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HEILSAM: DIE IDEALEN INNEREN ELTERN

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Wenn ich ein Bild von guten Eltern erschaffe, die dem inneren Kind zur Seite stehen, fließt mir heilsame väterliche oder mütterliche Energie zu. Ideale Eltern sind eine innere Helferstruktur und – im Gegensatz zu den realen Eltern – fähig, dem Kind zu geben, was es benötigt. Es gelingt ihnen, die kindlichen Bedürfnisse zu erfüllen. Die ideale Mutter stillt ihr Baby, wenn es vor Hunger weint. Der ideale Vater hilft dem Schulkind geduldig bei den Hausaufgaben.

In der Vorstellung ist alles möglich. Die ideale Mutter / der ideale Vater kann komplett anders sein als die realen Herkunftseltern. Der vielbeschäftigte Vater, der abends immer erst um acht nach Hause kam und keine Ahnung hatte, wie der beste Freund seines Kindes hieß, wandelt sich beispielsweise zu einem Vater, der Interesse zeigt und präsent ist. Die abgelenkte nervöse Mutter setzt sich hin und hört ganz in Ruhe zu.

Es ist immer sehr berührend für mich zu erleben, wie genau meine Klienten wissen, was sie als Kind gebraucht hätten. Selten existiert keine Idee davon, wie sich fürsorgliche Eltern verhalten hätten. »Schmücke diese Vorstellung ruhig einmal aus. Wie wären sie so – die idealen Eltern?«, frage ich. »Das ist ein bisschen so, als würdest du dir wundervolle Adoptiveltern zulegen.« Und manchmal bekommen die idealen inneren Eltern Namen wie »Harry und Louise«, damit man sie ansprechen und bei Bedarf herbeirufen kann. Ich ermutige meine Klientinnen, nach Inspiration Ausschau zu halten. Wo begegnen einem gute Väter und Mütter?

 In Büchern und Kinderbüchern? Ein Klient hat seiner Tochter das Bilderbuch »Petterson und Findus« vorgelesen. Es ist die Geschichte von Petterson, einem schrulligen älteren Mann, der mit seinem frechen Kater Findus kleine Abenteuer erlebt. Für ihn verkörpert der bärbeißige Petterson alle Eigenschaften einer guten väterlichen Energie. Er hört zu, liest vor und backt Pfannekuchen-Torte, aber vor allem gefällt ihm, dass Peterson immer zu Findus hält, egal wie viel Quatsch der kleine Kater macht.

 Auf Bildern und Fotos? Meine Klientin Louisa hat ein Foto im Internet gefunden. Darauf ist ein Baby zu sehen, das auf den Armen der Mama eingeschlafen ist. Vertrauensvoll kuschelt es sich an. Für Louisa ist dieses Foto der »Inbegriff von Nestwärme«. »Ich muss es nur anschauen und schon fahre ich runter.«

 In Filmen? Für meine Klientin Maja war der Film »Little Miss Sunshine« die Offenbarung. Die kleine Olive hat sich in den Kopf gesetzt, bei einem Schönheitswettbewerb teilzunehmen, und ihre Eltern unterstützen sie mit all ihrer Kraft, obwohl sie gar nicht sooo hübsch ist. Auch Molly und Arthur Weasley aus den »Harry Potter-Filmen« sind immer herzlich und stehen ihren Kindern liebevoll bei, auch wenn Ron einmal einen Heuler (eine Art sprechender Schimpf-Brief) bekommt.

 Im richtigen Leben? Manchmal empfehle ich meinen Klienten, Eltern im Bus, im Park oder in der Eisdiele zu beobachten. Viele Mütter und Väter machen es richtig gut! Erst neulich konnte ich eine Mutter beobachten, die ihren Dreijährigen auf dem Mäuerchen balancieren ließ. Sie lief neben ihm her, um da zu sein, falls er straucheln würde. Gleichzeitig ermutigte sie ihn: »Super, wie du das machst.« Man muss auf die Eltern achten, die nicht ständig ins Handy starren, die mit ihren Kindern spielen oder sprechen und mit ihnen gut in Kontakt sind.

Andere Klienten gehen von ihren realen Eltern aus und entwickeln diese weiter. Sie geben ihnen einen Crash-Kurs in Kindererziehung, dadurch werden die Eltern in der Vorstellung »nachgebessert«. Das funktioniert, wenn man als Erwachsener die grundsätzlich gute Absicht im Verhalten der Eltern erkennt. »Mein Vater hatte zwei Jobs, um uns über die Runden zu bringen. Neben der Arbeit in der Fabrik ist er noch Taxi gefahren. Kein Wunder, dass er zu Hause nur noch seine Ruhe haben wollte.« Auch wenn man um die traumatische Prägung der eigenen Eltern weiß, kann man sich leichter vorstellen, wie sie sich unter anderen Umständen entwickelt hätten. »Wenn meine Mutter selbst bemuttert worden wäre, hätte sie sicherlich vieles anders gemacht.« Meine Klienten überlegen sich dann: »Wenn meine Mutter / mein Vater nicht so beschränkt gewesen wäre, dann hätte er/sie …

 sich mehr gekümmert

 weniger geschimpft

 mehr gelacht

 sich weniger eingemischt

 mich stärker unterstützt

 …

Gute innere Eltern sind wie ein neues Instrument im Orchester. Der innere Erwachsene als der Teil in uns, der Heilung und Entwicklung nach vorne bringt, will, dass ihre Stimme stärker durchdringt. Der innere Dialog, das innere Konzert, wird auf diese Weise weniger abwertend. Anfänglich ist es eine Kopfentscheidung, diese neue Stimme zu etablieren, und durchaus mühevoll. Aber: Je länger ich einübe, mich zu bemuttern beziehungsweise zu bevatern, desto größer ist die Chance, dass die positive elterliche Stimme in den Bauch rutscht und zu einem selbstverständlichen unterstützenden Anteil meiner Persönlichkeit wird. Dann hat das innere Orchester eine neue Klangfarbe.

Finde die Liebe, die dir als Kind gefehlt hat

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