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Atherton/Kalifornien
September 2001
Оглавление»Mr. Ellison, machen Sie sofort den Fernseher an«, sagte ein Mitglied seines Hauspersonals, das in sein Arbeitszimmer gestürmt kam. Es war noch früh am Morgen des 11. September 2001, und Larry war bereits vor Sonnenaufgang auf den Beinen gewesen. Ein arbeitete in seinem Büro mit Ausblick auf den japanischen Garten seines Anwesens in Atherton. Er schaltete CNN gerade in dem Moment ein, in dem eine Boeing 767 in den Südturm des World Trade Centers in New York krachte. Als Pilot wusste er, dass es sich hier auf keinen Fall um einen Unfall handeln konnte, wie es in einigen Spekulationen angenommen wurde. Ein weiteres Flugzeug war 15 Minuten zuvor in den Nordturm gerast. Binnen Minuten würde ein drittes Flugzeug auf das Pentagon stürzen und ein viertes, ursprünglich auf dem Weg nach San Francisco und als Flug Nummer 93 identifiziert, auf ein Feld in Pennsylvania.
Larry wählte die Nummer von Safra Catz, einer guten Freundin und treuen Wegbegleiterin bei der Oracle Corporation. Catz und Larry hatten sich 1986 kennengelernt, als sie noch bei Donaldson, Lufkin und Jenrette arbeitete, jener Investment-Bank, die den Börsengang seines Unternehmens durchgeführt hatte. Sie wurde 1999 von Oracle eingestellt und diente ihm nun als Assistentin und erledigte so viel Arbeit des CEOs, wie sie nur konnte.
»Wen haben wir im World Trade Center?«, fragte Larry, der immer noch seinen Frotteebademantel trug. Angesichts von mehr als 100 000 Mitarbeitern in aller Welt, war er überzeugt, dass es Verluste gegeben hatte. »Wir brauchen schnellstmöglich die Namen und die Kontakte zu den Familien.«
Nachdem er etwa ein Dutzend E-Mails verschickt hatte, nahm Larry ein schnelles Frühstück – Flunder, Reis, ein weich gekochtes Ei und grünen Tee –, zog sich an und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Es dauerte nicht lange, bis Larry erfuhr, dass Oracle sieben Mitarbeiter in den Türmen verloren hatte. Darunter einen Mann, der in das Gebäude zurückgekehrt war, um anderen zu helfen. Er erfuhr außerdem, dass ein Kundenbetreuer namens Todd Beamer an Bord des todgeweihten Fluges Nummer 93 von Boston nach San Francisco gewesen war. Beamer schien den Kampf gegen die Terroristen in der Kabine angeführt zu haben, der sie vom Erreichen ihres eigentlichen Ziels abgehalten hatte. Larry hatte die Namen und die Telefonnummern der Familien und verbrachte in seinem Oracle-Büro in Redwood Shores im elften Stock viele Stunden mit Kondolenz-Telefonaten.
In den folgenden Tagen blieben die New Yorker Börse, die Amerikanische Börse und die NASDAQ geschlossen. Larry hörte sich die Vorschläge seiner Manager und Angestellten an. Viele waren dafür, Oracle aus Respekt vor den Opfern ebenfalls zu schließen.
»Oracle kann niemals schließen. Wir sind nicht Macy’s, und wir sind nicht die NASDAQ«, sagte Larry in einer Konferenzschaltung, »das Heer und die Marine, das Marinekorps und die CIA sind alle von unseren Systemen abhängig. Jeden Tag. Jeder, der mit dieser Krise zu tun hat – die Polizei, die Feuerwehr, die Krankenhäuser –, arbeitet 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche. Sie erwarten von uns das Gleiche.«
Nach dem Durchstarten mit Software Development Laboratories im Jahre 1977 und dem Gewinn seines ersten großen Kunden, der CIA, hatte Larrys Unternehmen eine Reihe von Regierungsdiensten auf sich aufmerksam gemacht, die alle daran interessiert waren, riesige Datenmengen in kurzer Zeit zu verarbeiten. Zu den ersten Kunden der Oracle Corporation zählten der Geheimdienst der Streitkräfte (Defense Intelligence Agency) und die NSA (National Security Agency). (Der Name des Unternehmens war 1979 von Software Development Laboratories in Relational Software, Inc., und 1982 in Oracle Systems Corporation geändert worden.)
