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SCHLAFEN

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Bienen schlafen. Das scheint selbstverständlich, doch wer sich des Nachts einem Bienenstock nähert, kann es hören: Auch nach dem Einsetzen der Dunkelheit geht es hier betriebsam zu, das Volk scheint nie zu ruhen. Heute wissen wir: Honigbienen benötigen nur ein Drittel der Schlafmenge eines Menschen. Sie verteilen ihren Schlaf auf mehrere Etappen, holen mangelnden Schlaf durch tiefere und längere Ruhephasen nach und reagieren auf Schlafentzug mit Verständigungsproblemen: Unausgeschlafene Honigbienen weisen ihren Artgenossen beim Schwänzeltanz einen falschen Weg zur Futterquelle, scheinen unkonzentriert.

Doch wie sieht es mit den Schlafplätzen der Bienen aus? Bei der Westlichen Honigbiene lässt sich die Frage leicht beantworten: Sie ruhen, nach Berufsgruppen getrennt, in leeren Zellen des Brutbereichs oder am Rand des Bienenstocks. Wildbienen hingegen zeigen sich im Hinblick auf ihre Vorliebe für Schlafplätze sehr vielfältig und ideenreich. Grundsätzlich gilt: Die Weibchen nestbauender Arten, die fast 70 Prozent der Bienenfauna ausmachen, verbringen ihre Nächte im selbst errichteten Nest. Männchen dieser Arten sowie parasitische Bienen bzw. Kuckucksbienen, die keine eigenen Nester bauen, müssen hingegen auf andere Schlafplätze ausweichen. Mitunter sind es dünne Zweige oder Grashalme, in die sich die Insekten dank ihrer Mandibeln festbeißen, um kopfüber, nach unten gestreckt, gekrümmt oder gar in erstarrter horizontaler Position den Schlaf einzuläuten. Dieses Ruheverhalten an Halmen und Ästen ist zum Beispiel bei den artenreichen Wespenbienen (Nomada), aber auch bei Kegelbienen (Coelioxys) und Filzbienen (Epeolus) zu beobachten. Besonders schön anzusehen sind Schlafgemeinschaften, wie man sie mit Glück an Fruchtständen verschiedener Pflanzenarten oder aber in Blüten vorfinden kann. Beliebte Sammelschlafplätze sind zum Beispiel die Blüten der Malve und Glockenblume. Letztere wird, wie der Name schon vermuten lässt, gerne von männlichen Glockenblumen-Scherenbienen (Osmia rapunculi) aufgesucht, aber durchaus auch von anderen Arten, die sich mit mehreren Exemplaren zu einem dicht gedrängten Schlafverband zusammenfinden. Interessanterweise ist diese Gruppenbildung nicht zwangsweise auf eine Art beschränkt, sondern kann zwei oder mehr Arten umfassen.


Mitunter verraten Namen wie Sandbiene schon etwas über die Vorliebe für bestimmte Nistplätze.


Wespenbienen beißen sich mithilfe ihrer Mandibeln an Grashalmen fest, um in horizontaler Position zu schlafen.


Die Frühlings-Pelzbiene gräbt verzweigte Röhren mit bis zu zehn Zentimetern tief liegenden Brutzellen.


Schwer vorstellbar, dass es sich in dieser Position gut schlafen lässt, doch nicht wenige Bienen bevorzugen diese Schlafhaltung, bei der sie sich mit den Mundwerkzeugen festbeißen und den Rest des Körpers während der Schlafphase einfach »hängen« lassen.

Ein Großteil der Wildbienen, zumindest deren weibliche Vertreter, bevorzugt als Schlafplatz jedoch das eigene Nest. Wo dieses errichtet wird, hängt ganz von der Spezialisierung der jeweiligen Bienenart ab, wobei Kriterien wie Bodenbeschaffenheit oder die umliegende Vegetation ausschlaggebend sind. Mitunter verraten Namen wie Sandbiene, Mauerbiene oder Kliffhonigbiene schon etwas über die Vorliebe für bestimmte Nistplätze.


Die Eichengallwespe platziert mithilfe ihres Legebohrers Eier im Gewebe eines Eichenblattes, woraufhin Eichengallen entstehen. Die sich hier entwickelnde junge Wespe verlässt zwischen Dezember und Februar die Galle und hinterlässt ein Bohrloch, das wiederum von anderen Bienenarten zur Eiablage gewählt wird.

