Читать книгу Leben mit dem PCO-Syndrom - Julia Schultz - Страница 10
ОглавлениеMögliche Ursachen von PCOS
Die genaue Ursache von PCOS kennen wir nicht. Man geht von einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren aus. Da das Hormonsystem und somit jedes Hormon des Körpers in engem Zusammenhang stehen, kann man die Ursache auch nicht nur auf eine Störung der Geschlechtsorgane beschränken.
Hormone kontrollieren und beeinflussen so viel mehr als unsere Geschlechtsorgane, und auch PCOS beschränkt sich nicht nur auf ein Zuviel an männlichen Hormonen im weiblichen Körper. Vielmehr spielen bei dieser hormonellen Dysbalance mehrere Organe und Ursachen zusammen. So sind in das Polyzystische Ovarialsyndrom meist auch andere hormonproduzierende Drüsen und nicht nur die Ovarien involviert, wie zum Beispiel der Hypothalamus und die Hypophyse im Gehirn, die Bauchspeicheldrüse, die Schilddrüse und die Nebennieren. Jede Drüse ist für die Produktion und Ausschüttung von einem oder mehreren bestimmten Hormonen verantwortlich, die wiederum Signale für andere Organe und Drüsen darstellen, um bestimmte Hormone zu produzieren.
Da unser Hormonsystem genau das ist: ein System, in der jede Komponente von einer anderen abhängig ist, kann man die Ursache einer Störung oft nicht auf ein konkretes Problem festlegen. Es gibt sicherlich mehr als eine mögliche Ursache, was die unterschiedliche Ausprägung der Symptome dieser Erkrankung erklären könnte. Genetische Faktoren genauso wie der persönliche Lebensstil und traumatische Erlebnisse in der Vergangenheit können eine große Rolle spielen.
Was sind Hormone?
Du kannst Hormone als Botenstoffe oder Nachrichtenüberbringer betrachten. Unser Körper hat ein internes Kommunikationssystem entwickelt, um Gehirn, Organe und Drüsen miteinander »sprechen« zu lassen. Das Hormonsystem ist komplett reguliert, sehr vorhersehbar, und es kontrolliert dich hinsichtlich deiner Gesundheit, deiner Gedanken, Stimmungen und vielem mehr. Dabei agieren Hormone in einer bestimmten Reihenfolge – einer speziellen Kommunikationskette. Ist sie an einer Stelle gestört, wird sich das auch auf den Rest der Kette auswirken. Genau wie bei einer Lichterkette am Weihnachtsbaum. Daher ist es wichtig, alle Hormone und Bereiche des Lebens zu betrachten, wenn du PCOS auf natürliche Weise in den Griff bekommen möchtest.
Ein Beispiel
LH (luteinisierendes Hormon) und FSH (follikelstimulierendes Hormon) sind Hormone der Hypophyse. Sie regen die Östrogen- und Progesteronausschüttung in den Eierstöcken an. Wenn Progesteron und Östrogen vermehrt ausgeschüttet werden, dann ist das ein Signal an das Gehirn, weniger LH und FSH auszuschütten. Man spricht hier vom Feedbacksystem.
Doch Achtung: Dies ist eine sehr vereinfachte Darstellung. In diesem Prozess spielen weitere Hormone eine wichtige Rolle.
Das Metabolische Syndrom
Was wir auf keinen Fall außer Acht lassen sollten, ist die metabolische Komponente der Hormonstörung PCOS. Mindestens ein Drittel der PCOS-Patientinnen leidet nämlich ebenfalls am Metabolischen Syndrom,4 was dafür sorgen kann, dass die Hormone durcheinandergeraten. So wirst du in späteren Kapiteln feststellen, dass Übergewicht, vor allem Adipositas (starkes Übergewicht), und das »Zuckerhormon« Insulin deine Geschlechtshormone stark negativ beeinflussen können.
Übergewicht sowie eine Insulinresistenz bilden dabei neben Bluthochdruck und einer Fettstoffwechselstörung das sogenannte »tödliche Quartett«, welches das Metabolische Syndrom umschreibt. Es sind die vier Volksleiden unserer heutigen Gesellschaft, die sprichwörtlich gesagt »der Tod auf leisen Sohlen« sind.
