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Ein Atemtestgerät funktioniert so: Man pustet durch ein Mundstück in eine Apparatur, die die Atemluft in einem Zylinder auffängt und sie durch eine chemische Lösung schickt. Das Ganze wird zweimal wiederholt und dauert kaum fünfzehn Minuten.

Nichts Schlimmes. Aber das sage ich nur, weil es für mich gut ausging.

»Bin ich noch immer verhaftet?« fragte ich nach dem negativen Ergebnis.

»Nicht wegen Alkohol am Steuer«, sagte der Bulle mit dem Schnurrbart. »Aber wir müßten den Besitzer des Mustang sprechen. Können sie ihn verständigen?«

»Klar.« Um Elena zu finden, hätten sie nur ins Gefängnis im sechsten Stock fahren müssen. Aber das erzählte ich ihnen natürlich nicht. Mein Plan war, bei Elena anzurufen und hinterher zu behaupten, sie habe eine Nachricht hinterlassen, daß sie in der Hall of Justice sei. Das klänge dann so, als hätte ich das Haus schon vor der Razzia verlassen.

Aber Elena war offenbar zu Hause, denn sie kam ans Telefon.

Nach dem Besuch bei Elena versuchte ich mir etwas Schickes für den Abend zu kaufen. Ich war zwar nur mit Chris Nicholson, meiner Partnerin im Anwaltsbüro, und ihrem Lebensgefährten Larry Hughes zum Dinner verabredet, aber es sollte noch ein Freund von Larry kommen; der könnte was für mich sein. Vielleicht wollte ich mir etwas so Verführerisches zulegen, daß er gleich dahinschmolz. Es ist nämlich so: Immer wenn ich aus dem Aquarium komme, kriege ich Appetit auf Fisch. Und jetzt kam ich gerade aus einem Bordell.

Ich fuhr zum ›Magnarama‹ in Stonestown, wo es manchmal tolle Sonderangebote gibt, und wühlte in einem Haufen Blusen, als mir ein metallisches Glitzern auffiel. Synthetics mag ich zwar nicht, aber das hier war Silberlamée. Zwei Sekunden später war ich in der Umkleidekabine, um mir an den mehr als dreißig Knöpfen eines Silberjäckchens im Stil der vierziger Jahre die Fingernägel einzureißen. Wie gesagt: vierziger Jahre, Schulterpolster, schmale Taille und unten ein Volant; dazu enge lange Ärmel mit je acht oder zehn dieser verteufelten Knöpfe und zur Krönung ein affektierter runder Kragen, so tief angesetzt, daß man mir gut hätte ins Herz schießen können, ohne das Textil zu beschädigen. Es fühlte sich geschmeidig an wie ein Trikot.

Ich bin einsfünfundsechzig groß und wiege siebenundfünfzig Kilo, was nicht gerade fett ist, mir aber auch keine Mannequin-Verträge einbringt. Was Romanautoren einen »üppigen Busen« nennen, habe ich nicht, aber »wohlgerundet« träfe sicher zu. Ohne Zweifel mein größtes Plus. Und dieser Silberfummel brachte ihn optimal zur Geltung. Als Ergänzung kaufte ich einen raffinierten, glitschig glänzenden Wickelrock aus schwarzem Satin, der unanständig mehr enthüllte als ein Rock mit ordinärem Schlitz, nämlich den allergrößten Teil meines linken Beins. Immerhin war der Rock knöchellang.

Alles zusammen kostete fünfundzwanzig Dollar.

Ich weiß nicht, wer sich an diesem Tag in der braven, ordentlichen Rebecca versteckte, aber dieses Wesen kaufte noch falsche Wimpern, schwarze Nylons und extrem hochhackige Vamp-Sandaletten.

Dann klaute sich die Pseudo-Rebecca den grauen Volvo von Miss Schwartz, fuhr zu deren Wohnung nach Telegraph Hill und schloß die Tür auf, als sei sie dort zu Hause.

Ich nehme mir Zeit, die Einrichtung zu beschreiben, weil ich stolz auf meine Wohnung bin und sich dort einiges abgespielt hat. Die Farben sind eher winterlich. Wärme gibt mein Flügel, das Panoramafenster mit der Superaussicht und, direkt unterm Fenster, mein Lieblingsstück – ein 370-Liter-Salzwasseraquarium. Einsiedlerkrebse und Fische in unglaublichen Farben tummeln sich darin, sogar Garnelen. Die Seeanemonen – halbdurchsichtig, rosa und stets bemüht, Dinge außerhalb ihrer Reichweite zu erhaschen – sind meine Lieblinge.

Das Aquarium nimmt nicht den ganzen Raum unter dem Fenster ein, rechts und links von ihm auf Blumenständern aus weißem Porzellan stehen die üppigsten Asparagi, die man je gesehen hat.

