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Martinez und Curry brachten uns natürlich zur Hall of Justice2, das heißt, wir durften in unserm Leihwagen fahren und waren noch eine Weile unter vier Augen. Hob nutzte prompt die Gelegenheit, sich darüber zu mokieren, mit welchen Mitteln ich Martinez ausgetrickst hatte.

Ich hatte noch ein Erfolgserlebnis gehabt. Als ich auf dem Gipfel ankam, fragte Martinez wieder: »Wer soll da entkommen sein, Miss Schwartz?«

Mit der Antwort »Miranda Warning« war das Überraschungsmoment auf meiner Seite, und alle lachten: über ihn, nicht über mich.

Er zahlte es mir in der Hall wieder heim und ließ mich stundenlang warten. Reverend Ovid Robinson und Rob befragte er zuerst. (Miranda war natürlich entwischt.)

Der Mann am Kreuz war eindeutig tot. Er hatte keinerlei Papiere bei sich und wies mehrere Schußwunden im Brustbereich auf, die ihm zugefügt worden waren, bevor man ihn ans Kreuz nagelte. So sah es Martinez; ein lebendes Wesen hätte wohl kaum für eine Kreuzigung stillgehalten.

Als Martinez uns endlich gehen ließ, kamen die Gottesdienstbesucher schon wieder aus den Kirchen. Ich hätte auf dem Nachhauseweg lieber geschlafen, aber Rob wollte unbedingt quatschen. Was ich von Miranda Warning dächte?

Ich raffte meine armseligen Verstandeskräfte zusammen. »Ihrer Kleidung nach zu urteilen, lebt sie wahrscheinlich im Rotlichtbezirk, in Tenderloin. Sie war angetrunken und sprach undeutlich, aber nicht immer, was heißt, daß sie ihre Sprache noch kontrollieren konnte, wenn sie daran dachte. Was wiederum dafür spricht, daß sie ziemlich viel Übung darin hat. Ihr ausgemergelter Körper und ihre schlampige Kleidung lassen vermuten, daß sie Alkoholikerin ist und ziemlich heruntergekommen. Ich würde sie in den Hausfluren von Tenderloin suchen.«

»Die klassische Bag Lady?«

Ich überlegte. »Kurz davor. Sie kampiert noch nicht im Hausflur. Vielleicht in einer Absteige. Aber etwas ist komisch – der tote Mann sah eher proper aus.«

»Und sie sagte, er sei ihr Liebhaber.«

»Sie sagte das nicht ausdrücklich, meinte es aber sicher. Vielleicht war er ihr Freier.«

»Aber ihrer Kleidung nach ist sie keine Nutte.«

»Nein, und was sie von ihm erzählte, klang nicht nach Freier. Also streich das durch und mich auch. Ich bin tot.« Ich gähnte. Rob hielt vor meinem Haus.

»Ich stell’ den Wecker auf Dienstag«, sagte ich. »Ruf mich dann an.«

Ich betrat meine Wohnung, fütterte die Fische und dankte im stillen dem Gott meines Volkes, den ich in Notfällen beschwor, daß Mom und Dad in Israel waren. Sonst würde Mom in der Sekunde anrufen, in der sie im Radio von dem Mord erfuhr.

Dafür klingelte es drei Stunden später, ungefähr anderthalb Tage bevor ich mich fit genug fühlte, um ranzugehen. Ich hob ab und hörte das Freizeichen. Also die Türglocke, und die klingelt überhaupt nicht wie das Telefon. Ich mußte im Koma gelegen haben. Ich stolperte zur Sprechanlage: »Lassen Sie sich was verdammt Überzeugendes einfallen.«

»Ich heiße Michael Anthony und habe hier einen Scheck für Sie über eine Million Dollar.«

Ich seufzte und drückte auf den Summer. Natürlich Rob. »Ich habe gelogen«, sagte er beim Reinkommen. »Eigentlich vertrete ich die William Morris Agentur. Ich bin auf einer landesweiten Talentsuche und ...«

»Sagen Sie nichts. Sie drehen ein Remake von Vom Winde verweht und wollen mich als Scarlett O’Hara.«

»Genauer gesagt für In den Wind geschrieben. Wir dachten, jetzt, mit der Frauenbewegung und so, da wollten wir Clarence Darrow von einer Frau spielen lassen. Ein Kollege hat Sie vor Gericht bewundert.«

»Oh! Und was hat er gesehen? Mein Eröffnungs- oder mein Schlußplädoyer?«

»Davon hat er nichts gesagt.«

»Was hat er denn gesagt?«

»Sie hätten tolle Titten.«

»Verdammt. Ich bin müde.« Ich ließ mich aufs Sofa fallen in der Hoffnung, daß Rob sich dazugesellen würde. Aber er ging in die Küche und setzte Kaffeewasser auf. »Ich brauche deine Hilfe.«

»Hm.« Meine Augen fielen zu.

