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Kapitel 5 Rückzug aus der Firma

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Als der Januar 2016 mit ungewohnt kaltem Wetter in den Voralpen und den südöstlichen Vororten Münchens Einzug hielt, saß Alexander Hofmann an einem nebligen Winterabend vor dem Kaminfeuer im Wohnzimmer des von ihm im Juli des Vorjahres bezogenen Ottobrunner Appartements.

Trotz seiner Befürchtungen war der mit seiner Ex-Frau bis zum Jahresende geführte Rosenkrieg überraschenderweise nach nur einem Verhandlungstag vor Gericht zu Ende gewesen.

Zwar hatte Alex dafür tief in seine Privatschatulle greifen müssen, doch hatte sein Scheidungsanwalt es gemeinsam mit den Firmenanwälten erreicht, die von Manuela für sich und ihren Sohn dauerhaft geforderten Unterhaltungszahlungen abzuschmettern.

Dies vor allem, weil das Gericht in der Urteilsbegründung die alleinige Schuld der Ehefrau am Scheitern der Ehe festgestellt hatte und die von ihrem demnächst Ex-Ehemann geleistete hohe Abfindung sowie die Übereignung der Grünwalder Villa als ausreichende Alimentation zur Bewältigung ihrer Zukunft bewertete.

Zu diesem mit der sofortigen Scheidung verknüpften Schuldspruch hatte nicht zuletzt auch Manuelas vorausgehende Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe beigetragen, die von der Münchner Staatsanwaltschaft wegen illegalem Schwangerschaftsabbruch ausgesprochen worden war.

Noch während Alexander Hofmann über all diese Ereignisse vor sich hin grübelte, klingelte es im Parterre an der Eingangstür des Hochhauses, in dem sein gemütlich eingerichtetes Appartement im obersten Stockwerk lag.

Obwohl er eigentlich noch immer niemanden sehen wollte, ging er dennoch zur Tür, wobei er auf der Bildschirmüberwachung sah, dass es sein Freund Hannes und dessen Verlobte Hanna waren, die Einlass in seine Penthousewohnung begehrten.

„Kommt rauf. 7. Stock – ihr könnt den Aufzug nehmen“, sagte er kurzangebunden in die Sprechanlage, als er gleichzeitig auf den Türöffner des Hochhausfoyers drückte.

„Mit euch habe ich heute Abend wirklich nicht gerechnet“, fügte er wenige Minuten später an, als er seinen Freunden die Wohnungstür öffnete.

„Hätte ich gewusst, dass ihr vorbeikommt, hätte ich was zum Abendessen besorgt. Doch was zusammen trinken wäre ‘ne Alternative, damit ich wenigstens nicht auch noch als Gastgeber wie ein völliger Versager dastehe. Also, was kann ich euch anbieten?“

„Deshalb sind wir nicht hier, Alex. Aber ein Weißbier und eine Cola nehmen wir gerne“, grinste Hannes Sturm seinen besten Freund nach einem zustimmenden Nicken seiner Verlobten sofort an.

„Eigentlich wollten wir nur mal schauen, wie es dir geht. Immerhin gönnst du dir ja schon seit Anfang Dezember eine großzügige Auszeit und bist nicht mal zur Abnahme des ersten Fertigungsloses und auch nicht zur Weihnachtsfeier der Firma erschienen. Was dir unsere Kunden, die Belegschaft – und vor allem der gute Mike Brennan noch immer ein wenig übelnehmen.

Wir dachten daher, dass es an der Zeit wäre, dich mal in deinem Refugium zu besuchen. Wir meinen nämlich, dass es mit dem Trübsal blasen irgendwann mal genug ist. Schließlich hast du dir nicht das Geringste vorzuwerfen – und ein Versager bist du schon gar nicht. Dieses Miststück hat dich von Anfang an reingelegt. Das hat Manuela sehr geschickt eingefädelt und dafür kannst du nichts. Was das angeht, warst du deiner Ex gegenüber höchstens viel zu vertrauensselig.“

„Das weiß ich doch inzwischen alles, Hannes. Dennoch danke, dass ihr zwei heute Abend hergekommen seid. Ich überlege nämlich schon die ganze Zeit über, wie es jetzt weitergehen soll und ich habe niemanden, mit dem ich mal in Ruhe darüber quatschen kann.

Im Übrigen danke ich dir dafür, dass du in den Prozessen im letzten Jahr als mein Leumundszeuge ausgesagt hast. Und außerdem danke ich deiner Verlobten dafür, dass sie die Gerichte über die Machenschaften des von Manu umworbenen Finanziers informiert hat.“

„Das war doch selbstverständlich, auch wenn es nicht ganz leicht gewesen ist, dazu eine Aussagegenehmigung meiner Vorgesetzten zu erhalten. Aber Morning Star ist ja inzwischen keine Hinterhoffirma mehr, sondern ein Unternehmen, das sensitive Technologie für die Flugsicherungsbehörden in fast ganz Europa entwickelt.