Oracles relationale Datenbank ermöglichte es diesen Diensten, riesige Datenmengen zu durchsuchen und zu filtern, um das eine kleine gesuchte Puzzleteil zu finden.
In seinem Büro zu Hause – mit Samurairüstungen und Kunstobjekten aus dem 16. Jahrhundert erlesen dekoriert – arbeitete Larry mit Catz und anderen daran, einige der ausgebombten Pentagon-Mitarbeiter in verschiedenen Oracle-Gebäuden in der Washingtoner Gegend unterzubringen. Larry verfolgte die Aufdeckung der Attentate, erfuhr, dass es für einen der Terroristen einen noch nicht vollstreckten Haftbefehl in Broward County in Florida gegeben hatte und dass die CIA nach anderen gefahndet hatte, weil sie in Kontakt zu Osama bin Laden gestanden hatten. Ihm fiel auf, dass sie vom Besteigen der Flugzeuge hätten abgehalten werden können, wenn die CIA ihre Ausweise kontrolliert hätte. Während er hörte, dass der in Ägypten geborene Terroristenführer Mohammed Atta in den Vereinigten Staaten eine Pilotenausbildung absolviert hatte, zog er seinen eigenen Pilotenschein aus der Tasche. Er war auf einem mieseren Papier gedruckt als ein gefälschter Teeny-Ausweis.
Larry war klar, was getan werden musste: Den Terroristen das Leben schwerer machen, indem man die unzähligen nationalen Datenbanken in einer einzigen Datenbank zusammenfasste, die eine Liste der Namen von Personen beinhaltete, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellten. Neben dieser einen übergreifenden Datenbank mit einer Überwachungsliste für Terroristen müssten die Dienste des Landes das Fälschen von Ausweisen, Führerscheinen, Pilotenscheinen und Pässen deutlich erschweren. In einem im »Wall Street Journal« veröffentlichten Kommentar forderte Larry die Einrichtung einer zentralen Datenbank – anstatt 50 verschiedener – mit Zugang für alle Dienste und bessere Ausweise. »Wir sollten uns unsere bestehenden Ausweise genau ansehen und sie fälschungssicherer gestalten«, schrieb er, »nachdem wir das getan haben, sollten wir eine zentrale Datenbank einrichten, mit deren Hilfe wir die Spuren von Ausländern verfolgen können, die in dieses Land kommen.« Er sagte, es sei an der Zeit, die Datenbanken der Regierung wie etwa die der Sozialversicherungsbehörde und der Strafverfolgungsbehörden in einer nationalen Zentraldatenbank zusammenzuführen. Diese würde von der Regierung verwaltet und betrieben werden.
Oracle würde die Software dafür bereitstellen. Kostenlos.
Noch nie hatte Larry so viel zu tun gehabt. Zusätzlich zu den Bemühungen um die Stärkung des nationalen Sicherheitssystems stand er auch vor der Herausforderung, Oracle zu sanieren. Wie viele andere Großunternehmen hatte auch Oracle infolge der Terror anschläge einen gewaltigen finanziellen Schlag erlitten. Als die Börsen am 17. September nach ihrer längsten Schließung seit der Weltwirtschaftskrise wieder geöffnet wurden, war der Dow-Jones-Aktienindex um 684 Punkte gesunken – es war der größte Punktverlust seiner Geschichte. Die Oracle-Aktien waren ebenso betroffen wie der gesamte Technologiesektor. Ihr Börsenwert lag nun bei zehn US-Dollar im Vergleich zum Vorjahreswert von 38 Dollar. Oracles Vierteljahresbericht, der vor Wiedereröffnung der Börsen veröffentlicht worden war, las sich kurz und bündig: Im ersten Vierteljahr konnte ein Nettogewinn von 511 Millionen Dollar bei einem Umsatz von 2,2 Milliarden Dollar erzielt werden. Der Gewinn pro Aktie war im Vergleich zu acht Cent im ersten Vierteljahr 2000 auf neun Cent angestiegen.
