen waberte ihnen eine Wolke warmer, abgestandener Luft entgegen, die ihnen allerdings himmlisch erschien, so durchgefroren wie beide waren. Nachdem sich ihre Augen an das Dämmerlicht des Raumes gewöhnt hatten, erkannten sie, dass sie sich in der Tat in der Burgküche befanden. Eine Magd hantierte an einem großen Spülbecken und schrubbte noch die letzten Pfannen und Töpfe des abendlichen Mahles, das längst vorüber sein musste. Eine rundliche ältere Frau stand am Herd und rührte in einem großen Kessel.

„Setzt euch“, forderte sie die beiden auf, ohne sich ihnen zuzuwenden.

„Wie kann sie wissen, dass wir da sind“, raunte Krystina erstaunt.

„Das ist Mara, die Köchin. Sie hat auch am Hinterkopf Augen. Das jedenfalls behauptet Ludek immer, der sie von seinem Vater übernommen hat“, gab Falk ebenso leise zurück und lächelte.

„Was tuschelt ihr da hinter meinem Rücken“, fragte Mara ärgerlich und drehte sich herum.

„Ich grüße dich, Mara. Und ich bitte dich um ein Schälchen heißer Suppe für mich und mein armes halberfrorenes Weib.“ Mara ließ den Löffel in den Kessel fallen und schickte sich an, die Neuankömmlinge etwas näher in Augenschein zu nehmen. Ihren Blick zunächst auf Krystina heftend, runzelte sie die Stirn.

„Was sehe ich da?“, rief sie erbost aus. „Wie kann man seine Frau bei dieser Kälte halb nackt herumlaufen lassen.“ Krystina zog die Decke unbehaglich enger zusammen, als wolle sie ihre Blöße vor der Frau verdecken. Nun wandte sich die Köchin dem Ritter zu, der sie offen ansah.

„Falk?“, fragte sie erstaunt und schien ihren Augen nicht zu trauen.

„Mara, alte Seele“, antwortete er und grinste sie breit an.

„Um Himmels Willen, Herr, was ist mit Euch geschehen?“ Mara war sichtlich geschockt, den edlen Ritter hier in solch einem abgerissenen Zustand zu sehen. „Und wenn es Eure Frau ist, die Euch da begleitet, wo sind ihre Kleider?“ Mitleidig blickte sie nun auf die junge Frau.

„Das ist eine lange Geschichte, Mara. Ich erzähle sie dir später. Doch nun wäre ich dir dankbar, wenn du uns etwas heiße Suppe geben könntest, damit wir uns ein wenig erwärmen können.“

„Ja, Herr“, sagte sie und beeilte sich, zwei der irdenen Schüsseln von dem Bord an der Wand zu nehmen. Sie füllte sie mit der heißen Suppe, welche im Kessel über dem Feuer brodelte. Auch stellte sie ihnen einen Krug mit warmen, gewürzten Wein daneben. Falk und Krystina nickten ihr dankbar zu und machten sich ohne viele Worte über das Mahl her. Noch nie war Krystina so froh darüber gewesen, etwas zu essen zu bekommen, nicht einmal in der Zeit, als sie als kleines Mädchen unter der Obhut der Köchin von Louny gestanden hatte. Eine Weile aßen sie schweigend, bis Falk den Kopf hob und sich nach der Köchin umschaute, welche wieder an den Herd getreten war.

„Mara, komm her“, forderte er die ältere Frau auf. „Ich muss mit dir reden.“ Die Köchin legte den Löffel, mit dem sie die Suppe umrührte, an den Rand des Herdes und folgte seiner Aufforderung. Direkt vor Falk blieb sie stehen und schaute ihn voller Wärme an.

„Das Schicksal scheint Euch übel mitgespielt zu haben, Falk“, sagte sie. Krystina wunderte sich, dass die Frau nicht mehr Respekt vor einem Herrn wie dem Schellenberger zeigte, aber Falk schien sich an der Vertrautheit Maras nicht zu stören.

„Ja, das kann man so sagen“, antwortete er, ohne näher auf die Umstände eingehen zu wollen, die ihn in solch einem Zustand nach Vildstejn geführt hatten.

