Читать книгу Bienenglück und Honigcafé - Julia Gehrig - Страница 10
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„Tom, komm mal rüber“. Klaus pfeift vom anderen Ende der Wiese und winkt. Ich war gerade in einem interessanten Gespräch mit ein paar Kursteilnehmern und habe gar keine Lust, zu Klaus zu gehen. Dort stehen diese beiden Frauen, von denen mir Johann schon erzählt hat. Anscheinend hatten sie im Theoriekurs nichts Besseres zu tun, als nach Männern Ausschau zu halten. Wie man nur auf so eine Idee kommt? Sollen sie doch auf irgendwelchen Internetseiten Partnersuche betreiben und nicht anderen die Kursplätze wegnehmen, die wirklich Interesse an der Imkerei haben. Ich schlendere trotzdem zu Klaus, weil er schon nervös von einem Fuß auf den anderen steigt. Er scheint eine dringende Frage zu haben.
„Was gibt’s?“, frage ich betont lässig und ignoriere die beiden Frauen erstmal.
Die Kleinere ist mir vorhin schon aufgefallen. Hat geschäftig alles aufgeschrieben aber als sie dann die Bienen gesehen hat, hat sie sich verhalten wie im Streichelzoo. Wer bezeichnet schon Bienen als „niedlich“? Die andere dunkelhaarige Frau wirkt eher schüchtern. Ich glaube nicht, dass sie Interesse an der Imkerei hat. Sie hat keine einzige Frage gestellt und richtig bei der Sache war die auch nicht. Ist ja kein Wunder, wenn man eigentlich anders im Sinn hat.
Klaus reißt mich aus meinen Gedanken: „Die beiden Damen hier haben Interesse an Völkern.“
„Was?“ Mir fällt keine andere Antwort ein. „Warum das?“, schiebe ich nach und kann es nicht fassen.
„Na, ist das denn so ungewöhnlich?“, lacht Klaus. „Die beiden haben ja gerade den Imkerkurs gemacht.“
„Moment, ich bin ja noch gar nicht sicher …“, sagt die dunkelhaarige Frau mit dem Pferdeschwanz. Wusste ich es doch?
„Tina, probiere es doch mal, das wird bestimmt total spannend.“ Die kleine Frau versucht anscheinend, ihre Freundin zu überreden. Wollen sie Klaus damit beeindrucken? Der scheint von der Idee zumindest sehr angetan zu sein. Zumindest grinst er über beide Ohren.
„Wir unterstützen Sie auch, wo wir nur können“, sagt Klaus und fasst dieser Tina ganz kameradschaftlich an die Schulter. „Ich bringe Ihnen mal die Unterlagen. Wäre schon gut, wenn Sie Mitglied in unserem Verein werden.“
Klaus ist wirklich tüchtig, wenn es darum geht, neue Vereinsmitglieder zu gewinnen. Aber auf diese beiden Frauen hätte ich gut verzichten können. Die kommen mit dem Imkern bestimmt auf keinen grünen Zweig. Falls es wirklich dazu kommt. Aber schon setzt Klaus sein charmantestes Lächeln auf und geht mit den beiden in Richtung Biertisch. So wie es scheint, haben sie Klaus schon um den Finger gewickelt.
„Setzen Sie sich und trinken Sie nochmal einen Schluck Tee. Ich hole inzwischen den Papierkram“, und schon flitzt er ins Büro und holt den Mitgliedsantrag. Ich stehe etwas verloren rum und überlege, warum mich Klaus eigentlich zu sich gepfiffen hat.
Langsam bewege ich mich ebenfalls zum Biertisch und räume die Werkzeuge zur Seite, die noch nicht verstaut sind.
„Was ist denn das für ein Gerät? Ein Rückenkratzer?“, lacht die Kleinere und deutet auf die Entdeckelungsgabel, die ich soeben in die Kiste lege.
„Das würde ich nicht tun!“, lache ich zurück und deute auf die spitzen Zacken, die so spitz sind wie Nägel.