Das Unternehmens-Statement zu den Gewinnen lautete: »Infolge der Terroristenangriffe gegen die Vereinigten Staaten von Amerika veröffentlicht die Oracle Corporation ihre Q1-Vierteljahresbilanz ohne Kommentar und Einzelheiten. Sieben Oracle-Mitarbeiter werden im World Trade Center vermisst, einer starb auf dem United-Flug Nummer 93. Unsere Herzen und Gedanken sind bei den Familien, die ihre Angehörigen verloren haben. Wir beten dafür, dass noch weitere Überlebende gefunden werden. Wir konzentrieren unsere Anstrengungen und Energie nun darauf, den staatlichen Organen wie der Sozialhilfebehörde, dem Verwaltungsgericht, den Geheimdiensten und dem Militär im Umgang mit diesem nationalen Notfall zu helfen. Unsere Leute, unsere Computer und unsere Einrichtungen erhalten neue Aufgaben und werden die Behörden dabei unterstützen, ihren durch die Angriffe unterbrochenen Betrieb wieder aufzunehmen.«
Larry flog zu Meetings mit den wichtigsten Sicherheitsleuten des Landes nach Washington, traf dort unter anderem den FBI-Chef Robert Mueller, den CIA-Leiter George Tenet und auch die kalifornische Senatorin Dianne Feinstein, stellvertretende Leiterin des Geheimdienstausschusses. Zuerst galt es, die steinalten Computersysteme des FBI zu modernisieren, die im Vergleich zu der modernen Oracle-Technologie der CIA ziemlich blass aussahen. Larry stellte in jedem Gespräch und in jedem Interview immer wieder klar, dass er nicht die Neuerfindung der nationalen Personalausweise forderte. Aber er schlug vor, auch bereits ausgestellten Ausweisen biometrische Daten hinzuzufügen und die bislang getrennten Datenbanksysteme von CIA, FBI, INS und IRS zu einer DatenbankÜberwachungsliste zusammenzuführen.
Nachdem er eines Nachts von einer Reise in die Hauptstadt zurückgekehrt war, griff Larry auf der Suche nach Zerstreuung nach seiner Gitarre. Das Spielen entspannte ihn nicht. Es lenkte ihn ab. Ihm gefiel das Üben und die damit verbundene Herausforderung, besser zu werden. Er hatte in den Anfängen zunächst Folk-Musik gespielt und dabei gedacht, dass die Gitarre sicher die Mädels beeindrucken würde. Doch dann hatte er sich auch mit Bach und Mozart beschäftigt und dabei Mozart als sehr viel schwieriger empfunden. Er las auch wieder mit Heißhunger. Unter den Büchern auf seinem Nachttisch fanden sich Titel wie »Fate is the Hunter: A Pilot’s Memoir« von Ernest K. Gann, »The Jordan Rules« von Sam Smith und William Manchesters mehrere Ausgaben umfassende Biografie von Winston Churchill. Nach dem 11. September dachte Larry öfter darüber nach, wie es gewesen sein musste, im England der frühen 1940er-Jahre gelebt zu haben, in denen der unsichere Ausgang des Zweiten Weltkriegs Beziehungen zwischen Menschen größeres Gewicht verliehen und den Alltag kostbarer erscheinen lassen hatte.