Bis zu 70 Prozent der PCOS-Patientinnen sollen an einer Insulinresistenz bzw. Insulinfehlregulation (also einem Teilaspekt des Metabolischen Syndroms) leiden und wie schon erwähnt mindestens 33 Prozent am Metabolischen Syndrom in seinem vollen Spektrum. Somit könnte eine metabolische Dysfunktion bei einigen Frauen durchaus an der Entstehung des PCO-Syndroms beteiligt sein. Diese Annahme wird bestärkt, wenn man in Betracht zieht, dass eine Gewichtsreduktion und eine zuckerarme Ernährung bei vielen PCOS-Patientinnen schon große Erfolge in der hormonellen Regulation bringt. So kann bei übergewichtigen, unfruchtbaren Frauen nach einer Reduktion von etwa 10 Prozent des Körpergewichts die Periode wieder eintreten und die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft erhöht werden.5
Nichtsdestotrotz sollte nicht ausgeschlossen werden, dass erst die hormonelle Dysregulation zum metabolischen Problem führen könnte. Die Zusammenhänge sind noch nicht vollständig geklärt, und du wirst später erfahren, dass das PCO-Syndrom viele Gesichter haben kann.
Wie auch immer gilt es beim Metabolischen Syndrom oder Teilaspekten davon, wie Insulinresistenz, zu handeln, denn diese Dysfunktionen erhöhen das Risiko, dass wir später im Leben an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und/oder Krebs erkranken: die typischen Volkskrankheiten unserer heutigen Zeit.6 Unser Lebensstil, also die Ernährung, Bewegung, Rauchen, Stress und so weiter, spielt bei der metabolischen Problematik eine Schlüsselrolle: Er kann sie entweder begünstigen oder eben nicht. Mit unserem Lebensstil haben wir einen erheblichen Einfluss auf unseren Körper. Es ist bekannt, dass eine ungesunde Lebensweise mit ungünstiger Ernährung, viel Stress und wenig Bewegung metabolische Dysfunktionen mitauslösen kann,7 und im Umkehrschluss macht es so ein Lebensstil wahrscheinlich, dass sich Hormonstörungen wie das PCO-Syndrom manifestieren können.
Alles im Körper ist vernetzt
Der Körper ist durch und durch vernetzt. Nicht nur die Gesamtheit unserer Hormone bildet ein System, sondern unser gesamter Körper ist ein in sich geschlossenes System, das in all seinen Teilen und mit der Umwelt kommuniziert. Die Ansicht, dass wir Körperteile und Organe getrennt voneinander betrachten könnten, ist mittlerweile veraltet. Alles hängt miteinander zusammen und beeinflusst sich gegenseitig. So haben unsere Stressdrüsen einen weitreichenden Einfluss auf den gesamten Rest des Körpers, beeinflussen zum Beispiel den Darm, und der Darm wiederum beeinflusst das Immunsystem, was wiederum die Geschlechtshormone beeinflusst und so weiter.
Sind deine Gene schuld am PCOS?
Oft – und mir wurde das auch so mitgegeben – denken wir, dass Krankheiten in unseren Genen liegen und wir ihnen hilflos ausgeliefert sind. Wir tendieren dadurch dazu, in eine Opferrolle zu fallen und das Leben so zu betrachten, als hätten wir einfach die falschen Karten gezogen. Doch unser Leben ist kein Kartenspiel. Wir haben viel mehr Einfluss auf die Expression unserer Gene, als wir bisher angenommen haben.
Du bist dir sicherlich bewusst, dass Diabetes Typ 2 ein Resultat von einer zuckerreichen Ernährung sein kann, und hast bestimmt auch schon gehört, dass wir Diabetes entgegenwirken können, indem wir uns zuckerarm ernähren und regelmäßig bewegen. Das bedeutet, dass die Veranlagung, an Diabetes zu erkranken, zwar in unseren Genen liegen kann, wir aber einen enormen Einfluss auf den Ausbruch dieser Volkskrankheit haben. Wir können Diabetes entgegenwirken, wenn wir unseren Körper richtig nähren – mit Nahrung, Bewegung, Entspannung und Selbstliebe.
Doch schauen wir uns unsere Gene mal etwas genauer an und betrachten wir dabei, welche Rolle sie bei PCOS spielen. Viele Studien weisen darauf hin, dass sie zumindest mitverantwortlich für das Auftreten von PCOS sein können. Hast du PCOS, ist es also wahrscheinlich, dass auch deine Schwester, Mutter oder Großmutter diese Erkrankung haben oder zumindest die genetische Voraussetzung dafür.8
Was viele nicht wissen: Wir können unsere Gene beeinflussen.
