Читать книгу Angriff aus dem Cyberspace - K. B. Stock - Страница 11

Kapitel 6 Neubeginn in der Toskana

Оглавление

Ein Jahr nach diesem abendlichen Treffen begann Alexander Hofmann allmählich, den Rückzug von seiner Funktion als Firmen-CEO in die Wege zu leiten.

Als voraussichtlichen Termin für seinen Ausstieg hatte er sich mit dem 27. Juli 2017 den Beginn seines in früheren Jahren üblichen Sommerurlaubs ausgesucht. Den wollte er im kommenden Jahr nämlich, wie in seiner Schulzeit – dieses Mal nur sehr viel ausgedehnter – an der toskanischen Küste im Anwesen seiner Großmutter Maria de Angelis in der toskanischen Gemeinde Punta Ala verbringen.

Und immer öfter hatte er in den letzten Wochen darüber nachgedacht, seine Mietwohnung in Ottobrunn aufzugeben und seinen zukünftigen Lebensmittelpunkt dauerhaft nach Italien zu verlegen.

Sein Freund Hannes hatte die gemeinsame Firma bereits, wie angekündigt, im April des Vorjahres kurz vor seiner Heirat verlassen und seine umfängliche Arbeit in die bewährten Hände von Wilhelm Hartwig gelegt.

In Diensten der DFS GmbH war Hannes Sturm nach einer mehrmonatigen Probezeit ziemlich rasch in eine leitende Position aufgestiegen, in der er sich aufgrund seines Insiderwissens schon ziemlich bald als Vertreter von EUROCONTROL für den zu diesem Zeitpunkt vakanten Platz im Aufsichtsrat der Firma Morning Star Enterprises qualifizierte.

Unterdessen war Alexander Hofmann bestrebt, seinen Nachfolger Mike Brennan ausgesprochen sorgfältig in dessen zukünftigen Job als CEO der Firma Morning Star Enterprises einzuarbeiten.

Im Gegensatz zu Hannes Sturm, der seine Firmenanteile noch vor der Vermählung mit Dr. Hanna Jacoby an seine Geschwister übereignet hatte, wollte Alexander Hofmann diesem Beispiel nicht folgen.

Denn er hatte beschlossen, seine Stammaktien – einschließlich der zurückgekauften Anteile seiner früheren Frau und deren Sohns auch nach seinem Abschied – schon allein wegen der Dividende – als stiller Teilhaber zu behalten.

„Und wie stellst du dir die künftigen Sitzungen der Geschäftsführung und unseres Aufsichtsrats vor, wenn du ab dem Sommer des nächsten Jahres nur noch faul in der italienischen Sonne zu liegen gedenkst?“, hatte ihn Mike Brennan bei einem routinemäßigen Jour Fixe im Mitte Mai 2016 gefragt.

„Ich fände es zwar toll, aber ich denke nicht, dass du jedes Mal, wenn Richtungsentscheidungen anstehen, nach München fliegen willst.“

„Mike, Mike, Mike. Du hast zwar recht, dass ich mit meinem 40%-Anteil an der Firma als Haupteigentümer nach wie vor über das Wohl und Wehe unserer Firma mitzureden gedenke – aber du wirst schon bald nach meinem Umzug sehen, dass ich die zugegebenermaßen marode Villa meiner Nonna, informationstechnisch betrachtet, auf den neuesten Stand aufrüsten werde.

Denk doch nur mal an die vielen Videokonferenzen mit dir, die sich bei deinen, in letzter Zeit immer häufigeren Reisen zur FAA als probates Kommunikationsmittel erwiesen haben. Da wir auch dafür unsere gehärteten Rechner benutzen, ist das Kontakthalten doch überhaupt kein Problem – oder?“

„Okay, okay. Ich lass‘ dir dann bezüglich der Routinetermine immer eine verschlüsselte Mail über meine von dir übernommene Chefsekretärin Monika Berger schicken – und wenn’s mal brennt, kann Monika dich ja hoffentlich auch über dein Mobiltelefon erreichen.“

„Das machen wir so. Und ich gelobe, dass ich mein Handy auch dann nicht ausschalte, wenn ich mich wirklich mal nach den umfangreichen Bauarbeiten an meinem künftigen Heim am Strand des Mittelmeers entspanne. Und falls ich wirklich mal keine Zeit habe, rufe ich dich nach einer SMS von Monika so bald, wie möglich zurück.

Im Übrigen verspreche dir, dass ich mich mit dir und Hannes Nachfolger Wild Bill immer zuerst abstimmen werde, ehe wir mit Blick auf Entscheidungsfragen in die Führungsgremien unserer Firma Morning Star gehen. Das ist doch selbstverständlich.

