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KOPF (CAPUT)

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Mittig auf dem Kopf der Biene befinden sich, kaum sichtbar, drei Punktaugen, auch Ocellen genannt. Sie sind kleiner als der Kopf einer Stecknadel und verfügen über nur jeweils eine Linse, hinter der sich hunderte Sinneszellen zur Erfassung der Lichtstärke befinden, die wiederum ein Gradmesser zur Einschätzung der Tageslänge ist. Die Sinneseindrücke, die über die Punktaugen an das Gehirn weitergeleitet und dort zu Informationen verarbeitet werden, steuern vermutlich die innere Uhr von Insekten und könnten zudem als eine Art Licht-Kompass die Navigation und Orientierung der Insekten unterstützen.

Das den Kopf dominierende Sinnesorgan der Biene sind die zwei großen Facettenaugen, auch Komplexaugen genannt. Dieser Begriff trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich hierbei nicht um ein einzelnes Auge, sondern vielmehr um einen Komplex aus mehreren Tausend Einzelaugen, sogenannte Ommatidien, handelt, die alle mit einem eigenen Nervenende verbunden sind. Jedes dieser Ommatidien registriert nur jeweils einen winzigen Bildpunkt mit einer eigenen Linse, die vollkommen unbeweglich ist. Im Gehirn der Biene werden die Signale der Einzelaugen zu einem pixeligen, mosaikartigen Gesamtbild zusammengefügt. Bienen überblicken im Vergleich zum Menschen einen weitaus größeren Bildwinkel, besitzen dafür jedoch kein nennenswertes räumliches oder gegenständliches Sehvermögen. Und noch eines ist erwiesen: Bienen können Farben sehen und unterscheiden. Diese Erkenntnis ist vor allem dem österreichischen Zoologen Karl Ritter von Frisch zu verdanken, dessen wissenschaftliches Interesse insbesondere der Erforschung der Sinneswahrnehmungen von Honigbienen galt. »Bienen-Frisch« entwickelte zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein ebenso einfaches wie gelungenes Verfahren, um die Frage nach der Farbwahrnehmung zu untersuchen: Hierfür legte er Tafeln mit unterschiedlichen Graustufen aus und platzierte zwischen diese eine blaugefärbte Tafel. Auf ihr befand sich ein Schälchen mit Zuckerwasser. Der Vorteil dieser Futterquelle: Bienen können Zuckerwasser nicht über den Geruchssinn orten, sondern orientieren sich über die visuellen Eindrücke. Sobald die Versuchsbienen gelernt hatten, dass Blau identisch ist mit einer Futterquelle, steuerten sie gezielt die blaue Tafel an, auch wenn sich hier kein Zuckerwasser befand und die Karten neu verteilt wurden. Die grauen Tafeln hingegen lösten kein Futtersuchverhalten aus. Damit war der Beweis erbracht, dass Bienen nicht, wie damals hinlänglich angenommen, farbenblind sind.


Sobald es um die Aufnahme von Flüssigkeiten wie Blütennektar und Wasser oder den Austausch von Futter geht, kommt der Rüssel der Biene zum Einsatz. Er wird aus den paarig angelegten Unterkiefern und Lippentastern gebildet, die eine Art Röhre bilden, in der sich die Zunge auf und ab bewegt. Das Löffelchen, eine Ausstülpung am Ende der Zunge, erleichtert dabei die Aufnahme der Flüssigkeit.


Die Facetten- bzw. Komplexaugen, hier am Beispiel einer Rasterelektronenaufnahme des Kopfbereichs einer Deutschen Wespe (Vespula germania), setzen sich bei der Biene aus jeweils rund 6000 Einzelaugen zusammen, die dem Insekt ein Umgebungsbild mit mosaikartiger Grundstruktur liefern.


Bienen riechen mit ihren Fühlern, auch Antennen genannt. Gut sichtbar ist deren segmentartiger Aufbau: Auf den längeren Schaft folgt ein Wendeglied, dem sich 10 und bei Drohnen 11 Glieder anschließen. Im Wendeglied sitzt das Johnstonsche Organ, ein Vibrationssensor, mit dem das fliegende Insekt nicht nur die Eigengeschwindigkeit, sondern auch die Körperlage bestimmen kann.