Seine Prioritäten waren klar – der America’s Cup musste vorerst aufs Abstellgleis geschoben werden. Es gab auch weniger Zeit für einige andere neue Spielzeuge, die schon seit geraumer Zeit in Arbeit waren: ein 35-Millionen-US-Dollar-Düsenjet und eine 456 Fuß lange Yacht mit der Länge von eineinhalb Football-Feldern. Die neue Yacht namens RISING SUN würde fünf Decks haben, ein Fitnessstudio, Spa, Sauna, Weinkeller, Privatkino und einen Basketballplatz. In der Zwischenzeit wurde sein neues Anwesen in Woodside entworfen und bebaut, das bis zur Fertigstellung etwa 100 Millionen US-Dollar kosten würde. Obwohl Larry nicht die Absicht hatte, diese Projekte in irgendeiner Weise zurückzufahren, nahm er sich doch vor, weniger Zeit mit Spielereien zu verbringen, die im Licht der jüngsten Ereignisse frivol erschienen. Dinge wie die Familienferien auf den Britischen Jungferninseln, wo er so gern surfte, würden warten müssen.
In den Wochen nach dem 11. September sprach Larry immer wieder auch mit Bill Erkelens. Oracle Racings Trainingslager war nach den Angriffen für zwei Tage geschlossen worden. Das Team bereitete sich auf den Umzug in sein dauerhaftes Quartier in Auckland vor, und Erkelens war frustriert darüber, dass Larry, der seine Steuermann-Ambitionen deutlich gemacht hatte, bislang nur ein einziges Mal ins Trainingslager nach Ventura gekommen war. Die Flugzeit vom Airport San Carlos, wo einige von Larrys Flugzeugen standen, betrug nach Ventura nur eine Stunde. Angesichts dessen fragte Erkelens sich, wie er Larry jemals zum sehr viel weiteren Weg nach Neuseeland bewegen könnte. Als das Syndikat gegründet worden war, sollte Larry die Rolle des CEO übernehmen, Erkelens die des leitenden Geschäftsführers. Zurzeit aber erledigte Erkelens beide Jobs, weil Larry einfach nicht vor Ort war. Es war klar, dass er seine Gedanken woanders hatte. Die Ereignisse des 11. September hatten Larry einen neuen Feind beschert. Einen, der nicht an Regatten teilnahm.
Um immer auf der sicheren Seite zu sein, konnte Larry einfach nicht mit dem Arbeiten aufhören, wenn er sich auch nur im Entferntesten dem Risiko eines Misserfolgs ausgesetzt sah. Wie die meisten Überflieger war er dabei weniger von der Aussicht auf Erfolg als vielmehr von der Angst vor dem Versagen getrieben. Er hatte Oracle nicht aufgebaut, um reicher als Bill Gates zu werden. Stattdessen ging es immer darum, dass Oracle Microsoft besiegte. Er war Teil des Oracle-Teams und wollte, dass sein Team jeden Rivalen schlug.
Zu den Dingen, die Larry nach dem 11. September wichtiger wurden, so sagte er zu Erkelens, zählte eine bestimmte Nummer für seine zweite America’s-Cup-Yacht. Die erste war ihnen mit »USA-71« bereits zugeteilt worden.
»Wir müssen sicherstellen, dass wir die 76 für das zweite Boot bekommen«, sagte Larry, »ich will, dass es die USA-76 wird.« Bootsnummern werden üblicherweise in numerischer Reihenfolge vergeben, doch es war einem Team möglich, sich in Zusammenarbeit mit dem Vermesser um eine bevorzugte Nummer zu bemühen.
Larry sagte auch, dass er die amerikanische Flagge auf sämtliche Crew-Bekleidung aufbringen wolle.
»Dürfen wir das denn?«, fragte Erkelens.