Und nicht zuletzt deshalb haben auch unsere Innen- und unser Verkehrspolitiker ein Interesse daran, dass ihr reibungslos weiterarbeiten könnt“, erwiderte Dr. Hanna Jacoby umgehend.

„Tja, und jetzt wollt ihr sicher wissen, ab wann ich wieder auf meinen Platz als Firmen-CEO zurückkehre?“, fragte Alexander Hofmann mit dem Anflug eines Lächelns in seinem Gesicht.

„Korrekt, mein Lieber. Du weißt ja, dass ich spätestens im April auf meinen neuen Dienstposten bei der DFS wechsele und von daher wäre es gut, dass du dir so langsam mal meinen Nachfolger anschaust. Immerhin hat Wilhelm Hartwig schon vor etlichen Tagen bei uns angefangen und momentan bin ich dabei, ihn in unsere laufenden Geschäfte einzuarbeiten.“

„Also gut, Hannes. Ab dem kommenden Montag bin ich wieder an Bord. Versprochen. Ansonsten hast du recht – Trübsal blasen und alleine hier in meinem Appartement rumhocken bringt mich keinen Deut weiter. Das habe ich mittlerweile begriffen.

Zudem war dein Misstrauen meiner Ex gegenüber schon in unseren Anfangsjahren mehr als gerechtfertigt. Ich selber war wohl ein ziemlicher Depp, dass ich das nicht schon damals gemerkt habe – auch das ist mir während meiner Auszeit so richtig klar geworden.“

„Das wäre ja insoweit schon mal ein erfreulicher Fortschritt, mein Lieber. Jetzt lass uns aber mal einen Strich unter all das machen. Wir brauchen dich nämlich dringend zurück in der Firma, da wir in den EUROCONTROL-Staaten schon vor einigen Monaten mit dem flächendeckenden Rollout unserer FS-Technik begonnen haben.“

„In diesem Punkt stimme ich dir absolut zu. Deshalb will ich ja auch meine Aufgaben ab nächster Woche wieder wahrnehmen. Und bei unseren Leuten, insbesondere bei Mike Brennan, werde ich mich für mein langes Fernbleiben gebührend entschuldigen.

Allerdings habe ich vor, mich in ein bis zwei Jahren aus meiner gegenwärtigen Position als Firmen-CEO zurückzuziehen. Natürlich erst dann, wenn der Rollout unserer Hard- und Software in Europa abgeschlossen ist.

Diese persönliche Entscheidung habe ich für mich selber schon vor etlichen Wochen getroffen. Wobei das zurückliegende Geschehen dafür nicht die alleinige Ursache ist.

Ich bin nämlich ein wenig ausgebrannt und brauche daher auf längere Sicht eine Luftveränderung. Nicht zuletzt haben ja auch unsere 60-Stunden-Arbeitswochen ein ganzes Stück dazu beigetragen, dass ich Manuelas Machenschaften zu spät durchschaut habe. Und mit Mike hätten wir ja auch einen potenziellen CEO-Nachfolger, der das im 3. Quartal anstehende USA-Geschäft viel besser managen kann, als ich.

Ehe du jetzt etwas dazu sagst Hannes, mein Entschluss ist unumstößlich. Jedoch bitte ich dich sehr, darüber derzeit noch mit niemanden zu sprechen. Wenn es soweit ist, werde ich das zu gegebener Zeit schon selber tun.

Aber davon mal ganz abgesehen – wie macht sich denn Jutta Markwort als neue Finanzchefin unseres Unternehmens und wie geht es Wild Bill als deinem baldigen Nachfolger?“

Hannes Sturm, der von den letzten Worten seines Freunds ein wenig überrascht vor sich hinstarrte, antwortete auf diese Frage nicht sofort, sondern schien sich eine Weile lang über seinen jetzt folgenden Kommentar Gedanken zu machen.

„Soso, du hast also offensichtlich keine Lust mehr zum Weitermachen. Ich hatte mir sowas schon gedacht. Aber ich werde dir in deine anscheinend bereits feststehende Entscheidung nicht hineinreden, wie sollte ich auch.

Da ich mich demnächst selber aus unserer Firma zurückziehen will, kann ich verstehen, dass auch du dir über deine Zukunft so einige Gedanken gemacht hast und in absehbarer Zeit einen persönlichen Neuanfang anstrebst. Und keine Sorge, ich werde über deine Pläne Stillschweigen bewahren.