Heute wissen wir es genauer: Während der Mensch zur Wahrnehmung von Farben über drei Arten von Zapfen-Fotorezeptoren – Blau, Grün und Rot – verfügt, haben sich bei den Bienen UV-Rezeptoren anstatt der Rot-Rezeptoren entwickelt. Die Insekten sind also rotblind, nehmen die Blütenblätter des Klatschmohns beispielsweise als dunklen Fleck wahr. Dafür vermögen sie ultraviolettes Licht zu sehen. Hintergrund dieser Fähigkeit ist: Bienen orientieren sich beim Flug am Stand der Sonne bzw. am Polarisationsmuster des Himmels, das im kurzwelligen, ultravioletten Bereich die größte Stabilität aufweist und damit der wichtigste Wegweiser für die Insekten ist. Durch das veränderte Farbspektrum, das sich durch eine grundsätzliche Verschiebung des langwelligen Bereichs in Richtung kurzwelligen Bereich auszeichnet, nehmen Bienen ihre Umwelt also anders wahr als der Mensch. Diesen Umstand wissen Blütenpflanzen durchaus für sich zu nutzen: Sie weisen Pigmente auf, die ultraviolettes Licht reflektieren, für das menschliche Auge also unsichtbar sind, von Bienen jedoch erkannt werden. Kronblätter zahlreicher Blüten beispielsweise, die für uns eine durchgängig gelbe Fläche aufweisen, offenbaren mit den Komplexaugen eines Insekts betrachtet klare Muster und Zeichnungen. Sie signalisieren zum Beispiel, dass sich hier üppige Nektarquellen befinden, oder wirken wie Markierungen, die den optimalen Landeplatz anzeigen.

Die Regeln der Farbwahrnehmung gelten jedoch nur unter einer Voraussetzung: Die maximale Fluggeschwindigkeit von bis zu 30 km/h muss deutlich gedrosselt sein, denn nur im Schleichflug unter 5 km/h nehmen Bienen Farben wahr. Fliegen sie hingegen mit normaler Geschwindigkeit, erscheint ihnen die Umwelt als grob gerastertes, schwarz-weißes Bild. Zum Ausfindigmachen und Orten von Blüten als Nahrungsquelle dient ihnen dann auch ihr ausgeprägter Geruchssinn.


Die mit Sinnesborstenfeldern ausgestatteten Antennen sind mit einem Kugelgelgenk in der Kopfkapsel verankert.

Doch spätestens hier drängt sich die Frage auf, womit Bienen eigentlich riechen. Selbst bei genauem Betrachten des Insektenkopfes unter einer Lupe wird man keine Nase finden können, die als solche klar identifizierbar wäre. Dabei zeigen Untersuchungen, dass Bienen über ein deutlich sensibleres Riechorgan verfügen als der Mensch. Doch wo sitzt es? Die Antwort: Bienen riechen mit ihren Fühlern, die auch als Antennen bezeichnet werden. Sie sind paarweise angelegt und identisch im Aufbau: Direkt vom Kopf geht ein beweglicher Schaft ab, dem ein sehr kurzes Wendeglied folgt. Diesem wiederum schließen sich bei den Arbeiterinnen und der Königin zehn weitere Glieder, bei Drohnen elf Glieder an, die unter dem Mikroskop klar zu definieren sind. Auf ihnen befinden sich Tausende Tasthaare und Rezeptoren, die auch auf Duftstoffe reagieren und einen entsprechenden Informationsfluss Richtung Gehirn freisetzen. Doch damit nicht genug: Mithilfe ihrer Fühler vermögen Bienen Temperaturunterschiede von weniger als 0,1 °C ebenso wahrzunehmen wie Veränderungen der Luftfeuchtigkeit oder des Kohlenstoffdioxidgehalts. Und bei der Ortung von Blütenpflanzen über Duftstoffe erhält die Biene nicht nur die Information, dass sich irgendwo im Umkreis eine Futterquelle befindet. Dank der Beweglichkeit ihrer Antennen ist sie zudem in der Lage, räumlich zu riechen, sie kann also bestimmen, aus welcher Richtung der Duft der Blütenpflanze verströmt wird und damit direkt das Zielobjekt ansteuern.

