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Kapitel 7 Die wunderbare Elena Rossi
ОглавлениеNachdem Alexander Hofmann die ihm von früheren Urlauben gut bekannte Gemeinde Punta Ala über die Landstraße entlang der Küste am Nachmittag des 28. Juli 2017 erreichte, fuhr er sogleich die von alten Pinienbäumen gesäumte Bergstraße zu dem etwas abseits gelegenen Landhaus seiner Großmutter hinauf.
Als er in die von blühenden Oleander- und Lavendelbüschen gesäumte Einfahrt seines künftigen Domizils einbiegen wollte, bemerkte er jedoch einen älteren roten Pickup mit Monteurleitern auf dem Dach, der ihm den Weg in seine Garage versperrte.
„Was ist denn hier los?“, dachte er, als eine, mit Schreibkladde und Stift bewaffnete und in einen roten Monteuranzug gekleidete junge Frau entdeckte, die soeben mit einem Fotoapparat um den Hals um die Hausecke herumkam.
„Was machen Sie denn da bei meinem Haus? Und wozu machen Sie Aufnahmen davon?“, rief er die junge Frau, die ihn gerade ebenso verblüfft anschaute, wie er sie, unverblümt an.
„Nach was sieht‘s denn aus?“, antwortete die nur rund 1,70 große Person mit einem frechen Grinsen, während sie ihre Kamera und ihre Schreibutensilien in eine Umhängetasche steckte und danach die unförmige Ballonmütze abnahm, um ihre roten Locken auszuschütteln.
„Meine Güte, hast du mich erschreckt!“, rief sie beim Näherkommen unmittelbar darauf.
„Kennst du mich etwa wirklich nicht mehr, Alessandro? Ich habe dich jedenfalls sofort erkannt. Auch wenn du inzwischen kein Teenager mehr bist. Du hast doch früher bei jedem deiner Ferienaufenthalte hier bei uns mit meinem großen Bruder Nico den Strand unsicher gemacht und mit ihm zusammen auch sonst noch allerlei Unfug angestellt.
Und mich habt ihr zwei Vollpfosten ständig geärgert. Ich bin übrigens Elena Rossi, erinnerst du dich denn gar nicht mehr an mich, du alter Teutone?“, blitzte ihn die junge Frau im selben Moment aus ihren grün glitzernden Augen an.
Bei dieser Antwort begann es so langsam in Alexanders Gedächtnis zu klingeln. Vor seinem geistigen Auge tauchte nämlich soeben eine spindeldürre Göre auf, die ihr Bruder und er – wegen ihrer langen roten Zöpfe – früher stets Pippi Langstrumpf gerufen hatten.
Doch die junge Frau, die da jetzt auf ihn zukam, hatte mit diesem Bild aus vergangenen Tagen absolut nichts mehr gemein. Denn auch ihr unvorteilhafter Arbeitsanzug, konnte ihre bemerkenswerten Kurven nur unzureichend verbergen.
„Du liebe Zeit, Elena. Na klar erinnere ich mich an dich“, grinste Alex sein Gegenüber jetzt an. Mein Gott, hast du dich verändert. Du schaust selbst in diesem roten Strampelanzug ganz vortrefflich aus. Auf der Straße hätte ich dich im Leben nicht wiedererkannt.“
„Tja, aus eurer dürren Bohnenstange ist anscheinend inzwischen eine erwachsene Frau geworden, die nach ihrem Architekturstudium im Baugeschäft ihres Vaters Carlo mitarbeitet. Nur warst du ja in den letzten zehn Jahren nicht mehr mit deinen Eltern hier bei uns im Urlaub, deshalb hast du davon natürlich nichts mitbekommen.“
Erst jetzt betrachtete Alexander den Türaufkleber des roten Lieferwagens, auf dem der Firmenname Servizio Costruzioni Rossi in großen Buchstaben zu lesen war, als Elena Rossi auch schon fortfuhr:
„Doch zurück zu deiner Frage. Der Hausmeisterdienst unserer Firma kümmert sich schon seit etlichen Jahren um dieses Haus, weshalb deine Nonna bereits vor einigen Wochen bei meinem Vater angerufen und uns gesagt hat, dass du in Kürze nach Punta Ala umziehen würdest. Eben deswegen hat uns Signora de Angelis gebeten, dir bei der Instandsetzung deines zukünftigen Heims zur Hand zu gehen.
Und ich bin dieses Wochenende hier, um mir ein erstes Bild über die Schäden und vordringlichsten Reparaturmaßnahmen zu machen. Da wir dich erst in der kommenden Woche erwartet haben, bin ich eben deshalb schon mal am heutigen Freitag hergekommen, um mir einen Überblick zu verschaffen. Alles klar?“
Alexander, der Elena Rossi bei dieser Antwort etwas verblüfft angeguckt hatte, sagte jetzt: „Meine Oma hat mir kein Wort davon gesagt, als ich sie heute Vormittag in ihrer Seniorenresidenz in Siena besucht und die Hausschlüssel abgeholt habe.