Allerdings wirst du nicht drum herumkommen, schon bald mit Mike Brennan über deine Absichten zu reden. Er ist als künftiger Firmen-CEO sicher der geeignete Mann, um unser USA-Geschäft mit der FAA und der US-Regierung in trockene Tücher zu bringen.

Und was Jutta Markwort und Wilhelm Hartwig angeht, glaube ich, dass wir mit den beiden, zusammen mit dem Aufsichtsrat, ein gutes Los gezogen haben.

Jutta ist als frühere Stellvertreterin deiner Ex schon allein deshalb die richtige Wahl, weil sie mir im letzten Jahr mehrmals von Manus fragwürdigen Aktionen berichtet und mich zum Handeln aufgefordert hatte.

Darüber hinaus übertrifft Wilhelm Hartwig all meine Erwartungen. Er ist einfach ein brillanter Computerfachmann – und ohne ihn und seine famose Mitarbeit wäre ich in den letzten Wochen sicher verrückt geworden.

Vor allem, weil er es wie kein anderer versteht, den informationstechnischen Laien in der Geschäftsführung und in unserem Aufsichtsrat komplizierte Sachverhalte mit einfachen Worten und nachvollziehbaren Argumenten zu erläutern.“

„Weiß einer von euch beiden eigentlich, wohin Manuela verschwunden ist? Seit dem Scheidungstermin habe ich nämlich nichts mehr von ihr gehört, und in ihrer Villa in Grünwald ist sie anscheinend auch nicht mehr anzutreffen.

Mein Umzugsunternehmer, der neulich den letzten Rest meines Eigentums aus dem Keller der Villa abholen wollte, stand nämlich mehrmals vor verschlossenen Türen. Und die Nachbarn konnten ihm auch nicht sagen, wohin meine Ex-Frau verschwunden ist.“

„Das weiß ich auch nicht, Alex. Das letzte, was ich gehört habe ist, dass sie einen ausgedehnten Urlaub in der Karibik machen wollte.

Das hat sie jedenfalls Jutta Markwort erzählt, als sie wutschnaubend ihr ehemaliges Firmenbüro im Beisein unserer Security geräumt hat. Und leider hat es das Strafgericht versäumt, ein Reiseverbot für die Dauer ihrer Bewährungsstrafe zu verhängen“, erwiderte Hannes Sturm sogleich.

„Und was ist aus diesem ominösen Südafrikaner geworden? Hat die Polizei ihn inzwischen gefasst?“

„Leider nicht, mein Lieber“, erwiderte Hanna Jacoby spontan, ehe sie dann noch einmal weiterredete:

„Auch der schmierige Mr. Smits scheint von der Bildfläche verschwunden zu sein. Allerdings hat Europol Hinweise darauf, dass er sich ebenfalls in die Karibik abgesetzt hat. Was mit Blick auf Manuelas Urlaubsreise vielleicht kein Zufall ist.

Scheinbar hat deine Ex ja dafür gesorgt, dass sich ihr missratener Sohn Horst, nach dem die Polizei ja noch immer sucht, unter die Fittiche dieses dubiosen Geschäftsmanns begeben hat. Weshalb jetzt auch ein JIT18 von Europol nach Mr. De Vries, sowie nach Manuela und ihrem sechzehnjährigen Sohn Horst Kratz fahndet.

Die Behörden haben nämlich das von ihm benutzte Handy ermitteln und überwachen können, weshalb wir auch wissen, dass auch er die Schweiz über Italien per Flugzeug in Richtung Karibik verlassen hat.“

Während sich Hanna nach diesem kurzen Kommentar in dem gemütlichen Ledersessel vor Alexanders Kamin zurücklehnte, ergänzte ihr Verlobter die knappen Ausführungen seiner Braut, wobei er aber zunächst einen fragenden Blick in Hannas Richtung warf. Und nachdem diese zustimmend nickte, begann Hannes Sturm zu erzählen.

„Ich denke, dass ich nicht zu viel verrate, wenn ich Alex sage, dass dieser Mr. Smits so unvorsichtig war, auf den Caymans eine Kreditkarte unter einem seiner bei Europol bekannten Aliasnamen zu benutzen. Das hat er dreimal gemacht, aber seither herrscht leider auch in dieser Beziehung absolute Funkstille.

Wohin er sich danach abgesetzt hat, oder ob er sich noch immer auf den Cayman Islands verbirgt, ist Europol nicht bekannt. Nur, dass er sich gegenwärtig verstecken muss, scheint für die Europol-Ermittler ziemlich plausibel zu sein. Denn auch das amerikanische FBI ist inzwischen hinter ihm her, weil man vermutet, dass er in diverse Waffendiebstähle verwickelt ist.

