Читать книгу Leben mit dem PCO-Syndrom - Julia Schultz - Страница 9
ОглавлениеDas PCO-Syndrom: Was hab ich mir da bloß eingefangen?
Immer mehr Frauen erfahren hormonelle Schwierigkeiten. Das PCO-Syndrom ist dabei eine der häufigsten Störungen des Hormonsystems und betrifft mittlerweile bis zu 10 Prozent aller Frauen.1 Es könnten allerdings noch mehr Frauen betroffen sein, da die Einnahme der Antibabypille die Symptome von PCOS unterdrückt und sich somit viele gar nicht bewusst darüber sind, dass sie es haben.
Was ist PCOS?
Der Begriff Polyzystisches Ovarialsyndrom setzt sich aus mehreren Bestandteilen zusammen und bedeutet auf gut Deutsch: Syndrom mit vielen Zysten an den Eierstöcken. Syndrom meint, dass es sich um ein Krankheitsbild handelt, bei dem bestimmte charakteristische Symptome zusammen auftreten.
Was macht PCOS aus?
Du bist also nicht allein mit der Diagnose PCOS, doch reden wir eher wenig darüber. Das PCO-Syndrom kann jede Frau in jedem Alter treffen und macht sich unter anderem durch folgende Symptome bemerkbar:
• Unfruchtbarkeit und unerfüllter Kinderwunsch
• Ausbleiben der Periode oder sehr lange Zyklen
• unerklärte Gewichtszunahme
• Depressionen
• Angstzustände
• Akne
• Haarausfall
• vermehrter Haarwuchs zum Beispiel an Kinn, Brust und Bauch (Hirsutismus genannt)
Das sind alles Begleiterscheinen der hormonellen Störung. Sie müssen aber nicht alle bei jeder Frau auftreten. So waren meine Symptome eine ausbleibende Periode, Akne und Hirsutismus. Einige der Auffälligkeiten werden häufig nicht im direkten Zusammenhang mit unseren Hormonen betrachtet, zum Beispiel Angststörungen und Depression. Bleibt PCOS unbehandelt, können weitreichendere Erkrankungen auftreten, wie zum Beispiel Diabetes oder Herz-Kreislauf-Störungen. PCOS ist nicht einfach nur eine Hormonstörung, sondern oft ein metabolisches Problem,2 das man adressieren sollte. Aber später mehr dazu.
Wurde bei dir das PCO-Syndrom diagnostiziert, hat dein Gynäkologe vermutlich einen umfangreichen Test gemacht. (Hat er das nicht, dann bestehe darauf! Es ist dein gutes Recht, denn es ist dein Körper.) Neben einer Ultraschalluntersuchung deiner Ovarien wurde sicherlich auch ein Hormoncheck im Blut vorgenommen. Wurde die PCOS-Diagnose nur anhand eines Ultraschalls gefällt, ist das nicht aussagekräftig. Leider kommt es trotzdem sehr häufig vor.
Aus diesem Grund sollte dein Arzt auch deine Hormone checken. Es kommt häufig vor, dass die Diagnose zu frühzeitig gestellt wird. Das liegt vermutlich an den weit verbreiteten Kriterien, nach denen das PCO-Syndrom heutzutage diagnostiziert wird: den Rotterdam-Kriterien. Danach wird die Diagnose PCOS dann gestellt, wenn mindestens zwei der folgenden drei Indikatoren vorliegen:
• ein Ausbleiben der Periode oder ein stark verlängerter Zyklus
• Zysten an den Ovarien, perlenkettenartig
• ein erhöhter Hormonspiegel eines männlichen Geschlechtshormons (Androgen) im Blut
Schwierigkeiten bei der Diagnose
Das PCO-Syndrom kann nicht allein via Ultraschall diagnostiziert werden. Auf dem Ultraschallbild sieht der Arzt lediglich, dass sich mehrere Eifollikel im Eierstock wie eine Perlenkette aneinanderreihen. Das sind die »Zysten«, die dieser Erkrankung den Namen geben. In Wirklichkeit sind es aber nicht ganz ausgereifte, klein gebliebene Follikel. So wurde der Name der Hormonstörung vielleicht etwas ungünstig gewählt – vor allem weil solche Zysten auch aus anderen Gründen vorkommen können, beispielsweise bei hypothalamischer Amenorrhö, also dem Ausbleiben der Periode aufgrund von Stress durch Übertraining oder Anorexie. Auch etwa 25 Prozent aller gesunden Frauen sollen solche Zysten ab und an haben, dennoch haben sie nicht gleich das PCO-Syndrom. Eine solche Perlenkette an Eifollikeln in den Eierstöcken zeigt nämlich lediglich an, dass kein Eisprung stattgefunden hat. Sie sagt aber nichts darüber aus, warum der Eisprung nicht stattgefunden hat. Das PCO-Syndrom ist nur eine mögliche Ursache. Erst die erhöhten männlichen Hormone in Verbindung mit wirklichen Zysten und fehlendem Eisprung geben ein eindeutiges Indiz für das PCO-Syndrom.