Hast du schon Schäden gefunden, die man sofort angehen muss? Ich bin zwar handwerklich nicht ganz ungeschickt. Aber mit allem, was über Hausputz, Malern und Elektroinstallation hinausgeht, wollte ich ohnehin eine hiesige Firma beauftragen.“
„Die du ja jetzt, dank deiner Nonna, schon gefunden hast. Nun mein Lieber, das Wichtigste ist wohl das Walmdach dieses schönen alten Landhauses, dessen Bausubstanz im Übrigen noch sehr gut ist.
Dass es allerdings auf dem Dach ein paar undichte Stellen gibt, habe ich schon beim ersten Hinsehen bemerkt. Und auch die Regenrinnen auf der Hausrückseite müssen ausgewechselt werden. Die sind nämlich ebenfalls so löchrig, wie ein Sieb.
Darüber hinaus solltest du dir überlegen, ob du den Außenanstrich dieses schönen Anwesens sowie den ein wenig verwahrlosten Garten erneuern willst. Auch wenn du sagst, dass du die Kunst des Anstreichens beherrschst, solltest du diese Arbeit meines Erachtens lieber den Profis überlassen und uns auch die Neugestaltung deines Gartens übertragen.“
„Okay – einverstanden. Betrachte eure Firma hiermit als beauftragt. Falls du noch Zeit hast, könnten wir ja jetzt noch einen Blick ins Hausinnere werfen. Ich schätze, dass es da drinnen nach dem langen Leerstand ebenfalls eine ganze Menge zu reparieren gibt.“
Im Zuge der anschließenden Inspektion der Inneneinrichtung hatte Elena Rossi wieder zu fotografieren begonnen. Darüber hinaus machte sie sich eine ganze Reihe von Notizen und skizzierte zugleich den Grundriss des einstöckigen Hauses.
„Du hattest recht, Alessandro. Hier drinnen wartet ebenfalls noch einiges an Arbeit auf uns. Das Parkett, die massiven Türen sowie die schönen Kirschholzmöbel und die alten Bilder, Teppiche und sonstigen Accessoires deiner Oma sind zwar von herausragender Qualität, jedoch bedarf der Innenputz im Erdgeschoss sowie im ersten Stock an den Wetterseiten dringend einer Erneuerung.
Durchnässte Wände, du verstehst? Im Herbst und Winter regnet’s hier nämlich schon mal an etlichen Tagen – und in manchen Jahren gibt’s sogar Schnee, auch wenn das hier bei uns eher nur selten der Fall ist.
Außerdem muss ich mir später noch den Wohnzimmerkamin und den Schornstein genauer anschauen. Ich fürchte nämlich, dass man auch diese Teile ein wenig überholen muss. Mit offenem Feuer ist es daher erstmal nix.
Zudem sind vor allem die Armaturen in Küche und Bad zu antik, um daran noch herumzuwerkeln. Der Aufwand würde sich nicht lohnen und etwaige Reparaturen würden nach meiner Ansicht auch nicht allzu lange halten.
Jedoch habe ich auch eine gute Nachricht. Die Elektrik in diesem Haus ist trotz des langen Leerstands noch immer in Ordnung. Nachdem ich vorgestern dafür gesorgt habe, dass die stillgelegte Stromversorgung wieder angestellt wird, scheint alles, was damit zusammenhängt wieder zu funktionieren.
Das gilt leider nicht für die alte Klimaanlage. Die haben meine Leute nämlich abklemmen müssen, weil das Gebläse nicht mehr richtig funktioniert. Deshalb muss auch das ratternde Klimagerät noch vor dem Winter ersetzt werden. Das wäre nicht nur stromsparend, sondern würde dir auch erlauben, dass du bei kalten Temperaturen nicht frieren musst. Dass man mit einer modernen Klimaanlage auch heizen kann, weißt du ja sicher.
Darüber hinaus hat einer unserer Elektriker auch den Warmwasserboiler in der Küche und den großen Boiler im Badezimmer aufgrund der Verkalkung und der langen Nutzungspause ausgebaut worden. Warmwasser zum Duschen und Abwaschen gibt’s also vorerst nicht, sondern erst dann, wenn neue Gerätschaften installiert sind.
Deshalb solltest du lieber Nägel mit Köpfen machen und uns die gesamten Armaturen und Boiler, wie auch den alten Gasherd und die Küchenspüle recht bald gegen eine zeitgemäßere Ausstattung austauschen lassen.