„Wie du siehst, reise ich mit wenig Gepäck und zu Fuß“, fuhr er mit leicht ironischer Stimme fort. Maras Augenbrauen schnellten erstaunt nach oben. „Außerdem habe ich mein Weib bei mir“, ergänzte er und schaute Krystina von der Seite an, als wolle er ihre Reaktion testen. Doch die junge Frau blickte nur stumm vor sich auf die Tischplatte. Plötzlich legte die alte Frau ihre Hand auf Krystinas Arm und drückte ihn leicht.

„Sicher seid Ihr überfallen worden“, mutmaßte sie voller Sorge. „Wie sonst konntet Ihr in so einen erbärmlichen Zustand geraten.“ Mitleidig musterte sie Krystina.

„Ja, gute Frau“, sagte diese leise und ignorierte Falks warnenden Blick. „Wir hatten in der Tat etwas Pech.“ Maras Miene wurde nachdenklich.

„Vielleicht hast du einen alten Umhang für mich, in den ich mich hüllen kann“, fuhr Krystina fort. „Mein Kleid ist zerrissen und nass geworden, als ich mich ungeschickt anstellte“, sagte sie und schaute herausfordernd in Falks Richtung. Doch dieser hob nur unmerklich die Brauen.

„Ein Umhang lässt sich sicher finden, Herrin“, antwortete Mara.

„Nun denn“, begann Falk, „nachdem wir das jetzt geklärt hätten, habe ich auch eine Bitte an dich, Mara.“ Der Ritter schaute die alte Frau scharf an. „Es darf keiner wissen, dass ich mit meiner Gemahlin hier in der Burg bin. Ich nehme an, dass Ludek nicht zu Hause ist. Obwohl ich es hoffte.“ Mara brummelte zustimmend, doch blickte sie den Ritter fragend an.

„Ja, dachte ich es mir“, sagte er und Enttäuschung schwang in seiner Stimme mit. „Ich sah ihn vor zwei Wochen in Louny als er auf dem Weg nach Prag war.“ Falk machte eine kurze Pause, als müsste er über seine nächsten Worte nachdenken. „Sage ihm, dass ich hier war“. „Mit meiner jungen Frau“, ergänzte er. „Die Umstände erfordern, dass mich hier niemand erkennt, auch im Interesse deines Herrn. Frage nicht, warum, liebe Mara, es würde dich nur unnötig aufregen“, setzte er fast liebevoll hinzu. „Aber wir wären dir sehr dankbar, wenn du uns in einer Kammer ein Lager bereiten würdest. Es muss nicht komfortabel sein. Wir sind bei Gott im Moment nicht verwöhnt. Nur sollten es nicht allzu viele Leute mitbekommen, dass wir hier sind.“ Falk macht eine Pause und sah die Köchin eindringlich an. „Machst du das für uns, Mara?“, fragte er fast flehend. „Dein Herr wird es dir danken“, setzte er hinzu.

Doch brauchte es keiner Überredung. Mara war eine gute Seele und die Not des Ritters und vor allem seiner jungen, zarten Frau, rührte ihr Herz.

„Hinter der Küche ist ein kleiner Raum, in dem das Mehl und die Gerste gelagert werden. Dort ist es durch den Schornstein des Herdes leidlich warm. Ich werde Euch Stroh aufschütten und ein paar Decken geben. Ich glaube, Eure Gemahlin wäre auch über einen Zuber heißen Wassers nicht böse“, meinte sie mit einem warmen Lächeln in Krystinas Richtung. Die junge Frau nickte dankbar.

„Dann zeig uns den Raum. Mein Weib ist sehr erschöpft. Außerdem ist es besser, wenn uns hier keiner sieht. Am besten, du bittest Zenka, dir behilflich zu sein. Ein, zwei Eimer Wasser werden genügen müssen. Beim Morgengrauen verschwinden wir wieder.“