Ich sehe diese Diagnosemethode als veraltet an, denn man könnte danach theoretisch mit PCOS diagnostiziert werden, wenn nur die ersten beiden Kriterien zutreffen. Wie wir gesehen haben, sind »Zysten« an den Ovarien und das Ausbleiben der Periode aber nicht ausreichend für die Diagnose. Vermehrte kleine Zysten können durchaus normal sein und müssen beim PCO-Syndrom nicht immer auftreten – anders als der Name es vorgibt.
Die aktuellste Definition stammt von der AE-PCOS Society und erfordert:
• das Vorhandensein erhöhter Androgene (oder auch nur die Symptome, die mit erhöhten Androgenen einhergehen),
• und eine unregelmäßige bzw. ausbleibende Periode und/oder Zysten an den Eierstöcken,
• den Ausschluss anderer Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik.3
Ich mag diese Definition lieber, weil sie die zwei Hauptaspekte der Erkrankung in den Vordergrund stellt: fehlender Eisprung und Androgenüberschuss. Hierbei finde ich es wichtig zu wissen, welche Hormone genau erhöht sind bzw. außerhalb des Normbereiches liegen. Trau dich, nach einer Kopie des Laborberichts zu fragen, und lerne, deinen Körper zu verstehen.
Wann ist es nicht PCOS?
Das ist eine Frage, die wir uns zwangsläufig stellen müssen, da so einige Frauen fehldiagnostiziert werden oder die Abkürzung »PCO« (was nicht gleich PCO-Syndrom bedeutet) vom Frauenarzt zu hören bekommen und zu Hause schockiert das Internet befragen, was das bedeuten könnte. Das Internet ist Segen und Fluch zugleich. Einerseits bekommen wir eine Fülle an Informationen auf einen Schlag, andererseits können wir nicht immer richtig einordnen, wie sie sich auf uns übertragen lassen und ob sie seriös sind. Der Teufel steckt bekanntermaßen im Detail, so auch beim PCO-Syndrom.
PCO ist nicht gleich PCOS
PCO steht für polyzystische Ovarien. Das hört sich erst mal verdammt nach Polyzystischem Ovarialsyndrom an. Es ist aber trotzdem nicht das Gleiche, denn es fehlt das Syndrom am Ende. Das mag als Kleinigkeit erscheinen, aber es ist doch ein gewaltiger Unterschied. Während PCO lediglich die vielen kleinen Eibläschen an den Eierstöcken beschreibt, benennt es trotzdem nicht die Hormonstörung, von der wir hier sprechen. PCO bezieht sich auf den momentanen Zustand deiner Eierstöcke, den man im Ultraschall sehen kann. Auch wenn zusätzlich deine Periode ausbleibt, ist es – meiner Meinung nach – immer noch nicht unbedingt das PCO-Syndrom. Wie schon erwähnt kommen viele Eibläschen (also PCO) von Zeit zu Zeit bei bis zu 25 Prozent der gesunden Frauen an den Eierstöcken vor. Und auch die Periode bleibt bei gesunden Frauen ab und an mal aus oder kommt später als normal.
Dein Hormon Check Sheet
Die folgenden Hormone sollten getestet werden, wenn überprüft wird, ob bei dir PCOS vorliegt.