Fast Dreiviertel aller weiblichen Wildbienen legen ihre Nester im Erdboden an. Meist sind es vegetationsarme, trockene Böden aus Sand, Löss oder Lehm mit nicht allzu verdichtetem Material, die von den Insekten bevorzugt werden. Manche Gattungen wählen für ihre Brutstätten ebene Flächen, andere schwach geneigte Hänge und Böschungen, wieder andere errichten ihre Nistgänge an Steilwänden oder benutzen bereits vorhandene Hohlräume im Mauerwerk von Gebäuden. Die unterschiedliche Vorgehensweise – aktiver Nestbau oder Nutzung bereits bestehender Gänge – zeigt sich zum Beispiel bei der Frühlings-Pelzbiene (Anthophora plumipes) und der Garten-Wollbiene (Anthidium manicatum). Erstere gräbt verzweigte Röhren mit bis zu zehn Zentimeter tief liegenden Brutzellen, wobei sich unter besonderen Umständen Ansammlungen, sogenannte Aggregationen, von 100 Nestern und mehr in direkter Nachbarschaft befinden. Die Weibchen der solitär lebenden Garten-Wollbiene bedient sich dann später dieser bereits gegrabenen Nester, sofern sie verlassen sind.

Auch Bienenarten, die morsches und totes Holz zum Standort für ihrer Nester machen, überlassen die Vorarbeit oftmals anderen Insekten, in aller Regel Käfer oder Holzwespen. Ausnahmen bilden zum Beispiel verschiedene Arten von Holzbienen (Xylocopa), die ursprünglich in den warmen Gebieten der Tropen und Subtropen beheimatet sind, mittlerweile aber auch mit drei Arten im deutschsprachigen Raum zu finden sind. Dank ihrer kräftigen Oberkiefer sind die knubbeligen, mit schwarzen Haaren und schwarzen Flügeln versehenen Insekten selbst in der Lage, Gänge in mürbes Holz zu nagen und dort ihre Nester anzulegen. Diese Fähigkeit bringt ihnen nicht unbedingt die Sympathie des Menschen entgegen, der die Entstehung von Bohrlöchern in den Holzverkleidungen seines Hauses mit Unwillen verfolgt und nicht selten mit dem Einsatz von Gift beantwortet.


Vorgebohrte Bohrgänge im Längsholz werden von zahlreichen Wildbienenarten gerne zur langfristigen Besiedlung angenommen, denn nur wenige Arten wie die Holzbiene sind in der Lage, die Bohrgänge selbstständig anzulegen.


Kleine Hohlräume im Mauerwerk, wie sie oftmals im Bereich des Mörtels zu finden sind, bieten nicht nur der Mauer- und Mörtelbiene einen idealen Nist- und Schlafplatz.

Auch markhaltige oder hohle Stängel werden von einigen wenigen Bienenarten als Nistplatz genutzt. Keulhornbienen (Ceratina) beispielsweise nagen in die Stängel von Rosen, Brombeeren oder Königskerzen Hohlräume für die Brutzellen, die aufgrund der Gegebenheiten im Stängel linienförmig angelegt sind. Auch einzelne Arten der Mauerbiene (Osmia) sind hier zu finden, wobei der bevorzugte Niststandort – der Name lässt es bereits vermuten – Hohlräume oder Ritzen im Mauerwerk sind.

Die wohl ungewöhnlichsten Nistplätze sind indes Schneckenhäuser, die von einigen Mauerbienenarten zur Pollen- und Eiablage genutzt werden, sowie Pflanzengallen. Letztere bilden sich beispielsweise an Eichenblättern, nachdem die Eichengallwespe (Cynips quercusfolii) mithilfe ihres Legebohrers ein Ei im Gewebe des Blattes platziert hat. Die sich hier entwickelnde junge Wespe verlässt zwischen Dezember und Februar die Galle und hinterlässt ein Bohrloch, das wiederum von Maskenbienen und anderen Arten zur Eiablage genutzt wird.

Wer wachsam und mit geschärftem Blick durch die Welt geht, kann sich von der Vielfalt der Wildbienennist- und schlafplätze überzeugen – einer Vielfalt, die sich nicht auf die Schlafgewohnheiten der Insekten beschränkt, sondern ebenso im Hinblick auf ihr Sozialverhalten anzutreffen ist.

Das große Buch der Bienen

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