Es ist eine wunderschöne Wohnung, deren witzige Eleganz nur durch eine Don Quichotte-Skulptur auf dem Couchtisch beeinträchtigt wird – ein scheußliches Kitschobjekt, bestimmt eine Tonne schwer. Ich habe es mit meinem Ex-Freund in Mexiko gekauft und mich immer noch nicht davon trennen können.

Die Pseudo-Rebecca ging ins Schlafzimmer und kämpfte fluchend eine halbe Stunde mit den künstlichen Wimpern. Dann schlüpfte sie wieselflink in den restlichen Outfit. Als sie sich neugierig in Rebeccas Spiegel betrachtete, blickte ihr niemand anders als Rebecca Schwartz entgegen, die ausgesprochen bescheuert aussah.

Zurück aus dem Weltall, erkannte ich mich wieder und brüllte wie ein Affe im Dschungel. Runter mit den Wimpern, raus aus den Klamotten, ab unter die Dusche!

Zu Chris und Larry kam ich in einem schwarzen Pulli und violetten Cordhosen.

Chris empfing mich an der Tür in einem gigantischen gelben Overall. Sie schnitt mir gleich das Wort ab: »Der Typ wird dir gefallen.«

Keine schlechte Nachricht. Ich hatte zwar doofe alte Cordhosen angezogen, sie aber mit den Vamp-Sandaletten kombiniert und fühlte mich total verwegen. »Erzähl mir mehr«, sagte ich.

Chris ging mit mir in die Küche, angeblich um den Wein zu holen. »Er heißt Parker Phillips, und ist gerade aus ... ›Pigball‹ hierher gezogen«, sagte sie. »Ein Architekt.«

Chris ist eine gute Anwältin, wirkt aber reichlich zerstreut. Wenn ihr kein passendes Wort einfällt, erfindet sie einfach ein anderes. ›Pigball‹ war ihr neuestes Lieblingswort.

»Wie sieht er aus?« fragte ich. Ich bin zwar kein weiblicher Chauvi, aber mir ist bei einem Mann das Äußere doch wichtig.

»Sehr New England. Kein bißchen West Coast. Einsachtundachtzig groß, Pfeifenraucher, hellbraunes Haar, gute Figur. Bereit für die Gegenüberstellung?«

Wer sagt schon nein nach solch einer Beschreibung?

Parker Phillips hatte einen kräftigen Händedruck und ausgezeichnete Manieren. Er schien mir fast ein bißchen schüchtern und nicht übermäßig eingebildet.

»Chris hat erzählt, Sie sind gerade nach San Francisco gezogen?« sagte ich, als meine Gastgeber diskret in der Küche verschwunden waren.

»Ja. Letztes Jahr ging meine Ehe zu Bruch, und ich wollte schon seit Monaten aus Seattle weg. Als mir hier eine Stelle angeboten wurde, habe ich zugegriffen. San Francisco schien mir ein angenehmer Ort zu sein, und ich kannte hier schon zwei Leute – Larry und meine Schwester Carol. Sie studiert an der San Francisco State University.«

Dann fragte er mich nach meiner Anwaltspraxis, und ich fing an, ihn zu mögen. Mir gefallen Männer, die sich für mein Leben interessieren. Der uralte High-School-Tip – mit Männern nur über das zu reden, was sie interessiert – bringt nur eines: tödliche Langeweile.

Ich erzählte Parker von meiner Starmandantin. Er schien interessiert. Dann beschrieb ich ihm die Bordelltour, garniert mit Elenas Geschichten. Ich beichtete ihm sogar meinen Einkaufstrip. Er war höflich genug, meine Vamp-Sandaletten zu bewundern. Ob sie gut zum Tanzen seien? Das würde ich ihm irgendwann mal zeigen.

Ich tat es umgehend, nämlich nach dem Dinner; wir brachen früh auf und gingen in einen Schuppen, den ich kannte.

Wir tanzten eine Weile, redeten eine Weile, und ich bemerkte so einiges:

Er lachte mit dem ganzen Gesicht.

Er spielte Tennis.

Er mochte klassische Musik und Jazz.

Sein Lieblingsfilm war ›King of Hearts‹, bei mir nur auf dem dritten Platz, aber immerhin nahe dran.

Ich war bereit, meine Sieben Sachen zu packen und mit ihm davonzulaufen, wenn er mich fragen würde.

Er fragte nicht, also bot ich ihm an, ihm mein Aquarium zu zeigen. Das war kühn, ein mutiger Schritt, aber ich hatte ja auch meine Vamp-Sandaletten an.

Ich machte kein Licht, das Aquarium war ja beleuchtet und San Francisco dahinter auch. Wir tranken Brandy und rauchten einen Joint. Die Seeanemonen zelebrierten ihren endlosen, zarten und vergeblichen Tentakeltanz. Die Einsiedlerkrebse sorgten für komische Einlagen. San Francisco funkelte wie Emerald City. Das war schöner als ›King of Hearts‹, und ich machte Popcorn. Und danach gingen wir miteinander ins Bett.

Ich bin doch keine Superfrau

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