Auch wenn du die genetische Vorbelastung in dir trägst, solltest du nicht den Kopf in den Sand stecken und dich deinem Schicksal ergeben. Was viele nicht wissen, und was lange unvorstellbar erschien, ist die Tatsache, dass wir unsere Gene beeinflussen können. Mit unserem Lebensstil können wir sie tatsächlich an- und ausschalten. Auch unser Umfeld spielt eine große Rolle in der Genexpression. Nicht alle Gene sind nämlich jederzeit aktiviert. Diese Form der Genetiklehre ist relativ neu und nennt sich Epigenetik. Sie sagt: Auch wenn du die Voraussetzung in deiner DNA trägst, PCOS zu entwickeln, wird dieses Gen nur transkribiert, also angeschaltet, wenn äußere Umstände dazu führen. Diese äußeren Umstände sind zum Beispiel deine Ernährung, Stress oder Umweltgifte. Jede Körperzelle trägt im Zellkern einen vollständigen Satz unserer Gene. Das bedeutet, dass jeder Zellkern sechsundvierzig Chromosomen beinhaltet. Jede Zelle trägt genau die gleichen sechsundvierzig Chromosomen in sich. Würde man sich unsere Chromosomen unter einem Mikroskop anschauen, dann würde man die DNA-Stränge erkennen, aus denen sie sich zusammensetzen. Auf einem DNA-Strang befinden sich die Baupläne für diverse Körperteilchen. Es ist eine Art Code, der von bestimmten Molekülen abgelesen und angewendet werden kann. Dieser Vorgang wird auch Proteinsynthese genannt. Eventuell hast du davon mal was im Biologieunterricht gehört. Falls du dich nicht mehr richtig erinnern kannst, dann schau dir doch dieses Bild dazu an.
Auf unserer DNA befinden sich aber nicht nur die Baupläne für Proteine, sondern zum Beispiel auch für Enzyme und Hormone (die im Prinzip auch Proteine sind). Der Bauplan wird mithilfe von bestimmten Enzymen abgelesen und umgeschrieben. Das ist ein etwas aufwendigerer Prozess, den ich hier nicht beschreiben möchte. Du brauchst letztlich nur zu wissen, dass sich auf unserer DNA sämtliche Baupläne befinden, damit bestimmte Körperstoffe hergestellt werden können.
Wie wird ein Gen an- oder abgeschaltet?
Auch wenn jede Zelle die gesamten Baupläne für alle möglichen Körperprozesse beinhaltet, werden sie nicht in jeder Zelle zum Einsatz kommen. So braucht eine Hautzelle nicht zu wissen, wie Insulin hergestellt wird – das ist Aufgabe der Bauchspeicheldrüse. Eine Zelle verwendet also nur die Gene, die sie auch wirklich braucht. Grund dafür ist eine weitere Ebene des Genoms (Erbguts): das Epigenom. Epigenetische Marker entscheiden im Wesentlichen mit, ob ein Genabschnitt einer Zelle abgelesen wird oder nicht. Ein solcher Mechanismus ist die sogenannte »DNA-Methylierung«, wobei kleine Moleküle an die DNA-Basen angehangen werden. Der Code der DNA (also die Reihenfolge der Basen) wird dabei nicht verändert. Sie bekommen lediglich einen Anhang, der ein bestimmtes Gen markiert und so beispielsweise abschaltet.
Das »Abschalten« eines Genes passiert also durch die Methylmoleküle, die bestimmte Genabschnitte schwerer zugänglich machen, sodass diese dann nicht abgelesen werden können. Diese Markierungen werden sogar von Zellgeneration zu Zellgeneration weitergegeben und können so auch an unsere Kinder vererbt werden. Die Markierung ist daher sehr stabil, kann jedoch auch durch bestimmte Enzyme wieder entfernt werden. Auf diese Weise kann das Epigenom auf Veränderungen reagieren. So wird aber nicht nur sichergestellt, dass eine Hautzelle kein Insulin produziert, sondern auch Krankheiten können so entstehen oder gemildert werden, wenn beispielsweise durch Umwelteinflüsse bestimmte Veränderungen im Epigenom passieren und Gene so aktiviert oder deaktiviert werden.
Zellprozesse brauchen Signale
Eine Zelle braucht immer ein Signal, um bestimmte Stoffe herzustellen. Das Signal kommt durch Umwelteinflüsse, wie Nahrung, Stress, Entspannung oder Atemluft, oder durch interne Botenstoffe, wie Hormone oder Neurotransmitter. Ohne Signal finden bestimmte Prozesse meist gar nicht erst statt. So stellt eine Bauchspeicheldrüse nicht ununterbrochen Insulin her und gibt es rund um die Uhr ins Blut ab. Manchmal ist es aber auch das Ausbleiben eines Signals, das einen Prozess auslöst.