Bienen auf Sprengstoffsuche

Ihr hochsensibles Geruchsorgan gepaart mit einem großen Lerneifer wird Bienen möglicherweise in naher Zukunft ein Aufgabenfeld bescheren, das fernab der Bestäubung von Nutzpflanzen liegt. Die Wahrnehmung auch geringster Duftkonzentrationen hat vor einigen Jahren Forscher auf die Idee gebracht, den Einsatz von Bienen als Sprengstoffsucher zu testen. Dabei durchlaufen die Bienen zunächst einen Konditionierungsprozess, bei dem sie immer dann Zuckerwasser erhalten, wenn sie zuvor geringen Mengen an gasförmigem TNT ausgesetzt waren (s. Foto: Konditionierung im Forschungszentrum für Insektenbiotechnologie in Gießen). Nach nur drei Trainingsdurchgängen haben die Bienen die Information gespeichert: Wo Sprengstoff ist, befindet sich auch eine Futterquelle. Nun können sie, mit winzigen Sendern ausgestattet, in von Sprengstoff durchsetzten Gebieten ihrer Arbeit nachgehen. Dank ihrer Fähigkeit, auch kleinste Duftmoleküle in einem Meer von Gerüchen zu sondieren und zu identifizieren, steuern sie gezielt auch im Boden vergrabene Minen an. Die Erfolgsquote liegt bei mehr als 90 Prozent.

Die Ausbildung von Bienen zu »Antiterroreinheiten« steckt bislang noch in den Kinderschuhen. Doch alle Experimente in diese Richtung erwiesen sich bislang als sehr vielversprechend, sodass Überlegungen reifen, die »Spürnasen« oder besser »Spürantennen« auch bei der Suche nach gefährlichen Chemikalien und anderen Substanzen einzusetzen.



Der Saugrüssel der Arbeiterinnen ist deutlich länger als der von Königinnen und Drohnen. Diese anatomische Besonderheit trägt dem Umstand Rechnung, dass die Arbeiterinnen für die Nahrungsbeschaffung innerhalb des Bienenstocks zuständig sind und deshalb auch an den tiefer in Blütenkelchen liegenden Nektar gelangen müssen.

Unterhalb der Antennen, Punkt- und Facettenaugen befinden sich die Mundwerkzeuge der Biene, die sich aus Mandibeln (Oberkiefer) und Maxillen (Unterkiefer) zusammensetzen. Da Bienen ihre Nahrung auch leckend und saugend aufnehmen, wurden die Mundwerkzeuge im Verlauf der Evolution entsprechend optimiert: Die Maxillen bilden zusammen mit der Unterlippe bzw. den Lippentastern einen Saugrüssel, in dem sich eine behaarte Zunge bewegt. Mithilfe dieses Rüssels (Proboscis) werden nicht nur Blütennektar und Wasser aufgesaugt: Auch der Futteraustausch mit Stockbienen findet über dieses Mundwerkzeug statt, das bei Nicht-Gebrauch in einer Furche an der Unterseite des Bienenkopfes eingeklappt wird und somit nicht sichtbar ist.

Die kräftigen Mandibeln hingegen setzen die Insekten wie Zangen ein. Mit ihnen formen sie Wachs zum Bau von Waben und sammeln Pflanzenharze ein. Sie gebrauchen das Werkzeug aber auch, um Feinde festzuhalten, bevor sie ihren Stachel ausfahren, und um Blüten aufzuschneiden, damit sie Zugang zum begehrten Nektar finden, oder – wie die Blattschneiderbiene – Stücke aus Blättern herauszuschneiden, die zur Auskleidung des Nestes dienen.

Und schließlich ist der Kopf der Biene Sitz mehrerer Drüsen, die Sekrete zum Teil nach außen, zum Teil nach innen abgeben. Arbeiterinnen verfügen über sogenannte Futtersaftdrüsen, die paarweise im Kopf angelegt sind und eine verstärkte Aktivität in jenem Lebensabschnitt aufweisen, den die Tiere mit der Versorgung der Larven und der Königin zubringen. Dann produzieren die Drüsen ein Sekret aus Vitaminen und Mineralstoffen, Eiweißen und Fetten, das direkt in den Mund der als Ammen tätigen Bienen gelangt und von dort weitergegeben wird. Mit fortschreitendem Alter der Arbeiterinnen bilden sich die Futtersaftdrüsen zurück und vermindern ihre Aktivität. Dieser Prozess ist jedoch umkehrbar: Mangelt es im Bienenstock an Ammenbienen, werden die Drüsen über eine entsprechende Hormonausschüttung wieder zu verstärkter Abgabe von Futtersaft angeregt.

