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4. Brief an meine Freundin

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Liebe Roswitha,


es ist unglaublich. Nachdem ich dir heute früh die E-Mail geschickt hatte, ist es inzwischen schon wieder kurz vor 13 Uhr.

Aber ich war fleißig, habe am PC an meiner Biografie für eine Bewerbung gearbeitet und im Internet gesurft. Just for fun. Ich bewerbe mich mal bei diversen Firmen, um zu sehen, welche Chancen ich noch habe. Das habe ich ab und zu auch als Vollbeschäftigte in Deutschland gemacht.

Der zweite Kaffee ist in der Maschine, dazu gibt es Cookies (immer schön süße Sachen essen, damit ich für meinen Lover an den richtigen Stellen zunehme.

Mein Dallmayr Prodomo ist leider schon ausgetrunken. Jetzt teste ich Kaffees, die ich hier kaufen kann, probiere heute einen italienischen. Na ja, der Geschmack ist nicht so der meine.

Mein Rücken schmerzt vom Sitzen auf dem Melkschemel. Hier ist natürlich alles nach seinem Geschmack eingerichtet. Ich vermisse meinen ergonomischen Bürostuhl. Gestern war ich nicht gut drauf, hatte Bauchschmerzen und lag den ganzen Tag im Bett, davon eine Stunde in der Badewanne. Als er von der Arbeit kam, sah er meinem Gesicht sofort an, dass etwas mit mir nicht stimmte. Ich erzählte ihm, wie ich mir das Interieur meines nächsten Apartments vorstellte — ohne jeglichen Schnickschnack, kühl, kein Bild an der Wand, nackt. Er fragte, wo er bleibe. Ich antwortete: “Du bekommst deinen eigenen Raum, den du dir nach deinem Geschmack gestalten kannst.“


Jetzt bin ich schon fünf Wochen hier, langsam muss ich mal meinen A... bewegen. Ich gehe morgen zu einer Career Fair ins World Trade Center, muss ja auch mal raus. Ich habe aber keine Lust und verschiebe es immer wieder.

Wenn es nach meinem Lover ginge, würde er mich sofort heiraten. Es wäre der einfachere Weg ein Dauervisum für die USA zu erhalten, meint er. Er weiß nur nicht, dass ich kein Dauervisum haben möchte.

Es ist immer aufregend für mich, durch Manhattan zu spazieren. Ich besuchte Freunde am Union Square und in der Madison Avenue. Ich hatte meine bis dato teuersten Pumps an. Sie kosteten 560 Mark. Ich schenkte sie mir zu meinem fünfzigsten Geburtstag — einen Slingpumps aus Schlangenleder mit roten Riemchen und roten High Heels von einer namhaften italienischen Firma. Ich erinnere mich genau, wie ich nur mit Handgepäck, meinem Trolley, den ich mit zum Büro nahm, nach Büroschluss zum Flughafen fuhr und nach New York flog. Was haben die Leute auf meine Pumps geguckt! Unglaublich, vor allem die Verkäuferinnen in den Läden wie Gucci, Armani etc. quatschten mich an und haben mindestens zehnmal gesagt: Haben Sie tolle Schuhe an! Ich bin stolziert wie ein Hahn. Nach vier Stunden durch die Geschäfte laufen hatte ich ungemeine Fußschmerzen. Ich wollte mir schon ein Taxi nehmen, aber der Geiz siegte. Ich wollte mein weniges Geld zusammenhalten.

Als ich in der Madison Avenue spazierte, wünschte ich mir für eine Sekunde dort zu wohnen. Aber was nützt das ganze Geld? Ich ziehe der Geldbeziehung eine emotionale Liebesbeziehung zurzeit wenigstens noch vor. Ich brauche meinen Sex. Das Geld ist momentan immer knapp, aber wir haben so vieles, was uns anzieht und die Beziehung so aufregend macht.


Am Montag war hier Columbus Day. Ich bin um neun Uhr aus dem Bett gesprungen. Na, er auch gleich. Er ist zwar New Yorker, aber ich zeige ihm New York. Als Kind war er das letzte Mal bei dieser Parade. Wir sind zur 5th Avenue und haben uns die Parade angesehen. Es war ein herrlich sonniger Tag mit vielen neuen Eindrücken. Wir haben den Bürgermeister Giuliani, Hillary Clinton und viele andere Persönlichkeiten gesehen.

Anschließend sind wir durch den Central Park gegangen. Rate mal, wen wir dort trafen? Yoko Ono mit weiblicher Begleitung. „Guck mal, da ist Yoko Ono“, sagte ich plötzlich zu ihm. Ich machte ein Foto von ihr. Wir waren beide in Schwarz gekleidet, ein schönes Paar. Er ist als New Yorker nicht oft außerhalb seines Distriktes unterwegs gewesen. Er freut sich so sehr über alles, was wir gemeinsam machen.

Den Tag vorher waren wir am Time Square. Wir wollten uns einen Actionfilm ansehen. Da wir noch 50 Minuten Zeit hatten, schlug ich vor, in ein Restaurant zu gehen. Als wir uns dann über unsere Steaks hermachten, sagte ich: „Ich will keinen Stress, ich will mein Essen genießen. Wir können ja zur nächsten Vorstellung gehen oder uns lieber CDs kaufen.“

Na, wir haben das Essen und die halben Liter Colt45 sehr genossen, sind dann die neueste Enigma-CD kaufen gegangen und ab nach Hause.

Dort gab es Enigma und Liebe ... Liebe.

Im Bett mit New York

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