Zellen brauchen Signale von außen, damit ein Prozess im Inneren stattfinden kann. Glukosemoleküle im Blut sind das Signal für die Bauchspeicheldrüse, mehr vom Hormon Insulin herzustellen und ins Blut abzugeben. Insulin ist wiederum das Signal für unsere Muskelzellen, um die »Schleusen« für Glukose zu öffnen, damit es in die Zellen gelangen kann. Jedoch kann Insulin auch ein Signal für die Zellen der Ovarien sein, bestimmte Hormonprozesse zu aktivieren. So sagt man, dass vermehrtes Insulin im Blut (beispielsweise durch eine Insulinresistenz), das nicht mehr auf die Muskelzellen wirken kann, die Ovarien dazu anregt, mehr Testosteron zu produzieren. Hier könnte das Epigenom eine wichtige Rolle spielen und sozusagen veranlassen, dass der Genabschnitt »Bauplan für Testosteron« leichter zugänglich und eher abgelesen wird.
Epigenetik ist ein sehr komplexes Thema, und der Raum in diesem Buch ist begrenzt. Ich möchte nur, dass du weißt, dass du vieles, was deine Gesundheit anbelangt, beeinflussen kannst. Du hast das Zepter in der Hand und kannst einiges für deinen Körper bewegen. Fall nicht in die Rolle des Opfers. Glaube nicht, dass es aussichtslos ist, PCOS angehen zu wollen. Glaube an die Kraft, dass du deine Hormone in Zusammenarbeit mit deinem Körper wieder in den »Normalbereich« lenken kannst. Du hast so viel mehr Macht, als du bisher angenommen hast. Diese Macht erlangst du meiner Meinung nach durch Wissen. Ich empfehle ich dir auch das Buch Intelligente Zellen. Wie Erfahrungen unsere Gene steuern von Bruce Lipton, das sich um das Thema Epigentik dreht und dir aufzeigt, welche Rolle du dabei spielst, welche Gene in deinem Körper transkribiert werden.
Die Rolle der Ernährung
Vor dem Hintergrund der Epigentik macht es also Sinn, wenn ich wie so viele andere Frauen behaupte, dass eine Ernährungsumstellung und auch die Veränderung anderer Aspekte des Lebensstils deine Hormone wieder in die richtige Bahn lenken können. Wenn dir die Gene für das PCO-Syndrom vererbt wurden, können deine Ernährung und dein Lebensstil Symptome, die in Zusammenhang mit dem PCO-Syndrom stehen, verschlimmern oder verbessern. Sie stellen Auslöser dieser Erkrankung dar.
Unsere westliche Ernährung ist Auslöser vieler Krankheiten. Wir essen zu viel Zucker, zu viel Fertigprodukte und zu wenig frische gesunde Lebensmittel. Die gleichen Auslöser führen zu unterschiedlichen Krankheiten in uns – ganz abhängig von unserer individuellen genetischen Vorbelastung. Die typisch westliche Ernährung stört das hormonelle Gleichgewicht in vielerlei Hinsicht, worauf ich in den folgenden Kapiteln genauer eingehen werde. Du wirst erfahren, welche Lebensmittel das Gleichgewicht deiner Hormone ins Chaos versetzen und somit PCOS begünstigen, und du wirst lernen, welche Lebensmittel die bessere Wahl für dich sind. Egal, welche Art von PCOS du hast – du wirst die unterschiedlichen Typen im nächsten Kapitel kennenlernen –, die Ernährungstipps und Rezepte in diesem Buch sind darauf ausgelegt, deinen Körper dabei zu unterstützen, ins Gleichgewicht zu kommen.
Doch ist deine Ernährung nicht der einzige Faktor, mit dem du darüber Einfluss nehmen kannst, ob du das PCO-Syndrom entwickelst oder nicht und ob du es mildern oder heilen kannst. Stress zum Beispiel spielt eine genauso große Rolle. Die Gewichtung der verschiedenen Aspekte ist von Individuum zu Individuum unterschiedlich und hängt von der jeweiligen Konstitution ab. Für manche Frauen wird Stress eine größere Rolle spielen als für andere. Ebenso vertragen manche mehr Kohlenhydrate, bevor es die Hormone durcheinanderbringt, andere essen nur wenig davon und die Hormone spielen verrückt. Genau aus diesem Grund ist es so wichtig, nach dem Laborbericht über deine Hormone zu fragen, mehr über das Funktionieren deines Körpers zu erfahren und mehr auf seine Zeichen zu achten.
All die angesprochenen Faktoren können Aufschluss über die Ursache deines PCOS geben und dir dabei helfen, bessere Entscheidungen für dein tägliches Leben zu fällen. Aber ganz egal, welche Art des PCO-Syndroms du hast: Deine Ernährung spielt immer eine Rolle und ist ein Faktor, der deinen Körper erheblich »stressen« kann. In wie vielen Gestalten dies vorkommen kann, lernst du im Laufe der nächsten Kapitel.