Wichtige Funktionen übernehmen zudem die oberhalb der Mandibeln sitzenden Mandibel- bzw. Oberkieferdrüsen, die zwei Tage vor dem Schlüpfen der Biene aktiv werden. Dann produzieren die Drüsen ein Sekret, mit dessen Hilfe die Bienen den Wachsdeckel ablösen können, der ihre Brutzelle verschließt. Die Eigenschaft der Drüsensubstanz, Wachs weich und damit formbar zu machen, nutzen die Arbeiterinnen auch in ihrer dritten Lebenswoche, in der sie überwiegend mit dem Bau von Waben und dem Verdeckeln von Brutzellen beschäftigt sind. In dieser Zeit sondern die Bienen über Wachsdrüsen im Abdomen verstärkt Wachsplättchen ab, die zunächst dank des Mandibeldrüsensekrets geschmeidig gemacht und anschließend mit den Mundwerkzeugen bearbeitet werden können. Darüber hinaus konnte eine antiseptische Wirkung nachgewiesen werden, womit sich erklärt, warum Arbeiterinnen die Zellen mit diesem besonderen Sekret auskleiden.


Die paarig angelegten Mandibeln seitlich des ausgefahrenen Saugrüssels sind ein wichtiges Werkzeug, um Nahrung oder Baustoffe zu zerkleinern, Blüten zu öffnen oder Wachs zu formen, aber auch um Feinde festzuhalten.


Damit aus Nektar und Pollen wertvoller Honig entsteht, bedarf es verschiedener Sekrete, die Bienen in den Drüsen ihres Körpers produzieren. Die Umwandlung beginnt bereits im Honigmagen der Sammelbienen und wird dann im Bienenstock durch weitere Arbeiterinnen fortgesetzt.


Die Flügel der Bienen sind von Adern durchzogen, die die Flügelhaut in einzelne Zellen teilen und den muskellosen Flügeln Stabilität verleihen.


Während die Königin alleine für die Bestiftung der Zellen zuständig ist, übernehmen die gesamten Arbeiterinnen abwechselnd die Brutpflege.

Allein der Königin ist es vorbehalten, über ihre Mandibeldrüsen ein öliges Sekret zu produzieren, das als »Königinnensubstanz« bezeichnet wird. Hierbei handelt es sich um eine Pheromon-Mischung, die bei staatenbildenden Bienenarten gleich mehrere Funktionen übernimmt: Das über den Körper der Königin verteilte Pheromon wird von den Arbeiterinnen durch Betasten und Ablecken aufgenommen, im Bienenstock verteilt und sichert als gemeinsames Identifikationsmerkmal das soziale Gefüge des Volkes, zumal junge Bienen dadurch angelockt und zur Brut- und Nestpflege ermuntert werden. Darüber hinaus hemmt das Sekret die Ausbildung von Eierstöcken bei den Arbeiterinnen, die damit nicht in Konkurrenz zur Königin treten und die Ordnung durcheinanderbringen können. Auf die männlichen Bienen übt das Sekret gewissermaßen eine umgekehrte, nämlich aphrodisische Wirkung aus: Es regt den Geschlechtstrieb an. Mit zunehmendem Alter der Königin und wenn die Bienenpopulation am größten ist, verringert sich die Wirkung der »königlichen« Pheromon-Mischung, wodurch die allmähliche Auflösung des Bienenstaats eingeleitet wird.

Bei Honigbienen und Hummeln ist erwiesen, dass die Drüsen, die sich an ihren Füßen befinden, eine faszinierende Rolle bei der Nahrungssuche spielen. Landet die Biene auf einer Blüte, hinterlässt sie einen chemischen Fußabdruck. Nachfolgende Insekten erkennen diese Duftmarkierung und steuern andere Blüten an, denn die markierte Nahrungsquelle verspricht eine geringe Ausbeute, da sie gerade »geerntet« wurde. Bienen und Hummeln nehmen dabei nicht bloß die Existenz des Fußabdrucks wahr, sondern registrieren ebenso, ob er von artverwandten oder fremden Insekten stammt. Binnen einer Stunde verflüchtigt sich die Markierung – und bis dahin hat sich die Blüte wieder mit Nektar gefüllt.

Das große Buch der Bienen

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