Und glaub‘ mir bitte, dass ich dir auch nach meinem Ausscheiden nicht in deinen schon bald anzutretenden Job reinreden werde. Das wäre schließlich mehr als unfair. Betrachte mich deshalb nur als euren Berater, auch wenn ich in Zukunft der Haupteigner von Morning Star sein werde.“

„Das ist beruhigend zu hören“, kam jetzt die Stimme von Hannes Sturms Nachfolger Wilhelm Hartwig fast wie aus dem Off. Denn der von seiner Kleidung und seinen Tattoos her immer noch wie ein Rocker aussehende bullige Mann, hatte in den letzten Minuten von Alexanders Äußerungen nahezu lautlos das Chefbüro betreten.

„Gut, dass du da bist, Wilhelm. Alex erzählt mir gerade, wie er sich unsere zukünftige Zusammenarbeit nach seinem Ausscheiden aus der Firma vorstellt.“

„Das meiste davon habe ich mitgehört. Ihr wart ja schließlich nicht gerade leise und ich stehe schon seit einigen Minuten hier im Eingang zum Allerheiligsten rum. Dies deshalb, weil ich euch was Wichtiges mitzuteilen habe.“

„Das da wäre?“, fragte Mike Brennan ganz im Gebaren seiner baldigen Leitungsposition sogleich.

„Ganz einfach – wir werden in Europa rund zwei Wochen früher fertig, als vorausberechnet. Deshalb wollen die Oberen aus den Ministerien und die Führungsfiguren von EUROCONTROL, dass die finale Abnahme und anschließende Inbetriebnahme unserer Technik auf den 01. Juni 2016 vorgezogen wird.

Das ist ein Mittwoch und dazu müssten wir alle nach Brüssel reisen. Der Staatssekretär unseres Verkehrsministeriums, den ich grade am Rohr hatte, will deshalb wissen, ob ihr bis dahin eure Vorträge schreiben und natürlich auch anwesend sein könnt.“

„Das kriegen wir hin, mein Freund“, meinte Alexander Hofmann mit zuversichtlicher Miene. „Zumal mir dieses frühere Datum sehr entgegenkommt. Du kannst dem Mann also zusagen, Wilhelm. Keine Sorge – wir werden das Kind schon schaukeln.“

„Ich stimme Alex zu“, warf an dieser Stelle Mike Brennan in die Debatte ein. „Genügend erfolgreiche Boden- und Flugtests haben wir ja inzwischen gemacht. Da sollte es ein Leichtes sein, unsere Technik auch den Kunden schmackhaft zu machen, die sich in Europa und in den osteuropäischen Staaten bisher noch nicht an unserem System beteiligen.“

„Korrekt – und es werden dann wohl auch von EUROCONTROL eingeladene Vertreter der FAA aus den USA anwesend sein, die wir noch endgültig von unseren gehärteten IT-Systemen überzeugen müssen. Genauso, wie es schon bald immer wichtiger werden wird, anderen Nutzern Angebote, zum Beispiel auf dem Schienenverkehrssektor und im Bereich der Energie- und Wasserversorgung, zu unterbreiten. Deren gegenwärtige IT-Systeme sind ja ebenfalls alles andere, als modern.

Aber das wird dann künftig in erster Linie deine Aufgabe sein, Mike“, sagte Alexander Hofmann, als er die Zusammenkunft in seinem Büro kurz danach beendete.

Gut ein Jahr nach dieser weichenstellenden Unterredung startete Alex Hofmann am Donnerstag, dem 27. Juli 2017– nach einer von Emotionen geprägten Abschiedsfeier in der Firma – seinen Umzug in das leerstehende Anwesen seiner Großmutter in der südlichen Toskana.

Das auf einem sanften Hügel in unmittelbarer Nähe der tyrrhenischen Küste gelegene und aus dicken Granitsteinen gebaute Haus hatte schon etliche Jahre auf dem Buckel. Außerdem stand es bereits seit längerer Zeit leer, was eine ganze Reihe zusätzlicher Renovierungsmaßnahmen notwendig machen würde.

Alexanders Großmutter hatte sich nämlich bereits im Alter von 75 Jahren in eine luxuriöse Seniorenanlage in der toskanischen Stadt Siena zurückgezogen. Und dort holte sich Alex bei seiner Fahrt in den Süden am Freitagmorgen seiner zweitägigen Anreise den Schlüssel zu ihrem ehemaligen Heim persönlich ab, nachdem er wegen der langen Wegstrecke am Abend zuvor in Bologna übernachtet hatte.

„Ich komme dich bald mal besuchen, ragazzo mio“, hatte die mit ihren 80 Jahren noch äußerst rüstige und für ihr Alter noch immer ausgesprochen hübsche Maria de Angelis gesagt, als ihr einziger Enkel sie am Freitagmittag zur Weiterfahrt in die Gemeinde Punta Ala verlassen wollte.

„Deine Mama Julia hat mich schon vor Wochen darüber informiert, warum du deinen Lebensmittelpunkt nach Italien verlegen willst. Und ehrlich gesagt – ich finde deine Entscheidung nach all den schlimmen Ereignissen, die du in letzter Zeit verarbeiten musstest, absolut richtig, Alessandro.“ Wobei sie ihn, wie schon in seiner Jugend, mit der italienischen Variante seines Vornamens anredete, der zudem auch der Vorname ihres verstorbenen Mannes gewesen war.