»Die Bullen haben am Rande des Parks eine Brieftasche gefunden. Sie gehört dem Mann am Kreuz. Laut Führerschein heißt er Jack Sanchez, ein Tourist aus Gallup, New Mexico.«

»Ein Tourist! Er lebte gar nicht hier?« Ich machte die Augen wieder auf.

»Tourist: eine Person, die auf Touren geht. Keine Person, die hier lebt.«

»Miranda hörte sich so an, als ob sie mit ihm zusammenlebt.«

»Vielleicht ist sie auch Touristin. Sanchez ist seit vorgestern hier.«

»Das ist sie bestimmt nicht. Sie muß gelogen haben.«

»Wir sollten ihre Geschichte überprüfen. Trink deinen Kaffee.«

Ergeben setzte ich mich auf und nahm einen Schluck. »Du meinst also, wir sollten sie überprüfen. Du bist doch seit zehn Jahren Reporter?«

»Seit elf.«

»Und plötzlich brauchst du meine Hilfe. Welches meiner Talente ist denn auf einmal so gefragt?«

»Wie ich schon sagte, du hast tolle Titten.«

»Titten.« Das war rätselhaft. »Brauchst du die als Augenweide beim Tippen? Als zarte Inspiration?«

»Ich brauche weibliche Begleitung für den Gelben Papagei.«

Ich lachte lauthals. »Warte, bis ich das Chris erzähle. Unerschrockener Reporter traut sich ohne Dame nicht in Schwulenbar. Nein, ich sag’s lieber deinem Boß.«

»Ich dachte, du kämst gerne mit.«

Er wirkte so gekränkt, daß ich schon wieder lachen mußte. »Okay, Pussycat, ich zieh’ mich an.«

Er folgte mir ins Schlafzimmer. Durch seine Schmeicheleien angetörnt, zog ich das T-Shirt über den Kopf und gab Rob einen Kuß. Aber er guckte nur auf die Uhr: »Los, Kleines. Es ist bald Redaktionsschluß.«

Ich hätte es wissen müssen. Ein Reporter auf der Jagd nach einer Story ist wie ein Teenager beim Rendezvous: nur hinter dem EINEN her; was aber etwas anderes ist. Soviel zu meinen angeblichen Vorzügen. Manche Kerle sagen eben alles mögliche, nur um ihr Ziel zu erreichen.

Als ich mich anzog, schnupperte er an meinem Nacken. »Ich hätte dich nicht aufwecken sollen.«

»Ist schon gut.«

»Du hast dir meinetwegen die ganze Nacht um die Ohren geschlagen.«

»Ist schon in Ordnung.«

»Dir wären eine Prügelei, eine Leiche und ein Morgen mit deinem bestgehaßten Bullen erspart geblieben!«

»Ehrlich – was ich über Mickey erfahren habe, war viel schlimmer.«

»Du brauchst Entspannung, Rebecca. Wie wär’s mit einem Schlammbad?«

»Wie bitte?«

»Wir nehmen ein Schlammbad in Calistoga. Oder ein Mineralbad und eine Massage.«

»Das kapiere ich nicht. Ich dachte, du wärst total in Zeitdruck?«

»Nicht jetzt. Nächsten Samstag. Wir könnten den ganzen Tag dort zubringen und den Rückweg mit ein paar Weinproben anreichern.«

»Wirklich?« Das war die beste Idee seit der Erfindung des Haarföns. Die doppelte Reinigung: Poren und Psyche.

»Wirklich! Samstag früh fahren wir los.«

Ich gab ihm noch einen Kuß und streifte schwarze Lederhosen und einen purpurroten Pullover über – wenn der Gelbe Papagei eine Lederbar war, wollte ich passend angezogen sein.

Es war aber keine Lederbar, sondern nur ein finsteres Loch, in dem ein paar Typen Bier tranken. Der Barkeeper hatte eine Punkfrisur – kurze braune Haare mit einer langen Locke im Nacken. Ein Einundzwanzigjähriger hätte damit süß ausgesehen, aber er war um die Vierzig. »Seid ihr Touristen? Dann muß ich euch was sagen. Diese Kneipe hier ...« Er sah aus, als wollte er es uns schonend beibringen.