„Einen Versuch wäre es wert“, lacht sie zurück. Humor hat sie ja, die Kleine.
„Haben Sie etwa nicht aufgepasst? Das habe ich Ihnen doch vorher erklärt!“ Ich zwinkere ihr zu und erinnere mich im gleichen Moment selbst daran, nicht zu freundlich zu den beiden Frauen zu sein. Nicht dass sie noch auf falsche Gedanken kommen. Ich nehme das nächste Werkzeug und lege es in die Kiste.
„Das war die – warten Sie mal – die Entdeckelungsgabel, richtig? Zum Öffnen der Honigwaben“, mischt sich plötzlich die Dunkelhaarige ein. Ich bin beeindruckt, dass sie sich das gemerkt hat und einen Moment lang treffen sich unsere Blicke. Sie wirkt im Gegensatz zur anderen Frau ernst und ihre Augen haben einen Ausdruck, den ich nicht ganz deuten kann.
Zum Glück ist Klaus mit seinem Papierkram im Anmarsch und erlöst mich von dem Lückenfüller-Gespräch. Naja, die Damen scheinen ja doch ganz nett zu sein. Trotzdem bezweifle ich, dass es eine gute Idee von Klaus ist, die beiden in den Verein aufzunehmen.
„So, dann übernehme ich wieder.“ Klaus lässt sich umständlich auf der Bank nieder und breitet den Antrag, den Vereinsflyer und die Anfängerfibel für Neuimker vor den beiden Frauen aus. Er preist das Vereinsleben und die Imkerei an, als wäre es so einfach wie Eis essen. Mit salbungsvollen Worten wie „Entspannung“, „ökologisch“, „Naturschutz“ und so weiter versucht er, die Frauen vom schönsten Hobby der Welt zu überzeugen. Die kleine Frau macht sich wieder Notizen, die Dunkelhaarige hört aufmerksam zu. Vielleicht haben es die beiden doch auf Klaus abgesehen? Klaus ist ein netter Kerl, aber ein Frauenschwarm? Das hätte ich beim besten Willen nicht von ihm behauptet.
Ich räume die Werkzeuge in mein Auto und ziehe den Imkeranzug aus. Darunter wird es trotz der kühlen Luft langsam warm. Über Jeans und Shirt ziehe ich mir noch meine dunkelblaue Outdoorjacke an. Es braucht noch ein paar Tage, bis der Frühling kommt und die Bienen ausfliegen können. Klaus muss sehen, dass er seine Völker verkauft, bevor es zu warm wird. So ein Standortwechsel ist immer ein Aufwand und muss gut geplant werden.
Als ich zurückkehre und mich von Klaus verabschieden will, unterschreibt diese Tina gerade den Antrag. Die kleinere Frau steht hinter ihrer Freundin und sieht ihr über die Schulter. Ich bleibe stehen und merke wieder, dass es mich nicht in die Nähe der beiden Frauen zieht. Ich werde warten, bis Klaus seine Formalitäten abgeschlossen hat. Anscheinend verabschiedet sich die kleinere Frau – wie heißt sie überhaupt? Jedenfalls schüttelt sie Klaus die Hand, umarmt Tina, die immer noch auf der Bank sitzt und verschwindet in Richtung Parkplatz. Seltsam. Sind die beiden Freundinnen nicht gemeinsam hergefahren?
Klaus sieht ihr nach, dann schaut er zu mir und winkt mich wieder her.
„Hey Tom. Darf ich vorstellen: Unser neues Vereinsmitglied Tina.“ Er zeigt zwischen uns hin und her, als hätten wir uns noch nie zuvor gesehen.
„Tina, darf ich vorstellen: Ihr neuer Imkerpate Tom!“, sagt er danach und grinst mich an.
Ich brauche einen Moment, bis ich verstanden habe.
„Wie bitte? Imkerpate? Du weißt, dass ich im Juni weg bin?!“, zische ich zu Klaus.
„Keine Sorge. Im Juni übernehme ich. Bis dahin würde ich dich bitten, Tom.“ Klaus sieht mich mit Hundeblick an und Tina lächelt schüchtern zu mir.