Die Kammer hinter der Küche war klein und niedrig. Aber Krystina war es gleich, wo sie im Moment ihr müdes Haupt niederlegen konnte. Die Köchin hatte Falk eine kleine Rüböllampe gegeben, die er auf einem wackligen Regal in der Ecke abstellte. Nach einigen Minuten kehrte Mara mit einem jungen Mädchen zurück, beide mit einem Ballen Stroh auf den Armen. Sie schütteten es an der Wand zur Küche auf und verschwanden nochmals nach draußen. Wieder dauerte es nur wenige Augenblicke und sie erschienen mit einer weiteren Fuhre Strohs. Auch hatte Mara einen Surkot unter den Arm geklemmt, den sie Krystina reichte. „Ich hoffe, er genügt Euren Ansprüchen, Herrin.“

„Ich danke dir. Es ist mehr, als ich erhoffte. Irgendwann bekommst du den Surkot zurück.“

Mara wies Zenka an, noch einige Decken zu holen und warmes Wasser zu bringen. Sie zog einen kleinen Zuber aus einer Ecke hervor und legte ein leinenes Tuch daneben auf den Boden. Bald kam das junge Mädchen mit zwei weiten Umhängen, die sie sich über die Schulter geworfen hatte, und zwei Eimern heißen Wassers zurück. Sie füllte den Zuber und weißer Dampf schlängelte sich an die Decke, wo er im Dunkel verschwand. Wortlos verließ das junge Mädchen danach die Kammer.

„Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Herr. Auch wenn Ihr mit Sicherheit besseres gewohnt seid. Wo die Latrinen sind, wisst Ihr ja“, setzte sie augenzwinkernd hinzu. Sie schickte sich an, den Raum zu verlassen. Falk langte nach ihr und hielt sie sanft am Arm zurück. „Danke“, sagte er mit leiser Stimme. „Ich werde dafür sorgen, dass du für deine gute Tat belohnt wirst. Und bitte, sage keinem etwas von unserer Anwesenheit. Auch Zenka soll Schweigen bewahren, ich werde mich zu gegebener Zeit daran erinnern.“

„Viel Glück, wo auch immer Ihr hingeht.“ Sie schaute nochmals kurz zu Krystina, die ihr zunickte. Dann verschwand sie leise und zog die Tür hinter sich zu.

„Seid Ihr sicher, dass uns hier die Häscher Miros nicht finden?“, fragte Krystina ängstlich und zog unbehaglich ihre Schultern nach oben, als wolle sie sich verkriechen. „Was, wenn die Köchin und ihre junge Begleiterin ihren Mund nicht halten, oder die Magd in der Küche den anderen von unserer Anwesenheit erzählt?“

„Keine Sorge, Mara wird uns nicht verraten. Sie ist schon hier gewesen, als Ludek noch gar nicht geboren war. Sein Vater hat sie einst zu sich genommen, als sie ihre ganze Familie durch das Fieber verloren hatte. Sie erregte sein Mitleid und er brauchte eine Köchin. Sie ist der Familie treu ergeben. Und da Ludek mein bester Freund ist, wird sie auch mich nicht hintergehen.“

„Und was ist mit Zenka?“ Krystina sah nicht sehr überzeugt aus.

„Sie ist Maras Enkelin. Auch sie wird Schweigen bewahren.“ Falk grinste anzüglich. „Zumal sie hin und wieder Ludeks Bett wärmt.“

„Nun gut. Sie bewahren vielleicht Stillschweigen. Aber was ist mit der Spülmagd? Und mit den Wächtern am Tor?“

„Und mit den Hühnern auf dem Hof“, spottete Falk. „Ach Krystina, habt ein wenig Vertrauen. Was bleibt uns auch weiter übrig, als darauf zu hoffen, dass uns niemand verrät. Und außerdem“, setzte er hinzu, „die Wächter wissen sowieso nicht, wer wir sind. Da sie meinen, zwei fahrenden Leuten Einlass gewährt zu haben, werden sie sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, wo wir abgeblieben sind. Und wenn es Euch beruhigt – die Spülmagd ist stumm.“

„Ihr scheint Euch ja hier recht gut auszukennen“, meinte Krystina nicht ohne leisen Sarkasmus in der Stimme. „Haben die Mägde Euch auch das Bett gewärmt?“

„Hin und wieder“, antwortete Falk unverblümt und lächelte spöttisch. „Doch da Ihr jetzt mein Weib seid, kommt diese Ehre in Zukunft Euch zu.“

Krystina schnappte entrüstet nach Luft. Doch bevor sie zu einer Antwort ansetzen konnte, wies Falk auf den Zuber.