Nur wird dich das insgesamt ‘ne schöne Stange Geld kosten, aber die Ausgaben holst du durch die mit der Modernisierung verbundene Energieeinsparung längerfristig wieder rein. Wobei wir aber auch schrittweise vorgehen können, wenn dir das Ganze auf einen Schlag zu kostspielig wird.
Unsere Handwerker könnten zum Beispiel zuerst mal die Außenarbeiten an Fassade und Dach in Angriff nehmen. Und für Bad, Küche und Kamin ist eine Fachfirma vonnöten, die gute Arbeit abliefert. Das ist erst mal das Wichtigste.
Da die Firma Rossi sich inzwischen auf die Renovierung und den Neubau von Ferienwohnungen spezialisiert hat, weiß ich auch schon, welchen Wasser- und Heizungsinstallateur wir dafür im Unterauftrag am besten nehmen sollten.“
„Sehr gut, Elena. Mir ist schon klar, dass das hier eine zeitaufwendige und teure Angelegenheit wird. Aber nimm bitte zur Kenntnis, dass die Kosten für mich keine Rolle spielen. Mir geht es primär darum, dass dieses Haus so rasch, wie möglich wieder in Schuss gebracht wird. Und deshalb wäre es mir lieb, wenn ihr die anstehenden Arbeiten in einem Rutsch erledigen könntet.“
„Oha, du bist wohl ziemlich reich – deine Oma hatte sowas schon im Gespräch mit meinem Papa angedeutet. Dann mache ich dir noch heute Abend einen vorläufigen Kostenvoranschlag und übertrage dazu meine Skizzen in saubere Planzeichnungen.
Und morgen früh lade ich dich in mein Firmenbüro ein. Dort können wir die notwendigen Maßnahmen noch einmal in aller Ruhe durchgehen. Bei Bedarf sind dann auch noch Ergänzungen möglich, sofern dir bis dahin noch etwaige Zusatzwünsche oder Änderungen einfallen.“
„Einverstanden Elena. Erlaube mir aber bitte, dass ich dich morgen nach Feierabend zum Abendessen in ein Restaurant deiner Wahl einlade. Du kannst dazu übrigens auch deine Eltern und deinen Herrn Bruder mitbringen, falls du dich nicht traust, alleine mit mir auszugehen.“
„Gerne, Alessandro. Aber mach‘ dich schon mal auf eine Überraschung gefasst. Das Lokal, dass ich nach deinen Worten ja frei wählen darf, heißt Tre Palme und es liegt unten am Strand ganz in der Nähe des Hafens.
Meine Eltern bringe ich übrigens zu diesem ersten Date ausnahmsweise ebenfalls mit. Sonst löchern sie mich morgen andauernd mit Fragen über dich und deine Familie, was mein aktuelles Zeitmanagement noch mehr durcheinanderbringen würde. Für heute bin ich ohnehin schon viel zu spät dran, weil ich noch zu einer anderen Baustelle muss.
Ach so, eines noch. Mein verehrter Herr Bruder und seine Frau Diana werden morgen Abend anderweitig beschäftigt sein und daher nicht am Essen teilnehmen können. Und ehe du jetzt nach dem genaueren Grund dafür fragst, bitte ich dich bis morgen zu warten.
So, und jetzt muss ich wirklich weiter, da nach meiner heutigen Inspektionstour nachher noch ‘ne ganze Menge Büroarbeit auf mich wartet.“
„Sehr gut, Elena. Ich komme dann morgen früh in dein Büro. Die Adresse steht ja auf der Karte, die du mir grade freundlicherweise gegeben hast. Und später hole dich und deine Eltern gegen 18:00 Uhr bei euch zuhause ab. Wo ihr wohnt weiß ich ja noch von früher“, rief Alessandro jetzt der jungen Frau nach, als diese bereits heftig winkend in ihren Fiat Fullback Pickup sprang.
Und nachdem sie nur Sekunden später seinen, am Straßenrand geparkten 5er-Touring in halsbrecherischer Weise im Rückwärtsgang umkurvt und ihn fast touchiert hatte, fuhr sie mit hohem Tempo auf der engen, ins Dorf führenden Straße davon.
„Was für eine tolle Frau. Sie scheint nicht nur was auf dem Kasten zu haben, sondern sie ist so atemberaubend schön, dass ich mich schon sehr darauf freue, sie morgen mal in einem anderen Outfit wiederzusehen“, dachte Alexander, während er Elenas rasant davonpreschenden Firmenwagen hinterherblickte.
Damit war Alexander Hofmann – ohne dass es ihm wirklich bewusst wurde – bereits auf dem besten Weg, seine von Melancholie und Singledasein geprägte Lebensphase der letzten Monate ad acta zu legen.