»Wir sind vom ›Chronicle‹«, sagte Rob und erklärte, was wir wollten. Ich hatte keine Ahnung, wie ein Reporter so was macht – ob er sich für jemand anderen ausgeben würde oder was sonst. So gut ich Rob auch kannte – ich hatte ihn nie gefragt, wie er eigentlich arbeitete. Aber er sagte schlicht und einfach, worum es ging. Daß ein Tourist ermordet und auf dem Mount Davidson ans Kreuz genagelt worden war und daß dieser Tourist einer Zeugenaussage zufolge am Abend vorher den Gelben Papagei besucht hatte.

Der Barkeeper reagierte wie ein Haufen Kinder vor einer Fernsehkamera: er riß sich drum dabeizusein. Und wir hatten Glück – der Barkeeper (Jake Nestor – »mit o, nicht mit e«) hatte auch am Abend zuvor Dienst gehabt.

»Er trug ein grünes Cowboyhemd«, sagte Rob.

»Schon älter? Graue Haare?«

Rob nickte.

»Yeah, ganz sicher. Den habe ich gesehen. Er war ein paar Stunden hier. Ein Amaretto Spezi.«

»Wie bitte?«

»Das hat er getrunken. Amaretto Cream.«

»Oh. Haben Sie gemerkt –«

»Mann, sah der aus. Hundert Prozent Gallup, New Mexico.«

»Er hat also gesagt, woher er kam?«

»Ja. Er sei Rancher. Gibt es in Gallup Ranches?«

Rob zuckte die Achseln. »Weiß ich nicht. Hat er –«

»Er sagte, ihm gehöre halb New Mexico. Aber sein Satinhemd war von J. C. Penney’s, vom Wühltisch wahrscheinlich. Synthetic City, Sie verstehen?«

Rob lachte. »Rhinestone Cowboy?«

»Er hatte nicht mal Stiefel an. Nur Adidas.«

Rob wurde wieder ernst. »Jetzt liegt er jedenfalls nackt auf dem Seziertisch.«

Jake zuckte ernüchtert zusammen. »Tot. Sie glauben doch nicht, daß ...?«

»Doch. Seinen Mörder traf er hier.«

»Sweet Jesus«, sagte Jake.

»Hat er jemand abgeschleppt?«

»Herrjemine. Da war dieser andere Cowboytyp ...«

»Kennen Sie ihn?«

»Nein. Er war irgendwie seltsam, fast unheimlich. Klar war er seltsam – Terry mochte ihn.«

»Terry?«

»Terry Yannarelli. Wohnt gleich um die Ecke. Sie können ja mit ihm reden.«

»Er gefiel Terry und ging nicht mit ihm weg?«

»Nein, und das ist verrückt. Es gibt Kerle, die würden einen Mord begehen, nur um mit Terry ins Bett zu gehen. Ich stehe nicht auf solche superadretten Typen, aber Terry wirkt wie Mr. Musterschüler persönlich – ich spendiere ihm Freidrinks, nur damit er lange hierbleibt.«

»Ein echtes As?«

»Die Ballkönigin.«

»Aber Rhinestones Freund hatte nichts für ihn übrig.«

»Langsam fällt mir alles wieder ein«, sagte Jake. »Terry spendierte ihm einen Drink. Er kam rüber, blieb aber nur fünf Minuten. Das habe ich noch nie erlebt.«

»Vielleicht mochte der Typ keine superadretten Jungs. Wie sah er aus?«

Jakes Bück ging in die Ferne, als versuchte er sich zu erinnern. Rob half nach: »Gutaussehend?«

»Das kann ich nicht sagen. Er trug eine dunkle Sonnenbrille und einen Cowboyhut, in die Stirn gezogen.«

»Sonst noch was?«

»Einen Bart. Viel kann ich wirklich nicht sagen. Ein mysteriöser Typ. Jesus – das muß der Mörder gewesen sein.«

Rob nickte.

»Wenn ich’s recht überlege, war er auch komisch angezogen. Der Hut und die Jeans waren okay. Aber sein Hemd. Zu bieder.«

»Synthetic City?«

»Keine Ahnung. Einfach zu bieder. Jessas. Ein Mörder. Und wissen Sie was?« sagte Jake. »Niemand sonst hatte Interesse an diesem armen Idioten.«

»An dem Mörder?«

»Nein. An Rhinestone. Der konnte keine Fliege verführen. Und da war noch was faul.«

»Mit Rhinestone?« Rob klang konfus.