„Beeilt Euch, das Wasser wird kalt.“

„Wenn Ihr glaubt, dass ich mich hier vor Euch ausziehe und wasche, dann habt Ihr Euch geirrt.“ Trotzig schaute sie ihm ins Gesicht.

„Dann bleibt halt schmutzig. Doch gestattet, dass wenigstens ich mir den Gestank des Kerkers vom Leib wasche.“ Ohne sie weiter zu beachten, zog er sich sein Wams über den Kopf und wandte sich dem Zuber zu. Krystina blieb vor Schreck der Mund offenstehen. Als er ihr den Rücken zuwandte, konnte sie das Spiel seiner Muskeln sehen. Doch dann schnappte sie fassungslos nach Luft, denn seine Haut war von Narben übersät, wie sie nur Peitschenhiebe hinterlassen konnten.

„Was ist, Krystina?“, fragte Falk, als er sie hinter sich keuchen hörte. „Erschreckt Euch mein Aussehen?“ Er drehte sich halb zu ihr herum, so dass sie nun auch einen Blick auf seine Brust erhaschte, auf der das Wasser in glänzenden Perlen herablief, was sie für einen kurzen Moment ihr Entsetzen ob seines geschundenen Rückens vergessen ließ.

„Eigentlich müsstet Ihr doch Genugtuung empfinden bei meinem Anblick, ist es mir ja nicht gelungen, Eure Mutter zu retten.“ Falk sah ihr prüfend in die Augen.

„Wie könnt Ihr so etwas sagen“, erwiderte sie voller Entrüstung. „Ich hatte ja keine Ahnung, was Ihr erleiden musstet.“

„Was spielt das jetzt noch für eine Rolle“, meinte Falk lapidar. „Das ist fast zwanzig Jahre her. Ich habe seitdem Schlimmeres überlebt.“ Nun wandte er sich vollständig zu ihr herum. Eine breite Narbe zog sich von seiner Brust bis hinunter zur Hüfte. Krystina Augen weiteten sich.

„Ich war gerade mal zwanzig Jahre alt, als Bischof Heinrich Bretislav mir sein Schwert in den Leib rammte. Leider lebte er nicht mehr lange genug, als dass ich mich an ihm rächen konnte.“ Falk drehte sich wieder zum Zuber und fuhr mit seiner Wäsche fort. Dann angelte er nach dem Leinentuch und rieb seinen Oberkörper trocken.

„Auch wenn ich das Bedürfnis verspüre, noch andere Teile meines Körpers zu säubern, will ich Euch die Verlegenheit ersparen, die es Euch bereiten würde.“

Er zog sein Wams an, auch wenn es ihm sichtlich Unbehagen verursachte, das schmutzige Kleidungsstück wieder überzustreifen. Dann legte er sich ins Stroh und deckte sich mit dem sauberen Umhang zu.

„Kommt, legt Euch nieder, Krystina. Wir brauchen unseren Schlaf. Die nächsten Tage werden sehr anstrengend werden.“

Zögernd trat sie einen Schritt auf ihn zu, doch dann schielte sie sehsüchtig in Richtung des Zubers.

„Versprecht mir, dass Ihr Euch zur Wand dreht und die Augen schließt“, sagte sie unvermittelt und sah ihn flehend an.