»Natürlich können wir das machen«, antwortete Larry, »Wenn Ralph Lauren seine Initialen mitten auf die Flagge setzen und die Flagge auf seine Teddybären aufbringen kann, dann können wir sicher ein Sportteam, das für die Vereinigten Staaten segelt, mit der Flagge antreten lassen.«
Dieses Gespräch war einer der seltenen Momente, in denen Erkelens in der Folge des 11. September Larrys volle Aufmerksamkeit hatte. Also wechselte er das Thema und berichtete von einigen Ergebnissen des Teams im Rahmen der Match Races vor der Küste Venturas. Im Einsatz waren die beiden AmericaOne-Boote mit den Segelnummern 49 und 61. Erkelens hatte verschiedene Kombinationen von Booten, Ausrüstung und Seglern ausprobiert und sich die Rennen oft vom Schiedsrichterboot aus angesehen. Erkelens berichtete Larry, dass das erste Rennen von einer gebrochenen Segellatte und einem Riss im Großsegel ausgebremst worden war. Im zweiten Rennen war Cayard als Steuermann an Bord von Boot Nummer 61 im Einsatz, Holmberg als Taktiker. Cutler steuerte die 49 mit Dickson als Taktiker. Cayard und Holmberg gewannen souverän. Im dritten Rennen stand Cayard am Steuer der 61, und Cutler war sein Taktiker, während Dickson die 49 steuerte und Holmberg die Taktik ansagte. Cayard und Cutler übernahmen die Führung früh und schlossen das Rennen mit einem eindeutigen Sieg ab. In einer weiteren Serie von Round-Robin-Runden, in denen der beste Steuermann ermittelt werden sollte, verbuchte Holmberg zehn Siege bei zwei Nieder lagen. Cayard hatte sechs Siege und sechs Niederlagen. Dickson hatte wie Cutler vier Siege und acht Niederlagen.
Erkelens nutzte die Statistik, um seine Zweifel in Bezug auf Dickson anzuschneiden. »Mir ist klar, dass du als Steuermann auf SAYONARA mit Dickson als Taktiker sehr viele Erfolge hattest«, sagte Erkelens, »er ist ein Perfektionist und könnte der beste Segler der Welt sein.« Das Problem sei aber, so Erkelens, dass Dickson andere Menschen nicht dazu motivieren könne, mit ihm zu arbeiten. An jedem beliebigen Tag würde Dickson seine eigenen Crew-Kameraden aus heiterem Himmel anschreien, die man daraufhin davon zurückhalten musste, auf ihn loszugehen. Er war der John McEnroe der Segelwelt, Talent und Störfaktor in Personalunion.
»Großartig«, sagte Larry, »ich habe als Teamchefs also Cayard, der ein Arschloch ist, und Chris, der verrückt ist. Ein Arschloch und einen Verrückten. Perfekt.«
»Ja, aber du hast auch eine ganze Menge guter Jungs«, sagte Erkelens.
»Schau mal«, sagte Larry, »Ich bin ja nicht da. Ich kann die Situation nicht einschätzen. Ich weiß nicht, wer aus deiner Sicht den Platz von Chris einnehmen könnte. Mach, was du für richtig hältst.«
Eine Bedingung jedoch hatte Larry: Zuerst müsse Cayard das Boot verlassen. Nachdem er mit ihm einige der ersten Rennen mit SAYONARA absolviert hatte, hatte Larry beschlossen, nie wieder mit Cayard zu segeln. Er war einer der besten amerikanischen Segler mit viel America’s-Cup-Erfahrung und solider Erfolgsbilanz, doch Larrys Erinnerungen waren aus den falschen Gründen sehr lebendig. Während SAYONARAS erstem Rennen, damals eine Sieg- und Rekordfahrt in einem Küstenrennen von San Francisco nach Catalina Island, war Cayard an Deck und erzählte der Crew Geschichten, während Larry steuerte. Eine ganz bestimmte Geschichte handelte von Cayard, der von einem Industriekapitän dafür bezahlt wurde, dessen Regattayacht zu steuern, und der gleichzeitig mit beiden Töchtern des Mannes schlief. Larry hat selbst eine Tochter. Er hörte die Geschichte und folgerte daraus, dass Cayard ein kolossaler Schwachkopf sei. Später beobachtete Larry im Transpac Race von Los Angeles nach Hawaii, wie Cayard viel zu viel Zeit auf die Suche nach Flügen ab Hawaii verschwendete, anstatt sich auf den Sieg im laufenden Rennen zu konzentrieren. Anstatt den kürzesten Kurs von Los Angeles über den Großkreis nach Hawaii zu nehmen, riskierte SAYONARA einen Schlag nach Süden. Cayard hatte erwartet, dort mit mehr Wind belohnt zu werden. Stattdessen aber hatten sie viele Extrameilen absolviert, um sich schließlich in noch flaueren Winden wiederzufinden. Die Zockerei kostete SAYONARA das Rennen. Sie wurden Zweite. Larry nahm die Niederlage übel. Und fand, dass Cayard das Verlieren zu leicht nahm.
