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10. Heute Nacht war es sehr heiß

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Heute Nacht war es sehr heiß. Ich hielt es im Apartment nicht mehr aus und wollte an den East River.

Ich ging Richtung Park. Die Straßen waren feucht und warm; sie waren belebt wie immer in New York. Es war so gegen Mitternacht. Als ich den Park betrat, zögerte ich einen Moment und überlegte, ob ich ihn um diese Zeit durchqueren sollte, um ans Ufer des East River zu gelangen. Die wenigen Laternen brannten. Jemand sprach mich an, ein Mann in meinem Alter.

„Sie müssen keine Angst haben. Hier ist Polizei, die die Gracie Mansion, die offizielle Residenz des Bürgermeisters von New York, bewacht. Wenn Sie wollen ... kommen Sie, ich begleite sie ans Ufer. Ich will auch dorthin.“

Ohne zu zögern war ich einverstanden. Oh, war das angenehm, diese leichte Brise vom Atlantik zu spüren. Es waren nur 100 Meter durch den dunklen, etwas spärlich beleuchteten Park bis zum Wasser. Auf der Promenade begegneten wir vielen Leuten. Liebespaare saßen auf den Bänken. Es war wunderschön.

Mein Begleiter stellte sich vor: „Ich bin Kevin, geboren in Marokko, aufgewachsen in Frankreich, seit 20 Jahren in New York, Geschäftsführer eines Restaurants, geschieden.“

Typisch New York. Wir verstanden uns gleich und drehten eine gemeinsame Runde. Er kam von der Arbeit und konnte nicht gleich schlafen gehen. Er macht regelmäßig nach der Arbeit noch seine Spaziergänge. Er wohnte in der 90th Street. Er fragte, ob ich Lust auf ein Bier oder Wein hätte.

„Ja, warum nicht“, antwortete ich.

Wir entschieden uns dann, bei ihm vorbeizugehen und eine Flasche Wein und Gläser zu holen. Ich wartete vor der Haustür. Dann gingen wir wieder die 200 Meter zum Wasser, setzten uns auf eine Bank und tranken Wein. Er rauchte Haschisch und wir quatschten bis vier Uhr morgens. Wir stellten uns vor, unser Gespräch würde vom FBI abgehört werden. Der Blick aufs Wasser war so beruhigend.

Kevin begleitete mich nach Hause. Vor der Tür fragte er mich, was ich am heutigen Sonnabend machen würde. Ich antwortete: „Nichts Besonderes.“ Er unterbreitete den Vorschlag, gemeinsam zum Brighton Beach zu fahren. Ich stimmte zu. Gegen elf wollte er mich abholen. Wir tauschten unsere Telefonnummern aus.

Ich war pünktlich um elf unten vor der Tür und wartete. Enttäuscht ging ich nach einer halben Stunde wieder nach oben. Kurz darauf klingelte es. Ich also wieder runter. Da stand er in seinen Shorts mit einem Rucksack voller Picknick. Auf dem Weg zur Metro kaufte er uns einen Kaffee und einen Muffin.

Wir hatten gute Laune. Er gab mir wertvolle Tipps, denn er lebte in diesem Kiez schon mehr als zehn Jahre. Wir nahmen den Train 4, stiegen um in den Q, das ist der Express, und waren in einer knappen Stunde da. Metro-Züge in New York werden nach Buchstaben oder Nummern benannt, es gibt Lokal- und Express-Züge. Kevin zeigte mir gute Läden, wo man frische Ware bekommt. So kauften wir beim Juden gebratenes Huhn, beim Araber holten wir Bier und Brot. Wir wanderten zum Strand.

Klein Odessa wird der Brighton Beach im Volksmund genannt, da er ganz in Russenhand ist. Ich kannte den Strand schon von meinem früheren Aufenthalt, damals wohnte ich 30 Minuten Fußweg entfernt. Der Strand war noch nicht zu voll. Menschen aus aller Welt traf man an diesem Strand, viele Farbige, Südamerikaner, laute Musik, hübsche Girls, Bierverkäufer. Die Bierverkäufer traf man nur am Brighton Beach. Normalerweise war es ja verboten, alkoholische Getränke in der Öffentlichkeit zu trinken, aber in Klein Odessa? Hier war alles erlaubt, der Strand war ja in Russenhand.

Wir breiteten unsere Handtücher aus und machten es uns bequem. Wir hatten einen wunderschönen Nachmittag. Kevin hatte sein Radio mit. Er liebte Jazz. Ich hörte ihm gespannt zu. Er hatte so viel Interessantes über New York zu erzählen. Er kannte die Barszene von New York sehr gut, hat in Diskotheken gearbeitet.


Spätabends fuhren wir heim.

Ich sagte zu ihm: „Komm mit hoch, sieh dir mein Apartment an.“

Er lehnte nicht ab. Wir tranken Wein.

Er war erstaunt über mein primitives Schloss und sagte entschieden: „Ich besorge dir ein Schloss. Du musst in New York ein Sicherheitsschloss haben.“

„Warum denn? Ich habe keine Angst.“

Ich war ziemlich furchtlos nach fünf Jahren Aufenthalt in New York. Kein Sicherheitsschloss, nur ein ganz normales, leicht aufzubrechendes Schloss.

Ein paar Tage später kam er vorbei und baute mir ein Sicherheitsschloss ein. Es war ziemlich kompliziert. Er rannte ein paarmal nach Hause oder sonst wohin, um Spezialwerkzeug zu holen. Er wollte partout kein Geld für das Einbauen annehmen. Ich ließ nicht locker und bezahlte wenigstens das Schloss.

Ich war ziemlich beeindruckt von ihm.

Im Bett mit New York

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