Mit einem übertriebenen Seufzer kam er ihrer Bitte nach. Krystina zog rasch ihr Unterkleid aus und rieb sich schnell von Kopf bis Fuß mit dem nur noch lauwarmen Wasser ab. Dann wickelte sie sich fröstelnd in das Leinentuch, dass Falk achtlos auf dem Boden hatte liegenlassen. Doch fühlte sie sich anschließend wesentlich wohler. Sie war froh, ihre Scham überwunden zu haben. Schnell schlüpfte sie wieder in ihr Unterkleid, auch wenn dieses noch etwas klamm war. Sie wickelte sich in den anderen Umhang und legte sich neben Falk auf das Stroh nieder. Ihre Schuhe hatte sie neben ihr Lager gestellt. Sie würden wohl niemals trocknen und wohl oder übel müsste sie am nächsten Morgen wieder in die feuchten Stiefel schlüpfen. Auch Falk hatte sich seiner Stiefel entledigt. Seine Füße schmerzten, denn er hatte sich Blasen gelaufen. Lange lag er neben seiner jungen Frau, doch es wollte ihm nicht gelingen, einzuschlafen. Zu viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Was sollte er nur mit Krystina anfangen? Sie behinderte ihn. Wegen ihr musste er versuchen, in die Mark Meißen auf seine Burg zu gelangen. Hier in Böhmen wäre sie nicht sicher. Doch nachdem sie ihm das Leben gerettet hatte, war er ihr verpflichtet. Und wieder beschlich ihn das unvertraute Gefühl, sie beschützen zu müssen. Krystina lag neben ihm im tiefen Schlaf. Die Strapazen der letzten zwei Tage hatten ihren Tribut gefordert und sie war vollkommen erschöpft gewesen. Falk setzte sich auf und betrachtete ihr zartes Gesicht, ihre leicht geschwungenen Brauen, die im Gegensatz zu ihrem rotblonden Haar dunkel waren, ihren roten, sinnlichen Mund, der zum Küssen wie geschaffen schien, die dichten Kränze ihrer langen Wimpern, die sich wie Schleier unter ihren geschlossenen Lidern auf die Wangen legten.

Was tat er hier eigentlich? Sie war sein Weib, ja. Aber die Umstände, die dazu geführt hatten, waren alles andere als von Gefühlen geleitet gewesen. Wenigstens von seiner Seite aus...

Falk erhob sich und ging leise zum Zuber, indem das Wasser inzwischen kalt geworden war. Doch das störte ihn nicht weiter. Schnell entledigte er sich seiner Stiefel und der Beinkleider und beendete seine Wäsche. Er tauchte seine geschundenen Füße in den Bottich und genoss die wohltuende Wirkung des kühlen Nasses. Anschließend schlüpfte er wieder in seine Kleidung, wobei er dieselbe Abscheu empfand wie zuvor. Doch das ließ sich jetzt nicht ändern. Allerdings konnte er vielleicht verhindern, dass ihre Schuhe am nächsten Morgen noch nass waren. Er hob Krystinas Stiefel auf und trug sie zusammen mit seinen eigenen hinaus in die Küche, in der Hoffnung, dass im Herd noch genügend Glut war, um das Leder wenigstens ein wenig zu trocken. Dann schlich er sich zurück auf das Lager. Vorsichtig berührte er die bleiche Wange seiner Braut. Sie fühlte sich kalt an und als er ihre Hand in seine nahm, spürte er, wie ein Schauer ihren Körper erzittern ließ. Etwas unschlüssig darüber, was er tun sollte, zog er sie letztlich an sich, so dass ihr Rücken an seiner Brust zu liegen kam. Er zog den Umhang fester um sich und hüllte Krystina mit darin ein. Nach und nach wurde es wärmer und langsam bemächtigte sich der Schlaf seines erschöpften Körpers.

Krystina erwachte. Ihr war wohlig warm und sie hatte das Gefühl, als wäre sie von einem schützenden Kokon umschlossen. Doch plötzlich holten sie die Erinnerungen der vergangenen Tage ein und sie versteifte sich. Es war Falk, der sie umschlungen hielt und sie fühlte die Hitze, die sein Körper ausstrahlte. Langsam versuchte sie, etwas Abstand zu ihm zu gewinnen. Der Ritter spürte, wie Krystina von ihm abrückte. Die plötzlich einsetzende Kühle riss ihn aus dem Schlaf. Instinktiv zog er die junge Frau wieder fest an sich.

„Falk“, wisperte sie. „Lasst mich los. Ihr erdrückt mich.“

„Übertreibt Ihr da nicht ein wenig?“, fragte er mit vom Schlaf heiserer Stimme. Doch ließ er sie auch nicht los. Ergeben seufzend entspannte sie sich etwas. Er war schließlich ihr Gemahl, also konnte er sie auch an sich drücken. Außerdem fühlte es sich gut an, gestand sie sich ein.

„Was meint Ihr, ob es schon Morgen ist?“, fragte sie.

