Читать книгу Mittendrin und am Rande – Lebenserinnerungen eines Vertriebenen - József Wieszt - Страница 4

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Statt eines Vorworts: Erinnern

Erinnerung kommt ungerufen, bleibt aus trotz großer Mühe, sie herbeizuzaubern. Sie ist mir nicht dienstbar, handhabbar, wenn ich sie dringend brauche. Bei Namen überwiegend lässt sie mich im Stich. „Wie hieß denn der noch, du weißt schon, der mit …?“ Aber meistens tut sich nichts. Wie eine Ahnung, schwaches, dämmriges Wehen ist der Name in mir, entflammt aber viel zu selten zu seiner vollen Gestalt. Später, wie zum Trotz, in unpassenden Zusammenhängen ist er dann da, drängt sich zwischen anderes, zu ihm nicht Gehöriges, stört mitunter, lenkt ab.

Erinnerung drängt sich mir nicht auf, eher schon ihre dunkle Schwester, das Vergessen: der Mangel an Einzelheiten, Gefühle, Empfindungen, Kleinigkeiten, Zeichen, Gesten, Blicke, Verstecktes. Wie soll da leicht ein Bild entstehen, eine Situation, ein Gemälde, Wortbild, Wortsituation, Wortgemälde?

Wann wurde mir abgewöhnt, auf das Kleine zu achten, wann fing ich an, es zu verachten, verachte ich es? War es, weil ich so lange im Kleinen war? Was ist das Leiden der Kreatur vom Standpunkt der Weltgeschichte aus gesehen, war es das? Solch einen Unsinn habe ich einmal gedacht. Z. B. erhob ich das Proletariat zu historischer Größe und liebte nicht die Proletarier. Und doch war ich zu Hause im Milieu der kleinen Leute, wenn ich überhaupt gelegentlich irgendwo zu Hause war. In mir war immer meine Sehnsucht, dazuzugehören, nicht am Rande zu stehen. Und dennoch war gerade der Rand, das Zusehen von außen, mein gewöhnlicher Ort. Meine Tätigkeit, mein Handeln nahmen vom dort ihren Ausgang. Am Rand war ich zwar und dennoch mittendrin.

Mittendrin und am Rande – Lebenserinnerungen eines Vertriebenen

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