• luteinisierendes Hormon (LH)
• follikelstimulierendes Hormon (FSH)
• Testosteron
– frei
– gesamt/total
• sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG)
• Östrogen (Östradiol, E2)
• Androstendion
• DHEAS
• Anti-Müller-Hormon (AMH)
Was sich sonst noch lohnt zu untersuchen bzw. was nach der PCOS-Diagnose untersucht werden sollte:
• Cortisol
• 17-OH-Progesteron (17-OHP)
• IGF-1
• Schilddrüsenwerte
– TSH
– fT4
– fT3
• Lipide
– HDL
– LDL
– Triglyceride
• Vitamin D
• Insulin und Blutzucker
– Glukose
– Insulin
Zum PCO-Syndrom kommt es erst, wenn zusätzlich noch andere Charakteristika vorliegen. Ganz wichtig sind die erhöhten männlichen Hormone. Die sollten vorliegen, wenn das PCO-Syndrom richtig diagnostiziert wurde. Andere typische Charakteristika sind: das Metabolische Syndrom, Insulinresistenz, Akne, Haarausfall, Hirsutismus. Liegen »nur« die kleinen Zysten in Form einer Perlenkette in den Ovarien vor, ist es zwar PCO, aber nicht zwangsläufig das PCO-Syndrom.
Hypothalamische Amenorrhö
Es kommt sehr häufig vor, dass eine hypothalamische Amenorrhö mit dem PCO-Syndrom verwechselt wird. Grund dafür sind meist die polyzystischen Ovarien – also wieder die PCO-Problematik.
Amenorrhö ist der medizinische Fachbegriff für das Ausbleiben der Menstruationsblutung.
Bei der hypothalamischen Amenorrhö bleibt die Periode für mehr als sechs Monate aus, und unter Umständen kann es dann zu den perlenkettenartigen Eibläschen an den Eierstöcken kommen. Allerdings finden sich hier keine erhöhten Androgenwerte. Es ist wichtig, sich den LH-Wert im Blut anzuschauen. Beim PCO-Syndrom ist er meist erhöht und liegt über dem Wert vom FSH. Bei hypothalamischer Amenorrhö ist der LH-Wert jedoch häufig niedrig und somit niedriger als das FSH.
Hormon | Hypothalamische Amenorrhö | PCO-Syndrom |
LH (luteinisierendes Hormon) | niedrig bis normal | normal bis hoch, höher als FSH (follikelstimulierendes Hormon) |
Östradiol | niedrig bis normal | normal bis hoch |
Androgene | niedrig bis normal | normal bis hoch |
Bei der hypothalamischen Amenorrhö bleibt das Signal vom Hypothalamus (der Master-Hormondrüse im Gehirn) aus, dass ein Eisprung stattfinden soll. Der Hypothalamus reagiert auf Stress jeglicher Form und möchte in stressigen Situationen verhindern, dass eine Frau schwanger wird. Also unterdrückt er den dafür nötigen Eisprung.
Meist fühlen sich diese Frauen sehr gesund: Sie essen extrem gesund, treiben viel Sport und sind vielleicht sogar untergewichtig oder an der Grenze zum Untergewicht. Genau hier legt das Problem. Zu wenige Kalorien, zu viel Sport, ein zu geringes Gewicht nimmt der Hypothalamus als Stress wahr. In so einer Zeit macht es für eine Frau evolutionär gesehen keinen Sinn, ein Kind in die Welt zu bringen, da das viel Energie benötigen würde. Diese Energie kann der Körper aber im Moment nicht aufbringen. Als Schutzmechanismus wird die Hormonproduktion zurückgefahren und der Eisprung »abgeschaltet«, um eine mögliche Befruchtung und Schwangerschaft auf jeden Fall zu verhindern. Isst man wieder ausreichend, treibt weniger Sport und nimmt gesund an Gewicht zu, kann sich die Periode nach einer Weile wieder von selbst einstellen.
Mit dem PCO-Syndrom hat das alles nichts zu tun. Wenn du dich in dieser Beschreibung wiederfindest, kannst du trotzdem dieses Buch für dich nutzen. Du solltest aber auf keinen Fall deine Kohlenhydratmenge herunterschrauben, sondern tendenziell eher nach oben.