„Keine Ahnung, den Hahn habe ich noch nicht krähen gehört.“

„Wie auch?“, antwortete sie lachend. „Bis eben habt Ihr fest geschlafen.“

„Und warum habt Ihr mich dann geweckt?“, beschwerte sich Falk.

„Vielleicht sollten wir die Burg lieber vor Tagesanbruch verlassen. So bemerkt keiner, dass wir gegangen sind und kann hernach auch nicht sagen, wo wir geblieben sind.“

„Ihr habt Recht“, sagte Falk und schob Krystina von sich. Sie fröstelte. Falk erhob sich und zog Krystina mit sich auf die Füße. Sie schaute sich suchend um.

„Wo sind meine Stiefel?“, fragte sie erschrocken.

„Ich habe sie zum Trocknen an den Herd gestellt. Vielleicht haben wir Glück, und sie sind noch da“, fuhr er in neckendem Ton fort, in den sich allerdings ein leises Unbehagen mischte, als er die Möglichkeit in Erwägung zog, dass jemand das Schuhwerk gestohlen haben könnte. Abrupt ließ er Krystina los und rannte in die Küche. Vor Erleichterung stieß er die Luft aus, die er unbewusst angehalten hatte. Noch schlief der gesamte Haushalt, und seit dem Abend war anscheinend keiner mehr hier gewesen. Er nahm die Stiefel und ging zurück in die Kammer.

„Da hatten wir wohl Glück, was?“, sagte Krystina mit leichtem Spott in der Stimme.

Falk warf ihr einen anklagenden Blick zu, den sie geflissentlich ignorierte.

„Wisst Ihr, wo hier...“ Röte kroch ihr ins Gesicht. Krystina verspürte ein dringendes Bedürfnis, schämte sich allerdings, Falk nach den Latrinen zu fragen. Doch die Natur ließ sich nicht überlisten.

„Wenn Ihr den Abtritt meint, der ist gegenüber auf der anderen Seite des Hofes. Aber passt auf, dass Euch der Wächter nicht sieht.“

„Oh“, machte seine Braut nur.

Falk merkte sehr wohl, dass es ihr unangenehm war, doch falsche Schamgefühle waren ihm fremd. „Ihr könnt natürlich auch gleich um die Ecke auf den Dunghaufen gehen“, schlug er ihr vor. Krystina streifte sich den Surkot über den Kopf, denn mit Sicherheit würde es draußen kalt sein. Noch von der Wärme des Schlafes verwöhnt, wandte sie sich leicht fröstelnd, sich jeglichen Kommentar verkneifend, ab und verließ die Kammer. Falk folgte ihr, denn auch er verspürte Bedürfnisse, doch wählte er den kürzeren Weg.

Krystina schlich sich über den Hof, bedacht, ja kein Geräusch zu verursachen. Sie dankte Gott im Stillen dafür, dass Vollmond war, und sie erkennen konnte, wohin sie gehen musste. Sie mochte gar nicht daran denken, wie sie sonst den Weg gefunden hätte. Allerdings konnte sie so womöglich auch der Wächter sehen und sie hielt sich im Schatten der Mauer. Die Tür zum Abtritt machte ein knarrendes Geräusch, dass in ihren Ohren wie die Trompeten von Jericho schallte. Ängstlich schaute sie sich um, konnte in der Dunkelheit allerdings niemanden ausmachen. Nach wenigen Augenblicken begab sie sich wieder auf den Rückweg, nur um vor der Tür zur Küche Falk in die Arme zu laufen. Noch immer war es still ringsumher, es mochte sehr früh sein und die Burgbewohner schienen alle noch zu schlafen.

Falk hielt die Tür zur Burgküche auf, damit sie hindurchschlüpfen konnte. „Schnell, holen wir unsere Sachen, bevor hier alles zum Leben erweckt. Der Mond wird uns den Weg leuchten. Wir haben Glück und können schon ein gutes Stück vorangekommen sein, bevor Miros Schergen aus ihren Betten finden. Doch ich bezweifle, dass sie uns hier auf Vildstejn vermuten. Es liegt zu weit ab von unserer Route.“

„Und die Hunde gestern? Das war gar nicht Miro?“, fragte sie. „Heißt das, wir sind ganz umsonst in den Bach gestiegen?“

„Besser umsonst nasse Füße als tot“, konterte er gereizt.