Vor allem aber scheinen seine unbekannten Auftraggeber, für die er mit Hilfe von Manuela den Deal mit unserer Firma einfädeln sollte, sicher nicht sehr erbaut gewesen zu sein. Weil er und deine Ex-Frau die geplante feindliche Übernahme unserer Firma im letzten Jahr nämlich komplett vermasselt haben. Doch keine Sorge, Hannas Kollegen beim BKA und die Ermittler von Europol bleiben weiter am Ball.“

„Danke, Hannes. Das sind beruhigende Nachrichten. Ich hoffe mal, dass Hannas Kollegen beim BKA und bei Europol unsere Geschäftsführung weiterhin auf dem Laufenden halten. Zumal ja anscheinend nach wie vor nicht klar ist, wer letztes Jahr hinter dieser ganzen Angelegenheit gesteckt hat. Es wäre ja vielleicht auch denkbar, dass dieser sogenannte Finanzier ganz allein auf eigene Rechnung gehandelt hat.

Doch lasst uns jetzt mal über eure Zukunft sprechen, Hannes. Wie weit sind denn eure Umzugspläne und die Modernisierung eures künftigen Heims bereits gediehen?“

„Das geht alles seinen geregelten Gang“, erwiderte an Hannes Stelle jetzt seine Verlobte Dr. Hanna Jacoby.

„Wie du ja schon weißt, habe ich bereits Anfang Dezember des letzten Jahres meinen neuen Job beim BKA in Wiesbaden angetreten. Dort sind die Dinge nach meiner Versetzung allerdings ein wenig anders gelaufen, als ursprünglich gedacht.

Den Dienstposten der IT-Direktorin, die ja weitgehend nur Verwaltungsaufgaben an der Backe hat, haben meine Bosse nach einer längeren Unterhaltung mit mir nämlich anderweitig besetzt.

Meine Vorgesetzten beim BKA wollten mich vielmehr als studierte Kriminologin lieber als Leiterin ihres Profilerteams haben. Auch wenn ich davon ziemlich überrascht wurde, habe ich dieses Angebot gerne angenommen. Zumal mir das viel besser liegt und ich so wieder wirkliche Polizeiarbeit leisten kann.

Das einzige, was Hannes daran stört – ich werde wohl des Öfteren mal an aktuelle Tatorte reisen müssen. Und hoffentlich habe ich nach der Einarbeitungsphase ab März dann abends und am Wochenende noch genug Zeit, um mich um alles zu kümmern, was den Umbau unseres künftigen Heims betrifft.“

„Hanna kriegt das hin, da mache ich mir keine Sorgen. Und da uns ihre am gleichen Ort wohnenden Eltern wochentags solange unterstützen wollen, bis ich selber nach meinem Wechsel zur DFS in Nieder-Olm eintreffe, wird mein Ausstieg aus der Firma – wie sagte Hanna doch gleich – geregelt verlaufen.“

„Und wann beabsichtigt ihr beiden Hübschen zu heiraten?“, schob Alexander Hofmann gleich noch eine weitere Frage nach.

„Neugierig bist du wohl gar nicht, was? Also gut, der genaue Termin steht noch nicht endgültig fest, Alex. Jedoch wirst du ihn rechtzeitig erfahren, denn wir beide erwarten natürlich, dass du bei unserer Hochzeit als Trauzeuge zur Verfügung stehst.

Halt dir also schon mal vorsorglich die Woche vor Pfingsten im kommenden Mai frei. Das ist der grobe Zeitpunkt, den wir beide momentan im Auge haben.“

„Einverstanden, ihr zwei. Es ist mir eine Ehre, dass ihr mich als Trauzeugen dabeihaben wollt. Vielleicht sollten wir ja zuvor noch zu dritt ein Eheseminar veranstalten.

Immerhin weiß ich jetzt ja am allerbesten, welche Fehler man in einer Ehe vermeiden sollte. Ich bin ja schließlich ein leuchtendes Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte“, erwiderte Alexander Hofmann mit einem spitzbübischen Grinsen im Gesicht.

„Du bist und bleibst ein alter Spinner, mein Freund. Aber da du gerade seit langer Zeit mal wieder gelächelt hast, lasse ich dir deinen doofen Spruch durchgehen.

Worauf es in einer Ehe ankommt, wissen Hanna und ich bereits zur Genüge. Was schließlich ganz alleine zählt, ist gegenseitiges Vertrauen. Und manchmal sind auch gute Freunde ganz hilfreich, sofern man denn bereit ist, ihnen ausreichendes Gehör zu schenken.“

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