»Nein, mit dem Mörder.«

»Was denn?«

»Sein Bart war nicht echt.«

Ich konnte mir gerade noch ein »Synthetic City?« verkneifen. Mittlerweile hatte sich eine aufgeregt murmelnde Volksmenge um uns versammelt. Die Stammkunden hatten mitgekriegt, daß letzte Nacht in ihrer Bar ein Mann einen anderen Mann abgeschleppt und ermordet hatte. Ihnen dämmerte, daß das jedem hätte passieren können und daß so was schon mal passiert war und wieder passieren konnte. Die schwule Version von Jack The Ripper.

Rob holte sich Terrys Adresse und nickte den Leuten zu, als wir gingen. »Die Angst geht um«, sagte er.

»Wie?«

»So heißt mein nächster Artikel. ›Die Angst geht um – Ein Irrer auf freiem Fuß‹.«

»So genau wissen wir das doch nicht. Der Killer hatte es offenbar direkt auf Rhinestone, ich meine auf Sanchez, abgesehen. Er muß ihn gekannt haben.«

»Gut, aber trotzdem wird das eine prima Artikelserie.«

Ich biß mir auf die Zunge, um nur keinen Streit anzufangen.

Falls Terry Yannarelli wirklich Italiener war, hatte er sich entweder die Nase richten lassen oder seine Mutter hieß MacGillicuddy. Ein gutaussehender Rotschopf ohne Sommersprossen, mit goldbrauner Haut, die auf häufige Solariumbesuche schließen ließ. Mir war klar, was die Typen in ihm sahen. Er trug nur ein Handtuch um die Hüften, als er uns die Tür öffnete. Seine Muskeln waren wunderbar entwickelt, sicher das Ergebnis von intensivem Training. Er war begierig, alles zu erzählen.

»Ich wußte, mit dem Kerl stimmt was nicht. Ich habe es Jake gesagt – hat er es Ihnen erzählt? Ich wußte es. Er sagte, der Typ ist eine taube Nuß.«

»Aber Sie haben sich mit ihm unterhalten?«

»Verflixt, nein. Ich habe es versucht, aber er wollte nicht. War eindeutig nicht interessiert. Er fragte mich, woher ich komme, und das war’s dann auch schon. Ich sagte: ›Ich wohne gleich um die Ecke‹, und blinzelte ihn mächtig an. Das wirkt sonst todsicher. Jake denkt, die Kerle mögen mich, weil ich so niedlich bin, aber sie mögen mich, weil ich so nah wohne. Die heimlichen Schwulen mögen das besonders.«

»Die heimlichen?«

»Na, Sie wissen doch. Die mit Frau und Kindern zu Hause – die einmal im Monat in die Castro Street kommen. Die verschwinden gern mal auf einen Quickie. Und genau die sind meine Schwäche.«

»Quickies?«

»Nein, die heimlichen. Ich erkenne sie sofort.«

»Und dieser Typ war so einer?«

»Darauf können Sie Gift nehmen. Er hat den Alten umgelegt, nicht? Das sind die, die durchdrehen. Sie hassen sich selbst, weil sie schwul sind, also verprügeln sie gerne Schwule.«

»Sind Sie auch schon verprügelt worden?«

»Gelegentlich. Ich bin nicht gerade scharf drauf. Aber mich reizt die Gefahr.«

Ich machte den Mund auf: »Sie hätten ermordet werden können. Macht Ihnen das nicht Angst?«

Er zuckte die Achseln. »Ich kann auf mich aufpassen. Das war wahrscheinlich auch der Grund. Der Typ merkte, daß er mich nicht schafft. Ich wußte, mit ihm stimmte was nicht.«

»Noch eine Frage«, sagte Rob. »Hat er Ihnen seinen Namen verraten?«

»Jetzt, wo Sie’s sagen, fällt’s mir wieder ein. Ja, hat er. Verflixt, wie war der noch?«

Wir hielten den Atem an.

»Lee vielleicht«, sagte er schließlich.

»Sind Sie sicher?«

»Nein, aber irgendwas in der Art.«

»Nachname?«

»Hat er nicht gesagt. Sagen Sie mal, wollen Sie mich auch fotografieren?«

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