„Nun, dass wissen wir noch nicht“, gab sie schnippisch zurück. „Wahrscheinlich haben wir uns das Lungenfieber geholt, das uns auch dahinraffen wird.“

„Das können wir diskutieren, wenn es soweit ist“, beendete Falk den Disput. Unbehaglich zog Krystina ihren Surkot über der Brust zusammen, denn sie hatte das dumpfe Gefühl, als spürte sie ein leises Kratzen im Hals.

Schnell klaubten sie ihre wenigen Habseligkeiten zusammen, die jetzt um zwei Umhänge reicher geworden waren. Sie hüllten sich darin ein. In der Küche griffen sie nach dem Brot, dass vom Vorabend noch in einem Korb lag. Auch einen Schinken, der zum Trocknen an einer Stange unter der Decke hing, ließ Falk ohne Skrupel mitgehen.

„Schauen wir zu, dass wir Land gewinnen.“

Doch Krystina hielt abrupt inne. „Und wie kommen wir aus der Burg heraus, ohne dass der Wächter uns sieht?“, fragte sie mit bebender Stimme.

„Keine Sorge“, beruhigte sie Falk. „Ich war als Knabe oft hier auf der Burg. Ludeks Vater war ein Freund meines Onkels und hat mich häufig mit hierher genommen. Ludek und ich haben uns angefreundet und sind tagelang durch die Mauern der Burg gestreift. Glaubt mir, ich kenne hier jeden Stein.“ Ohne weitere Worte zu verlieren, zog er sie mit sich. An der Mauer unweit des Küchengebäudes konnte Krystina die Umrisse einer Pforte erkennen. „Wollen wir da hinaus?“, flüsterte sie. „Was ist, wenn die Tür abgeschlossen ist?“

„Müsst Ihr immer alles hinterfragen?“, gab Falk ungehalten zurück. „Das nervt langsam. Vertraut Ihr mir so wenig?“ Falk sog tief die Luft ein. „Aber, wenn es Euch beruhigt“, fuhr er dann fort, „ich weiß, wo der Schlüssel ist. Denn es soll ja nur keiner hereinkommen, hinaus hingegen schon.“ An der Mauer angekommen, streckte Falk sich und fuhr mit der Hand über den Sims der Pforte. „Ah, wusste ich es doch. Es hat sich nichts geändert!“ Triumphierend hielt er ihr einen großen Schlüssel unter die Nase. Krystina lächelte. Es dauerte einen Moment, bevor Falk das von Wind und Wetter eingerostete Schloss aufbekommen hatte. Doch dann gab die Tür nach und sie gelangten in einen kleinen Hof. Der Ritter hielt auf eine ebenerdige Luke zu, die zu einem Vorratskeller zu führen schien.

„Da hinein“, raunte Falk und wartete, dass Krystina durch den Spalt kroch, den er ihr aufhielt. Dumpfe, feuchte Luft schlug ihnen entgegen. Krystina glitt leicht aus und ruderte hilflos mit den Armen in der Luft. Doch bevor sie einen Laut von sich geben konnte, packte Falk sie schon am Handgelenk und zog sie hinter sich her ins Dunkel.

„Es ist nicht weit, nur ein paar Meter, dann kommen wir jenseits des Grabens heraus.“

In der Tat sah Krystina nach kurzer Zeit schon den Schein des ersten Tageslichtes schimmern. Falk hatte am Ende des Tunnels eine weitere kleine Luke aufgestoßen. Sie schlüpfte hindurch. Schnell rannten sie durch dichtes Gestrüpp den Abhang hinunter. Krystina drehte sich nochmals zu den trutzigen Mauern der Burg um.

„Wenn die Feinde Eures Freundes wüssten, wo die Schwachstelle in der Mauer ist...“ Sie ließ ihren Satz unvollendet.

„Nun, bisher hat sie noch niemand entdeckt. Ich will hoffen, dass es auch in Zukunft so bleibt.“ Krystina entging nicht der warnende Unterton in Falks Stimme.

Ehre und Macht

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