Erkelens wusste, dass viele Segler, insbesondere jene, die sich loyal mit dem St. Francis Yacht Club verbunden sahen, spekuliert hatten, dass Larry niemals wirklich Cayard als Steuermann eingeplant, sondern ihm lediglich goldene Handschellen angelegt hatte, damit er nicht für andere Teams segeln konnte.
Larry fand diese Gerüchte lächerlich. Er sagte Erkelens, dass er nie beabsichtigt habe, Cayard aus dem Wettbewerb zu nehmen. »Ich wäre glücklich gewesen, wenn Paul bei einem anderen Team unterschrieben hätte«, sagte Larry, »unglücklicherweise aber erlauben es die Cup-Regeln nun einmal nicht, dass Leute die Teams während einer laufenden Kampagne wechseln. Es ist nicht wie im Baseball: Mit dir kann nicht gehandelt werden.«
Larry sagte Erkelens, dass Cayard auch weiterhin sein volles Gehalt bekommen, aber auf einen Posten an Land zurückgestuft werden würde. »Du musst ein Meeting mit Cayard anberaumen und ihm mitteilen, dass er weiter voll bezahlt wird, aber nicht mehr an Bord ist.«
Mitte Oktober traf sich Erkelens widerstrebend auf einen Kaffee mit Cayard, während das Team die letzten Reisevorbereitungen für den Umzug nach Neuseeland traf. Er hatte versucht, Larry zu überreden, Cayard an Bord zu behalten. Während er seinen Kaffeebecher in der Hand hielt, unterrichtete Erkelens Cayard von Larrys Entscheidung. Er konnte sehen, dass Cayard die Hintergründe der Entscheidung nicht verstand. Selbst mit einem beträchtlichen Ego ausgestattet, weigerte sich Cayard einzusehen, dass er in der früheren Zusammenarbeit mit Larry Fehler gemacht hatte. Fehler, die Larry nicht bereit war zu vergessen.
Anschließend traf sich Erkelens mit Dickson, um diesen davon zu unterrichten, dass sich sein Aufgabengebiet reduzieren würde. Erkelens hatte ihn aufgrund seines launischen Verhaltens an Land verwarnt. Er erklärte Dickson, dass Larry entschieden hätte, Cayard nicht mit nach Neuseeland zu nehmen, und dass John Cutler Cayards Platz als Segeldirektor einnehmen würde. Erkelens warnte Dickson auch, dass er seinen Job verlieren würde, wenn er weiter diese Anfälle bekäme. Im weiteren Gesprächsverlauf erläuterte Erkelens Dickson sein neues Arbeitsfeld. Er würde auch künftig Mitglied des Segelteams und der Afterguard sein. Er würde während der Test- und Trainingsrennen einer der beiden Hauptsteuerleute des Teams und dabei direkt John Cutler unterstellt sein. Er würde die Autorität über sein Boot haben, während er steuerte, doch Cutler würde das tägliche Segelprogramm des Teams mit allen Vollmachten und Autorität auch über ihn, Dickson, haben.
Energisch fügte Erkelens hinzu: »Du wirst seinen Anweisungen auf dem Wasser und an Land folgen.«
Dickson hatte schon eine Weile mit dem gerechnet, was Erkelens nun für ihn bereithielt. Aber er würde sich in seinen Bemühungen um den Sieg im internen Kampf um die Position des Steuermanns nicht austricksen lassen. Er hatte seine Strategie zur Verteidigung seiner Top-Position längst im Kopf.