„Nichts gegen Sie“, sage ich zu Tina und nehme mir Klaus etwas beiseite. „Aber du weißt, dass ich das nicht mehr mache“, sage ich im Flüsterton zu ihm.
„Jaja, ich weiß. Tina kauft aber nun mal drei Völker und ich habe - wie du weißt - schon eine Patenschaft. Zwei Patenschaften und die eigenen Bienen wird zu viel! Bitte Tom!“, fleht mich Klaus ebenfalls im Flüsterton an.
„Sie hat keine Ahnung“, gebe ich zu Bedenken. „Du weißt, wieviel Arbeit wir mit den Neuimkern haben.“
„Wir brauchen neue Mitglieder, Tom!“
„Das ist nicht meine Sorge“, antworte ich. Damit habe ich bei Klaus einen wunden Punkt erwischt und es tut mir gleich wieder leid. Seit Jahren pflegt er leidenschaftlich das Vereinsleben mit Ausflügen, Stammtischen und Vorträgen zur Imkerei. Natürlich sollten wir alle zusammenhalten und Neuimkern eine Chance geben. Ich weiß ja, dass er recht hat.
„Du hast deine eigenen Bienen doch eh schon beim Johann. Die paar Mal im April und Mai kannst du doch der jungen Frau helfen. Ich löse dich dann ab. Versprochen!“
Seufzend nicke ich und wende mich wieder Tina zu. Die steht wie ein begossener Pudel da und sagt: „Was heißt eigentlich „Imkerpate“?“
„Na, dass ich halt jede Woche vorbeischaue und beim Imkern helfe“, antworte ich brummig. Ich habe keine Lust, mir viel Mühe mit Nettigkeiten zu geben. Schließlich habe ich mir meine Neuimkerin nicht ausgesucht und nun soll sie auch merken, dass ich meine Freizeit für sie opfere.
Tinas Gesichtsausdruck wirkt etwas niedergeschlagen und sie sagt nur: „Ach echt?“
Wahrscheinlich wollte sie Klaus schöne Augen machen und ist nun enttäuscht, dass er nicht die Patenschaft übernommen hat. Ich schreibe meine Handynummer auf den Flyer, der noch auf dem Tisch liegt und sage zu ihr: „Melde dich, sobald du die Bienen bei dir hast. Wo stehen die Beuten eigentlich?“
„Ich denke, in meinen Garten?“, sagt sie und sieht mich fragend an.
„Ist das eine Frage?“ Wer soll die Frauen verstehen?
„Ich kenne mich nicht aus. Kann man im eigenen Garten Bienen haben?“
„Wenn Sie die Bienen nicht sehr nahe am Nachbarszaun aufstellen, dann gehts“, sagt Klaus, der Optimist. Ich hatte meine Bienen immer im Garten meines Onkels – ein eigenes Grundstück hatte ich noch nie. Wahrscheinlich wohnt diese Frau in einem Reihenhaus und denkt, dass ein handtuchgroßes Stück Wiese ausreicht, um drei Völker aufzustellen.
„Na gut, dann kommen die Beuten in den Garten“, stellt Tina fest und lächelt mich wieder an. Diesmal wirkt es nicht mehr ganz so unsicher. Eher freundlich.
Ich zwinge mich auch, sie anzulächeln. Sie kann ja nichts dafür. Ich müsste sauer auf Klaus sein, der diese ganze Imkerpatensache eingefädelt hat.
„Meine Adresse steht auf dem Mitgliedsantrag“, sagt Tina zu mir und hält Klaus die Hand hin. Sie verabschiedet sich mit Handschlag von Klaus und anschließend von mir. Wieder wirft sie mir diesen seltsamen Blick zu, wie schon vorhin.
„Wir sehen uns“, sagt sie, dreht sich um und geht über die Obstbaumwiese zum Parkplatz. Ihr Pferdeschwanz wippt etwas hin und her und erst jetzt fällt mir auf, dass sie eine ähnliche Jacke trägt wie ich.