„Als Halbitaliener wirst schon bald merken, wie schön es an unserer toskanischen Küste ist. Dort kannst du dich mal richtig erholen und dir später notfalls auch eine neue Beschäftigung suchen. Obwohl du das ja aufgrund deines dicken Geldbeutels eigentlich gar nicht mehr nötig hast.

Und hübsche Mädchen gibt’s da unten ebenfalls zur Genüge. Vergrab dich also nach deinen bedauernswerten Erfahrungen mit deiner früheren Ehefrau nicht zu lange in meinem alten Landhaus, sondern geh‘ unter die Leute.“

„Den Ratschlag nehme ich gerne an, liebste Nonna. Aber zuerst mal muss ich mich um die Renovierung deines ehemaligen Anwesens kümmern. Und wenn ich damit fertig bin, hole ich dich hier ab und zeige dir, was bei meiner Modernisierung herausgekommen ist.“

„Natürlich, mein Schatz. Darum will ich dich auch gebeten haben. Ich freue mich schon auf deinen nächsten Besuch. Hier hast du die Hausschlüssel und das ist die Besitzurkunde für dich, die ich erst neulich von meinem Notar habe ausfertigen lassen.“

„Besitzurkunde?“, fragte Alexander Hofmann überrascht, als seine Oma ihm feierlich ein amtlich aussehendes Dokument überreichte.

„Ja, was hast du denn gedacht. Du hast zwar neben der deutschen, auch die italienische Staatsbürgerschaft und sprichst unsere Sprache perfekt. Aber das alleine reicht nicht, wenn du bauliche Veränderungen am Haus vornehmen willst.

Denn die musst du bei uns in Italien schließlich von der örtlichen Bauverwaltung genehmigen lassen. Und ohne, dass du der Besitzer des Anwesens bist, läuft da rein gar nichts. Außerdem wirst du mein Landhaus ja ohnehin mal erben. Daher können wir das Ganze auch ein wenig vorziehen.“

„Danke, Nonna. Vielen, vielen Dank. Das ist eine wunderbare Überraschung. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Versprich mir aber bitte, dass du mich anrufst, wenn du wegen irgendetwas meine Hilfe brauchst. Immerhin sind es ja nur gut 130 Kilometer bis zu dir nach Siena. Und die schafft mein alter BMW locker in anderthalb Stunden.“

„Einverstanden, Alessandro. Wir telefonieren aber hoffentlich auch dann mal miteinander, wenn mir nichts fehlt. Schließlich will ich wissen, wie es mit deiner Renovierung vorangeht.“

„Aber sicher, Nonna. So machen wir das. Du hörst an den Wochenenden regelmäßig von mir. Versprochen. Ich freue mich schon auf unser erstes Telefonat. Nur muss ich wahrscheinlich die Telefonanlage erstmal wieder anschließen und ein bisschen umbauen.

Wie du dir sicher vorstellen kannst, brauche ich auch in Punta Ala schon allein aus Informationsgründen einen schnellen Internetanschluss, auch wenn ich erstmal nicht mehr aktiv in dieser Branche arbeiten möchte.“

„Hast du – außer den bevorstehenden handwerklichen Arbeiten am Haus – sonst noch eine Idee, mit was du dir in Zukunft die Zeit vertreiben willst?“

„Noch nicht so wirklich, Nonna – aber da werde ich bestimmt was Passendes finden. Vielleicht schreibe ich ja ein paar Ratgeber für Computerbenutzer. Es gibt auf diesem Sektor ja mehr Laien, als Fachleute.

Und wenn ich dich das nächste Mal besuche, habe ich auch für dich ein Geschenk dabei, damit wir uns künftig beim Telefonieren gleichzeitig auch sehen können.

Keine Angst, was du zu dieser Face Time genannten Technik wissen musst, ist ziemlich einfach zu begreifen. Und da du noch immer so neugierig bist, wie ehedem, wird dir das auch nicht schwerfallen.“

„Naja, wir werden sehen, mein Schatz. Aber jetzt schau zu, dass du aufbrichst, damit du dein neues Heim noch bei Tageslicht erreichst.“

„Das mache ich, Nonna. Und nochmals vielen Dank. Du bist und bleibst die beste Nonna der Welt.“ „Und du mein Lieblingsenkel. Was dir ja auch nicht schwerfällt, weil du schließlich mein einziger Enkel bist.“

Gleich darauf umarmte und küsste Alessandro Hofmann seine Großmutter noch einmal zum Abschied und machte sich danach auf den Weg nach Punta Ala, wo er trotz des anhaltend starken Urlauberverkehrs voraussichtlich gegen 16:00 Uhr an diesem Freitagnachmittag eintreffen würde.

Wobei er auf dem letzten Stück der Fahrt entlang der Küstenstraße eine Weile lang darüber nachdachte, ob er als Halbitaliener an seinem neuen Wohnort künftig von Vorneherein besser seinen italienischen Vornamen benutzen sollte.

Angriff aus dem Cyberspace

Подняться наверх